Protocol of the Session on December 7, 2005

Die Gesellschaft braucht Akademiker und auch der, der kein Akademiker ist und Arbeit hat, braucht Akademiker, weil gerade in der Wissensgesellschaft – davon reden Sie

ja dauernd – diese Arbeit nicht zuletzt durch Akademiker geschaffen wird.

(Beifall des Abg. Heiko Hilker, Linksfraktion.PDS)

Das ist das eine.

Mich hat die Rede der Staatsministerin in gewisser Weise beruhigt. Von ihr sind schon sehr klare Aussagen gekommen; zum Beispiel: keine Studiengebühren. Was mich beunruhigt, ist, dass Herr Milbradt – wenn man es hören will oder auch wenn man es nicht hören will – immer wieder einmal erklärt: Auch mit dieser Koalition wird CDU-Politik gemacht.

Wenn er in Freiberg eine solche Rede hält, dann muss ich vermuten, es könnte die CDU-Politik in der Koalition werden, die dort angekündigt wird. Ich habe dem Ministerpräsidenten kein Denkverbot ausgesprochen. Ich bin froh, dass er laut gedacht hat. Aber jetzt kann ich laut dagegen denken. Insofern ist die Sache ehrlich zugegangen und wir können unsere Argumente bringen.

Die Frau Staatsministerin hat gefragt, welche Hochschulen wir haben. Da frage ich: Ja, wer diktiert denn heute eigentlich die Aufgaben von Hochschulen? Können die Hochschulen noch den Zweck erfüllen, den sie über die Jahrhunderte, seit Hochschulen und Universitäten existieren, gleichermaßen erfüllen mussten? Welche Aufgaben haben die Hochschulen?

Sie haben erstens natürlich die Aufgabe, für die Entwicklung der Gesellschaft zu sorgen, indem sie durch Forschung und akademische Lehre diese Entwicklung vorantreiben. Das ist in Ordnung. Darum haben ja im 13. Jahrhundert die Landesfürsten die Universitäten geschaffen. Da ist Heidelberg entstanden, da ist Prag entstanden, da ist Wien entstanden usw. Sie wollten einen Vorteil für ihr Land daraus ziehen. Ich denke, das sollte bis heute so bleiben.

Wenn wir es aber der Wirtschaft überlassen, dann kann es sein, dass vielleicht die Wirtschaft einen Vorteil hat. Ob das Land auf Dauer einen Vorteil hat, bezweifle ich. Denn die Hochschulen haben immer auch noch eine zweite Aufgabe. Das haben übrigens auch die Landesfürsten gewusst und wohlwollend begleitet; nicht immer, sonst wäre Leipzig nicht entstanden. Da gab es dann Zoff. Aber Hochschulen haben natürlich auch die Aufgabe, sich kritisch gegenüber der Gesellschaft selbst zu verhalten. Das eigentliche Selbstkritikpotenzial der Gesellschaft entsteht an den Universitäten und Hochschulen. Ein solches Potenzial wird, wenn wir die Hochschulen in einen Wettbewerb um Geld und Einnahmen treiben, vollständig verloren gehen. Da bin ich sicher. Deshalb erhebe ich warnend die Stimme.

Dann sage ich zum Bologna-Prozess: ja, in Ordnung. Ich stehe dem Bologna-Prozess sehr positiv gegenüber. Er ist natürlich der Versuch einer Europäisierung des Hochschulwesens. Es ist der Versuch, die Vergleichbarkeit von Abschlüssen herzustellen, der Versuch der Dynamisierung von Studium, der Flexibilisierung und dergleichen. Aber

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Habe ich etwas anderes gesagt?)

ich frage: Brauchen wir für den Bologna-Prozess Abbau von Demokratie? – Sie haben zwar gesagt, dass Sie die Gruppenuniversität erhalten wollen, aber Sie haben dann alle Argumente gegen die Gruppenuniversität vorgebracht, also fachliche Verantwortung, Betroffenheit, Differenzierung. Die Gruppenuniversität ist eine paritätische Gruppenuniversität, sonst funktioniert sie nicht als Gruppenuniversität, und dann muss sie zumindest drittelparitätisch aufgebaut sein.

Das heißt, wir brauchen die besten Hochschulen und wir sollten uns immer auch daran orientieren, wo es diese guten Hochschulen gibt, wie sie geleitet werden und was sie tun, um zu dieser Qualität zu kommen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir haben sie schon! Warum haben wir sie denn nicht?) Was Sie gesagt haben, lässt mich aber befürchten, dass die Ordinarienuniversität aufrechterhalten wird, denn wir haben sie ja in Sachsen. Die CDU-Landeshochschulgesetze waren von Anfang an Hochschulgesetze, die zwar die Gruppen noch definiert, aber im Prozess der Mitbestimmung an den Universitäten den Professoren das Prä eingeräumt haben. Das war das Kredo von Herrn Meyer. Wir sollten nicht, Herr Porsch, irgendwelchen Ideologien der 68er (Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist keine Ideologie!)

ja, natürlich, Ideologien der 68er! – anhängen.

Da staune ich dann schon, dass Sie sagen: Das bisherige Hochschulgesetz war ein zeitgemäßes Gesetz. – Bei der Verabschiedung damals hat die SPD, wenn ich mich genau erinnere, gegen dieses Gesetz gestimmt, aus gutem Grund. Machen Sie nicht ein schlechtes Gesetz zu einem damals zeitgemäßen! Denn damit werden Sie sich auch dem Verdacht aussetzen müssen, wieder zu behaupten: „Jetzt machen wir ein zeitgemäßes Gesetz.“ Und es ist genauso schlecht wie das damals „zeitgemäße“.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Tatsache ist doch, dass das, was wir – Herr Porsch, wir sind da in gleicher Weise betroffen gewesen – in Westdeutschland ab 1968/70 im Bereich der Hochschulen gemacht haben, einen Wettbewerbsvorsprung für Deutschland nicht hervorgebracht hat. Ganz im Gegenteil, Deutschland ist in dieser Zeit zurückgefallen.

Die Hochschulreformen von damals sind nicht vom Ausland kopiert worden. In früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten galt das deutsche Hochschulsystem in anderen Ländern als Vorbild und wurde kopiert. Wir lernen jetzt – das ist ja auch ein bitterer Prozess –, dass offensichtlich andere Länder und andere Gesellschaften bessere Lösungen gefunden haben als wir in Deutschland. Das ist der Grund für die Reformen. Deswegen ist es notwendig und richtig, uns auch in anderen Ländern umzuschauen, und nichts weiter ist mein Petitum – auch durch die Freiberger Rede – gewesen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gibt es bei der FDPFraktion noch einmal Redebedarf? – Nein. CDUFraktion? – Auch nicht. Herr Ministerpräsident? – Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte hat mich einerseits erfreut, weil wir einmal etwas intensiver über Hochschulpolitik diskutiert haben.

Wir haben unterschiedliche Positionen zu den Studiengebühren. Das ist bekannt. Aber die Art und Weise, wie hier argumentiert wird, passt mir nicht,

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS)

Sie hat mich aber auch erschreckt aufgrund des Mangels an Weitsicht und aufgrund des Mangels

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wer hat denn angefangen? – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

zu erkennen, was in anderen Ländern im Augenblick abläuft. Sie war in Teilen provinziell. – nein, Herr Porsch –, weil hier in einer Art und Weise Argumente verzerrt werden, um sie dann besser bekämpfen zu können. (Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ja, Herr Hähle! – Heinz Lehmann, CDU: Die Linksfraktion.PDS!) Tatsache ist doch, dass auf den gesamten Lebenszyklus bezogen – das kann Ihnen jeder, der mit der Materie halbwegs vertraut ist, sagen – in einer Jahrgangskohorte diejenigen, die nicht studieren, das Studium derjenigen bezahlen, die studieren.

Das Problem in der Wissenschaft ist doch, dass es keine isolierte Lösung mehr in einem Land oder in einem Bundesland gibt,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Na sicher! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Das ist das, was gewollt ist. Jetzt muss man fragen: Haben diejenigen – das ist die einzige Frage, die wir auch poli

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ja und?)

sondern dass gerade Wissenschaft per se – und das wollen wir ja auch – international ist und international wettbewerbsfähig sein muss.

Es wird nicht zum Zeitpunkt des Eintritts in die Universität darüber entschieden oder über die Frage: Studiengebühren oder keine Studiengebühren?

tisch zu beantworten haben –, die zur Zahlung verpflichtet werden, aber nicht die Chance haben zu studieren, aus dieser Finanzierung so viele Vorteile, dass man ihnen die Finanzierung zumuten kann, und diejenigen, die die Einkommensvorteile haben, so viele Nachteile, dass man ihnen einen Eigenbeitrag nicht zumuten kann?

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Deswegen ist die Frage der Studiengebühren für die Fragestellung, warum so wenige Arbeiterkinder Abitur machen, völlig irrelevant

(Zuruf des Abg. Heiko Hilker, Linksfraktion.PDS)

Wenn wir so argumentieren, dann müssen wir nicht immer nur schauen: Reiche Eltern, arme Eltern?, sondern wir müssen auch darüber diskutieren, wie die Lebenschancen derjenigen sind, die studieren, und wie die Lebenschancen derjenigen sind, die nicht studieren, um eine soziale Abwägung herzustellen.

(Zuruf des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

und die Argumentation ist auch falsch. Es ist gefragt worden, Herr Gerstenberg, bezogen auf eine Frage aus der FDP: Warum haben andere Länder mit Studiengebühren einen höheren Anteil an Arbeiterkindern? – Weil sie das Geld in der Bildung anders verteilen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will gern zugeben, dass man dazu unterschiedlicher Meinung sein kann. Aber mit dem Totschlagargument zu kommen, allein schon die Überlegung zu Studiengebühren sei sozial derart daneben, dass man überhaupt nicht weiter darüber nachzudenken habe, das ist ein Ansatz, den ich nicht billigen kann.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Wir neigen dazu, das meiste staatliche Geld oben, an der Spitze der Pyramide, auszugeben,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Richtig!)

(Beifall bei der CDU)

Es ist auch nicht der Fall, dass nur in Ländern, die rechte Regierungen gehabt haben, über Studiengebühren nachgedacht worden ist. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Studiengebühren in England unter einer LabourRegierung, nämlich unter Tony Blair, eingeführt worden sind und ständig erhöht werden.

und sagen: Am unteren Bereich der Pyramide soll stärker privat bezahlt werden.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Wenn man also über Bildungschancen nachdenken wollte, dann müsste man nicht sagen: Alles frei! – das wäre das Schlaraffenland –, sondern dann müsste man zu dem Ergebnis kommen, Geld von dem oberen Teil der Bildungspyramide in den Bereich des unteren Teils umzuverteilen,