Und nun zur PDS. Die Nachfolgepartei der SED beteuert auf Schritt und Tritt ihre Verfassungstreue. Dem steht entgegen, dass es Gruppierungen innerhalb der PDS gibt, die zu Recht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen, weil von ihnen verfassungsfeindliches Gedankengut ausgeht.
Hinzu kommt, dass die PDS immer noch keinen klaren Trennstrich zu ihrer SED-Vergangenheit gezogen hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, solange jeder aufgedeckte Stasi-Fall in der PDS mit Solidarität und Beifallsbekundungen aufgenommen wird nach dem Motto „Willkommen im Klub“, gibt es keinerlei Grund für Entwarnung.
Wo leben wir denn?! Die Stasi war doch kein Wohltätigkeitsverein. Haben wir das vergessen? Auf ihr Konto gehen Mord und Folter, Trennung von Kindern und Eltern, Lug und Trug, Verfolgung, Freiheitsberaubung und vieles Schreckliche mehr.
Das sind doch keine Kavaliersdelikte, die man einfach unter den Teppich der Geschichte kehren könnte! Was
mich besonders stört, ist, dass die PDS mit dem Einzug der NPD in den Landtag für sich ein neues Deckmäntelchen gefunden zu haben scheint nach dem Motto: Wir sind die einzige wirksame Kraft gegen Rechts, wir die Antifaschisten. Täuschen Sie sich nicht! Darauf fallen wir nicht herein!
Ihr Klamauk, den Sie in den ersten Sitzungen des 4. Sächsischen Landtages veranstaltet haben, und erst recht nicht die Aktivierung der linksautonomen Szene, wie jüngst in Pirna, wird keinen einzigen NPD-Wähler davon überzeugen, dass er sich zur Wahl möglicherweise falsch entschieden hat, ganz im Gegenteil.
Ich neige dazu, mir einige Sätze von Christian Graf von Krockow zu Eigen zu machen, der in seiner ChurchillBiografie von 1999 unter anderem Folgendes ausführt: „Die geistige Auseinandersetzung, die intellektuelle Debatte des 20. Jahrhunderts ist im kontinentalen Europa von den beiden radikalen Bewegungen geprägt worden. Sei es als Parteigängerschaft, sei es als Antikommunismus oder Antifaschismus. Wie kam es zur Verführbarkeit der Massen und zur Komplizenschaft der Intellektuellen?
So oder ähnlich lauten die Fragen, zu denen sich inzwischen etwas wie Ratlosigkeit mischt, weil plötzlich gegenstandslos geworden ist, worum man so lange und so leidenschaftlich gestritten hat. Gerade dies sollte der Anlass dafür sein, an der Jahrhundertwende den Jahrhundertrückblick einer entscheidenden Revision zu unterziehen, denn unserer Debatte und historischen Perspektive, mit welchem Pro und Kontra auch immer, haftet etwas peinlich Provinzielles an. Die Alternative zum Kommunismus“ – so Graf von Krockow – „war nicht der Faschismus oder umgekehrt, sondern den wirklichen Gegenpol zu beiden Bewegungen bildeten die liberalen westlichen Demokratien.“
So weit dieses Zitat. Folgt man diesen Gedanken, dann kommt es auch heute darauf an, dass die gemäßigten demokratischen Kräfte zusammen gegen die Extremisten stehen. Der Streit, welche Seite die gefährlichere sei, links oder rechts, ist müßig – die wehrhafte Demokratie darf weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind sein.
Da hilft es auch nicht, wenn man die Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht gegeneinander aufwiegt. Gewaltbereitschaft und Gewalt auf der einen Seite, wenn auch zahlenmäßig geringer angeführt, ist genauso wenig zu vertreten wie auf der anderen Seite, wo man wesentlich mehr Delikte festgestellt hat. Es gibt kein Unrecht,
Diese Positionsbestimmung wird in Landtagsdebatten wohl immer wieder eine Rolle spielen; sie darf uns aber nicht die ganze Legislaturperiode ausschließlich beschäftigen. Wichtig ist das, was der Herr Ministerpräsident heute in seiner Regierungserklärung ausgeführt hat. Wichtig ist, was uns Zukunftsfähigkeit erlangen lässt. Dazu gehört auch Zuversicht, dass die Menschen im Lande wieder Mut bekommen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Wir haben die Aufgabe, unser Land weiter aufzubauen, genauer gesagt, möglichst gute Bedingungen zu schaffen, damit es sich weiter gut entwickeln kann. Sachsen soll ein Land bleiben und in mancher Beziehung noch werden, in dem die Menschen gern leben, ihr Auskommen finden, nicht nur heute, sondern auch in Zukunft. Regierung und Landesparlament müssen alles daransetzen, dass die besonderen Bedingungen des notwendigen Anpassungsprozesses und die Notwendigkeit, teilungsbedingte Nachteile auszugleichen, vom Bund und von der EU weiterhin anerkannt und berücksichtigt werden.
Es hat sich wohl inzwischen herumgesprochen und es war auch Bestandteil der Regierungserklärung, dass wir auf der anderen Seite in erster Linie selbst dazu beitragen müssen, die gewährten Hilfen sinnvoll und zweckentsprechend einzusetzen. In Sachsen ist das bisher gelungen. Die Koalition hat sich verpflichtet, diesen Weg fortzusetzen. Dafür sind wir dankbar.
Es bedeutet, dass streng zu trennen ist zwischen Finanzmitteln, die für Investitionen vorgesehen sind – das sind vor allem die Mittel aus dem Solidarpakt –, und den laufenden Ausgaben, überwiegend für Gehälter für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Letztere müssen fortlaufend gezahlt werden, Monat für Monat, auch dann noch, wenn der Solidarpakt II nach dem 31. Dezember 2019 endgültig ausgelaufen sein wird. Nicht erst dann, sondern möglichst schon heute müssen wir es schaffen, die laufenden Ausgaben mit den laufenden Einnahmen (ohne Solidarpaktmittel) in Übereinstimmung zu bringen. Hieran knüpft sich die Frage: Wie viele Beschäftigte können wir uns bei welcher Gehaltshöhe gemessen an den Einnahmen leisten? Das ist eine ganz klare Botschaft. Daran kann man nichts deuteln.
Allerdings wird es hier unterschiedliche Antworten geben. Die Gewerkschaften werden andere Vorstellungen haben als die öffentlichen Arbeitgeber. Auseinandersetzungen sind also vorprogrammiert. Diese Auseinandersetzungen könnte man allerdings mit einer verantwortungslosen Politik vermeiden, mit einer Politik der ständig steigenden Neuverschuldung und der hemmungslosen Fehlverwendung der Solidarpaktmittel. Der große Knall kommt dann erst später, spätestens 2020, höchstwahrscheinlich aber schon wesentlich eher; denn der Bund und die Geberländer werden sich überlegen, ob sie ihre Solidarität unter solchen Bedingungen fortführen wollen. Immer mehr stellt sich auch die Frage, ob sie es überhaupt noch können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nun noch der Frage nachgehen: Wie weit sind unsere Auffas
sungen von denen anderer demokratischer Parteien entfernt? Glaubt man den Aussagen von Frau Hermenau, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in der Sendung mit Sabine Christiansen am 28. November 2004, dann gibt es zwischen ihrer Partei und uns in den Kernfragen der Politik kaum Differenzen. Sie sieht für Deutschland vor allem drei Probleme – das habe ich mir aufgeschrieben: das Zinsproblem, das Steuerproblem, das Rentenproblem.
Ich will das aufgreifen. Von den Zinsen käme man herunter, wenn der Staat in der Lage wäre, Schulden zu tilgen. Wir haben uns das nach 2009 vorgenommen. Wir wollen bis 2009 auf Null kommen, dann müsste es eine Ära geben, in der der Freistaat Sachsen in der Lage wäre, Zinsen zu tilgen. Das ist ziemlich einmalig in Deutschland und ist eine Zukunftsvision, aber eine realistische und vor allem notwendige. In diese Lage können wir aber nur kommen, wenn es uns gelingt, die Ausgaben des Staates zu verringern und/oder die Steuereinnahmen zu verbessern. So weit das Problem.
Das Rentenproblem lässt sich nach meiner Überzeugung im bisherigen System überhaupt nicht lösen, auch wenn Norbert Blüm auf dem jüngsten CDU-Bundesparteitag immer noch anderer Meinung war. Hier ist eine Umstrukturierung und ein gerechtes Austarieren zwischen den Generationen nötig. Daran geht kein Weg vorbei. Dazu gehört zunächst eine ehrliche Information über die Möglichkeiten. Deutschland hat 82 Millionen Einwohner, davon sind zurzeit lediglich 26,3 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Rentenversicherung – so war zu hören – braucht derzeit schon 80 Milliarden Euro Bundeszuschuss aus Steuermitteln jährlich. Das ist ein Teil der Problemlagen, in die unser Wirken in der 4. Legislaturperiode des Sächsischen Landtages eingebettet ist, ob wir es wollen oder nicht.
Zur Lösung dieser Probleme können wir mit unserer Landespolitik nur zu geringem Teil beitragen. Aber das, was wir tun können, müssen wir tun. Dazu brauchen wir einen parteiübergreifenden Pakt für eine langfristige, nachhaltige Politik, die den Interessen künftiger Generationen Vorrang einräumt vor den Interessen von heute. Ich weiß natürlich, dass die Menschen, die heute leben, nicht immer nur auf die Zukunft vertröstet werden können. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als immer versucht wurde, uns die Zukunft in leuchtenden Farben darzustellen, und gleichzeitig die Entschuldigung kam, dass es heute wegen der besonderen Umstände und Bedingungen noch nicht so sein kann und dergleichen mehr. In diesen Fehler wollen wir nicht verfallen, aber es geht heute auch nicht mehr unbedingt darum, wie es unsere Eltern wohl immer im Blick hatten: dass es unseren Kindern einmal besser gehen soll als uns. Wir müssen vielmehr deshalb zu höchster Anstrengung bereit sein, damit es unseren Kindern und Enkeln nicht eines Tages wesentlich schlechter geht als uns.
Deutschland und auch Sachsen stehen gewiss nicht schlecht da. Unsere Voraussetzungen sind gut. Wir sollten in der Tat aufhören, unser Land schlechtzureden. Aber wir wissen, dass es nicht gut bleibt und nicht gut weitergeht, wenn sich nichts ändert. Die Bevölkerung wird zu Veränderungen auch bereit sein, wenn das Ziel
erkennbar ist und wenn die Erkenntnis dazukommt, dass es bei den notwendigen Veränderungen gerecht zugeht. Dieser Eindruck war in der Vorwahlzeit 2004 bei vielen nicht mehr gegeben und er war in der Kürze der Zeit auch nicht mehr zu verändern.
Ich erlaube mir an dieser Stelle ein Zitat aus der Rede eines Reformers mit Namen Edmund Burke im englischen Unterhaus. Er sagte: „Mit größtem Ernst möchte ich die Regierung bitten, die Weisheit zeitiger Reformen zu bedenken. Frühzeitige Reformen gleichen Übereinkünften unter Freunden, verspätete Reformen aber Bedingungen, die man einem unterworfenen Feind auferlegt. Frühzeitige Reformen finden in ruhiger Atmosphäre statt, verspätete in allgemeiner Erregung. Ist es erst soweit gekommen, dann nimmt das Volk an seiner Regierung nichts Achtenswertes mehr war. Es verfällt in die Wut einer wilden Menge, die nichts mehr verbessern, sondern nur noch niederreißen will.“
Die Politik hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Gemessen an den Fakten hätte die CDU in Sachsen eigentlich weiterhin mit großer Zustimmung rechnen können, denn alle Nachrichten der jüngsten Zeit bescheinigen unserem Land auf vielen Gebieten eine Spitzenstellung. Darauf hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung zu Recht hingewiesen. Diese Erfolge, deren Saat bereits vor vielen Jahren gelegt wurde, waren auch schon vor der Wahl deutlich erkennbar. Ein erheblicher Teil der Wählerschaft hat das auch immer noch anerkannt, aber ein Teil derer, die uns 1999 noch gewählt hatten, haben die allgemeinen Erfolge mit Blick auf ihre eigenen speziellen Sorgen und Ängste nicht mehr interessiert. Hier ist der Glaube abhanden gekommen, dass es die, die es seit 1990 allein in der Regierungsverantwortung geregelt hatten, weiter richten können. Hinzu kommt, wenn wir ehrlich sind, dass wir Gefangene unserer eigenen Rituale sind. Die Glaubwürdigkeit von Politik muss doch letztlich auf den Hund kommen, wenn in den Parlamenten alles immer wieder nach dem gleichen Strickmuster abläuft. Die Regierung stellt ihre Erfolge in leuchtenden Farben dar. Wir hatten heute Gelegenheit, von Erfolgen zu hören. So leuchtend sind die Farben nicht gewesen, sondern es war eine realistische Darstellung.
Ich kenne aus dem Deutschen Bundestag ganz andere Erklärungen. Die Opposition sieht hier wie im Bundestag das ganze Gegenteil, spricht von einer total verfehlten Politik und sucht nach immer neuen Begriffen, um ihr Urteil möglichst vernichtend an den Mann zu bringen. Glaubwürdig ist weder das eine noch das andere.
Was ich hier schildere, läuft im Deutschen Bundestag nicht anders ab als hier im Sächsischen Landtag, wobei wir uns immer um Sachlichkeit bemühen. Insofern meine ich, was den Bundestag betrifft, dass sich auch Mitglie
An dieser Stelle komme ich nun abschließend zu den Chancen der schwarz-roten Koalition in Sachsen. Zwischen SPD und CDU ist das alte Ritual erst einmal außer Kraft gesetzt. Wir tragen nun beide Verantwortung und müssen uns an den Koalitionsvertrag halten. Das diszipliniert natürlich. Natürlich bedarf auch eine Koalitionsregierung der Kontrolle und der kritischen Beobachtung durch die Opposition. Aber, meine Damen und Herren, vielleicht gelingt es, die Ebene der Sachlichkeit auszuweiten und öfter zu Übereinkünften zu gelangen, die auch von den anderen demokratischen Fraktionen mitgetragen werden können. Natürlich wird das nicht immer gelingen. Die regierungstragende Mehrheit muss im Sinne ihrer besonderen Verantwortung ihr eigenes Konzept verfolgen und darf sich dabei nicht von jeder abweichenden Meinung beirren lassen.
Meine Damen und Herren! Die CDU bietet allen eine konstruktive Zusammenarbeit an, die unserem Land und seinen Menschen dienen wollen. Für diejenigen, die unsere demokratischen Strukturen zerstören und die Werte eines menschenwürdigen Zusammenlebens beiseite schieben wollen, gilt dieses Angebot nicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl. Noch vor wenigen Monaten, genauer am 24. Juni 2004, hatte der Vorsitzende der SPD-Fraktion zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Milbradt aus dem Blickwinkel der Opposition zu sprechen, dort, wo es nötig schien, Kritik an der Regierungspolitik zu üben und eigene – wie ich denke – konstruktive Alternativen vorzutragen. Inzwischen – wie wir alle wissen – hat der Wählerwille die politische Landkarte des Freistaates Sachsen gründlich verändert. Die 14 Jahre lang allein regierende CDU hat die absolute Mehrheit in diesem Hohen Haus deutlich verfehlt und musste erstmals die Macht teilen. Außerdem sind diesmal gleich fünf demokratische Parteien in den Sächsischen Landtag eingezogen, die mit eigenen Vorstellungen und parlamentarischen Initiativen zur politischen Willensbildung des Parlaments beitragen wollen und werden. Dies alles stellt natürlich kein Problem für die Demokraten dar, sondern es ist vielmehr Ausdruck wachsender Normalität und vermutlich sogar Bereicherung in unserem politischen Alltag.
Dieses Jahr 2004 hielt aber auch eine Überraschung bereit, auf die jeder Demokrat liebend gern verzichtet hätte: die Wahl einer Partei in den Sächsischen Landtag, deren erklärtes Ziel es ist, unserer freiheitliche Demokratie – wie sie zu sagen pflegen –, dem „System“ bzw. den „Systemparteien“ den Garaus zu machen. Man muss nur ein bisschen auf der zentralen Homepage der NPD lesen, dann weiß man, wes Geistes Kind auch die hiesigen Abgeordneten dieser Partei sind, auch wenn sie zurzeit ganze Kreidepackungen gefressen zu haben scheinen und mit eiligst angelernter Seriosität und Korrektheit durch den Landtag schreiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen Demokraten, es bringt uns aber überhaupt nicht weiter, wenn wir jetzt die Hände ringen oder gar Wählerschelte betreiben. Es muss vielmehr unsere vornehmlichste Aufgabe sein, jene von der Demokratie enttäuschten Bürgerinnen und Bürger, die auf die simplifizierenden Antworten und Propagandaparolen der braunen Verführer hereingefallen sind, in den Schoß der demokratischen Wertegemeinschaft zurückzuführen.