Protocol of the Session on December 9, 2004

Umso merkwürdiger ist es, dass bis auf einige wenige Zeitungsartikel keine öffentliche Diskussion über diesen Vorgang stattgefunden hat. Man muss sich die Frage stellen, ob hier das Grundgesetz klammheimlich so zurechtgestutzt werden soll, dass es dem Ziel der endgültigen Beseitigung der Volkssouveränität scheinbar nicht mehr im Wege steht. Es wird deutlich, wie in einem aktuellen Bericht der Vorsitzenden der Föderalismuskommission bekannt gegeben wurde, dass über die Abschaffung der Rahmengesetzgebung nach Artikel 75 Grundgesetz in der Föderalismuskommission Einigkeit besteht. Peer Steinbrück scheint sich also mit seinen Vorstellungen weitgehend durchgesetzt zu haben.

Dies ist nach unserer Auffassung eine spektakuläre Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und des Grundgesetzes. Dementsprechend sollte die Unterrichtung des Landtages durch die Staatsregierung nicht nur den Charakter einer schlichten Information über staatsrechtliche und bundesstaatliche Zweckmäßigkeitserwägungen haben, sondern vor allem auch über die unbestreitbar verfassungsrechtlich fragwürdigen Vorschläge des NRW-Ministerpräsidenten und deren Behandlung in den Verhandlungen der Kommission informieren. Da wir begründeten Anlass zu der Annahme haben, dass die Staatsregierung dies nicht automatisch berücksichtigen wird, bitten wir Sie um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

(Beifall bei der NPD)

Als Nächster spricht der Vertreter der FDP-Fraktion, Herr Dr. Martens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich für die FDP vorweg sagen: Die Föderalismuskommission insgesamt und die notwendige Diskussion über die Neuordnung auch der gesetzgeberischen Zuständigkeiten war überfällig. Sie ist dringend notwendig. Wir sollten sie mit großem Ernst begleiten. Die Föderalismuskommission hat sich nicht der großen Aufgaben angenommen, die im Themenbereich „Födera

lismus“ zu diskutieren wären; ich nenne die Neuordnung des Bundesgebietes. Fragen des Finanzausgleichs sind im Wesentlichen außen vor geblieben. Dennoch bietet die Kommission die Möglichkeit, in einigen Politikbereichen und in der verfassungsrechtlichen Balance zwischen Ländern und Bund neue Akzente zu setzen und manches zu vereinfachen.

Sinnvoll ist sicherlich die Neustrukturierung der bisherigen GA-Föderung. In diesem Zusammenhang ist zwar zu begrüßen, wenn eine allgemeine Finanzhilfe geplant ist; diese darf aber nicht zulasten der neuen Bundesländer gehen. Letztere haben es im Übrigen nach unserer Auffassung versäumt, eine kohärente und geschlossene Position für die Diskussion innerhalb der Föderalismuskommission zu definieren und diese dort durchzusetzen.

Die Diskussion in der Föderalismuskommission bietet aber auch die Möglichkeit, auf dem Gebiet, das wir mit „Wettbewerbsföderalismus“ überschreiben, weiterzukommen. Dieser Wettbewerbsföderalismus soll es ermöglichen, dass unterschiedliche Voraussetzungen der einzelnen Bundesländer von diesen möglichst optimal genutzt werden und nicht mit dem Wahn der einheitlichen Regelung aller Lebensverhältnisse überall in der Bundesrepublik zugedeckelt werden; denn damit werden wir nicht weiterkommen. Wir brauchen in unserem Bundesland für bestimmte Sachverhalte andere Regelungen als in anderen Bundesländern. Andere Bundesländer haben andere Probleme. So werden in anderen Bundesländern zum Beispiel 25 bis 35 % der Katastervermessungen nach wie vor von staatlichen Stellen ausgeführt. Dieses Problem haben wir in Sachsen nicht; das ist hier besser gelöst. Das muss man einmal sagen. Es gibt Dinge, die hier besser als in den alten Ländern funktionieren; es ist nicht alles schlechter.

(Beifall des Abg. Peter Schowtka, CDU)

Da fallen Sie nicht tot um, Herr Porsch?

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Ich habe nichts anderes gesagt! Ich habe immer gesagt: eigene Potenziale entwickeln!)

Wir sollten diese Diskussion als Möglichkeit begreifen, Chancen zu sehen und zu nutzen. Wir brauchen nicht jede Regelung so, wie sie in Nordrhein-Westfalen, in Bremen oder im Saarland angewandt wird. Da möchte ich übrigens auch gar nicht hinkommen!

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Na ja!)

Nein, wirklich nicht.

Herr Kollege Prof. Porsch, was Sie vorschlagen, bedeutet genau das Gegenteil von dem, was wir anstreben. Sie wollen keinen Wettbewerbsföderalismus. Sie wollen nicht die Konkurrenz um bessere Konzepte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das stimmt doch nicht!)

Sie wollen alles so geregelt haben, dass nach Möglichkeit nichts passiert. Es muss sich zwar ändern, aber es darf

nichts passieren – für die Länder bleibt zum Schluss nur noch der geregelte Hofgang!

(Heiterkeit bei der FDP)

Das ist alles, was Sie den Ländern an Bewegungsfreiheit noch zubilligen möchten. Das ist uns zu wenig.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage, weil unsere Redezeit ohnehin begrenzt ist. Danke, Herr Porsch!

Zu Ihrem Hinweis: Die Beantwortung der Zwischenfrage geht nicht zu ihren Lasten. Ich will Sie aber nicht dazu überreden, die Zwischenfrage zuzulassen.

Dann bin ich damit einverstanden. Ich bin ja nicht so.

Ich bedanke mich ganz freundlich und verschaffe Ihnen durch meine Zwischenfrage mehr Redezeit. Erstens möchte ich wissen, woher Sie das haben, was Sie uns vorwerfen. Ich habe in meiner Erwiderung auf die heutige Regierungserklärung – meine Erwiderung ist Ihnen hoffentlich nicht entgangen – –

Herr Prof. Porsch, die Frage haben Sie schon gestellt: Wo haben Sie es her?

Das war die erste Frage. Darf ich zwei stellen?

(Heiterkeit)

Es ist Vorweihnachtszeit!

Meine zweite Frage lautet, ob Sie mitbekommen haben, dass ich gesagt habe: Wir sind gegen primitiven Wettbewerbsföderalismus. Primitiver Wettbewerbsföderalismus behandelt Ungleiche gleich; damit behandelt er sie nämlich ungleich. Wenn man alle unter den gleichen Bedingungen – –

Die Frage bitte!

(Unruhe bei der PDS)

Ich habe gefragt, ob er das überhört hat. – Das ist genau der Punkt: Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen? Wir wollen nicht, dass unter gleichen Bedingungen – –

Ob er das zur Kenntnis nimmt, ist schon die dritte Frage.

Herr Hatzsch!

Ja.

Als Sie noch einfacher Abgeordneter waren – –

Ja, ja, ja.

Wenn Sie mich immer unterbrechen, komme ich nicht dazu, meine Fragen zu stellen.

Sie haben drei Fragen gestellt.

Nein, zwei!

(Heiterkeit)

Drei: ob er es zur Kenntnis genommen hat. Das reicht nun, Herr Prof. Porsch.

Ich wollte ihm doch – –

Ich gebe jetzt dem Abgeordneten das Recht zur Erwiderung.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Er weiß doch noch gar nicht, was er zur Kenntnis genommen haben soll!

Ich bin überglücklich, dass das nicht von meiner Redezeit abgeht.

(Fortgesetzte Heiterkeit)

Herr Prof. Porsch, erstens: Ich habe es zur Kenntnis genommen.