Protocol of the Session on October 7, 2005

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Frau Herrmann, Frau Orosz, Sie sagen – bei vielem Richtigen, das Sie beide angesprochen haben –, dass es schon Verbesserungen gebe, denn die Ein-Euro-Jobs seien ja immerhin etwas. Also sind Ein-Euro-Jobs jetzt schon Selbstzweck? Das darf doch nicht wahr sein! Sie waren angedacht als Brücke in den

ersten Arbeitsmarkt, jetzt werden sie zum Regelinstrument. Das ist doch das Problem! Dann kann man sich gleich zur öffentlich geförderten Beschäftigung bekennen.

Das Problem ist doch eigentlich ein ganz anderes. Hier kann ich vor allen Dingen der SPD-Fraktion den Tipp geben, sich vielleicht den Koalitionspartner noch einmal zur Seite zu nehmen und ihn zu bitten, die alten Zöpfe abzuschneiden. Diese besagen nämlich, dass man einem Antrag der Linksfraktion.PDS nicht zustimmen kann, auch wenn er noch so sinnvoll und noch so richtig ist. Das wäre, meine Damen und Herren, nicht nur ein fairer Umgang mit einer demokratischen Fraktion, das würde uns allen auch das peinliche Herumgeeiere auf Kosten der

jungen Leute ersparen. Darum springen Sie also über Ihren Schatten und stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 4/1131 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Stimmen dagegen, bitte. – Enthaltungen? – Bei einer großen Anzahl von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Fragestunde

Drucksache 4/2970

Die Fragen wurden auch der Staatsregierung übermittelt. Ich bitte jetzt, die erste Anfrage zu stellen. Frau Abg. Simon, Linksfraktion.PDS; Frage Nr. 1.

Ich habe eine Frage zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach SGB II.

Für die im Rahmen der Kosten der Unterkunft für ALGII-Empfänger festgelegte Heizkostenpauschale gilt, dass bei deren Unterschreitung die Beträge auf das verwertbare Einkommen angerechnet werden. Im Gegenzug bleiben die Wohnungsunternehmen jedoch bei Überziehung der Pauschale auf den Kosten sitzen. Dieser Nachteil dürfte sich durch die enorm steigenden Energiepreise erheblich verstärken.

Ich frage daher die Staatsregierung:

1. Wie hoch ist im Freistaat Sachsen der Durchschnittswert für die Heizkostenpauschale und wo werden in welcher Höhe die niedrigste und die höchste Pauschale für die ALG-II-Empfänger gewährt?

2. Was empfiehlt die Staatsregierung, damit Wohnungsunternehmen die von ALG-II-Empfängern verursachten Betriebskosten in vollem Umfang erstattet bekommen?

Für die Staatsregierung Frau Ministerin Orosz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Werte Frau Simon, gestatten Sie mir, bevor ich die Frage Nr. 1 beantworte, eine kurze Bemerkung zur Rechtslage: Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. – Das einfach mal vorangestellt.

Die Antwort lautet: Die von den Grundsicherungsträgern festgelegten Pauschalen sind Regelobergrenzen oder Höchstsätze, bis zu deren Höhe die Aufwendungen als

angemessen erbracht werden. Für jeden Einzelfall wird die Angemessenheit der geltend gemachten Kosten der Unterkunft jedoch geprüft. Es kann damit nicht, wie es in der Frage anklingt, dazu kommen, dass mehr als die tatsächlich entstandenen Aufwendungen für die Heizungskosten bezahlt wird. Damit kann auch keine Anrechnung auf das Einkommen erfolgen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat im Gesetz nicht festgelegt, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind. Deshalb obliegt es den zuständigen kommunalen Grundsicherungsträgern, diese Angemessenheit festzulegen. Die Festlegungen der 29 sächsischen Grundsicherungsträger zur Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung unterscheiden sich in wesentlichen Punkten. Ein Durchschnittswert, wie Sie ihn erbeten haben, kann deshalb schwerlich ermittelt werden, weil die Leistungen nicht ausreichend vergleichbar sind.

Lassen Sie mich das kurz erläutern: Die Stadt Plauen sowie die Landkreise Weißeritzkreis, Delitzsch und Leipziger Land haben für die Kosten der Unterkunft insgesamt Höchstbeträge ausgewiesen. Diese Höchstbeträge schließen die Kaltmiete, die Neben- und Betriebskosten und die Heizungskosten eine. Eine Differenzierung nach einzelnen Bestandteilen erfolgt an dieser Stelle nicht. Andere Grundsicherungsträger weisen lediglich Höchstsätze für die Heizungskosten aus. Die Betriebskosten wiederum sind in den Festlegungen für die monatliche Kaltmiete enthalten. Das betrifft zum Beispiel die Städte Chemnitz, Zwickau und Görlitz und die Landkreise Chemnitzer Land, Aue-Schwarzenberg und Vogtlandkreis.

Soweit die Grundsicherungsträger Festlegungen zu den Heizungskosten gesondert ausgewiesen haben, liegen diese bei Sammelheizungen zwischen 80 Cent und 1,15 Euro je Quadratmeter. Bei anderen Heizungsarten erfolgt in der Regel eine Orientierung an den Festlegungen über die Verbrauchsmengen in den sächsischen Sozialhilferichtlinien.

Vielfach ist darüber hinaus vorgesehen, dass in begründeten Einzelfällen auch ein höherer Heizkostenbetrag als angemessen anerkannt werden kann, wenn zum Beispiel ein erhöhter Wärmebedarf durch die Anwesenheit von Kleinkindern, Pflegebedürftigen oder chronisch kranken Personen im Haushalt besteht. So weit zur ersten Frage.

Zur Frage 2: Die Grundsicherung für Arbeit Suchende soll nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II unter anderem die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen stärken. Bestandteil der Eigenverantwortung ist auch, dass die Hilfebedürftigen grundsätzlich autonom über ihre Geldleistungen verfügen können. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung sollen es den Hilfebedürftigen ermöglichen, auf dem Wohnungsmarkt selbst ihren Unterkunftsbedarf zu decken.

Wir müssen hier verschiedene Interessen abwägen. Zum einen das Interesse am Schutz der Eigenverantwortung der betroffenen Leistungsempfänger und das wirtschaftliche Interesse der Wohnungsunternehmen an der Sicherung ihrer Mieteinnahmen. Den Wohnungsunternehmen stehen wie jedem anderen privaten Vermieter bei Bedarf zivilrechtliche Möglichkeiten zur Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber ihren Mietern zur Verfügung.

Weiterhin sieht das SGB II im § 22 Abs. 4 vor, dass die Leistungen für Unterkunft und Heizung auch direkt an den Vermieter gezahlt werden können. Diese Regelung kann angewendet werden, wenn konkrete Hinweise vorliegen, dass der Leistungsempfänger die Geldleistung zweckentfremdet verbraucht und damit der Verlust der Wohnung droht. Mit dieser Regelung wird den wirtschaftlichen Interessen der Wohnungsunternehmen entsprochen. Ein weitergehender Schutz der Vermieter kann aus Sicht der Sächsischen Staatsregierung hier nicht genannt werden.

Haben Sie noch Nachfragen?

Frau Ministerin, ich bin mit der Beantwortung der zweiten Frage nicht glücklich, weil ich vor allem auch wegen der drohenden stetig steigenden Kosten gefragt hatte. Sie gehen ja letztlich davon aus, dass die ALG-II-Empfänger über mehr Eigenverantwortung ihre Heizkosten drücken sollen. Wenn aber die Preise steigen, nützt dieser erzieherische Ansatz eigentlich nichts, sodass schließlich die Auswirkungen doch bei den Wohnungsunternehmen bleiben. Deshalb ist meine Frage, wie sich die Staatsregierung dazu positionieren wird.

Ihre Frage hatte formuliert die „verursachten Betriebskosten“. Wir gehen nach Rücksprache mit den Grundsicherungsträgern davon aus, dass die Verursachung schon beeinflusst werden kann. Deswegen habe ich ja auch auf die Ausnahmekriterien hingewiesen. Wenn natürlich nachgewiesen werden kann, dass ein erhöhter Anspruch an Wärme zum Beispiel durch den Aufenthalt von Kleinkindern oder Pflegebedürftigen im Wohnbereich notwendig ist, kann

dieser auch außerhalb der festgelegten Pauschale als „angemessen“ betrachtet werden und man erhält dann natürlich auch die entsprechende Finanzierung.

Ich danke Ihnen erst einmal.

Herr Petzold, bitte; Frage Nr. 5.

Frau Präsidentin! Meine Frage beschäftigt sich mit der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB im Freistaat Sachsen. Nach der polizeilichen Kriminalstatistik 2004 besaßen von allen Tatverdächtigen 27,7 % nicht die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik. Ein hoher Ausländeranteil ist vor allem mit 34,2 % bei Raub und räuberischer Erpressung, mit 31,9 % bei Vergewaltigung, mit 30,8 % beim illegalen Handel und Schmuggel mit Betäubungsmitteln und mit 48,4 % beim Taschendiebstahl festzustellen.

Daher meine Fragen an die Staatsregierung:

1. Wie viele Personen befinden sich derzeit im Freistaat Sachsen in Sicherungsverwahrung gemäß § 66 des Strafgesetzbuches?

2. Bei wie vielen dieser sich in Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB befindenden Personen handelt es sich um Ausländer?

Herr Minister Mackenroth, bitte.

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, die in Ihrer Frage genannte Zahl von 27,7 % nicht deutscher Tatverdächtiger gilt nicht für Sachsen. Im Freistaat betrug nach der sächsischen Kriminalstatistik der Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger im Jahre 2004 13,1 %. Das waren gut 16 000 Personen. Diese Zahl umfasst auch die Personen, denen ausländerspezifische Taten vorgeworfen werden. Dies sind Taten, die also nur von Ausländern begangen werden können, wie etwa illegale Einreise. Der Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger, die wegen einer allgemeinen Straftat aufgefallen sind, lag 2004 im Freistaat Sachsen zirka 5 % unter dem Gesamtanteil von 13,1 %, nämlich bei 8,4 %. Knapp 4,5 % aller nicht-deutschen Tatverdächtigen in Sachsen, nämlich 724 Personen, befanden sich zum Stichtag 1. September 2005 in Untersuchungs- oder Strafhaft in den sächsischen Justizvollzugsanstalten.

Zu Ihren beiden Fragen: Im Freistaat Sachsen wird gegenwärtig gegen einen einzigen Verurteilten die Sicherungsverwahrung vollzogen, und dieser ist deutscher Staatsangehöriger. Eine überproportionale Kriminalität von Ausländern kann ich insoweit nicht erkennen.

Haben Sie noch Nachfragen?

Nein, danke schön.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass eine kurze Einbringung des Sachverhaltes ausreichend ist. Es muss nicht alles noch einmal verlesen werden bzw. dann bitte nur die Fragen. – Herr Martens von der FDP, bitte; Frage Nr. 4.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Frage beschäftigt sich mit der Aufhebung der Altersgrenze für Ortsvorsteher. In der Landtagssitzung vom 19.01.2005 wurde die Staatsregierung ersucht, die rechtlichen Grundlagen für eine Aufhebung der bisherigen Altersbegrenzung für Ortsvorsteher zu schaffen und die An- oder Aufhebung von Altersgrenzen für kommunale Wahlbeamte zu prüfen.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Befürwortet die Staatsregierung nach der zwischenzeitlich sicherlich stattgefundenen Meinungsbildung eine Aufhebung der bisherigen Altersbegrenzung für Ortsvorsteher und kommunale Wahlbeamte?

2. Wie stellt sich die Staatsregierung insbesondere zeitlich die weitere Umsetzung des Landtagsbeschlusses vor?

Für die Staatsregierung Herr Minister de Maizière.

Frau Präsidentin! Herr Abg. Martens, zu Ihrer ersten Frage: Die Staatsregierung hat stets betont, dass es unter dem Eindruck des derzeit stattfindenden demografischen Wandels außer Zweifel steht, dass die Teilhabe lebenserfahrener Menschen am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben künftig an Bedeutung gewinnen wird. Dazu zählt das ehrenamtliche Engagement gerade auch auf der kommunalen Ebene. Die Anhebung oder der Wegfall der bisherigen Altersbegrenzung für ehrenamtliche Ortsvorsteher und ehrenamtliche Bürgermeister kann dabei ein Weg sein, dieses Engagement zu fördern.