Protocol of the Session on December 9, 2005

Ich verhehle nicht, dass den Absichtserklärungen relativ wenige konkret durchgeführte Projekte, die unmittelbar der „Initiative Mitteldeutschland“ zugeordnet werden können, gefolgt sind. Nimmt man diese einzelnen Punkte heraus – da hilft auch kein Schönreden –, dann kann man zu Recht sagen, dass die Initiative, wie in der Presse mehrfach geäußert wurde, nicht die erhofften kurzfristigen Erfolge zeigte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum gestaltet sich die „Initiative Mitteldeutschland“ schwieriger als vielleicht 2002 gedacht? Es sprechen viele ökonomische Gründe für die Initiative. Aber wir wissen, Entscheidungen haben oftmals einen geschichtlichen Hintergrund, denn Teile von Thüringen und Sachsen-Anhalt gehören historisch und emotional eben zu Sachsen. Besteht deshalb nicht vielleicht bei den Beteiligten in Thüringen und Sachsen-Anhalt die Befürchtung, dass sie von Sachsen vereinnahmt werden?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das könnte sein!)

Dies umso mehr, als der Freistaat wirtschaftlich und von der Anzahl der dort lebenden Menschen her der wesentlich stärkere Partner ist. Damit bestimmen emotionale Gründe unweigerlich die Entscheidungen mit. Mit reinen Sachargumenten wird man gegen diese Bedenken nicht ankommen.

Exemplarisch möchte ich dies an der Fusion der drei Landesversicherungsanstalten zur Deutschen Rentenversicherung mit Sitz in Leipzig festmachen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das wäre auch fast gescheitert!)

Dort haben die Selbstverwaltungsorgane diesen Prozess maßgeblich vorangetrieben. Auch dort wurden viele Sachargumente ins Feld geführt, die gegen eine Fusion gesprochen haben. Aber war der eigentliche Grund nicht die Angst der Beteiligten aus Thüringen und SachsenAnhalt, von der größeren Landesversicherungsanstalt in Sachsen vereinnahmt zu werden?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bekennen uns zu der „Initiative Mitteldeutschland“ und sehen den Erfolg nicht nur im Zustandekommen einzelner Projekte. Die Fusion der drei Landesversicherungsanstalten habe ich schon genannt.

Hervorzuheben wäre auch das zwischen den Ländern abgestimmte Luftverkehrskonzept Mitteldeutschland. Im Oktober-Plenum haben wir uns ausführlich diesem Thema gewidmet. Im Bereich Wirtschaft hat sich die länderübergreifende Zusammenarbeit im Zusammenhang mit dem Aufbau eines internationalen Logistikzentrums um den Flughafen Leipzig-Halle bewährt – Stichwort Ansiedlung DHL. Ebenfalls kennt die wirtschaftliche Zusammenarbeit vor Ort keine Ländergrenzen.

Meine Unterstützung hat auch der Vorschlag des thüringischen SPD-Chefs Christoph Matschie, eine Wissenschaftsregion der drei Länder zu etablieren.

Lassen Sie mich zum Schluss einen Blick in die Zukunft werfen. Das Zusammenwachsen der Volkswirtschaften – auch „Globalisierung“ genannt – wird zwangsläufig zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen führen. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden diesen Prozess begleiten. Wir unterstützen die regelmäßigen Gespräche zwischen den Landesregierungen; denn bei den gleichen Problemstellungen brauchen wir eine gemeinsame Darstellung der drei Länder. Wir brauchen ein gemeinsames Sprachrohr, um in dem größer gewordenen Europa wahrgenommen zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die NPDFraktion spricht Herr Abg. Delle.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe nicht so richtig, was dieser Antrag auf der heutigen Tagesordnung soll. Er wurde vor über einem Jahr, am 21.10.2004, gestellt. Die Antwort der Staatsregierung kam am 03.01.2005, also vor fast einem Jahr. Ich hätte es verstanden, wenn Sie heute einen ähnlichen Antrag neu gestellt hätten. Dann hätten wir gern darüber diskutieren können.

Jetzt mache ich es wirklich kurz – im Gegensatz zu meinen Vorrednern, die es immer angekündigt und dann doch nicht getan haben –: Für uns hat sich mit der Stellungnahme der Staatsregierung, auch mit der Stellungnahme zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion der Antrag eigentlich erledigt. Sollten Sie heute dennoch über den Antrag abstimmen lassen, werden wir aus prinzipiellen Gründen zwar dafür stimmen; aber für uns hat er sich eigentlich erledigt.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDPFraktion Herr Zastrow, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bolick, ich bin fast geneigt, Ihnen zuzustimmen und den PDS-Antrag abzulehnen. Mit Letzterem gibt es ein Problem: Dort ist von

„Fortschrittsbericht“ die Rede. Ein Fortschrittsbericht setzt Fortschritt voraus.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ja! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Eben!)

Einen solchen können wir beim besten Willen nicht erkennen, wenn es um die „Initiative Mitteldeutschland“ geht.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir haben noch Hoffnung!)

Die Hoffnung haben wir auch.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie sein Vorgänger hat auch der jetzige Ministerpräsident ein paar Hobbys. Dazu gehört, dass er den Blick gern in die Umgebung, in die weite Welt schweifen lässt. Dabei vergisst er immer wieder, seine Hausaufgaben zu machen und sich um sein eigenes Land zu kümmern. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie unser Ministerpräsident nach dem Scheitern der Föderalismusreform auf Bundesebene richtigerweise Kritik geübt hat. Ich weiß, dass er gesagt hat: Wir müssen endlich etwas tun! Wir brauchen eine Föderalismusreform! Die Länder müssen mehr Freiheiten bekommen, selbst zu entscheiden, aber auch enger zusammenzuarbeiten. – Dabei hat er jedoch vergessen, dass Sachsen selbst alles andere als ein Vorbild ist, wenn es um eine Verwaltungsreform, um den Bereich Föderalismus, um Deregulierung und Bürokratieabbau geht.

Beispiel Verwaltungsreform in Sachsen. Ich will darauf nicht näher eingehen, sondern nur sagen: Ich halte es für bedenklich – das zeigt mir, wie kompliziert es sein wird, mit Thüringen und Sachsen-Anhalt überhaupt an einen Tisch zu kommen –, wenn die erste Reaktion der Landräte in Sachsen – meistens sind es CDU-Landräte gewesen – lautete: Um Gottes willen die Reform nicht jetzt durchführen, sondern – frühestens – auf das Jahr 2010 verschieben!

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Wenn dem so ist und wenn wir selbst in unsere eigenen Reformprozesse so wenig Druck hineinbekommen, dann ist mir völlig klar – Martin, da hast du Recht –, wie kompliziert sich die Zusammenarbeit zwischen den Ländern darstellt.

Ich werde nicht müde, immer wieder ein anderes Beispiel zu nennen, weil es sich um eine der größten Luftnummern handelt, die ich bisher in diesem Haus kennen lernen durfte: den Paragrafenpranger. Wann endlich wird uns ein Konzept vorgelegt? Wann gibt es Ergebnisse? Das Konzept passte damals sinnvoll in den Wahlkampf, nach dem Motto: Wir sind die großen Entbürokratisierer! Wir sind diejenigen, die deregulieren! – Damit ist man in den Wahlkampf gegangen. Was ist jetzt?

(Volker Bandmann, CDU: Sie wollen doch ständig neue Regelungen haben!)

Ich sehe nach wie vor keine entscheidenden Schritte in Richtung Deregulierung und Bürokratieabbau. Ich wünsche mir dringend, dass solche Schritte kommen; denn die mittelständische Wirtschaft sieht Bürokratie als größtes Problem in Sachsen an.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Staatsministers Geert Mackenroth)

Der Schwibbogen ist ein gutes Beispiel. Die Bürokratie auch in diesem Hause ist nicht gerade gering.

(Beifall bei der FDP)

Darin reiht sich das Beispiel „Initiative Mitteldeutschland“ würdig ein. Dort sieht es nämlich nicht anders aus. Das war eine richtig schöne PR-Aktion. Das ist mein Beruf, ich kenne mich damit aus. Die Fotos sahen gut aus, das Händeschütteln hat funktioniert. Die Initiative hat für den Wahlkampf bestimmt ihre Funktion erfüllt. Was ist seitdem passiert? Ich habe mir die Terminkette herausgearbeitet – ich war damals noch nicht im Landtag –, will sie aber jetzt nicht komplett wiederholen. Fakt ist: Im August 2002 ist man mit acht durchaus sehr sinnvollen Punkten gestartet. Ich erinnere nur an die Überwindung der Folgen der Hochwasserkatastrophe – ein wichtiges Projekt!

Es ging weiter. Auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung im Dezember 2002 wurde es ganz revolutionär. Wenn ich das lese, schaudert es mich vor Begeisterung: Landesgerichte, Statistische Landesämter, Verwaltungsschulen, Vermessungs-, Eich- und Bergämter und die Forstverwaltung sollten zusammengelegt werden. Was Letzteres angeht, haben wir übrigens gestern das Gegenteil gemacht, nämlich „Sachsenforst“ gegründet. Ursprünglich gab es die Idee, das Vorhaben mit allen Ländern gemeinsam zu realisieren. Ferner wurde eine enge Zusammenarbeit im Hochwasserschutz – ich komme darauf zurück – vereinbart.

(Marko Schiemann, CDU: Was Sie zu Forst sagen, ist Quatsch!)

Herr Schiemann, das ist kein Quatsch. Das steht in den Unterlagen, die wir bekommen haben.

Der Höhepunkt wurde 2003 auf der Klausurtagung in Gera erreicht. Die Initiative weitete sich auf sagenhafte 17 Punkte aus. Darunter waren sehr vernünftige Vorhaben wie Strafvollzug, Justiz, Elektronisches Grundbuch, Elektronisches Handelsregister, Zusammenlegung der oberen Landesfinanz-, Landesarbeits- und Landessozialgerichte.

Der Niedergang des gesamten Projektes begann ein halbes Jahr später, im Oktober 2003 in Merseburg, als aus 17 Punkten mit einem Mal nur noch sechs Punkte wurden. Damals hieß es noch, es solle ein Mitteldeutscher Verbund Statistischer Landesämter geschaffen werden. Es wurde von einer Kooperation der Berufsakademien gesprochen. Als großer Erfolg wird noch heute bezeichnet, dass es eine gemeinsame Lehrbeauftragtendatei gibt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist doch etwas!)

Super! Klasse! Die Ministerpräsidenten treffen sich, um den riesenhaften Erfolg der gemeinsamen Lehrbeauftragtendatei zu erzielen. Ich halte das für sehr dünn.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Nun erkennen Sie doch einmal etwas an!)

Ich erkenne das an, ja. Herr Dr. Hahn, da Sie mehr Redezeit haben, können Sie noch ein Wort des Lobes dafür finden. Bei mir ist das immer ein bisschen knapper.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Der Anfang von E-Government!)

Zwei E-Learningmodule zu EU-Grundlagen wurden durchgeführt. Das alles sind Erfolge, die sich in der uns übermittelten Antwort auf die Anfrage zur „Initiative Mitteldeutschland“ finden. Das ist nicht meine Erfindung, Herr Schiemann. Diese Ergebnisse stehen in der Antwort auf die Kleine Anfrage.

Ein weiteres Beispiel: Man hat einzelne gemeinsame Lehrveranstaltungen zum Thema „Bescheidtechnik im Verwaltungsverfahren“ durchgeführt.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Herr Dr. Martens, Sie dürfen klatschen.