Protocol of the Session on September 22, 2005

Natürlich teile ich diese Ansicht nicht, denn der Freistaat Sachsen richtet an keiner Stelle in Sachsen eine Schule ein, es sei denn, es sind Spezial- oder Landesschulen. Entweder die Gemeinde betreibt die Grundschule oder jeder Träger – so selbstverständlich auch die Kirche – ist berechtigt, eine Schule in freier Trägerschaft zu beantragen. Dort haben wir lediglich zu entscheiden, ob die Schule alle geforderten Bedingungen erfüllt, und dann ist sie zu genehmigen. Deshalb ist die Aussage, sie sei politisch gewollt, verkehrt.

Es gibt noch einen Wunsch zu einer Zwischenfrage.

Ja, bitte.

Herr Minister, weil Sie sich an Ihre Schulzeit in der DDR erinnern: Ich erinnere mich an meine Lehrertätigkeit in der DDR. Da unterrichtete ich in Morgenröte-Rautenkranz Klassen mit acht Schülern. Meine Frage jetzt an Sie: Meinen Sie, dass diese Schüler eine schlechtere Ausbildung hatten als Schüler, deren Klassen mit 20 oder 30 Kindern gefüllt waren?

Jetzt müssen Kinder im kältesten Ort Sachsens im Winter um 06:30 Uhr früh am Bus stehen. Meine Frage noch einmal, weil Sie immer den Zusammenhang zwischen Klassengröße und Qualität bringen: Was meinen Sie, sind diese Kinder nicht so gut ausgebildet worden wie andere Kinder in größeren Klassen?

Frau Abg. Roth, wenn ich alle Studien verfolge, dann ist es tatsächlich so, dass am Ende kein Zusammenhang zwischen Klassengröße und Qualität nachweisbar ist, von Extremen einmal abgesehen.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Deshalb bestreite ich doch nicht, dass es gewisse Vorteile gibt. Es gibt auch heute Klassen mit weniger Schülern – die gab es nicht nur in der DDR –, wenn ich nur an die Klasse denke, die gerade in Radibor eingerichtet wird. Diese Klasse hat meines Wissens neun Schüler. Ich will überhaupt nicht sagen, dass man da keine gute Qualität herausbekommt. Es ist doch nur die Frage, ob Sie eine Klasse mit acht Schülern für das ganze Land zum Muster machen können. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie Sie das organisieren wollen.

Noch ein Wort dazu, dass wir uns in der Bildungspolitik immer an den Finanzen ausrichten würden. Eines ist doch

logisch: dass wir uns in einem finanziellen Rahmen zu bewegen haben. Aber wenn Sie einmal schauen, wie sich der Haushalt des Kultusministeriums bei einer halbierten Schülerzahl mit einer Rekordsumme von 2,2 Milliarden Euro in diesem Jahr entwickelt hat, dann ist doch der Vorwurf, dass wir sparen wollten, einfach absurd. Ich habe auch immer darauf hingewiesen, dass der Freistaat mit einer Schulschließung nicht spart, sondern höchstens die kommunale Ebene.

Herr Minister, ich verstehe Frau Roth so, dass sie noch einmal nachfragen möchte.

Ja. Aber dann sollten wir Schluss machen. Ich glaube, wir haben in der nächsten Landtagssitzung wieder Gelegenheit.

Noch eine kleine Frage, Herr Staatsminister, weil Sie die Entwicklung der Finanzen eben ansprachen: Haben Sie außer der Entwicklung der Finanzen auch die Geburtenentwicklung beobachtet und haben Sie gesehen, dass die Zahl der Geburten permanent ansteigt und dass dann wieder mehr Schüler vor geschlossenen Schulen stehen bzw. in überfüllten Klassen sitzen werden?

(Zuruf von der CDU: So ein Unsinn!)

Das ist kein Unsinn!

Nein, das war eine sehr schöne Frage von Frau Roth. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich,

(Beifall der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

weil ich dadurch auf eines hinweisen kann: Im ganzen Land höre ich diese Meinung, und es ist ein großer Irrtum.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Sie müssen mal eines tun: Sie müssen die Frauen, die jetzt Kinder auf die Welt bringen, fragen, wann sie geboren sind. Dann werden Sie Jahrgänge wie 1975, 1977, 1980 hören. Etwa dort hat man die größte Häufigkeit. Wir hatten den letzten geburtenstarken Jahrgang 1982. Damals hatten wir in Sachsen 77 000 Geburten, etwa die Hälfte davon weiblich, und bei den Geburten sind die Frauen das Entscheidende.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Heute haben wir 34 000!)

Schon zu DDR-Zeiten ging die Zahl der Geburten zurück und erreichte ihren Tiefststand im Jahr 1993 mit 23 000 Geburten, die Hälfte davon wiederum weiblich.

Es ist richtig, dass wir gegenwärtig in einer Phase mit einem leichten Geburtenanstieg sind. Dann können Sie sich bitte selbst überlegen, was passiert, wenn die Jahrgänge so weit sind – wenn sie denn auf der Welt sind –, um Kinder zu bekommen, 1990 und 1993; und dann

können Sie einmal abschätzen, was geschieht, wenn das Geburtenverhalten von 1,1 bzw. 1,2 Kindern je Frau beibehalten wird. Wir werden dann etwa im Jahr 2020 eine weitere Halbierung, wahrscheinlich sogar eine Drittelung bekommen, und das bitte ich im Lande zu verbreiten; denn es ist bitter.

Aber wenn wir unser System daran anpassen, dann vermeiden wir am Ende auch Fehlinvestitionen. Wir müssen uns freilich überlegen, wie wir es hinbekommen, dass die Schulwege erträglich bleiben, und das ist ja das heutige Anliegen. Aber ich bin nicht der Meinung, dass man mit weiterer Regelung und Reglementierung den Landkreisen die Lösung des Problems erschweren sollte, sondern wir sollten der Wahrheit ins Auge schauen und ganz einfach das Vernünftigste für unsere Schullandschaft und unseren Freistaat Sachsen daraus machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das Schlusswort hat die Linksfraktion.PDS; Frau Bonk.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Flath, es ist für Sie vielleicht leichter, über Geburtenzahlen zu sprechen, aber wir wollten über Schulwege reden. Wir haben eben nicht die Schulschließungsdiskussion geführt. – Ich beantworte Ihre Zwischenfrage gern: Es gibt Zusammenhänge. Aber wir wollten über die Auswirkungen sprechen, die eben die Schulschließungspolitik auch auf Schulwege hat.

Frau Henke, dazu erkläre ich auch gerne: Gerade das Konnexitätsprinzip bedeutet, dass, wenn vom Land eine Aufgabe kommt –; zum Beispiel ist es klar, dass, wenn man mehr Schulen schließt, mehr Schülerbeförderungen organisiert werden müssen und natürlich dann auch die Unterstützung für die Landkreise kommen muss, um dies organisieren zu können. Wir wollen nicht nur reden, sondern wir wollen einen Anspruch schaffen, dass ein zumutbarer Schulweg definiert ist, auf den sich Eltern und Schüler beziehen können, auf den sich aber auch die Landkreise beziehen können, damit sie dem Land gegenüber die Möglichkeit haben, durch die Schlüsselzuweisungen entsprechende Mittel in Anspruch zu nehmen, damit sie dies organisieren können.

Ich werbe also noch einmal ausdrücklich für diesen Antrag. Ich denke auch, dass sich die Abgeordneten vor Ort fragen lassen müssen, da es eine brisante Situation vor Ort ist, wie sie sich in der Frage der Schülerbeförderung, in der Frage der Schulwege verhalten haben und wo sie dabei gestanden haben. Deswegen bitte ich für sie und auch für ihre Region klar zu prüfen, auf welche Seite man sich dabei stellt, um mit diesem Antrag für die Auswirkungen, die durch die Schulschließungen entstanden sind, Abhilfe zu schaffen, da die Schülerbeförderungskosten so, wie sie momentan sind, nicht allein bei den Eltern, bei den Kreisen bleiben können. Wenn man sich Fälle von Eltern vorstellt, die durch geringe Einkommen, durch

ALG II die hinzukommenden Beförderungskosten einfach nicht tragen können, dann muss das Land für eine bessere Schulpolitik und eine bessere Schule in die Verantwortung genommen werden. Dazu gehört eben auch, dass man nicht neun oder zehn Stunden am Tag unterwegs ist.

Vielen Dank.

(Heinz Eggert, CDU: Lernen, lernen und nochmals lernen! – Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Ich komme nun zur Abstimmung. – Herr Abg. Dr. Hahn.

Frau Präsidentin, es gibt noch einen Änderungsantrag, dieser muss aufgerufen werden; aber ich möchte namens der Linksfraktion, da es um ein wichtiges Thema geht, das auch im Land von großem Interesse ist, eine namentliche Abstimmung beantragen.

Wir kommen also zur Abstimmung. Zur Drucksache 4/2872 gibt es einen Änderungsantrag der FDP-Fraktion in der Drucksache 4/2920. Herr Herbst hatte bereits darauf Bezug genommen. Ich frage, ob er ihn noch einbringen möchte.

(Torsten Herbst, FDP: Er ist schon eingebracht!)

Er ist also schon eingebracht. Dann würde das bedeuten, Herr Abg. Hahn, wir würden zu diesem Änderungsantrag namentlich abstimmen?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das geht ja nicht!)

Nein. Dann werde ich den Änderungsantrag der FDPFraktion aufrufen. Er hat die Drucksachennummer 4/2920. Punkt 1 im Ursprungsantrag soll geändert werden und es soll ein Punkt 3 angefügt werden. Das ist der Sinn dieses Antrages und ich frage nach der Zustimmung. Wer dem Antrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltung, eine große Anzahl von Für-Stimmen; dennoch ist der Änderungsantrag der FDP-Fraktion abgelehnt worden.

Dann kommen wir zur Abstimmung über den Ursprungsantrag, er hat die Drucksachennummer 4/2872 und es war namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich übergebe an die Schriftführer.

Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der namentlichen Abstimmung. Ich rufe Sie in der alphabetischen Reihenfolge auf, beginnend mit dem Buchstaben A.

(Namentliche Abstimmung – Ergebnis siehe Anlage)

Meine Damen und Herren! Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag in der Drucksache 4/2872, ein Antrag der Linksfraktion.PDS, zum Thema „Deutliche Verkürzung der Schülerbeförderungszeiten in Sachsen durch Festlegung des zumutbaren Schulwegs“, liegt vor. Das Ergebnis ist 51 Jastimmen und 59 Neinstimmen. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden. Mit der Feststellung dieses Ergebnisses ist der Tagesordnungspunkt beendet und ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5

Strompreisentwicklung

Drucksache 4/2870, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen.

(Unruhe im Saal – Glocke der Präsidentin)

Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.