Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“, so lautet ein Leitspruch der Nazis.
Mit einem Blick auf die Homepage der NPD kann man sich vergewissern, dass die so genannten Nationaldemokraten auch in dieser Hinsicht vollständig in die Fußstapfen ihrer geistigen Väter gestiegen sind. Die Überschrift der Pressemitteilung der NPD-Fraktion vom 15. September lautete: „Die Wähler von morgen wählen national!“
Rechtsextremisten richten einen großen Teil ihrer Propaganda auf „Jugendliche und junge Erwachsene, Menschen also, die sie noch „nach deutschem Geist“ mit Zucht und Ordnung so verbiegen wollen, dass sie den Lügen glauben, die ihnen aufgetischt werden.
Eine wichtige Quelle der Propaganda ist Musik. Dumpfe Drittes-Reich-Schlager oder grölender Skinhead-Rock werden benutzt, um mehr oder weniger subtil die Phrasen des Widerstandes gegen das System unter die Leute zu bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen Demokraten! Vor dem Hintergrund, dass die Rechtsextremisten in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit ausgelassen haben, sich mit der Verteilung von ominösen Tonträgern im Umfeld sächsischer Schulen zu brüsten, finde ich es – ehrlich gesagt – ein wenig unglücklich, dieses musikalisch wie inhaltlich scheußliche Machwerk mit einer Aktuellen Debatte auch noch aufzuwerten.
Viel wichtiger ist es doch, sich in den Schulen mit der wirren Ideologie der neuen Nazis auseinander zu setzen, wobei ich auch Herrn Flath Recht gebe: Die Auseinandersetzung kann sich nicht nur auf die Schule reduzieren; da sind alle gefordert.
Viele Lehrerinnen und Lehrer an sächsischen Schulen haben bereits die nötige Courage gezeigt und den Kampf gegen die braune Propaganda aufgenommen. Hier ist aber auch noch viel Arbeit zu tun. Wir müssen die Pädagoginnen und Pädagogen argumentativ fit machen. Nazisprüche dürfen an Schulen nicht unwidersprochen bleiben.
Wir müssen ihnen aber auch das Gefühl geben, dass die Politik hinter ihnen steht, dass sie sich nicht allein gelassen fühlen. Das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ kann hier eine wichtige Funktion übernehmen.
Erfrischend ist auch, dass die Schülerinnen und Schüler den Mut haben, gegen rassistische und ausländerfeindliche Äußerungen aufzustehen. Hier möchte ich das Netzwerk für Demokratie und Courage erwähnen und viele andere Initiativen, die in Schulen tätig sind und seit Jahren eine erfolgreiche Arbeit leisten.
Meine Damen und Herren Demokraten! Ich bin mir sehr sicher, dass wir den Kampf gegen die rechtsextremistischen Propagandalügen gewinnen werden. Ich möchte aber auch vor blindem Aktionismus warnen. Wir sollten keine wahnwitzigen Ideen popularisieren und den Hauch des Verbotenen über ihnen ausbreiten. Denn eins ist auch klar: Wer selber Kinder hat, der wird feststellen, dass die wirren, sektiererischen Vorstellungen der Rechtsextremisten den Lebensnerv der übergroßen Mehrheit der Jugendlichen überhaupt nicht treffen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linksfraktion.PDS ist den Bündnisgrünen dankbar, dass sie diese Aktuelle Debatte beantragt haben, nicht nur – und das füge ich ganz persönlich hinzu –, weil die NPD ihre braune Musik-CD auch bei mir im Landkreis an mehreren Schulen verteilt hat.
Um es ganz klar zu sagen: Rechtsextremistische Propaganda, egal in welcher Form, hat an unseren Schulen nichts zu suchen.
Unsere Unterstützung gilt daher allen, die sich zum Teil auf sehr kreative Weise dagegen zur Wehr gesetzt haben. Diese Schüler und diese Lehrer verdienen auch hier im Sächsischen Landtag ein ganz dickes Dankeschön.
Gleichwohl darf es meines Erachtens in der heutigen Debatte nicht allein um den Umgang mit rechter Propa
ganda im Schulbereich gehen, sondern wir müssen den Bogen weiter spannen. Das Einsammeln oder Umtauschen dubioser CDs ist richtig und notwendig, löst aber kein einziges der vorhandenen Probleme. Wir müssen deshalb auch und vor allem über die tatsächliche politische Kultur an den Schulen in unserem Land sprechen. Dabei geht es dann natürlich um den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag.
Wir als Linksfraktion haben vorhin zu der von der NPD beantragten Aktuellen Debatte ganz bewusst auf einen Redebeitrag verzichtet. Denn die Neonazis sind mit Sicherheit die Allerletzten, die zur Ausgestaltung eines demokratischen Schulwesens einen konstruktiven Beitrag leisten könnten.
Dennoch ist es dringend nötig, dass sich das Parlament dieser Angelegenheit annimmt. Denn alle demokratischen Kräfte in diesem Haus müssen ein elementares Interesse daran haben, dass braunes Gedankengut an den Schulen nicht noch weiter Fuß fassen kann.
Die Ergebnisse der so genannten U18-Wahl sind diesbezüglich – ungeachtet aller methodischen Fragwürdigkeiten – zumindest ein ernst zu nehmendes Warnsignal. Wenn in der Sächsischen Schweiz 28 % der teilnehmenden Jugendlichen für die NPD votiert haben,
dann ist das ein Ergebnis, das uns nicht kalt lassen kann. Darüber müssen wir im Landtag sprechen. Es gibt Ursachen dafür.
Wir brauchen an unseren Schulen endlich ein offensiveres Werben für die Demokratie. Ich sage auch, die seit Jahren zunehmende schleichende Entpolitisierung im Schulbereich muss beendet werden.
Ich will keine Missverständnisse aufkommen lassen. Um es ganz klar zu sagen: Es geht dabei nicht um Parteipolitik gleich welcher Couleur. Es geht auch nicht darum, den Antifaschismus zu einem separaten Schulfach zu machen; er muss fächerübergreifend eine Rolle spielen. Und es geht nicht um irgendwelche folgenlosen Absichtserklärungen seitens der Fraktionen oder seitens der Staatsregierung.
Es geht um eine klassische, humanistische Bildung. Dazu gehört unserer Meinung nach auch eine konsequente Auseinandersetzung mit jeder Form von Rassismus und Revanchismus. Da kann und darf Schule nicht neutral bleiben, Herr Staatsminister.
Uns geht es darum, dass die Schüler endlich wieder zu eigenständigem Denken und selbstverständlich zur Kritikfähigkeit bezüglich ihrer gesellschaftlichen Rahmenbedingungen befähigt werden. Es geht darum, dass Schülerräte das Recht haben, sich zu politischen Fragen zu äußern. Schülerzeitungen dürfen nicht länger apolitisch bleiben und im Zweifel vom Schulleiter zensiert werden können. Ich füge hinzu: Lehrerinnen und Lehrer, die von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen und sich für den Erhalt ihrer Schule einsetzen, dürfen nicht vom Kultusministerium abgestraft werden.
Ich denke auch, wir müssen mehr dafür tun, dass die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen informiert werden über die rechtsextremistischen Symbole, über die Wurzeln und über die Hintergründe, damit sie sich damit auseinander setzen können. Es ist einfach so, dass in vielen Klassen rechte Ideologien schon erheblichen Einfluss haben, insbesondere an Mittelschulen. Von daher – das füge ich hinzu – bin ich persönlich für den Schülerkalender des Landtages ausgesprochen dankbar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über verschiedene Initiativen, die es in diesem Bereich gibt, die sich engagieren, wird sicher später gesprochen werden. Ich will aber einen Punkt noch anführen, und zwar die kürzlich geschaffene Abwahlmöglichkeit für das Fach Geschichte. Wenn wir wollen, dass Schüler erfahren, was gewesen ist, und Schlussfolgerungen für die heutige Zeit ziehen, dann ist die Abwahlmöglichkeit von Geschichte an den Mittelschulen das völlig falsche Signal. Dieser Schritt muss rückgängig gemacht werden.
Wenn vorhin von Herrn Leichsenring gesagt worden ist – letzte Bemerkung –, dass es ihm gar nicht um die Abschaffung der Demokratie geht – dann verweise ich darauf, dass gerade er immer wieder betont hat: Das System hat keine Fehler, das System ist der Fehler –,
Ich bitte alle Demokraten, gemeinsam dafür zu sorgen, dass sich derartige Positionen im Land nicht weiter verbreiten können.