Das sind keine billigen Unterstellungen, sondern das ist das Ergebnis sorgfältiger Beobachtung Ihres Treibens und der Äußerungen, die Sie hier stets zum Besten geben, wenn Sie die Möglichkeit haben.
(Beifall bei der FDP – Zuruf von der NPD: Kommen Sie mal auf unsere Demonstrationen! Dann sehen Sie, woher die Randale kommt!)
Meine Damen und Herren! Ich bin am Ende der Beantwortung der Zwischenfrage des Kollegen Lichdi angelangt. (Heiterkeit)
Zum Versammlungsrecht selbst. Nach Artikel 8 Abs. 1 des Grundgesetzes haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich – wohl gemerkt: friedlich! – und ohne Waffen zu versammeln. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass Artikel 8 den Bürgerinnen und Bürgern auch das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung gewährleistet. Aber das gilt nicht schrankenlos. Das Bundesverfassungsgericht hat 2001 auch festgestellt: Artikel 8 schützt Aufzüge, aber nicht Aufmärsche. Das tut manchem hier wahrscheinlich besonders weh. Meine Damen und Herren! Die Ausweitung von Beschränkungsmöglichkeiten im Versammlungsgesetz wird von uns allerdings kritisch gesehen. Wir glauben nicht, dass eine politische Auseinandersetzung auf diesem Wege geführt werden kann, sondern sie muss im täglichen Leben, an Stammtischen, in Fabriken, in Schulen und auch im Parlament geführt werden, so wie wir es versuchen.
Der eingeschlagene Weg der Verschärfung des Versammlungs- und Strafrechts suggeriert Sicherheit, schafft aber, bei Lichte betrachtet, nur neue Unsicherheit. Zwar ist ein drohender Verstoß gegen Straftatbestände der einfachste Weg, Versammlungen zu verbieten; das rechtfertigt es nicht, neue, dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht entsprechende Straftatbestände hinzuzufügen. Versammlungen, wie sie hier besprochen worden sind, lassen sich bereits nach dem bestehenden Versammlungsrecht verhindern. Geplante Aufmärsche
am Brandenburger Tor oder Demonstrationen von Neonazis vor dem Holocaust-Mahnmal lassen sich bereits jetzt verbieten; denn sie stellen, jedenfalls in der beabsichtigten Form, auch Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Das sind Veranstaltungen, auf denen das Andenken Verstorbener verunglimpft werden soll oder Straftatbestände wie Volksverhetzung zu erwarten stehen.
Meine Damen und Herren! Entweder sind Versammlungen schon nach geltendem Recht zu verbieten – das sind die hier in Frage stehende Versammlungen ohne Zweifel – oder sie sind gar nicht zu verbieten. Wer etwas anderes behauptet, weckt Hoffnungen, die wohl enttäuscht werden.
Meine Damen und Herren! Wir stehen zur Demokratie und zum Versammlungsrecht. Wir möchten es nicht beschädigt sehen von Neonazis, deretwegen wir dann Rechte anderer Bürger einschränken müssten. Das will ich nicht. Mir geht es um die politische Auseinandersetzung. Wichtiger als Verbote ist, dass die übergroße Mehrheit ihre Meinung kundtut, dass man sich dem niemals anschließen wird. Wichtiger als Verbote von Demonstrationen wie denen am 13. und 14. Februar ist die Kundgabe der anderen Meinung, so wie hier in Dresden geschehen. 50 000 Menschen, die sich vor die Semperoper stellen und mit Kerzen ihre Meinung kundtun, sind ein sehr deutliches Zeichen. Ich glaube, das hat Ihnen viel mehr wehgetan, als wenn irgendwelche Ihrer Aufzüge verboten worden wären.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat verhöhnen die Demonstrationen der Neonazipartei NPD die Opfer, sowohl die deutschen Opfer als auch die Opfer anderer Völker, die im Zweiten Weltkrieg zu beklagen waren. Ich erinnere nur an Ihre Demonstration, mit der Sie uns leider am 13. Februar in Dresden behelligt haben. Vielleicht haben es auch andere bemerkt: Sie haben sich also nicht entblödet, den Walküren-Ritt von Wagner abzuspielen. Jeder, der sich in der Filmgeschichte auskennt, weiß, zu welcher Filmsequenz diese Musik eingespielt wird. Sie wird nämlich genau eingespielt zu der Filmsequenz, als eine amerikanische Hubschrauberstaffel ein vietnamesisches Dorf ausradiert.
Ich finde es eine bodenlose Schamlosigkeit sondergleichen, am 13. Februar in Dresden diese Musik auf der Augustusbrücke zu spielen. Es ist unglaublich!
Zur Sache: Was ist geändert worden? Im Strafgesetzbuch ist die öffentliche Billigung von Gewalttaten wie Völkermord allgemein unter Berufung auf das Völkerstrafrecht
unter Strafe gestellt worden. Sie darf daher auch nicht mehr auf Demonstrationen geäußert werden. Herr Schiemann, damit ist auch die Glorifizierung von kriminellen Nazitätern verboten und wir begrüßen das ausdrücklich.
Die Änderung des § 15 Abs. 2 Versammlungsgesetz ermöglicht eine Auflagenerteilung oder ein Versammlungsverbot, wenn die Versammlung an einem Ort stattfindet, „der als Gedenkstätte von historisch herausragender überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen und Willkürherrschaft“ erinnert.
Wir befürworten ausdrücklich, dass das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas als ein Ort bestimmt worden ist, an dem eine Versammlung von Neonazis verboten werden kann.
Weiterhin sind Verbote und Auflagen möglich, wenn konkret feststellbare Umstände vermuten lassen, dass durch die Demonstration die Würde der Opfer verletzt wird. Hier geht das Gesetz über bisher schon bestehende Möglichkeiten nicht hinaus. Herr Dr. Martens hat zu Recht darauf hingewiesen.
Das Gesetz ermöglicht nun, auch in Sachsen solche Orte zu benennen. Hier liegt nun der Ball auf unserem Spielfeld. Wir teilen durchaus die vom Innenminister in einem Interview geäußerte Skepsis zur Festlegung solcher Orte. Sie ist eigentlich rechtlich auch nicht nötig, da zum Schutz der Würde der Opfer Verbote und Auflagen auch an unbenannten Orten möglich sind.
Auch die Befürchtung der PDS, dass dadurch andere Orte geradezu empfohlen werden, teilen wir durchaus. Ob allerdings, Herr Kollege Bartl, durch die von Ihnen eingebrachte antifaschistische Klausel in der Verfassung eine rechtsbestimmtere Regelung getroffen wird, wage ich doch sehr zu bezweifeln, da Sie offensichtlich vermuten, dass über die verfassungsgemäße Auslegung diese Klausel auch wiederum auf das Versammlungsrecht einwirkt. Das wäre aus unserer Sicht eine wesentlich unbestimmtere Regelung als die Regelung, die jetzt im Versammlungsgesetz getroffen worden ist.
Herr Schiemann hat die Frage der Bannmeile angesprochen, auch die Bannmeile um den Landtag. Ich möchte hier ausdrücklich noch einmal sagen, dass unsere Fraktion eine Bannmeile um den Landtag ablehnt. Ich denke, wir waren uns Anfang der neunziger Jahre in allen Fraktionen einig, dass wir das nicht wollen, und ich denke auch, dass das Vorgehen der Landtagsverwaltung – hier möchte ich dem Präsidenten, Herrn Iltgen, ausdrücklich danken – mit dem Aufhängen des Transparents doch eine sehr wirkungsvolle und sehr gute Aktion war. Ich denke, das zeigt, wie wir mit dem Problem umgehen können.
Lassen Sie mich noch etwas Grundsätzliches zum Versammlungsrecht sagen. Es ist ein verhängnisvoller Irrglaube, die Neonazis mit Gesetzesänderungen oder administrativen Schikanen zurückdrängen zu wollen. Ich sage es ganz deutlich. Auch Neonazis haben das Recht zu demonstrieren. Das Versammlungsrecht muss auch
die Äußerung abweichender Meinungen zulassen. Eine Demokratie muss auch die Kraft aufbringen, dies auszuhalten. Daher halte ich nichts davon, am Versammlungsrecht immer weiter herumzuschnitzen, denn die Freiheit stirbt stückchenweise.
Ich möchte eines klarstellen: Das Ansehen Deutschlands im Ausland ist kein geeigneter Verbotsgrund. Wir müssen es auch aushalten, wenn die NPD und ihre Spießgesellen zum 60. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai durch das Brandenburger Tor marschieren würden. Eine Politik der Verbote ist kein Zeichen einer wehrhaften Demokratie, sondern ein Zeichen der Schwäche. Die Stärke der Demokratie erweist sich nicht in polizeilichen Schikanen oder Verboten. Ich sage auch: Demokratie kann nicht durch nachrichtendienstliche Beobachtungen oder Spitzeleinschleusung durch den Verfassungsschutz geschützt werden.
Herr Staatsminister de Maizière, wir sind dort anderer Meinung und die erlaube ich mir hier kundzutun.
Demokratie ist eine Werterhaltung wie auch der Menschenwürde, nicht der deutschen Würde, die auf den Grundrechten aufbaut. Ihre Stärke zeigt sich konkret in der Anzahl der Bürgerinnen und Bürger, die gegen Nazis auf die Straße gehen. Demokratie entsteht dort, wo demokratische Kultur, Austausch der Meinungen und Toleranz gepflegt und entwickelt werden. Deshalb war es so wichtig, dass dieser Landtag vor wenigen Tagen das Landesprogramm für Demokratie und Toleranz beschlossen hat.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die kritische Positionierung der PDS-Fraktion gegenüber dem Gesetz zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches mit der Begründung, wie sie ihrem Antrag zu entnehmen ist, hat mich ein bisschen überrascht. Die Gedankengänge zu den angeblichen Gefahren der vom Bundestag und vom Bundesrat beschlossenen Neuregelungen deuten möglicherweise auf ein Missverständnis der Normen hin. Die Haltung der Staatsregierung zu der Gesetzesänderung, insbesondere zu ihrem Nutzen für den Vollzug
Das am 1. April 2005 in Kraft getretene Änderungsgesetz ermöglicht es den zuständigen Behörden, eine Versammlung zu verbieten oder zu beschränken, wenn sie an einem Ort stattfindet, der als Ort der Stätte des Gedenkens an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Willkür- und Gewaltherrschaft erinnert. Welche Orte die vom Gesetz geforderte historisch herausragende und überregionale Bedeutung aufweisen, haben die Landesparlamente durch Gesetz festzulegen. Damit ist dieses Hohe Haus dann auch gegebenenfalls wieder beteiligt.
Die Erweiterung der Kompetenzen der Bundesländer im Versammlungsrecht ist grundsätzlich zu begrüßen. Auch das Ziel des Gesetzes, Versammlungen an besonders sensiblen Orten zu beschränken und dadurch die Würde der Opfer des Nationalsozialismus zu schützen, findet grundsätzlich die Unterstützung der Staatsregierung. Da das Änderungsvorhaben einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, wurde es durch die Staatsregierung im Bundesrat mitgetragen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, das neue Gesetz ist natürlich kein Allheilmittel. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit setzt dem einfachen Gesetzgeber engste Grenzen in seiner Gestaltungsfreiheit, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu beachten waren.
Neben der gesetzlichen Neuregelung bedarf es in jedem Fall weiterhin breiter gesamtgesellschaftlicher Anstrengungen, um neonationalsozialistischem Gedankengut und neonationalsozialistischen Provokationen auf allen Ebenen entgegenzutreten. Nur ein breites Engagement der Politik, der verantwortlichen Stellen und der Bürgerinnen und Bürger wirkt dem durch das öffentliche Auftreten von Neonationalsozialisten drohenden Schaden für das Ansehen des Freistaates Sachsen entgegen.
Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten befürwortet und unterstützt die Staatsregierung ein entschiedenes Vorgehen gegen geplante Aufzüge nationalsozialistisch verblendeter Gruppierungen.
Die Neuregelung im Versammlungsrecht geht überdies im Freistaat in praktisch bedeutungsvoller Weise über die Möglichkeit hinaus, besonders auszuweisende Gedenkstätten für Versammlungen zu sperren. Dies wird in der Kritik der PDS möglicherweise übersehen. Richtig ist zwar, dass noch weiter zu prüfen sein wird, ob und gegebenenfalls wo es im Freistaat Sachsen solche Gedenkstätten von solch historisch herausragender und überregionaler Bedeutung gibt, die die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Landesgesetzgebers erfüllen.
Die Länder sind und bleiben dabei an den Wortlaut der bundesgesetzlichen Regelungen gebunden, die nach meiner vorläufigen Auffassung dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen, auch wenn der eine oder andere weite Rechtsbegriff genannt wird.
Soweit das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig oder die Dresdner Altstadt bekanntermaßen beliebte Demonstrationsorte der rechtsradikalen Szene sind, erfüllen diese Orte die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ausweisung jedenfalls nicht. Sie dienen nämlich dem Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft jedenfalls nicht unmittelbar.
Dass die Staatsregierung die ihr obliegende Prüfung sorgfältig vornehmen wird, versteht sich von selbst und bedarf keiner Begründung. Meine Damen und Herren, das Gesetz steht noch keinen Monat im Bundesgesetzblatt. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir Ihnen schon vor diesem Hintergrund jetzt kein praktisches und vollkommenes Konzept vorlegen.
Ich kann Ihnen etwas zum beabsichtigten Verfahren sagen. Das Innenministerium wird zunächst die bisherige Demonstrationsgeschichte im Freistaat Sachsen auswerten und sehen, welche Orte potenziell gefährdet sein könnten. Dann bedarf es einer Abstimmung zwischen Innen- und Justizministerium und vor allem dem Wissenschaftsministerium. An der Meinung der Gedenkstättenstiftung in dieser Frage ist uns gelegen. Dann wird die Sache über eine Kabinettsvorlage gegebenenfalls ins Parlament getragen und Ihnen dort über die Ausschüsse vorgelegt. Das Verfahren wird also noch geraume Zeit dauern. Ich kann Ihnen allerdings zusagen, dass wir es mit der gebotenen Beschleunigung durchführen werden.