Protocol of the Session on December 9, 2004

Zentralstaat und Dezentralisierung – Föderalismus. Wir brauchen den Föderalismus, die klare Dezentralisierung staatlicher Macht und staatlicher Entscheidungsprozesse. Dezentralisierung schafft mehr Bürgernähe und Transparenz der Entscheidungen.

Es wird vom Verhandlungsgeschick aller – ich betone: aller – Kommissionsmitglieder abhängen, eine kluge und weitsichtige und die Interessen auch der Landtage berücksichtigende Lösung zu finden. Wir richten deshalb in unserem Änderungsantrag die dringende Bitte an die Mitglieder der Föderalismuskommission, die Interessen der deutschen Landtage und somit der deutschen Länder so gut wie möglich zu berücksichtigen. Wir teilen dabei die in der Münchner Erklärung der Landtagspräsidenten und bestimmter Fraktionsvorsitzender vom 18. Oktober 2004 beschriebene Position.

Aus unserer Sicht ist vor allem die Überprüfung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder sowie die Neuregelung des landeseigenen Vollzugs des Bundesrechts in Artikel 84 des Grundgesetzes von Bedeutung. Ich lege hier deshalb so großen Wert auf diese Feststellung, weil alle Landtage in den deutschen Ländern in den letzten Jahrzehnten erhebliche Gesetzgebungskompetenzen verloren haben. 35 von 48 der bisher vollzogenen Änderungen des Grundgesetzes sind zulasten der Landtage ausgefallen. Das kann uns in der Tat nicht befriedigen.

Der Sächsische Landtag wie auch die übrigen Landesparlamente haben damit als gesetzgebende Organe eigenständiger Staatswesen erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Einigermaßen bedeutsame Felder der Landesgesetzgebung sind letztlich nur noch Polizei, Kommunalrecht, Kultur- und Medienpolitik.

Die tatsächliche verfassungspolitische Entwicklung der letzten Jahrzehnte verschob die im Grundgesetz ursprünglich angelegte Machtbalance zugunsten der Landesregierungen und des Deutschen Bundestages und zulasten der Länderparlamente und – abgeschwächt – der Bundesregierung.

Dieser Bedeutungsverlust der Landtage, meine sehr geehrten Damen und Herren, vollzog sich auf drei Gebieten, nämlich der konkurrierenden Gesetzgebung, der Rahmengesetzgebung und der Gemeinschaftsaufgaben. Die konkurrierende Gesetzgebung, zu der unter anderem der Strafvollzug, die Gerichtsverfassung, die Rechtsanwaltschaft, das Notariat, die öffentliche Fürsorge, die Steuergesetzgebung – außer bei Zöllen und Finanzmonopolen – sowie die Besoldung und Versorgung im öffentlichen Dienst gehört, wird heute nahezu vollständig durch den Bund ausgeübt. Dies steht im eklatanten Widerspruch zu dem im Grundgesetz verankerten RegelAusnahme-Verhältnis zugunsten der Gesetzgebung durch die Landesparlamente.

Instrument des Bundes war dabei der extensive Gebrauch der so genannten Bedürfnisklausel nach Artikel 72 Abs. 2 des Grundgesetzes. Sie besagt, dass der Bund die Befugnis zur Gesetzgebung hat, wenn dies zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich ist. Die 1994 in Kraft getretene Neufassung der Bedürfnisklausel hat an dieser Tendenz zu immer mehr Bundesregelungen nichts geändert. Die Bedürfnisklausel ist nach wie vor der Hebel für den Bund, immer

mehr Gesetzgebungskompetenzen an sich zu ziehen. Wie man hört, hat der Bund in den letzten Wochen zwar eine umfangreiche Liste zur Aufteilung der einzelnen Materien auf Bund und Länder vorgelegt; sie ist allerdings zu seinen Gunsten ungleichgewichtig. Das ist so nicht hinnehmbar.

Ich fordere die Kommission auf, die Gesetzgebungszuständigkeit fair und klar zu trennen und die Steuerkompetenz der Länder nachhaltig zu stärken. Es macht wenig Sinn, dass der Bund sich aller strittigen Fragen entledigt und sie auf die Länder abwälzt. Das Ladenschlussgesetz ist ein Beispiel. Wir könnten viele andere nennen. Wir haben beispielsweise von Frau Zypries gehört, dass die Regelungen zu den Schornsteinfegern den Ländern übertragen werden sollen. Daran sieht man, dass alles, was auf Bundesebene Ärger macht und dort strittig ist, die Länder übernehmen sollen. Ich glaube, das ist kein fairer Prozess, wie ihn die Kommission vor einem Jahr auf den Weg bringen wollte.

Mit der Rahmengesetzgebung hat sich der Bund bisher unter der Voraussetzung der Bedürfnisklausel des Weiteren das Recht gesichert, Rahmengesetze unter anderem über Rechtsverhältnisse der Beamten und Richter in den Ländern, allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens, die allgemeinen Grundsätze der Presse, des Jagdwesens, den Naturschutz, die Landschaftspflege, das Melde- und Ausweiswesen sowie den Schutz des Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland zu erlassen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den mühsam vor dem Bundesverfassungsgericht erstrittenen Sieg zur Juniorprofessur. Wie man hört, soll diese Rahmengesetzgebungskompetenz zugunsten der Länder aufgelöst werden. Wir begrüßen diese Absicht.

Schließlich wirkt der Bund bei der Erfüllung so genannter Gemeinschaftsaufgaben mit zur Verbesserung der Lebensverhältnisse. Da hat sich der Bund bisher bereiterklärt, den Ländern auf drei wichtigen Gebieten finanziell zu helfen: beim Hochschulbau, bei der regionalen Wirtschaftsförderung und der Agrarförderung. Was spendabel klingt, ist in Wirklichkeit eine ganz enge Zwangsjacke. Wir sollten uns da auch nicht leimen lassen und den Bund daran erinnern, dass er hier ein faires und korrektes Verfahren zugesagt hat.

Der Bund gibt die Projekte vor, die Länder müssen mitmachen und ebenfalls in die Tasche greifen. Zum Gestalten blieb nicht viel Geld und nicht viel rechtlicher Raum. Wie man hört, sollen auf diesem Gebiet kaum Fortschritte erreicht worden sein. Ich kann deshalb nur nochmals an die Einsicht der Kommission appellieren, den Ländern hier mehr fairen Gestaltungsspielraum zu geben, – –

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Vielen Dank.

denn ich glaube, es ist schon wichtig für uns als Land, dass wir uns, auch wenn es sehr spät ist, endlich einmal diesem Thema zuwenden und es nicht an uns vorbeiziehen lassen und uns dann am Ende beschweren, wir hätten doch die Sache ganz, ganz anders geregelt haben wollen.

Der Antrag der PDS ist widersprüchlich und populistisch im schlechten Sinne des Wortes. Das wird etwa in der Haltung zur Bedürfnisklausel deutlich. Sie fordern einerseits die wesentliche Erweiterung der tatsächlichen Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Landesparlamente; andererseits fordern Sie, dass bei der Bedürfnisklausel alles beim Alten bleiben möge. Was wollen Sie nun eigentlich? Beides zusammen aber geht nicht. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Wir erwarten einen guten Abschluss der Verhandlungen. So kurz vor dem Ziel darf eine echte Reform der deutschen Grundordnung nicht scheitern. Hoffnungsvoll stimmen uns die Berichte über eine weitgehende Einigung bei der Neuordnung der Vorschriften über den landeseigenen Vollzug des Bundesrechtes. Möge sich dies auch für die übrigen Bereiche, insbesondere für die Gesetzgebungskompetenzen, verwirklichen lassen.

In Deutschland ist der Föderalismus das konstituierende Element unseres Staatsaufbaus. Die föderale Struktur war ein entscheidender Impuls beim Wiederaufbau Deutschlands nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges. Der Föderalismus bot auch die notwendige Flexibilität, um nach dem Zusammenbruch der DDR die neuen Länder zu integrieren. Der Föderalismus ist nach meiner festen Überzeugung die grundsätzlich richtige Antwort, um die Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs und der Globalisierung erfolgreich zu meistern. Ich bitte Sie, dass wir weiterhin im Gespräch bleiben, und die Kommission bitte ich um faire und gute Entscheidungen – auch im Interesse des Freistaates Sachsen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Es spricht die Vertreterin der SPD-Fraktion. Frau Dr. Schwarz, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon lange wird in Deutschland das Thema der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung debattiert. Die so genannte Lübecker und jetzt die Münchener Erklärung sind Meilensteine auf diesem Weg. Diese Reform ist notwendig. Sie ist der Schlüssel zur Wiedergewinnung der Entscheidungsfähigkeit unserer politischen Institutionen auf Bundes- und auf Länderebene. Verkrustungen müssen aufgebrochen und Entscheidungen transparenter gemacht werden. Es geht im Kern um die Stärkung der parlamentarischen Demokratie und die Europatauglichkeit des deutschen Föderalismus. So sollten auf der einen Seite die Länder mehr alleinige Gesetzgebungskompetenz zurückerhalten und auf der anderen Seite die Gesetzgebung des Bundes in geringerem Umfang der Zustimmung des Bundesrates unterliegen. Sind gegenwärtig etwa 60 % aller Gesetze zustimmungspflichtig, so soll dies auf 35 % reduziert werden. Eine solche Reform wird auch zur Stärkung der Landesparlamente führen, also uns mehr Spielräume, aber auch Verantwortung übertragen. Nun mag man bedauern, dass die Landtage selbst nicht ausreichend in diesen Diskussionsprozess einbezogen sind. Aber da wäre dann auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, etwas Selbstkritik angebracht. Da hilft uns

auch der PDS-Antrag nicht wirklich weiter. Wir sehen, dass er hier sehr kurzfristig eingebracht worden ist. Er enthält so detaillierte Forderungen, die im Rahmen dieser Debatte weder verantwortungsvoll diskutiert noch abschließend beschieden werden können. Mein Kollege Schiemann hat auf einen Widerspruch aufmerksam gemacht. Ich möchte auch noch einmal sagen, dass Sie mit einigen Punkten Ihrer Forderungen in die Tarifhoheit eingreifen. Deshalb werden wir ihm auch nicht zustimmen.

Geradezu nach Ablehnung schreit der Änderungsantrag der NPD-Fraktion. Sie zeigt hier wieder einmal deutlich ihre nationalistische und europafeindliche Haltung.

Jetzt muss der Reformprozess zu einem guten Ergebnis geführt werden. Wenn man heute die Presse verfolgt, stehe ich in dieser Forderung hier offenbar nicht alleine. Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes sollten nicht erneut zu Streit Anlass geben, sondern es sollte weitestgehende Einigung erzielt werden.

Für uns unterliegen alle Vorschriften auch dem übergreifenden Gebot, dass gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet erreicht werden. Das heißt, es bedarf weiterer Anstrengungen, die Folgen der deutschen Teilung zu überwinden.

Am 18. Dezember sollen die Vorschläge der Kommission von Bundestag und Bundesrat der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Bis dahin sollte alles versucht werden, eine Einigung zu wesentlichen Fragen herzustellen, um den Föderalismus weiterzuentwickeln und zu stärken.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Bitte, Herr Dr. Friedrich von der PDS-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist natürlich heute Abend nach diesen vielen Wahlgängen ein sperriges Thema, es ist aber gleichwohl ein wichtiges Thema und es ist ein Thema, bei dem sich eigentlich parteipolitische Mätzchen und Schwarz-Weiß-Malerei verbieten. Natürlich ist es ein Spannungsfeld, Kollegin Dr. Schwarz. Sie haben sicherlich den Antrag korrekt gelesen. Sie haben ja selbst gesagt, dass Sie für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse eintreten wollen und sollen. Natürlich muss man abwägen, inwieweit dieses – daran wollen wir gerne festhalten – mittelbare Staatsziel, diese mittelbare Staatszielbestimmung, die unseres Erachtens eine unmittelbare Staatszielbestimmung werden sollte, aber wahrscheinlich nicht wird, im Wechselverhältnis, im Spannungsverhältnis zu mehr Länderkompetenzen steht. Da kann man nicht schwarz-weiß malen. Das haben wir in unserem Antrag auch wahrlich nicht getan. Nun hat die PDS keine Illusionen über die drohende Steißgeburt eines wahrscheinlich doch nur kleineren Mäuschens, das der staunenden Öffentlichkeit am Abend des 17. oder auch erst des 18. Dezembers nach Abschluss der Kommissionsarbeiten präsentiert werden wird.

Immerhin haben wir verstanden, dass bei dieser wichtigen Reform – die Anfänge reichen ja bis 1999 zurück, Kollege Schiemann, mitnichten nur ein Jahr – Parteien

und Partikularinteressen hart aufeinander prallen. Immerhin ist es nachvollziehbar – zum Beispiel in den Berichten im Landespressespiegel der letzten beiden Wochen über angebliche oder tatsächliche Konfrontationslinien zwischen Bund und Ländern, zwischen Ost und West, zwischen Arm und Reich, Nord und Süd oder auch zwischen den beiden Ko-Vorsitzenden Stoiber und Müntefering. Natürlich sind wir Realisten genug, um nicht unbedingt davon auszugehen, dass unsere heutige abendliche Behandlung des Themas vielleicht die Sprechzettel von Müntefering und Stoiber wesentlich beeinflussen könnte. So realistisch sollten wir alle sein.

Aber noch einmal zum Kern: Wir glauben schon, dass es einen Kompromiss geben wird. Deshalb halten wir es für eine pure Selbstverständlichkeit, dass die Staatsregierung, zumal es ohnehin ihre Pflicht ist, regelmäßig Bericht erstattet. Zumindest die vorherige Staatsregierung hat das bei der damaligen Behandlung versprochen. Es gab ja durchaus schon einmal einen ähnlichen Antrag, von der PDS gestellt in der 3. Wahlperiode. Herr de Maizière hatte das damals als Verantwortlicher zugesagt. Wir halten es für eine pure Selbstverständlichkeit, dass über die Ergebnisse Bericht erstattet wird. Wir möchten aber, dass im Vorfeld – also noch vor Abschluss der entscheidenden Verhandlungen, bei denen es natürlich diesen oder jenen Deal geben wird und bei denen wir den Ministerpräsidenten nicht unbedingt ans absolute Gängelband legen wollen – doch noch einmal die Positionen im Landtag ausgetauscht werden. Ich darf schon daran erinnern, dass der Sächsische Landtag einer der letzten ist, der dies tut; in vielen Landtagen oder Abgeordnetenhäusern liegen inzwischen entsprechende Resolutionen oder Beschlüsse vor – und oft von allen demokratischen Parteien gemeinsam getragen, beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern; auch in Brandenburg deutet sich solches an, in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein usw.

Ich will noch einmal auf das zentrale Spannungsfeld kommen: tatsächliche Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Landesparlamente – ich muss hier nicht auf die Einzelheiten eingehen, das haben meine beiden Vorredner dankenswerterweise getan – und das Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse nach Artikel 72 Abs. 2: Zunächst einmal freuen wir uns, dass die Versuche, hier einen glatten Wettbewerbsföderalismus einzuführen, offenbar gescheitert sind, zunächst jedenfalls. Zwar wird der Artikel 72 Abs. 2 Grundgesetz geändert werden. Dort gibt es ja konkrete Formulierungsvorschläge in der Projektgruppe 1; ich will auf Einzelheiten jetzt nicht eingehen, aber zumindest dem Worte nach wird an dieser Zielstellung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse nicht gerüttelt.

Wir bedauern, dass die Kommissionsarbeit wenig dazu beigetragen hat, noch genauer zu bestimmen, was denn unter gleichwertigen Lebensverhältnissen in den einzelnen Politikbereichen in Zukunft verstanden werden soll.

Es gibt durchaus positive Dinge zu berichten. So haben wir zum Beispiel mit Wohlwollen bemerkt, dass der Bund künftig keine direkten Aufgaben mehr an die Kommunen überweisen will. Das ist ein ganz klarer Fortschritt, er müsste nur eben auch für die bisher schon an die Kommunen überwiesenen Aufgaben gelten, weil

dann natürlich finanzielle Ausgleichsregelungen erforderlich wären.

Es hieße aber eine Vogel-Strauß-Politik zu bedienen, wenn wir den Gefahren eines Standardabbauwettbewerbes im sozialen, im ökologischen, im Bildungs- und Hochschulbereich zwischen den Ländern angesichts der angespannten Haushaltssituation nicht klar in die Augen sehen würden. Deshalb muss der Bundesgesetzgeber – das ist zumindest unsere Meinung, da kann man uns gern Zentralisten nennen – ein Mindestmaß an Kompetenz behalten, um bundeseinheitliche Mindeststandards oder Höchstgrenzen – ich sage auch, vielleicht etwas einfacher: sozialverträgliche Bandbreiten – in den einzelnen Bereichen festzulegen, die neuerdings an die Länder übergeben werden sollten.

Ein Beispiel: Bildungspolitische Schrebergärten sind für uns schlichtweg ein Anachronismus. Die gleiche Aussage könnte man etwas modifiziert treffen für öffentliche Dienstleistungen, Daseinsvorsorge, für gesetzliche Mindestbedingungen in der Arbeitswelt, aber vor allem auch für soziale Sicherheit, Umweltpolitik und öffentliches Dienstrecht. Auf all diesen Gebieten sind unserer Meinung nach der Deregulierung sehr enge Grenzen gesetzt. Das mag sich widersprüchlich anhören; das ist aber das Spannungsfeld, dem sich die Kommission stellen muss und dem auch wir uns sicherlich nach Vorlage der Kommissionsergebnisse dann im Jahr 2005 weiterhin stellen werden.

Abschließend: Wir halten es für unerlässlich, dass der Zeitplan für die parlamentarischen Beratungen für die Föderalismusreform – also nach Abschluss der Kommissionsarbeit – so gewählt wird, dass den Ländern und insbesondere dem Sächsischen Landtag genügend Zeit bleibt, sich substanziell mit den Ergebnissen zu befassen, und dass dann eine durch den Landtag getragene Stellungnahme in die Verhandlungen im Bundesrat eingebracht werden kann. Heute besteht eine erste Möglichkeit, eine solche Stellungnahme substanzieller Natur abzugeben – nicht nur eine bloße Berichterstattung, wie die Koalitionsfraktionen es wollen. Bitte, nutzen Sie diese Gelegenheit!

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Jetzt spricht der Vertreter der NPD-Fraktion, Herr Abg. Apfel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU und der SPD ist grundsätzlich unterstützenswert, auch wenn er einige Monate zu spät kommt. Es ist höchste Zeit, dass sich die Länderparlamente mit dieser Kommission intensiver befassen. Allerdings kommt er eben zu spät, wenn man beabsichtigt, dass die Antwort der Staatsregierung als Grundlage für eine etwaige Meinungsbildung zu verwenden die einzige Chance haben könnte, die Föderalismusdiskussion auch nur geringfügig zu beeinflussen. Wie alle Anwesenden wissen, werden am 17. Dezember die endgültigen Entscheidungen getroffen. Dann ist diese wichtige Vorentscheidung für die Föderalismusreform

gefallen und kann nur noch zur Kenntnis genommen werden.

Welchen politischen Wert jedoch hat nun im Sinne einer tatsächlichen Mitwirkung des Landtages am gesamten Meinungsbildungsprozess unter diesen Umständen der vorliegende CDU/SPD-Antrag? – Meiner Meinung nach gar keinen. Ich gehe davon aus, dass es sich wieder einmal nur darum handelt, eine Diskussion über existenzielle Schicksalsfragen vorzutäuschen, aber nicht wirklich herbeizuführen. Eine solche Auseinandersetzung wurde bisher von der politischen Klasse genauso wenig zugelassen wie eine Volksabstimmung über Schicksalsfragen wie den Beitritt zu Maastricht, die EU-Osterweiterung, die europäische Verfassung oder den EU-Beitritt der Türkei. Wir haben einen Änderungsantrag gestellt, weil es im Zusammenhang mit der Arbeit der Föderalismuskommission einen merkwürdigen Vorgang gibt, der vermuten lässt, dass es dabei nicht nur um den Länderfinanzausgleich und die Zurückstellung von Gesetzgebungskompetenzen innerhalb Deutschlands geht, sondern auch um einen Umbau des Grundgesetzes mit dem Ziel, eine Scheinlegitimation für einen weiteren Abbau nationalstaatlicher Souveränität und der demokratischen Selbstbestimmungsrechte der Deutschen zugunsten eines EU-Kraken zu schaffen.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück schrieb im Januar dieses Jahres an die Vorsitzenden der Föderalismuskommission Franz Müntefering und Edmund Stoiber einen vertraulichen Brief, der durch eine Indiskretion an die Presse ging. Hierin schlägt der Ministerpräsident von NRW vor, die Bundesrepublik Deutschland faktisch abzuschaffen und die Länder zu Protektoraten der jeder demokratischen Legitimation im Sinne von Artikel 20 Grundgesetz entbehrenden EU-Bürokratie zu machen. Einige wesentliche Punkte dieses Vorschlages: Peer Steinbrück geht zunächst einmal davon aus, dass der Bund seine Kernkompetenz der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland im Wesentlichen an die Europäische Union abtreten soll. Insbesondere stellt er die Existenzberechtigung der Grundgesetz-Artikel 72, 74, 74a und 75 infrage. Die beim Bund verbleibenden Regelungsbereiche, in denen europaweit einheitliche Regelungen unnötig seien, aber das Erfordernis bundesweit einheitlicher Normen besteht, sollen Ausnahmecharakter erhalten und gegebenenfalls einzeln nachgewiesen werden müssen, wobei die Beweislast beim Bund liegen soll.

Die Realisierung dieser Vorstellungen würde die ohnehin wegen der EU-Rechtsetzung stark infrage gestellte Eigenstaatlichkeit der Deutschen, die bundesstaatliche Struktur, die Volkssouveränität, den demokratischen Staatsaufbau, das Legitimationskettenprinzip – kurzum: die freiheitlich-demokratische Grundordnung – zu einer noch leereren verfassungsrechtlichen Hülse als ohnehin degradieren. Mehr noch: Die Vorschläge laufen nach Auffassung der NPD-Fraktion unmittelbar auf die Auflösung der Bundesrepublik Deutschland hinaus. Insbesondere würde der Bund seine Kernaufgabe, die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland, fast gänzlich verlieren. Diese Aufgabe würde weitestgehend von der EU übernommen werden, aber nur so weit, wie sie die Regelungen aller EU-Staaten betreffen.

Damit wäre die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland über die in der gesamten EU vorherrschende Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hinaus nicht mehr rechtlich geboten.

Einfacher ausgedrückt: Er wäre ein von keiner deutschen Stelle zu verfolgendes Ziel mehr. Die Kernfunktion des deutschen Bundesstaates wäre außer Kraft gesetzt.

Meine Damen und Herren! Dieser Vorschlag betrifft das grundlegende Staatsverständnis in Deutschland, die weitere Existenz der BRD und die demokratischen Selbstbestimmungsrechte der Deutschen. Insbesondere betrifft er im höchsten Maße die Bundesländer; denn sie wären bei Verwirklichung dieses Vorschlags von Steinbrück praktisch nicht mehr Länder der Bundesrepublik, sondern Provinzen der Brüsseler Bürokratie.

Es ist mir bekannt, dass dieser zutiefst souveränitätsund wahrhaft verfassungsfeindliche Vorschlag Gegenstand ausführlichster Verhandlungen der Föderalismuskommission gewesen ist. Auch über den Ausgang dieser Verhandlungen ist einiges bekannt.

Umso merkwürdiger ist es, dass bis auf einige wenige Zeitungsartikel keine öffentliche Diskussion über diesen Vorgang stattgefunden hat. Man muss sich die Frage stellen, ob hier das Grundgesetz klammheimlich so zurechtgestutzt werden soll, dass es dem Ziel der endgültigen Beseitigung der Volkssouveränität scheinbar nicht mehr im Wege steht. Es wird deutlich, wie in einem aktuellen Bericht der Vorsitzenden der Föderalismuskommission bekannt gegeben wurde, dass über die Abschaffung der Rahmengesetzgebung nach Artikel 75 Grundgesetz in der Föderalismuskommission Einigkeit besteht. Peer Steinbrück scheint sich also mit seinen Vorstellungen weitgehend durchgesetzt zu haben.