Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Mit der Einführung der so genannten HarzIV-Gesetze hatte sich die rot-grüne Bundesregierung unter anderem das Ziel gesetzt, die Kommunen durch eine Umschichtung von Verantwortung um 2,5 Milliarden Euro zu entlasten. Das sollte für das laufende Jahr durch eine Beteiligung des Bundes an den kommunalen Kosten der Unterkunft in Höhe von 29,1 % sichergestellt werden. 34 % wären aus heutiger Sicht der Situation wohl eher angemessen gewesen.
Leider beruhte der Prozentsatz für 2005 aus Mangel an belastbaren Zahlen auf einer Simulation, die mit zahlreichen Annahmen versuchte, Aussagen über die Entwicklung der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften zu treffen.
Wie wir alle wissen, haben diverse Lücken im Gesetzeswerk dazu geführt, dass diese Schätzungen von der Realität längst überholt wurden. So überstieg die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften allein in Sachsen im September mit 305 000 die Planung des Bundes um mehr als 50 000. Auch Dresden hat mit 32 000 Bedarfsgemeinschaften 7 000 mehr als ursprünglich geplant. Wie viele davon ihre Leistungen zu Unrecht bekommen, ist noch nicht absehbar. Wie heute in der Zeitung zu lesen war, beschäftigt die Arbeitsgemeinschaft „Hartz IV” in Dresden gerade mal vier Angestellte, die die Hinweise des Leistungsmissbrauchs überprüfen. Ab dem nächsten Jahr wird hier massiv Personal aufgestockt, um jeden zehnten Antragsteller unter die Lupe nehmen zu können.
Die andere Ursache für den Kostenanstieg liegt in der sächsischen Nettobelastungsermittlungsverordnung – was für ein Wortungetüm! Diese sollte für einen Ausgleich unterschiedlicher Nettobelastungen in Landkreisen und Kreisfreien Städten sorgen. Dazu wird die finanzielle Belastung der Kommunen, die durch die Kosten der Unterkunft entstehen, recht einfach ermittelt: Man multipliziert die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften mit dem Landesdurchschnitt der Kosten für Unterkunft. Erklärtes Ziel der Nettobelastungsermittlungsverordnung ist es, eine anreizkompatible Ermittlung der finanziellen Lasten zu gewährleisten. Die Argumentation hat durchaus ihren Reiz, würde man die tatsächlich entstehenden Kosten der Unterkunft als Messzahl für die Belastung der Kommunen heranziehen. So hätten die Gebietskörperschaften kein Interesse, die Mieten niedrig zu halten.
In der Verordnung wird weiterhin davon ausgegangen, dass die kommunale Durchschnittsmiete für Hartz-IVEmpfänger keine exogen vorgegebene Größe ist, sondern tatsächlich von den örtlichen Behörden in Form
Für Dresden, das ich jetzt repräsentativ für Kreisfreie Städte nenne, bedeutet dies, dass jede Bedarfsgemeinschaft den Verwaltungshaushalt der Stadt Dresden mit etwa 60 Euro netto belastet. Das liegt daran, dass die landesweite Durchschnittsmiete pro Quadratmeter bei 3,50 Euro liegt, die eigenen Mietkosten jedoch bei 4,35 Euro.
Die Differenz von 85 Cent lässt sich in zwei Schritten erklären. Um 25 Cent übersteigt der Quadratmeterpreis, der in Dresden durch Stadtratsbeschluss als angemessen gilt, die Durchschnittsmiete in der Landeshauptstadt. Hier muss sich der Stadtrat an die eigene Nase fassen und besser noch einmal über niedrigere Angemessenheitsgrenzen diskutieren und sie eventuell neu festlegen. Die restlichen 50 Cent sind aber objektiv messbare höhere Mieten, die hier am Markt üblich sind und die die Stadt nicht beeinflussen kann, eben jene exogen vorgegebenen Tatsachen, von denen in der Nettobelastungsermittlungsverordnung die Rede ist.
Ich vertrete die Auffassung, dass sich eine Berechnung der entstandenen Belastungen durch die Kosten der Unterkunft auch an dem marktüblichen Mietniveau orientieren sollte. Welche Maßzahl hier zu Rate gezogen wird, wird sicherlich noch Gegenstand der Verhandlungen in der nächsten Woche sein. Ich habe die Hoffnung, dass es bald zu einer Übereinkunft zur Datenlage zwischen dem Freistaat Sachsen und den sächsischen Kommunen kommt. Wir haben ein Datenproblem, da die Software der Nürnberger Agentur für Arbeit große Schwierigkeiten im Umgang mit ihr bringt.
Die den Kommunen versprochenen 2,5 Milliarden Euro Entlastung sind definitiv nicht eingetreten. Das sieht der Bund naturgemäß etwas anders. Aber das hanebüchene Ergebnis der Bundesrevision vom 01.10.2005, die Kommunen wären anstatt der berechneten 6,2 Milliarden Euro nunmehr um 9,1 Milliarden Euro entlastet, entbehrt jeder Grundlage.
Wenn der ehemalige Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement behauptet, die zusätzlichen Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die den Bund nun belasten, seien den Kommunen als Entlastung anzurechnen, da die Kommunen wiederum nach altem Gesetz für sie zuständig waren, rechnet er die Städte und Gemeinden fiktiv reich. Dieses Kartenhaus fällt mit dem ersten Blick in jedem beliebigen kommunalen Haushalt in sich zusammen. Den Vorschlag, der aus dieser Bundesrevision
hervorgeht, die Bundeszuschüsse rückwirkend auf null zu senken, kann man daher nur als realitätsfremd abtun.
Der neue Arbeitsminister Müntefering hat mit den kommunalen Spitzenverbänden letzten Donnerstag über das ungeklärte Problem der Bundeszuschüsse beraten. Die Kommunen rechnen vor, dass sie eine Erhöhung der Beihilfen auf 34,4 % für notwendig halten, um das Entlastungsziel zu erreichen. Die Regierung ist mit einem Kompromissangebot von 19 % für 2006 ins Rennen gegangen. Leider konnte keine Einigung erzielt werden, sodass die Zeichen bis heute – bis heute! – auf einen Konflikt deuteten. Herr Müntefering hat gedroht, die Subventionen für 2006 auf 15 % zu begrenzen und den Bundesanteil für 2005 von einem unabhängigen Institut prüfen zu lassen, wenn es bis Jahresende zu keiner Lösung kommt.
Die Kommunen ihrerseits hatten die Länderfinanzminister auf ihrer Seite. Diese wiederum hatten gedroht, ein noch zu beschließendes Gesetz über die Höhe der Beteiligung im Bundesrat scheitern zu lassen. Diese Drohungen sind nun erst einmal vom Tisch. Nach einem Koalitionsbeschluss der großen Koalition vom heutigen Tage erhalten die Städte und Gemeinden auch 2006 einen Zuschuss des Bundes von 29,1 % wie bisher und dürfen diese auch behalten. Dies wurde heute vom Deutschen Städtetag und den Landesregierungen übereinstimmend in den Medien begrüßt. Ich denke, auch der Sächsische Landtag kann sich über diese Entscheidung der großen Koalition erleichtert zeigen. Warum, will ich noch einmal am Beispiel der Stadt Dresden festhalten. Die Stadt Dresden gibt 95 Millionen Euro für die Kosten der Unterbringung aus. Wenn 29,1 % fehlen würden, wären dies in der Stadt Dresden drei Staatsoperetten oder die halbe KitaVersorgung.
Nun aber zum ursprünglichen Antrag der Fraktion GRÜNE: Der Grundtenor darin ist, die kommunalen Mittel im Ausgleichstopf nach den tatsächlich entstandenen Kosten der Unterkunft zu verteilen. Als Beispiele wurden unter anderem die westlichen Bundesländer Hessen und Niedersachsen genannt, wo diese Vergabepraxis angewandt wird. Wie vorhin bereits erwähnt, hätten bei voller Kostenerstattung die Kommunen keinerlei Anreiz für die Einhaltung der Angemessenheitsgrenzen. Schließlich würde ja dann fremdes Geld für eigene Zwecke ausgegeben, und dies ist bekanntlich die angenehmste Art, Geld auszugeben. So wird jüngst in einer internen Untersuchung der Arbeitsgemeinschaft „Hartz IV“ in Dresden festgestellt, dass ungefähr 30 % der Bedarfsgemeinschaften nicht angemessen wohnen. Wir sprechen hier immerhin von einer Anzahl von 4 900 Bedarfsgemeinschaften.
Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass sich bei den betroffenen Kommunen durchaus noch Einsparpotenzial bei der Belastung durch die Kosten der Unterkunft aufzeigt. Auf der anderen Seite haben sich bei der Gestaltung Land und Kommunen bei der Nettobelastungsermittlungsverordnung darauf geeinigt, dass bei objektiv begründbaren Unterschieden im Mietniveau diese höheren
Die hierfür erforderlichen Daten sollten ursprünglich schon im Sommer zur Verfügung stehen, konnten jedoch nach etlichen Verzögerungen erst Ende November bereitgestellt werden. Welche Erkenntnisse dabei gewonnen werden, soll nun von der Staatsregierung berichtet werden.
Insofern trifft der mittlerweile vorliegende Änderungsantrag der GRÜNEN den Kern der Problematik und findet deshalb auch die Unterstützung meiner Fraktion. Wir werden diesem zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Rohwer, Sie dürfen nach Ihrem Ausflug in die Banklehre auch mal wieder in die Finanzwelt zurückkehren. Herzlich willkommen!
Ich habe mich ein wenig gewundert und deswegen fand ich es auch richtig, Frau Herrmann, was Sie gesagt haben. Ich habe mich nur gewundert, warum der Antrag so verweichlicht wird. Nach den letzten Ausführungen von Herrn Rohwer wird es mir klar. Sie haben wohl einen Deal mit der CDU- und vielleicht auch mit der SPDFraktion gemacht, damit Sie endlich wieder einmal einen Antrag durchbekommen.
einfach mal aufgegeben, nämlich Kommunen die Belastungen nicht zur zusätzlichen Last werden zu lassen. Das finde ich wirklich sehr schade. Wir haben im Juli dieses Jahres erst über die Umsetzung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilfegesetzes in das Sozialgesetzbuch gesprochen. In diesem Gesetz wurde festgehalten, dass das Sozialministerium wie auch das Finanzministerium im Einvernehmen eine Rechtsverordnung erlassen, in der die in Rede stehende Nettobelastungsermittlungsverordnung geregelt werden soll.
Wenn ich mir anhöre, dass Sie, Herr Rohwer, davon sprechen, dass dort Einsparpotenziale schlummern würden, dann ist das ein sehr trauriges Verständnis davon, was kommunale Mandatsträger in Verantwortung für ihre Kommunen durchzusetzen versuchen; denn sie werden einen Teufel tun und überhöhte Mieten ansetzen, weil sie genau wissen, was das für sie heißt: Auch ihre Haushalte würden explodieren.
Ich versuche das, was schon angesprochen wurde, noch einmal zu sagen, denn es soll ja haften bleiben. Die
29,1 % Bundesanteil für 2005, die hoffentlich auch für 2006 gewährleistet bleiben, sind schon angesprochen worden. Ich will zu Frau Herrmann nur noch eine kleine Berichtigung machen. Die Hartz-IV-Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen belaufen sich auf 268 Millionen Euro und nicht, wie Sie es gesagt haben, auf 318 Millionen Euro, denn die restlichen 50 Millionen sind die Wohngeldentlastung des Freistaates, die Sie einfach mit hineingerechnet haben.
Ich freue mich sehr, dass das Staatsministerium der Finanzen endlich eingesehen hat, dass 50 Millionen Euro für 2005 doch zu wenig waren. Mit großem Vergnügen habe ich gesehen, dass Sie auf der morgigen Finanzsitzung vorhaben, weitere 47 Millionen Euro einzustellen. Ich verweise gern darauf, dass die PDS-Fraktion im damaligen Gesetzentwurf 100 Millionen Euro einstellen wollte. Sie wollten damals nichts davon wissen. Jetzt kann ich mich hinstellen und sagen, wir haben es schon immer gewusst.
Das werde ich natürlich nicht machen. Bei 97 Millionen Euro sind wir zumindest nahe dran. Ich habe das Dokument relativ gut studiert. Aber das nur ganz nebenbei.
Wie gesagt, wir haben diesen Antrag sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen. Wir fanden ihn auch richtig, denn er hat genau das Anliegen, welches wir damals schon formuliert haben, aufgegriffen. Als es um den Gesetzentwurf ging, haben wir gesagt, diese Verordnung muss so gestrickt werden, dass eine realistische Zahl herauskommt. Es geht nicht um einen Durchschnitt, sondern darum, was an wirklichen Be- und Entlastungen für die Kommunen dasteht. Das war Ihr eigentlicher Antrag, und ich bedaure, dass Sie diesen Antrag verwässert haben.
Die tatsächliche Be- und Entlastung, die in unserem Antrag Drucksache 4/2353 zu lesen war, ist der eigentlich richtige Ansatz. Welche Probleme haben wir? Einige sind schon angesprochen worden. Manchmal vermisse ich die Diskussion darüber, dass die Landkreise eine ganz andere Eigentumsstruktur haben. Dort geht es nicht um eine Wohngeldfinanzierung, wie sie bei Mietwohnungen stattfindet. Deswegen sind, wie Sie in der Stellungnahme richtig geschrieben haben, die Bedarfsgemeinschaften in den Landkreisen größer. Es sind mehr Leute, die in einer Wohnung oder einem Haus wohnen. Das führt zu Entlastungen in den Landkreisen oder zu Belastungen für die Kreisfreien Städte. Dass in den Kreisfreien Städten eine Bedarfsgemeinschaftsexplosion stattgefunden hat, ist an niemandem vorbeigegangen. Dass darauf reagiert werden
Ich möchte noch auf Ihren Änderungsantrag, den Sie uns gnädigerweise zur Verfügung gestellt haben, eingehen. Zu Punkt 1. Herr Lichdi hat vorhin von Symbolpolitik gesprochen, und das ist auch wieder so ein Beispiel für Symbolpolitik. Diesen Punkt 1 hatten wir schon beim Gesetzentwurf mit beantragt. Wir wollten zum 31. Oktober eine Information. Die Staatsregierung sollte zu den tatsächlichen Ausgaben von Be- und Entlastungen berichten. Das hat nicht stattgefunden. Wir haben das sehr bedauert. Jetzt kommen wir wieder einmal zu dem Punkt, dass wir sagen können, es macht vielleicht Sinn, dass der Landtag in diese Prozesse einbezogen wird und nicht immer die Landkreise und die Staatsregierung im dunklen Kämmerlein etwas ausdealen. Ich begrüße, dass wir jetzt einen solchen Bericht bekommen sollen. Wenn ich die Zustimmung von Herrn Rohwer richtig deute, wird es vielleicht auch dazu kommen.
Zu Punkt 2. Ich finde es schade, dass Sie hinter den eigentlichen Antrag zurückgegangen sind und sagen: „… wenn es denn möglich wäre. Man sollte einmal sagen, welche Möglichkeiten es gibt.“ Es ist schade, dass Ihnen die Kreativität fehlt, gleich einen konkreten Vorschlag zu machen. Ich könnte sagen, machen wir einen Pauschbetrag und dann eine Spitzabrechnung, und dann sollte das seinen Gang gehen. Das ist eigentlich eine relativ einfache Sache. Warum sich die Staatsregierung so weigert, kann ich mir nur damit erklären, dass von 22 Landkreisen mindestens 21 von Landräten mit CDU-Parteibuch geführt werden. Dagegen stehen sieben Kreisfreie Städte, in denen, glaube ich, ein CDU-Parteibuch dabei ist. Dann ist die Entscheidung relativ klar, auf welche Seite man sich schlägt und wo die Mehrheiten liegen.
Herr Bandmann, mehr als sieben Kreisfreie Städte haben wir nicht. Na gut, Görlitz hat jetzt gerade abgegeben.
Die Landkreise und die Kreisfreien Städte sind zuständig, Herr Bandmann. Es sind 29, die sich insgesamt damit beschäftigen. Einfach mal lesen, dann würden Sie es auch mitbekommen.
Ich habe mein Bedauern schon zum Ausdruck gebracht. Wir werden trotzdem dem Punkt 1 Ihres Änderungsantrages, der wahrscheinlich zur Abstimmung kommen wird, zustimmen. Da Punkt 2 schadlos ist, ist der Antrag insgesamt schadlos. Insofern werden wir ihm zustimmen.