Protocol of the Session on December 7, 2005

(Wortwechsel zwischen Abgeordneten der Linksfraktion.PDS und der CDU)

Darf ich um Ruhe bitten, damit Sie verstehen, worüber Sie abstimmen.

Es gibt den Vorschlag, den Gesetzentwurf Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Wahlen zum Sächsischen Landtag federführend an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss und mitberatend an den Innenausschuss zu überweisen. Wer diesem Vorschlag zustimmen kann, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Danke. Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Dafür-Stimmen und ohne Stimmenthaltung wurde dieser Vorschlag abgelehnt.

Deshalb stimmen wir jetzt über den Überweisungsvorschlag, der im Präsidium beschlossen wurde, ab. Dieser beinhaltet, den Gesetzentwurf an den Innenausschuss federführend und an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss mitberatend zu überweisen. Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wer ist dagegen? – Danke. Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmenthaltungen und Gegenstimmen ist dieser Überweisung mehrheitlich zugestimmt worden; sie ist damit beschlossen und wir beenden den Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 9

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Freistellung der Kleingärten von der Erhebung kommunaler Beiträge, Verbrauch- und Aufwandsteuern (Sächsisches Kleingartenfreistellungsgesetz – SächsKleingFreistG)

Drucksache 4/3553, Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin Linksfraktion.PDS. Herr Bartl, bitte.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

– Das geht nach Lateinamerika, Herr Professor. Die Sachdienlichkeit ist dieselbe wie hier.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zugegebenermaßen ist derzeit keine Gartensaison. Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Freistellung der Kleingärten von der Erhebung kommunaler Beiträge sowie Verbrauch- und Aufwandsteuern kommt indes keineswegs zur Unzeit. Dem Modell des ersten Gartenzwerges lag, wie es gesicherte Erkenntnisse verbriefen, die Figur des Nikolaus zugrunde. Das ist bewiesen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Der Landtag hat in einer Sternstunde in Sachen sächsisches Kleingartenwesen, das uns allen in diesem Hause bekanntermaßen besonders am Herzen liegt, just vor einem knappen Monat, nämlich am 10. November 2005, einen von der CDU- und SPD-Koalition eingebrachten Antrag beschlossen, der sich auf die Verfahrensvereinfachung und Entbürokratisierung im Bereich des sächsischen Kleingartenwesens richtet. Bei ddp lasen wir tags darauf: „Nach dem Willen des Landtages soll die Regierung Sachsens Kommunen die Erhebung von Zweitwohnungsteuern und Kurtaxen auf Kleingärten verbieten. Das Parlament verabschiedete am Donnerstag mit großer Mehrheit einen entsprechenden Antrag der CDU-/SPDKoalitionsfraktion.“

Sie wissen, dass wir bereits in der Debatte das Anliegen selbigen Antrages ausdrücklich begrüßt haben, aber – wie wir meinen, berechtigt – moniert hatten, dass dieses Gesetz nicht über Appelle und Ersuchen an die Staatsregierung zu erreichen ist, sondern, wenn man das Versprochene wirklich will, es eben nur qua Gesetz geht. Dies ist deswegen so, weil beispielsweise den Kommunen zu verbieten, eine Zweitwohnungsteuer oder Kurtaxe auf Kleingartenanlagen und Kleingärten, die den Anforderungen des Bundeskleingartengesetzes entsprechen, zu erheben, wie dies Ziffer 2 des Beschlusses am 10. November der Staatsregierung aufgibt, wiederum im Maßstab von Artikel 84 der Sächsischen Verfassung nur geht, wenn es durch ein Gesetz vorgegeben wird.

Wir im Parlament, in der Exekutive, sind nun einmal an die Verfassung gebunden, auch wenn das der politische Pragmatismus ab und an als störend empfinden mag. Ich verweise auf meinen Beitrag im vorangegangenen Tagesordnungspunkt, wo uns das Verfassungsgericht wieder aufmerksam machen musste, dass der politische Wille nicht immer der gesetzliche ist.

In Artikel 48 Abs. 1 der Verfassung steht, dass den Gemeinden als Trägern der öffentlichen Aufgaben in ihrem Gebiet bestimmte Aufgaben im öffentlichen Interesse durch Gesetz zu übertragen sind. In Artikel 87 Abs. 2 der Verfassung wird formuliert: „Die Gemeinden und Landkreise haben das Recht, eigene Steuern und andere Abgaben nach Maßgabe der Gesetze zu erheben.“ Wenn man also will, dass Kleingärtner Zweitwohnungsteuer und Kurtaxe nicht zahlen müssen, dann kann man das auf keinem anderen Wege als durch eine gesetzliche Regelung bewirken. Wenn man in dieser Frage in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen will, gibt es nur diese Möglichkeit.

Wir schlagen dazu in Artikel 2 Nr. 2 des Entwurfs eine klare Regelung vor, nämlich § 7 Abs. 2 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes derart zu ergänzen, dass ein Satz angefügt wird, der da lautet: „Die Zweitwohnungsteuer wird nicht erhoben auf Lauben in Kleingärten im Sinne der §§ 1 und 3 Abs. 22 und § 22a des Bundeskleingartengesetzes.“

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich weiß es zu schätzen, wie die Linksfraktion die Paragrafen durchdringt.

(Heiterkeit)

Auf demselben, rechtstechnisch völlig korrekten Wege schlagen wir in Nr. 4 des Änderungsgesetzes die Ergänzung des § 34 Abs. 2 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes durch einen Satz vor, wonach die Kurtaxe nicht von Personen erhoben wird, die in dem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Gebiet ein Grundstück als Kleingarten im Sinne der genannten Paragrafen des Bundeskleingartengesetzes nutzen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wenn schließlich die Landtagsmehrheit als Ersuchen an die Staatsregierung mit dem Beschluss vom 10. November 2005 weiter aufgegeben hat, Anschlussbeiträge für Kleingartenanlagen und Kleingärten, die den Anforderungen des Bundeskleingartengesetzes entsprechen, zinslos zu stunden und dazu den Abwasserzweckverbänden und Gemeinden die Erlaubnis zu erteilen, dann ist uns dies

ebenfalls zu vage; es könnte sich leicht als Vertröstung herausstellen. In dieser die Kleingärtner besonders empfindlich treffenden Frage der Erhebung von Straßenausbau-, Abwasser- und Wasseranschlussbeiträgen wollen wir, dass unverzüglich Ernst gemacht wird. Deshalb soll § 3 Satz 4 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes neu gefasst und einfach vom Gesetzgeber entschieden werden, dass Beiträge nach dem dortigen Abs. 3 Satz 1, mithin alle Beiträge, die Kommunen nach dem Kommunalabgabengesetz erheben können, immer dann zinslos und ohne besondere Sicherheitsleistung zu stunden sind, soweit und so lange das beitragspflichtige Grundstück als Kleingarten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes gilt und als solches genutzt wird.

Ich erkläre nochmals und stelle es Ihrer geschätzten Prüfung anheim, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass die Regelungen, die wir hier vorschlagen, in einer Reihe anderer Bundesländer längst Gesetzeslage sind – ich denke an Thüringen, an Sachsen-Anhalt und an Mecklenburg-Vorpommern –, auch in Ländern, die auf ihrem Territorium eine bei weitem nicht so hohe Konzentration von Kleingärten verzeichnen können, wie es in

Sachsen, wo bekanntlich auch die Wiege des Kleingartenwesens stand, der Fall ist. Schauen wir also einmal, ob all diejenigen, die im vorigen Monat den Mund gespitzt haben, jetzt auch mit uns gemeinsam pfeifen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf des Gesetzes zur Freistellung der Kleingärten von der Erhebung kommunaler Beiträge, Verbrauch- und Aufwandsteuern – Sächsisches Kleingartenfreistellungsgesetz – federführend an den Innenausschuss und mitberatend an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? – Stimmenthaltungen gibt es ebenfalls nicht. Damit ist die Überweisung beschlossen und wir können diesen Tagesordnungspunkt beenden.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 10

Kürzungen der Bundeszuschüsse für den Nahverkehr der Bahn und für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur abwehren

Drucksache 4/3522, Antrag der Linksfraktion.PDS

Zuschüsse für Nahverkehr erhalten

Drucksache 4/3537, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen, und zwar in der ersten Runde in folgender Reihenfolge: Linksfraktion.PDS, GRÜNE, CDU, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung. – Ich erteile der Linksfraktion.PDS als Einreicherin das Wort. Frau Abg. Dr. Runge, bitte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mit unserem Antrag fordern wir erstens die Staatsregierung auf, im Bundesrat gegen die ab 2006 beabsichtigten Kürzungen bei Regionalisierungsmitteln für den Nahverkehr zu votieren. Zweitens wollen wir erreichen, dass sie in der Verkehrsministerkonferenz gegenüber der Bundesregierung auf eine sachgerechte Steigerung der Aufwendungen für eine verbesserte Eisenbahninfrastruktur hinwirkt.

Wie im Koalitionsvertrag unter den Konsolidierungsmaßnahmen angekündigt, soll der Bundeshaushalt durch gezielte Einsparung unter anderem bei Regionalisierungsmitteln entlastet werden. Was dort noch vorsichtig als Korrektur umschrieben wird, entpuppt sich als eine eventuell auf vier Jahre ausgedehnte Streichorgie. Statt die einzelnen Fördertatbestände wie die Regionalisierungsmittel hinsichtlich ihrer ökonomischen und ökologischen Wirkung und ihrer Beschäftigungseffekte zu evalu

ieren, werden mit der Rasenmähermethode Subventionen gekürzt und zusammengestrichen.

Derzeit überweist der Bund den Ländern pro Jahr etwa sieben Milliarden Euro für den öffentlichen Personennahverkehr. Der Bund will diese Zuschüsse bereits ab 2006 um zunächst 350 Millionen Euro, im Jahr 2007 um 700 Millionen Euro, 2008 um 922 Millionen Euro und 2009 um sage und schreibe 1,23 Milliarden Euro kürzen. Es ist zu befürchten, dass im Zeitraum von 2006 bis 2009 insgesamt bis zu 3,1 Milliarden Euro für diesen Bereich gestrichen werden. Obwohl alles angeblich noch nicht beschlossen und nur angedacht sei, wird getestet, wie weit man gehen kann. Dieser Streichorgie hätten, wie Medien berichten, die Ministerpräsidenten der Länder zugestimmt: Hört, hört! Oder waren die Ministerpräsidenten in den langen Verhandlungsnächten an dieser Stelle etwa eingenickt oder eingeknickt?

Wir schätzen ein, dass die Realisierung dieser Streichorgie bei den Regionalisierungsmitteln das ursprüngliche Gesamtanliegen der neuen Bundesregierung, nämlich mehr Wachstum und Beschäftigung zu erreichen, konterkariert. Jede Kürzung der Bundeszuschüsse für den Nahverkehr der Bahn muss abgewehrt werden. Hierbei befinden wir uns mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und seit heute, nachdem die

Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen CDU und SPD eingereicht worden sind, zumindest hinsichtlich der Intention auch mit Ihnen in Übereinstimmung.

Es kommt einem Stück aus dem Tollhaus gleich, was da gegenwärtig abläuft. Nicht nur die Regionalisierungsmittel stehen zur Disposition, sondern auch die Bundeszuschüsse für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur. Das ist der Generalangriff auf ein nachhaltiges und auf Daseinsvorsorge ausgerichtetes Verkehrskonzept, in dem die Bahn einen zentralen Stellenwert haben muss.

Welche Konsequenzen würden Streichungen in dieser Größenordnung haben? Erstens würden die Fahrscheine noch teurer, denn wir haben es bereits mit von der Bahn angekündigten Tariferhöhungen für 2006 zu tun. Zweitens würde sich das Zugangebot verringern, die Fahrpläne würden ausgedünnt und damit vor allem für Pendler unattraktiver werden. Wir werden es künftig mit veralteten S-Bahnen, die öfter liegen bleiben, und mit Bussen zu tun haben, die nur noch sporadisch fahren. Dünn besiedelte ländliche Regionen werden zunehmend von den städtischen Ballungszentren abgehängt. Nach der Kürzung der Pendlerpauschale ist dies der zweite Schlag ins Gesicht ausgerechnet der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen man unentwegt Mobilität abverlangt, um immer weitere Wege zu ihrem Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen.

Nach den vielen Schulschließungen in Sachsen ist das auch der zweite Schlag ins Gesicht ausgerechnet der Schülerinnen und Schüler, die seit Beginn des neuen Schuljahres erheblich längere Schulwege haben.

So entstand bereits der Witz des neuen Schuljahres: Sachsens Ganztagsschule würde längst in Bussen und Bahnen stattfinden.

Von einem nachhaltigen ökologischen Verkehrskonzept wird bald keine Rede mehr sein können. Schließlich würden, wenn diese Kürzungen umgesetzt werden, etwa 6 000 Arbeitsplätze vernichtet.

Ist das etwa ein volkswirtschaftlich sinnvolles Vorgehen?

Dabei fing alles ganz harmlos an. Unter dem Motto Subventionsabbau im Konsens hatten 2003 die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück Kürzungen der Regionalisierungsmittel und der Zuschüsse des Bundes für Schülerverkehr in den Jahren 2004 bis 2006 um jeweils 4 % vorgeschlagen. In der berühmten Nacht-und-NebelSitzung des Vermittlungsausschusses zum Bundeshaushalt 2004 wurden dann die Regionalisierungsmittel einmalig um 2 % oder 126 Millionen Euro gekürzt und die Bundeszuschüsse für den Schülerverkehr um 66 Millionen Euro pro Jahr.

Bereits diese Kürzungen haben die Länder und letztlich die Zweckverbände als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr sowie die Landkreise vor erhebliche Anpassungsschwierigkeiten gestellt. Nun soll es allein im Jahr 2006 um Kürzungen von 350 Millionen Euro gehen. Für Sachsen flössen schon im nächsten Jahr 25 Millionen Euro weniger.