Protocol of the Session on March 15, 2006

Meine Damen und Herren, ich hatte zuletzt gesagt, dass wir über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft, Drucksache 4/4447, abstimmen. Den Fraktionen wird zur allgemeinen Aussprache das Wort erteilt. Es beginnt die Fraktion der FDP, danach folgen CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, NPD, GRÜNE und Herr Schmidt sowie die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Meine Damen und Herren, die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass die Fraktion der FDP das Wort nimmt. Herr Dr. Martens, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute in 2. und gegebenenfalls in 3. Lesung zu behandeln ist der Gesetzentwurf der FDP zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes, insbesondere zur Umgestaltung der dort vorhandenen Vorkaufsrechte zugunsten des Freistaates und der Kommunen.

Zur Klarstellung: Das Vorkaufsrecht ist als gesetzgeberische Maßnahme eine Antwort in einem ganzen Bündel von Maßnahmen gewesen, die aus den Erfahrungen des Hochwassers im Jahre 2002 hier in Sachsen ergriffen worden sind. Durch Vorkaufsrecht soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass der Freistaat Grundstücksflächen erwirbt, die für den Hochwasserschutz im weitesten Sinne, also für Hochwasserschutzbauwerke auch in Entstehungsflächen, benötigt werden.

Die Ausgestaltung dieses Vorkaufsrechts erfolgte durch einen pauschalen Verweis auf die Vorkaufsrechte im Baugesetzbuch. Dort beginnt das Problem. Diese Vorkaufsrechte im Baugesetzbuch bewirken eine Grundbuchsperre. Bevor nicht ein so genanntes Negativattest vorgelegt werden kann, das heißt eine Mitteilung, mit der der Freistaat erklärt, von seinem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen, dürfen Grundstückskaufverträge im Grundbuch nicht vollzogen werden.

Die unzureichende personelle Ausstattung bei der Bearbeitung dieser Negativatteste durch die Landestalsperrenverwaltung hat in den vergangenen Jahren – seit Einführung des Gesetzes im Jahre 2004 – dazu geführt, dass ein Berg von bis zu 9 000 Grundstückskaufverträgen in Sachsen nicht vollzogen werden konnte. Das ist ein, wie wir finden, untragbarer Zustand, der auch von Betroffenen, insbesondere von der Notarkammer des Freistaates, mehrfach als extrem hinderlich angesprochen und gerügt worden ist.

Wir haben mit unserem Gesetzentwurf die Handhabung der Vorkaufsrechte vereinfacht, indem wir die Ausübung des Vorkaufsrechts an eine schlichte Zweimonatsfrist nach Mitteilung des Kaufvertrages durch den Notar binden, gleichzeitig aber die Grundbuchsperre und das Erfordernis des Negativattests aufheben.

In der Folge wird es möglich sein, auch den Grundstücksverkehr ganz normal fortzuführen. Nur in den Fällen, in denen der Freistaat selbst von einem Vorkaufsrecht Gebrauch machen möchte, wird es dazu kommen, dass im Wege des Vorkaufsrechts das Eigentum zum Freistaat überwechselt.

Diese Gesetzesnovellierung ist sinnvoll. Sie vereinfacht das Verfahren, ohne das Vorkaufsrecht als solches vollständig zu beseitigen. Denn wir sind der Auffassung, dass die Gesetzesbegründung zur Einführung des Vorkaufsrechts nach wie vor gilt und dass der Freistaat über Vorkaufsrechte die Möglichkeit haben sollte, Grundstücke, die zum Hochwasserschutz notwendig sind, zu erwerben, meine Damen und Herren.

Wir unterstützen jedes Instrument, das dem Hochwasserschutz dient. Wir wollen es eben nur effizient gestalten.

Die Kritik, die am Gesetzentwurf geübt worden ist, es gebe einen Referentenentwurf der Staatsregierung, überzeugt uns demgegenüber nicht. Das möchte ich vorgreifend hier ausführen.

Referentenentwürfe befinden sich nicht im Gesetzgebungsgang. Sie können jederzeit verändert werden. Wir wissen auch nicht, was im Einzelnen dort herauskommen soll. Im Übrigen ist das Problem dringend, meine Damen und Herren.

Das Problem, das den Grundstücksverkehr in weiten Teilen behindert, muss gelöst werden im Interesse der Bürger des Landes, im Interesse der Beteiligten, der Notare, der Wirtschaftsunternehmen, die auf schnelle Entscheidungen angewiesen sind. Wir können uns diese bürokratische Blockade nicht leisten. Sie schadet dem Grundstücksverkehr und den Investitionen in Sachsen.

Deswegen bitten wir Sie, unserem Gesetzentwurf, der dieses Problem tatsächlich löst und der auch zeitnah umzusetzen ist, die Zustimmung zu geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort; Prof. Mannsfeld, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte ein bisschen an die Chronologie der Ereignisse anknüpfen, muss allerdings damit beginnen, dass der Landtag am 14. November 2002 nach den Erfahrungen aus den Hochwasserereignissen vom August 2002 verschiedene gesetzliche Regelungen ergriffen hat und im Naturschutzgesetz zunächst einmal für Grundstücke oberirdischer Gewässer und die an sie angrenzenden Grundstücke und für die erstmals definierten Überschwemmungsgebiete ein solches Vorkaufsrecht des Staates begründete. Man darf sagen: Es gab zunächst keinerlei Irritationen im Grundstücksverkehr.

Am 8. August 2004 wurde zusätzlich im Wassergesetz das Vorkaufsrecht nach § 25 ergänzt, sodass es nun neben den bekannten Tatbeständen auch für Überschwemmungsgebiete und Hochwasserentstehungsgebiete galt und die beiden Kategorien umfasste.

In dieser umfänglichen Erweiterung und in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen zum Baugesetzbuch über gemeindliche Vorkaufsrechte entstand eine völlig neue Situation. Hintergrund für die Änderung war und bleibt – das möchte ich noch einmal deutlich unterstreichen – die Verbesserung des präventiven Hochwasserschutzes, zum Beispiel durch Freihalten von bestimmten Flächen für den Wasserabfluss oder Vorsorgemaßnahmen zur Erhöhung der Wasserrückhaltung.

Mit dem erweiterten Vorkaufsrecht sollte erreicht werden, dass der Grundstücksverkehr den Unterhaltungsträgern der Gewässer bekannt wird, um entscheiden zu können, ob der Staat für Zwecke des Hochwasserschutzes Grundstücke erwirbt oder nicht. In der Gesetzesnovelle vom August 2004, die zum 1. Januar in Kraft trat, zeigte sich, dass dieser Grundsatz der Vorkaufsrechte im praktischen Vollzug zu Unsicherheiten oder Irritationen bei den zuständigen Behörden führte. Die Grundbuchämter waren nun verpflichtet, bei allen Kaufverträgen über Grundstücke eine Anfrage bei der zuständigen Landestalsperrenverwaltung vorzunehmen, um dort ein Negativattest zu erhalten, aus dem hervorgeht, dass das Vorkaufsrecht des Staates nicht ausgeübt wird.

Eine auf die neue Gesetzeslage sicher noch nicht ausreichend vorbereitete Behörde und gleichzeitig eine in der öffentlichen Diskussion befindliche Frage über die mögliche Abschaffung der Eigenheimzulage führten zu einer erheblichen Steigerung von Bauanfragen oder Grundstückserwerbsabsichten. Der eingetretene Bearbeitungsstau hatte sicher zahlreiche negative bzw. nachteilige

Auswirkungen auf die Bürger, auf Banken, aber auch auf Notare; denn – ich nenne die Zahl noch einmal – im vergangenen Jahr sind 23 000 Anfragen eingegangen.

In dieser Situation – in der wir diesen Prozess vielleicht noch nicht vollständig beherrscht hatten – brachte die FDP-Fraktion im Januar 2006 einen Gesetzentwurf ein, der einen Beitrag zur Überwindung der entstandenen Situation leisten sollte, in welchem sie ein Verfahren vorschlug – wir hörten es gerade noch einmal –, in dem zwischen Verkäufer, Freistaat und Gemeinden das Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt ausgeübt werden soll – sicherlich ein legitimer Vorstoß zur Überwindung des Antragsstaus und allemal besser, als über die Abschaffung des Vorkaufsrechts insgesamt nachzudenken. Darin stimmen wir wohl überein.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Inzwischen war jedoch auch das zuständige Ministerium nicht untätig und trug zunächst durch personelle Hilfen in der Talsperrenverwaltung dazu bei, dass der Antragsstau von rund 9 000 nicht bearbeiteten Anträgen bis zum Ende dieses Monats vollständig abgearbeitet und künftig eine Frist von 14 bis 21 Tagen für die Ausstellung der Atteste die Regel sein wird.

Weiterhin verfügt die Behörde nun über eine gemarkungsgenaue Karte, in der alle Flächen außerhalb von Gewässern I. Ordnung und der Bundeswasserstraße erfasst sind, sodass für einen großen Teil des Landes sofort erkannt und damit ausgesagt werden kann, ob überhaupt ein Vorkaufsrecht infrage kommt oder nicht. Auch die wasserfachliche Prüfung für die Gebiete, in denen ein Interesse des Staates am Erwerb von Grundstücken bestehen könnte, wurde im Oktober 2005 abgeschlossen, sodass auch hier zukünftig rascher entschieden werden kann, ob es ein Vorkaufsrecht geben sollte oder nicht.

Die zeitweise unübersichtliche und, zugegeben, nicht immer erfreuliche Situation zur Ausübung des staatlichen Vorkaufsrechts zum Zwecke des Hochwasserschutzes ist nun – und das ist die wichtigste Feststellung für mich – überwunden. Noch am Montag hat uns dies die Notarkammer bestätigt. Es bedarf daher keines weiteren bürokratischen Verwaltungsaktes, wie von der FDP-Fraktion vorgeschlagen, zumal die in der Gesetzesbegründung beschriebene Rolle der Notare bei einem Verwaltungsakt eher wie ein Beschäftigungsprogramm für diese Berufsgruppe aussieht. Denn wie anders ist es wohl zu interpretieren, dass der FDP-Gesetzentwurf zwangsläufig einen Notar einschalten wollte, während es bisher den Kaufvertragsparteien freistand, sich eines solchen zu bedienen.

Auch die Streichung des Verweises auf die Vorschriften im Baugesetzbuch ist handwerklich ein grober Fehler, da er den Vollzug des Wassergesetzes erheblich einengt; denn in der Endkonsequenz wird durch die fehlende Bezugnahme des Vorkaufsrechts auf die bisher ausgeschlossenen Vorkaufsfälle – Familienveräußerung, für

Landesverteidigung, für Zivilschutz und anderes – erweitert. Schließlich regelt der Entwurf die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts doppelt – –

Gestatten Sie eine Zwischen- frage?

Kann ich den Satz noch zu Ende bringen?

Ja, selbstverständlich.

– durch den ausdrücklichen Verweis auf die Ausübung des Vorkaufsrechts sowohl im Wassergesetz als auch im Baugesetzbuch. Dadurch wird die Vorschrift unübersichtlich; denn es ist wohl übersehen worden, dass im § 469 Bürgerliches Gesetzbuch – den Sie auch anführen – diese Vorschrift mit der Zweimonatsfrist bereits zwingend angeordnet worden ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön, Herr Dr. Martens.

Gestatten Sie, Herr Prof. Mannsfeld, eine Frage? Sie sprachen eben davon, dass es den Kaufvertragsparteien auch ohne Notar möglich sei, Negativatteste einzuholen. Insofern wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie mir sagen könnten, weshalb in Sachsen als einzigem Bundesland demnach der Abschluss von Grundstückskaufverträgen ohne notarielle Befassung möglich sein soll.

(Heiterkeit bei der FDP)

Nach meinem Dafürhalten wissen Sie ja selbst, was Sie mich fragen wollten.

(Heiterkeit bei der FDP)

Für die Anfrage benötigen Sie keine notarielle Begleitung. Insofern kennen Sie den Antragstext und Ihren Begründungstext zwangsläufig selbst gut genug, um zu wissen, dass die Konsequenz, die Sie anstreben, im Grunde genommen eine Vervielfältigung der Mitwirkungsrechte von Notaren darstellt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich noch den dritten Punkt benennen. Dass Sie in § 2 Ihres Gesetzentwurfes, in dem Sie den Freistaat und die Gemeinden das Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausüben lassen wollen, nun sämtliche Kaufverträge – unabhängig davon, ob es sich um ein Vorkaufsrecht für den Staat oder für die Gemeinde handeln soll – der Landestalsperrenverwaltung mitteilen wollen, ergibt keinen Sinn; denn der Ansatzpunkt Ihres Gesetzes war ja gerade, das Negativattest abzuschaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus diesen und ähnlichen Gründen haben die Mitglieder des federführenden Ausschusses am 17. Februar 2006 mit großer Mehrheit beschlossen, dem Landtag zu empfehlen, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung abzulehnen.

In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Das Wort hat die Linksfraktion.PDS; Frau Kagelmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich unmittelbar zum Gesetzentwurf der FDP-Fraktion äußere, möchte ich Folgendes voranschicken:

Ich bin Kollegen Günther von der FDP-Fraktion sehr dankbar für die Kleine Anfrage an die Staatsregierung zu den Bearbeitungsfristen der Landestalsperrenverwaltung bei der Klärung von Vorkaufsrechten nach dem heute in Rede stehenden § 25 des Sächsischen Wassergesetzes. Meine Fraktionskollegen Klaus Bartl und Andrea Roth hatten bereits im Rahmen der Beratungen über das Zweite Gesetz zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss wie im Plenum auf den durch diese Regelung heraufbeschworenen und durch nichts zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwand hingewiesen.