Protocol of the Session on December 9, 2005

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Aber das sind wir ja gewohnt und von daher will ich mich damit auch nicht weiter aufhalten. Ich möchte zum vorliegenden Antrag sprechen.

Dass auch die Linksfraktion.PDS im Bereich der Schulverwaltung Reformierungsbedarf sieht, habe ich heute früh in der Aktuellen Debatte bereits ausgeführt. Wir wollen die Landkreise stärken, auch und gerade in der Zuständigkeit für schulische Fragen. Die derzeit noch existierenden fünf Regionalschulämter halten wir für entbehrlich und wir wollen sie eher heute als morgen abschaffen, denn sie haben sich zunehmend zu einem Hemmnis des Fortschritts im Bildungssektor erwiesen.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

In dieser Frage befinden wir uns offenbar in Übereinstimmung mit der FDP, also mit dem Antragsteller des jetzt auf der Tagesordnung stehenden Antrages.

Bezüglich der künftigen Hoheit über das Lehrerpersonal an den sächsischen Schulen kommen wir allerdings zu einem ganz anderen Ergebnis als die FDP. Für uns – das will ich deutlich betonen – gibt es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen der Auflösung der Regionalschulämter und der weiteren dienstrechtlichen Anbindung der Pädagogen an die Landesebene. Ich will es ganz klar sagen: Mit Lehrerinnen und Lehrern sollte man keine Experimente machen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für uns ist überhaupt nicht ersichtlich, welche Vorteile eine Kommunalisierung des pädagogischen Personals für die Schulen in diesem Lande bringen soll. Wir haben aus vielerlei Gründen massive Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines derartigen Vorhabens. Darüber hinaus sehen wir auch erhebliche rechtliche Hürden. Zu prüfen wäre beispielsweise, ob eine Übertragung der Personalhoheit auf die Kommunen mit Artikel 103 der Sächsischen Verfassung vereinbar wäre. In jedem Fall – das ist sicherlich unbestritten – müsste das geltende Schulgesetz geändert werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Doch selbst dann könnte bis zum Jahr 2010 zumindest an den Mittelschulen und Gymnasien gar nichts geschehen, denn der geltende Bezirkstarifvertrag schließt eine Übertragung der Lehrer an die Kommunen ausdrücklich aus. Der Freistaat müsste also einen schwer erstrittenen Tarifvertrag von sich aus aufkündigen. Der Innenminister hat in seinem gestrigen Interview zutreffend darauf hingewiesen, dass in diesem Fall heftige politische Auseinandersetzungen zu erwarten wären. Schon von daher ist die Staatsregierung gut beraten, die Finger von derartigen Plänen zu lassen.

Dass durch eine Anbindung der Lehrer an die jeweiligen Schulträger auch Mitbestimmung und Personalvertretung im sächsischen Bildungswesen weitestgehend ausgehebelt werden und dies zu Recht auf heftigen Widerstand der Gewerkschaften stoßen würde, brauche ich an dieser Stelle sicherlich nicht näher zu erläutern.

Aber, meine Damen und Herren, selbst wenn man das alles außer Acht lassen würde, blieben noch zahlreiche fachliche Bedenken, die ich an dieser Stelle nur anreißen kann und in Frageform kleiden möchte: Wie soll denn bei einer Kommunalisierung der Pädagogen eine landesweit flächendeckende Versorgung mit Fachlehrern abgesichert werden? Wie sollen der Unterricht abgedeckt und der Lehrplan umgesetzt werden, wenn sich an verschiedenen Schulen im Land für bestimmte Fächer keine geeigneten Bewerber finden? Wie wollen Sie verhindern, dass sich ganze Regionen, zum Beispiel Ostsachsen, die Lausitz, zu Mangelgebieten entwickeln werden, und wie soll dann das Recht auf gleiche Bildungschancen in ganz Sachsen realisiert werden?

Ist es nicht absehbar, frage ich weiter, dass sich zunehmend ein Stadt-Land-Gefälle ausprägen wird, und wollen Sie es wirklich zulassen, dass es zu einer Konkurrenz

zwischen reichen und armen Kommunen kommt? Wie wollen Sie sicherstellen, dass besonders begehrte Fachlehrer nicht durch zusätzliche Anreize an bestimmte Schulträger gebunden werden, zum Beispiel durch die kostenlose Bereitstellung einer Dienstwohnung? Halten Sie es längerfristig für vertretbar, wenn es gerade in dem sensiblen Schulbereich kein landesweit einheitliches Gehaltssystem mehr geben würde?

Ich könnte die Liste der ungeklärten Fragen noch eine ganze Weile fortsetzen. All diese Fragen müssen aber beantwortet werden, und zwar bevor man irgendwelche Modellversuche startet.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Ich weiß auch nicht, was sich der damalige Kultusminister Mannsfeld dabei gedacht hat, als er am 22. September 2004 in einer Presseerklärung derartige Modellversuche zur Kommunalisierung der Lehrer ankündigte. Vielleicht – das ist eine Möglichkeit – stand er noch unter dem Schock der verlorenen Landtagswahl und des zunächst verpassten Wiedereinzugs in das Parlament. Dann seien ihm durchaus mildernde Umstände zugebilligt.

Aber im Ernst – und das geht insbesondere in Richtung FDP –, Modellversuche in einzelnen Landkreisen brächten aus unserer Sicht keine verwertbaren und vor allem keine verallgemeinerbaren Erkenntnisse. Die meisten Mängel, die aus unserer Sicht absehbar sind, würden erst sichtbar, wenn dieses System landesweit flächendeckend eingeführt würde, nicht bei einzelnen Modellkreisen. Aber selbst, wenn man die Modellkreise nimmt, stellen sich ganz praktische Probleme:

Sollen also in den Modellkreisen die Lehrer Arbeitsverträge mit den Kommunen abschließen? Was passiert, wenn der Modellversuch, wie zu erwarten ist, später nicht auf ganz Sachsen ausgedehnt wird? Nimmt das Land dann die Lehrer wieder zurück, werden wieder neue Arbeitsverträge abgeschlossen? Was ist mit der Anrechnung von Dienstzeiten oder bleiben die Lehrer vielleicht auch in den Modellprojekten Angestellte des Landes, unterliegen aber der Weisungspflicht oder dem Weisungsrecht der Kommunen? Wie soll das miteinander, auch dienstrechtlich, vereinbart werden?

Es gibt also eine ganze Reihe von Punkten, zu denen wir erheblichen Klärungsbedarf sehen, und ich habe noch nicht einmal die heikle Finanzfrage angesprochen.

Wie wollen Sie denn, meine Herren von der FDP,

(Kristin Schütz, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

sicherstellen, dass die Kommunen nicht nur zu einem bestimmten Stichtag das Personal übernehmen, sondern auch danach einen Ausgleich für spätere Mehrkosten, zum Beispiel bei Tarifanpassungen, vom Land bekommen? Denn diese Summen hätte ja der Freistaat Sachsen bei den nachfolgenden Tariferhöhungen auch tragen müssen.

Ich will abschließend – und das ist eher perspektivisch zu sehen – sagen, dass eine Zuordnung der Lehrer zu den Schulträgern, also den Kommunen, durchaus vorstellbar wäre. Aber dafür müssen Bedingungen geschaffen sein, die es in Sachsen und die es in Deutschland nicht gibt.

Wir wissen, dass die Kommunalisierung von Lehrern durchaus erfolgreich praktiziert werden kann, zum Beispiel in Finnland. Aber gerade Finnland zeigt zugleich, dass es dann auch ein völlig anderes Bildungssystem und eine völlig andere Form des innerstaatlichen Finanzausgleichs geben muss. Es gibt in Finnland keine Landesebene, wie wir sie in Deutschland haben, als Zwischenstation. Wir haben dort den Bund und die Kommunen, und die Kommunen bekommen den größten Batzen des Geldes in Finnland. Dann habe ich natürlich andere Voraussetzungen, Schulen und Lehrer aus meinem Etat zu finanzieren, als die Kommunen in Sachsen das könnten. Sie haben in Finnland also viel mehr Kompetenzen, sie haben weit größere Spielräume als die Landkreise, Städte und Gemeinden hierzulande.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Von daher kann man das finnische Modell nicht einfach auf Deutschland und Sachsen übertragen.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, werden wir den vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion ablehnen. Dies gilt vor allem für die geänderte Fassung, für den Änderungsantrag. Auch da können und werden wir nicht mitgehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die SPD-Fraktion Herr Dulig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte An- und Abwesende! Man sollte den letzten Schritt nicht vor dem ersten gehen. – Das fällt mir ein, wenn ich zum heutigen Zeitpunkt Überlegungen zur Kommunalisierung des Lehrpersonals vernehme. Damit Sie mich richtig verstehen: Wir stehen einer Übertragung der Personalhoheit für Lehrer auf die Schulträger sehr offen gegenüber und halten sie ab einem bestimmten Zeitpunkt auch für richtig.

Damit aber keine falschen Ängste und Blockaden geschürt werden: Eine Übertragung der Personalhoheit muss nicht notwendig die Übertragung des Personals bedeuten. Lehrerinnen und Lehrer können durchaus im Landesdienst verbleiben und doch dem Schulträger unterstellt sein. Aber die Kommunalisierung des Lehrpersonals ist für uns kein Selbstzweck. Sie ist der letzte Schritt bei der Übertragung von Verantwortung an die Schulen. Insofern machen Modellversuche auch nur dann und nur dort einen Sinn, wo die maßgebliche Verantwortung für die Gestaltung dieser Bildungsprozesse auf die Schulen erfolgt ist oder parallel erfolgt.

Den Rest der Rede gebe ich zu Protokoll. – Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, und bei der CDU)

Für die NPDFraktion Herr Gansel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte es außerordentlich kurz machen. Mir ist auch nach den Ausführungen von Herrn Herbst immer noch ziemlich schleierhaft, warum die FDP diesen Antrag heute hier einbringt. Die FDP hat Mitte August einen entsprechenden Antrag, eine Anfrage an die Staatsregierung, eingebracht. Seit Kurzem liegt die entsprechende Antwort der Staatsregierung vor. Die Stellungnahme der Staatsregierung ist zwar, was nicht wirklich überrascht, überaus dürftig. Aber auf jeden Fall haben wir erst einmal eine Stellungnahme der Staatsregierung vorliegen.

Ich möchte für meine Fraktion sagen, dass wir Berichtsanträgen grundsätzlich immer zustimmen, da es erst einmal positiv ist, wenn politischen Entscheidungen auch in diesem Haus Datenmaterial zugrunde liegt. Insgesamt stehen wir der ganzen Problematik der Kommunalisierung von Lehrern eher kritisch gegenüber. Gut, wenn die FDP weitere Informationen wünscht, soll sie diese von unserer Seite aus bekommen.

Es ist wieder einer dieser unzähligen Berichtsanträge, denen man zustimmen kann oder bei denen man sich enthalten kann. Wir stimmen einfach einmal zu; aber die Notwendigkeit, die Sache in dieser Form heute hier zu diskutieren, ist uns nicht ersichtlich.

(Beifall bei der NPD)

Die Fraktion der GRÜNEN ist aufgerufen; Frau Günther-Schmidt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schulpolitische Debatten qualifiziere ich ja immer nach dem Input, der von der CDU kommt. Wenn Herr Colditz nicht auftritt, fange ich an aufmerksam zu werden. Das war vorhin etwas schwierig.

Der Antrag der FDP fordert die Staatsregierung im ersten Teil auf, Stellung zu den Möglichkeiten der Kommunalisierung von Lehrerinnen und Lehrern zu nehmen. Dies ist insofern sehr nett, da der ursprüngliche Antrag nur aus diesem ersten Teil bestand. Danach haben Sie uns heute Morgen eine Rückseite untergejubelt, auf die ich nachher noch zu sprechen kommen werde.

In diesem ersten Teil wird auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen und die Vor- und Nachteile für Eltern, Lehrer und Schüler abgestellt. Angesichts der gerade erst beginnenden Diskussion um die bevorstehende Verwaltungsreform ist dieses Thema also von aktuellem Interesse; zumal der Präsident des Landkreistages, Andreas

Schramm, gefordert hat, den Kommunen die Verantwortung für Polizei und Schulen zu übertragen.

Es stellt sich also die Frage: Warum sind Lehrer das Objekt kommunaler Begehrlichkeiten geworden? Die Dienstherrschaft über annähernd 40 000 Lehrerinnen und Lehrer ist schließlich kein Projekt für Kleinsparer, und dass die sächsischen Kommunen finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen, ist inzwischen auch jedem bekannt.

Praktisch könnte die Kommunalisierung der Lehrerinnen und Lehrer im Extremfall bedeuten, dass Arbeitszeitregelungen und Vergütungen jährlich mit den Bürgermeistern, den Landräten oder den Schulleitungen auszuhandeln sind und im schlimmsten Fall nach Kassenlage entschieden werden.

Es kann natürlich auch sein, dass die Kommunen aus den frustrierenden Erfahrungen, die sie in den zurückliegenden Schulnetzplanungen gemacht haben, ihr Heil in der Personalverantwortung für die Lehrkräfte suchen. Schließlich können die kommunalen Schulträger zwar formal über die regionale Verteilung ihrer Schulstandorte entscheiden, sie müssten dann aber gegebenenfalls den Mitwirkungsentzug des SMK hinnehmen. Das heißt, das Kultusministerium stellt keine Lehrer für den im Schulnetzplan verankerten Schulstandort zur Verfügung, was letztendlich einem Verbot gleichkommt, diese Schule zu betreiben.

Die Widersprüche und Klagen gegen die laufende Schulschließungswelle – die ausgesprochenen Mitwirkungsentzüge der laufenden Saison sind ja erst zu Beginn des kommenden Schuljahres beendet – zeigen deutlich, dass die kommunalen Schulträger durchaus bereit wären, Schulen in eigener Verantwortung zu betreiben. Der Weg aus der Krise könnte also für Bürgermeister und Landräte darin gesehen werden, nicht nur die Schulhäuser, sondern auch das pädagogische Personal in eigener Verantwortung zu halten.

Für uns GRÜNE ist unter den derzeitigen Bedingungen eine Kommunalisierung der Lehrkräfte völlig ausgeschlossen. Kommunalisierung von Lehrern wäre für uns allenfalls ein Bestandteil der Entlassung von Schulen in die Selbstständigkeit. Schulautonomie geht für uns mit besonderen pädagogischen Konzepten einher, zu denen sich dann jede Schule bekennt, und mit welchen sie auch in den Wettbewerb mit anderen Schulstandorten tritt. Derart unabhängige Schulen müssen dann in die Lage versetzt werden, diejenigen Lehrkräfte einzustellen, die zu ihrem pädagogischen Konzept passen und dieses auch gern vor Ort umsetzen.