Liebe Kolleginnen und Kollegen Demokraten, es bringt uns aber überhaupt nicht weiter, wenn wir jetzt die Hände ringen oder gar Wählerschelte betreiben. Es muss vielmehr unsere vornehmlichste Aufgabe sein, jene von der Demokratie enttäuschten Bürgerinnen und Bürger, die auf die simplifizierenden Antworten und Propagandaparolen der braunen Verführer hereingefallen sind, in den Schoß der demokratischen Wertegemeinschaft zurückzuführen.
Um dies zu erreichen, bedarf es einer neuen Ernsthaftigkeit, bedarf es mehr inhaltlicher Substanz und nachvollziehbarer Argumente in unseren Debatten, bedarf es der überzeugenden Beweisführung, dass die freiheitliche Demokratie nicht nur die einzige gerechte und die Würde des Menschen respektierende Gesellschaftsordnung ist, sondern dass sie auch die unleugbar großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme unserer Zeit zu meistern vermag.
Dieser Beweis muss in erster Linie über eine sachorientierte und erfolgreiche Regierungsarbeit angetreten werden. Für den Part meiner Fraktion möchte ich in aller Form erklären, dass wir unseren Teil dazu beisteuern werden, dass diese Regierung fünf Jahre lang erfolgreich arbeiten kann.
Wir wissen sehr gut, dass politische Stabilität die Grundvoraussetzung für die gesunde Weiterentwicklung unseres Landes ist, und – so viel Egoismus sei gestattet – wir wissen natürlich auch, dass die sächsische SPD nur dann eine gute Zukunft haben wird, wenn diese Regierung erfolgreich ist. Uns ist klar, dass diese Regierungsbeteiligung eher ein Vorschuss als ein Verdienst ist. Umso mehr sind wir gewillt, diese Chance zu nutzen.
Fast genauso wichtig wie eine stabile und anpackende Regierung ist aber auch eine in der Sache hart argumentierende, gleichzeitig faire und konstruktive demokratische Opposition. Lieber Herr Kollege Nolle, äh, lieber Herr Kollege Porsch,
was Sie vorhin zu meinem Freund und Genossen Karl Nolle gesagt haben, gehört nicht in die Kategorie konstruktive und faire Opposition.
Aus fairer und konstruktiver Oppositionsarbeit leitet sich natürlich im Umkehrschluss auch ab, dass die Opposition legitimen Anspruch auf faire Behandlung seitens der Koalition sowie der Staatsregierung hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der größten Oppositionspartei im Sächsischen Landtag! Schon aus historischen Gründen habe ich mich – und das wissen Sie – stets dagegen verwahrt und werde mich auch in Zukunft dagegen verwahren, Ihre Partei mit dem extrem rechten Rand des politischen Spektrums zu vergleichen oder gar gleichzusetzen. Dennoch kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, im Wahlkampf nicht immer besonnen und weitblickend genug gehandelt zu haben.
Im Streben nach Popularität und noch mehr Wählerstimmen sind diffuse Ängste geschürt worden, aus denen Radikalität wuchs. Das ist nicht gut für die Demokratie.
Bei diesem Spiel mit dem Feuer haben Sie – ich hoffe und sage ausdrücklich „unwissentlich“ – eine Saat ausgebracht, deren Früchte am Ende Rattenfänger ganz anderer Couleur geerntet haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, 25 % der Wählerstimmen sind in der Demokratie – und zu der wollen Sie ja wohl gehören – zunächst einmal eine große Verantwortung. Diese Verantwortung bitte ich Sie ganz herzlich mehr als bisher wahrzunehmen.
Meine Damen und Herren! Für alle Demokraten hier im Landtag wie draußen in den Städten und Gemeinden muss jetzt der erste Grundsatz allen Handelns lauten: Die Verteidigung der Demokratie hat Vorrang vor den Parteiinteressen. Um mit Erich Kästner zu sprechen: „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“
Verehrter Herr Ministerpräsident! Mit Recht haben Sie in Ihrer Regierungserklärung immer wieder betont, dass Sachsen auf einem guten Weg ist. Wir erkennen gern an, dass uns eine solide Finanzpolitik Handlungsspielräume bewahrt hat, von denen die anderen ostdeutschen Bundesländer nur träumen können. In Sachsen sind auch industrielle Kerne erhalten bzw. neu geschaffen worden, die heute die Grundvoraussetzung für jenes Wachstum bilden, über das wir uns alle freuen. Der Fairness halber sei allerdings an dieser Stelle angemerkt, dass man das traditionsreiche dicht besiedelte Industrieland Sachsen natürlich nicht mit Mecklenburg-Vorpommern oder mit weiten Teilen Brandenburgs vergleichen kann. Und dennoch: Es gibt gute Gründe, auf das gemeinsam Erreichte stolz zu sein.
Dieser grundsätzliche Optimismus darf uns aber nicht dazu verleiten, die Augen vor den Problemen zu verschließen, die es auch in unserem Land immer noch in Hülle und Fülle gibt. Der große, ja sogar deutlich steigende Anteil der Protestwähler und Wahlverweigerer zeigt uns, wie kritisch die gegenwärtige Situation von unseren Bürgern bewertet wird. Es kann folglich kein einfaches „Weiter so!“ geben. Was wir brauchen, ist eine
kluge Synthese aus Kontinuität und Erneuerung. Genau darin, meine sehr verehrten Damen und Herren, besteht der Geist des Koalitionsvertrages, eines Koalitionsvertrages, für den uns über die Grenzen Sachsens hinaus viel Anerkennung gezollt wurde und den es jetzt in gute Sachpolitik umzusetzen gilt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns doch wohl alle darin einig, dass die zentrale Aufgabe die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit ist. Die Politik kann bekanntlich keine Arbeitsplätze schaffen, wohl aber gute Rahmenbedingungen setzen, die letztendlich zu mehr Beschäftigung führen.
Der Koalitionsvertrag zeichnet sich nun dadurch aus, dass er den Einstieg in die Neuausrichtung der Förderstrategie festlegt. Die vereinbarten 30 Millionen Euro für den Mittelstandsfonds sind dabei nur ein Anfang. „Mittelstand in den Mittelpunkt“ – das ist unsere Devise.
Wenn wir vom Mittelstand sprechen, dann ist dabei auch stets ein regionaler Bezug enthalten. Überall in Sachsen gibt es industrielle Ansätze, die es gezielt zu entwickeln und auszubauen gilt. Wir müssen die Peripherie an die großen Leuchttürme heranführen und kleine Leuchttürme überall im ganzen Land entstehen lassen. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag auf das vom Ministerpräsidenten bereits erwähnte integrierte Förderprogramm „Regionales Wachstum“ verständigt, für welches 2005 und 2006 jeweils 10 Millionen Euro zur Verfügung stehen werden.
Der Koalitionsvertrag enthält aber auch Elemente, die hin zu einer neuen Qualität bei der Beteiligung der Sozialpartner führen. Wir wollen, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber in gleicher Augenhöhe gegenüberstehen. Miteinander statt gegeneinander, nur so wird Sachsen gedeihen.
Herr Ministerpräsident, es ist absolut richtig, wir werden uns dabei an den Besten Europas orientieren. Jeder junge Mensch hat einen Anspruch darauf, individuell gefördert zu werden. Denn „der Mensch soll lernen, nur die Ochsen büffeln“ – um noch einmal Erich Kästner zu zitieren.
Deshalb wollen wir eine verbesserte Schuleingangsphase und vorschulische Bildung in Angriff nehmen. Dafür werden 800 zusätzliche Stellen im Grundschulbereich geschaffen und zusätzliche Mittel für die Kindertagesstätten zur Verfügung gestellt.
Wir öffnen das Schulsystem für längeres gemeinsames Lernen. Das ist eine Aussage des Koalitionsvertrages, die gute und große Resonanz in Schulen und in der Öffentlichkeit gefunden hat.
Die Ganztagsschulangebote werden durch 30 Millionen Euro untersetzt. Und weil wir benachteiligten jungen Menschen noch stärker als bisher helfen wollen, werden 100 neue Stellen im Bereich der Förderschulen geschaffen.
Weiterhin gibt es 100 Stellen für ein Seiteneinsteigerprogramm an berufsbildenden Schulen, und wir freuen uns auf zehn Pilotprojekte „Produktives Lernen“ an Mittelschulen.
Aber wir freuen uns auch darüber, dass die überfällige Neuausrichtung und Neuorganisation der Lehrerausbildung nun in Angriff genommen werden kann.
Last but not least sind im Koalitionsvertrag enthalten: die Aufstockung der Schulbaumittel inklusive eines Schulbibliotheksprogramms, die Neuordnung der Schulaufsicht, die Neuregelung der Finanzierung freier Schulen und – ganz besonders wichtig – der Erhalt von mehr kleinen Schulen im ländlichen Raum.
Meine Damen und Herren, wer da noch behauptet, die Sozialdemokraten hätten im Bildungsbereich ihre Prinzipien aufgegeben, der hat den Koalitionsvertrag einfach nicht gelesen.
Wir haben mit unserem Regierungspartner einen fairen und vor allem auch praktikablen Kompromiss gefunden, der in die richtige Richtung führt.
Zur nächsten Stufe der Bildungsleiter: Um den Hochschulen noch mehr Raum und Motivation zu geben, hat die Koalition die Novellierung des Sächsischen Hochschulgesetzes vereinbart. Mit Sofortprogrammen wollen wir rasche Verbesserungen bei der Ausstattung der Bibliotheken sowie bei der Vergütung studentischer Hilfskräfte bewirken.
weil wir gerade auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung für Sachsens Zukunft mehr Studenten brauchen und nicht weniger, von sozialen Aspekten ganz zu schweigen.
Zur Familienpolitik: Das gute Angebot an Kindertagesstätten, welches längst zu einem echten Standortvorteil für Sachsen geworden ist, wollen wir erhalten bzw. ausbauen. Um dies zu erreichen, sieht der Koalitionsvertrag eine Erhöhung des Landeszuschusses für Kindertagesstätten um fast 10 %, also 136 Euro pro Kind, vor. Die Kommunen werden dadurch spürbar entlastet und sollen in die Lage versetzt werden, zusätzliche Kindertagesstättenplätze zur Verfügung zu stellen. Um den Sanierungsstau zu verringern, wird die Koalition jährlich 15 Millionen Euro für ein Investitionsprogramm Kindertagesstätten zur Verfügung stellen. Wir wollen die Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen verbessern und das letzte Kindergartenjahr künftig zu einem Schulvorbereitungsjahr entwickeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, richtungweisend ist auch die Verlängerung des Kulturraumgesetzes zunächst bis 2011,
wobei der finanzielle Beitrag des Freistaates sogar um 10 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt wird. Darüber hinaus werden ab 2005 mehr Mittel für die allgemeine Kunst- und Kulturförderung bereitgestellt und wird das Fördervolumen auf jährlich mindestens 6,55 Millionen Euro festgeschrieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich könnte noch viele weitere Beispiele für eine sozialdemokratische Handschrift im Koalitionsvertrag nennen. Ich kann es aus Zeitgründen nicht tun. Schlussendlich ist es eigentlich auch gar nicht wichtig, von wem die Vorschläge kommen, Hauptsache, sie sind gut. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen Demokraten, lasst uns in den kommenden fünf Jahren einzeln marschieren, aber gemeinsam kämpfen für ein modernes, weltoffenes und tolerantes Sachsen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, es scheint so, als sei Ihnen der Verlust der absoluten Mehrheit bei Ihrer Wahl während der konstituierenden Sitzung derart auf den Magen geschlagen, dass Sie über Nacht Ihr Redemanuskript geändert und länger über die NPD geredet haben als darüber, wie Sie Arbeitsplätze in Sachsen schaffen wollen.
Wenn man nichts zu sagen hat, wenn man nichts vorzuweisen hat, prügelt man mit Lügen und Verleumdungen auf andere ein. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet ein CDU-Ministerpräsident Joseph Goebbels zitiert und damit den ehemaligen Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda offenkundig im Parlament wieder salonfähig machen will.