Protocol of the Session on April 19, 2005

Einzelplan 08, Staatsministerium für Soziales

Zunächst hat die Berichterstatterin des Haushalts- und Finanzausschusses, Frau Strempel, die Möglichkeit, zu diesem Einzelplan das Wort zu ergreifen. – Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Danach können die Fraktionen in der ersten Runde in folgender Reihenfolge sprechen: CDU, PDS, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich eröffne die Aussprache zum Einzelplan 08 und es beginnt die CDU-Fraktion mit der Debatte. Frau Abg. Nicolaus.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Sozialhaushalt, mit dem Thema, das uns jetzt beschäftigen wird, können wir darauf verweisen, dass wir die bisherige gute Sozialpolitik mit Konsequenz fortsetzen können. Gemeinsam mit der Koalition und in der Koalition können wir uns Themen für die Zukunft widmen. Das soll nicht bedeuten, dass wir nur auf eingefahrene Positionen und Gleise verweisen und Strukturen nur festschreiben wollen. Natürlich wollen wir auch in diesen Gleisen und Strukturen

Effizienzvorteile herausarbeiten. Aber es geht uns auch darum, uns Herausforderungen für die Zukunft zu stellen und dies aus haushalterischen Gesichtspunkten heraus zu untermauern. Betrachtet man den Sozialhaushalt, so darf man feststellen, dass drei Viertel der Ausgaben durch Landesund Bundesgesetze gebunden sind. Das bedeutet, dass im Einzelplan 08 der höchste Bindungsgrad an Pflichtaufgaben zu verzeichnen ist und dass damit – das ergibt sich zwangsläufig – wenige Möglichkeiten für freiwillige Aufgaben oder für zusätzliche Aufgaben vorhanden sind. Trotzdem haben wir es durch eine konsequente Finanzpolitik geschafft, uns hier Spielräume zu schaffen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass sich gerade in der Sozialpolitik viele Dinge widerspiegeln, die alle Menschen im Land, alle Schichten der Bevölkerung, berühren. Ich will einige Dinge nennen, die vielleicht, wenn man nicht darüber spricht, einfach in Vergessenheit geraten oder verdrängt werden.

Man nehme den Pflege- und Betreuungsbereich der alten Menschen, der behinderten Menschen. Man denke an Pflegeheime, an Wohnstätten, an soziale Dienste, ob im ambulanten oder im stationären Bereich, aber auch an die Gesundheitspolitik; hier ist der Krankenhausbau im stationären Bereich vorrangig zu betrachten, ganz klar. Es gibt, was die Gesundheitspolitik betrifft, auch viele Dinge im ambulanten Bereich, die oftmals in Vergessenheit geraten, wenn man ihrer Dienste nicht bedarf – aber wie schnell kann man in die Situation geraten, dass man dieser Dienste bedarf oder, wenn nicht man selbst, dann jemand aus der Familie –, ob in der Prävention – darauf werde ich noch zurückkommen –, ob im gesundheitspolitischen Bereich, wenn man Aids-Prävention oder Suchtprävention und vieles mehr betrachtet.

Aber auch das Ehrenamt gehört dazu und die große Rubrik „Familienpolitik und Jugendpolitik“. Ich nenne das bewusst in einem Zuge, weil man das eine nicht von dem anderen trennen kann. Denn Jugendpolitik ist auch Familienpolitik. Oftmals wird ein klarer Strich zwischen diesen beiden Politikbereichen gezogen. Aber das eine spielt intensiv in das andere hinein. Auch darauf werde ich noch einmal zurückkommen.

Aber auch die Frauenpolitik spielt eine große Rolle. Auch darauf werden wir noch einmal zurückkommen und meine Kollegin Gisela Schwarz wird dies noch einmal ausdrücklich betonen.

An diesem kleinen Auszug der Politikbereiche kann man ablesen, wie wichtig die Sozialpolitik und damit auch die finanzielle Untersetzung im Sozialhaushalt ist.

Beginnen möchte ich bei meiner Untersetzung mit dem Herzstück – so darf man es nennen –, mit der Familienpolitik/Jugendpolitik. Ich hatte eingangs gesagt, dass man das eine nicht strikt von dem anderen trennen sollte. Nehmen wir den familienpolitischen Bereich, so kann man viele Dinge auch noch facettenweise beleuchten, wie das Landeserziehungsgeld, das wir als eines der wenigen Bundesländer weiterführen. Es sind nur noch vier Bundesländer, die überhaupt Landeserziehungsgeld im Anschluss an das Bundeserziehungsgeld zahlen. Es ermöglicht Müttern oder Vätern dann, im dritten Lebensjahr eines Kindes, zu Hause zu bleiben und sich der Erziehung des Kindes zu widmen.

Aber das soll nicht bedeuten, dass wir die Erziehung nur in diese Richtung gehen lassen wollen. Vielmehr bieten wir im Freistaat Sachsen – und damit können wir uns durchaus rühmen – auch ein gutes Netz an Kindertagesstätten an. Dieses wollen wir weiter ausbauen. Deswegen haben wir dafür im investiven Bereich zweimal 15 Millionen Euro eingestellt. Die Kommunen begrüßen das sehr.

Darüber hinaus begrüßen die Kommunen, die diese Aufgabe im Bereich der Kinderbetreuung erfüllen, dass die Pauschale auf 1 800 Euro erhöht wird. Das bedeutet aber auch – und das möchte ich an dieser Stelle betonen –, dass wir unsere Qualitätsoffensive auch finanziell untersetzen und diesbezüglich auch eine Erwartungshaltung an die kommunale Ebene haben, wie ich denke, auch zu Recht.

Ich bin sehr dankbar, dass alle im Hohen Hause – so denke ich jedenfalls – begrüßen, dass wir zum einen die finanziellen Mittel in diesem Bereich aufstocken und dies untersetzen, und zum anderen, dass wir uns dieser Qualitätsoffensive stellen und das mit einem zusätzlichen Bildungsplan untersetzen. Dieser Bildungsplan wurde auf der kommunalen Ebene, aber auch bei den Erzieherinnen und bei den Eltern – es ist ja eine familienergänzende Maßnahme – sehr begrüßt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Johannes Gerlach, SPD)

Wir werden des Weiteren – daraus ableitend, weil wir gesagt haben, dass wir uns dieser Qualitätsoffensive stellen – auch in die Weiterbildung der Erzieherinnen investieren. Das ist auch notwendig. Nicht, dass man vorher in diesem Bereich gar nichts getan hätte, aber unser Ziel ist es, die Schuleingangsphase explizit herauszustellen – natürlich im Zusammenhang mit dem Bildungsplan, das ist ganz klar. Wir werden als Freistaat drei Wochenstunden für die Erzieherinnen extra bezahlen, unabhängig davon, wie die Kommune das im Haushalt bisher reflektiert hat. Wir haben es im Landeshaushalt dargestellt und es wird explizit an die kommunale Ebene hinuntergegeben, unabhängig von der pauschalen Erhöhung. Das bedeutet auch, dass wir im letzten halben Jahr der Schuleingangsphase – das ist gestern von den mit dem Bereich Schule befassten Abgeordneten schon einmal dargestellt worden; Herr Dulig hat es explizit benannt – zu den drei Wochenstunden der Erzieherinnen noch drei Wochenstunden für Grundschullehrerinnen an die kommunale Ebene durchgeben.

Wir möchten, dass sich durch den Bereich der frühkindlichen Bildung ein roter Faden zieht. Ich denke, wir haben in diesem Bereich viel getan. Auch dazu wird meine Kollegin Gisela Schwarz noch einige Ausführungen machen. Ich hatte gesagt, dass wir die Jugendpolitik davon nicht trennen können, sondern dass das eine das andere bedingt. Wir haben auch einen Schwerpunkt in der Jugendpolitik gesetzt. Wir wissen alle, wir haben dort eine pauschale Finanzierung – 50 % Land und 50 % kommunale Ebene – eingestellt, die mit den Richtlinien 1 und 2 an die kommunale Ebene heruntergegeben wird.

Darüber hinaus stellen wir uns weiterhin der Jugendverbandsförderung. Auch das ist ein wichtiges Kriterium, das immer wieder angemahnt wurde.

Aber das ist noch lange nicht alles. Ich hatte auszugsweise einige Bereiche genannt. Zu nennen ist an dieser Stelle vor allen Dingen die Gesundheitsfürsorge. Ich hatte vorhin auch schlaglichtartig den Sucht- und Drogenbereich genannt. Hier darf man sich ausschließlich und im Besonderen bei den Suchtberatungsstellen bedanken, und zwar nicht nur bei den hauptamtlichen Mitarbeitern, nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vordergründig auch bei den vielen ehrenamtlichen Helfern

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

und auch bei den unzähligen Selbsthilfegruppen, die sich dieser Aufgabe stellen. Es sagt sich leicht dahin, dass eine Selbsthilfegruppe etabliert wird. Wenn niemand diese Selbsthilfegruppe führt und sich dieser Aufgabe widmet, kommt vieles zum Erliegen. Das, was in guten Gesprächen und Therapien in den Suchtberatungsstellen vorbereitet wurde, muss auch weitergeführt werden.

Ebenfalls haben wir uns der Aids-Prävention gestellt und auch in diesem Bereich Aufstockungen vorgenommen.

Gleichermaßen ist es uns ein Herzensanliegen, die Gesundheitsfürsorge, zum Beispiel im Ernährungsbereich oder in Bezug auf körperliche Bewegung etc., fortzuschreiben und ansatzweise im Haushalt zu untersetzen.

Denken wir hierbei auch an den frühkindlichen oder den schulischen Bereich. Es muss darauf orientiert werden, auf diesem Gebiet ebenfalls Prävention voranzutreiben. Wir haben vieles beklagt und des Öfteren haben wir in diesem Hohen Hause festgestellt, dass es immer mehr Kinder gibt, die an Übergewicht und Bewegungsmangel leiden. Hier müssen wir offensiv gegensteuern. Das bedeutet natürlich auch, dass wir für diesen Bereich Geld brauchen.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist das Ehrenamt und die Aufstockung dieses Titels. Zu diesem Bereich wird mein Kollege Johannes Gerlach von der SPD-Fraktion noch einige Ausführungen machen. Uns als Koalition ging es vor allem darum, dass die guten Strukturen, die sich vor allem bei den Sportvereinen, den Feuerwehren, den sozialen Diensten usw. entwickelt haben, erhalten bleiben. Das soll nicht heißen, dass alles über die „Aktion 55“ oder ab dem Jahr 2006 über die Aktion „Wir für Sachsen“ untersetzt wird. Es gibt vieles im ehrenamtlichen Bereich, was keiner Honorierung bedarf oder wo Honorierungen geradezu abgelehnt werden. Aber es gibt auch viele gute Sachen, die in der „Aktion 55“ verankert wurden und der Fortführung bedürfen.

Ein Letztes: Sehr wichtig ist der Behindertenbereich. Wir können stolz darauf sein, dass wir, was die Behindertenpolitik betrifft, gerade im investiven Bereich darum bemüht sind – wir haben es auch finanziell dargestellt –, dass vieles, was im Brennpunkt der Öffentlichkeit stand – ob baurechtliche Gesichtspunkte oder Neubauten – mit diesem Haushaltsansatz bereinigt wurde. Es geht darum, dass Träger Anträge stellen können, um der Aufgabe gerecht zu werden, dass unsere behinderten Menschen ein Zuhause bekommen, eine Arbeit wahrnehmen kön

nen, die ihren Neigungen entspricht, so dass Nachteile ausgeglichen werden.

Wir als Fraktion und Koalition waren immer darum bemüht, uns vermehrt der Aufgabe zu stellen, dass Menschen, die benachteiligt sind, diese Nachteile so gut es geht ausgeglichen bekommen.

Insgesamt gesehen werden wir mit dem Haushalt 08 vielen Dingen gerecht, die die Sachsen mit Freude aufnehmen. Ich möchte mich ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit in der Koalition bedanken und hoffe und wünsche mir, dass Sie diesen Haushalt mit wehenden Fahnen – an die Opposition gerichtet – aufnehmen und ihm zustimmen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die PDS-Fraktion; Herr Dr. Pellmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Nicolaus, ich denke, die Zeit der wehenden Fahnen sollte vorbei sein. Das sagen Sie uns doch immer. Insofern muss ich Sie in der Tat enttäuschen. Wir haben eine doch etwas andere Wahrnehmung des Sozialhaushalts, als Sie hier vorgetragen haben. Es ist auch das Geschäft der Opposition, dass wir den Finger in Wunden legen, wenn sie denn vorhanden sind. Herr Hähle, ich werde mich heute nicht auf Ihren philosophischen Exkurs von gestern einlassen, das können wir an anderer Stelle tun.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: War er philosophisch?)

Herr Porsch, die Formulierung hatte den Anspruch des Philosophischen, das ist ein Unterschied.

Ich denke, das, was Sie als Einzelplan 08 vorgelegt haben – Herr Neubert wird dann über einige positive Seiten sprechen –, ist kein Grund zum Feiern, wahrlich nicht, selbst wenn Sie hier versucht haben, Frau Nicolaus, eine Art Feierlaune zu verbreiten. Der Haushalt trägt – das sei an die Fraktion der SPD gerichtet – voll und ganz, bis auf den Jugendbereich, eindeutig die gewohnte Handschrift der CDU.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ich fühle mich wirklich kaum in einer veränderten Situation im Vergleich zu den Reden, die ich zu dem Einzelplan in den vergangenen Jahren gehalten habe. Insofern ist der Gesamteindruck, den wir von diesem Haushalt haben, dass er den Herausforderungen, wie sie insbesondere durch Hartz IV gekommen sind, mit den Landesmöglichkeiten in keiner Weise gerecht wird.

Mehr noch: Der Kurs des Sozialabbaus auf Landesebene wird fortgesetzt, zum Teil sogar in Dingen, die Sie hier gelobt haben, ohne zu nennen, dass Sie eigentlich eine Kürzung eingestellt haben.

Sie ziehen sich weiter aus der öffentlichen Daseinvorsorge im Gesundheits- und Sozialbereich zurück und öffnen damit – das scheint Staatsziel oder gewollt zu sein – der Privatisierung in diesem Bereich Tür und Tor.

Lassen Sie mich auf einige wenige Aspekte eingehen. Eines möchte ich allerdings noch voranstellen: Auch hier fühlte ich mich in bewährter Atmosphäre, denn im Ausschuss haben Sie alle 29 Anträge der PDS-Fraktion abgelehnt. Zum Teil waren sie sogar wortgleich mit den Ihren. Also, verehrte Frau Nicolaus, verehrte Damen und Herren, insbesondere der CDU, gewöhnen Sie sich das doch endlich ab. Sie sind doch mit 16 % weniger Wählerstimmen auch für diese Politik, alles was Opposition vorträgt, in den Wind zu schlagen, nun wirklich bestraft worden.

(Beifall bei der PDS)

Ich habe die Hoffnung, dass Sie irgendwann zur Einsicht kommen. Es würde Sachsen und den Menschen hier wirklich zum Vorteil gereichen, wenn Sie endlich die alternativen Vorschläge der Opposition zumindest zum Teil mittrügen.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Wenn sie wortgleich sind, sind sie doch nicht alternativ!)

Herr Dr. Hähle, natürlich sind sie dann nicht alternativ, da haben Sie völlig Recht.

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Das ist logisch, nicht Philosophie!)

Dass Sie etwas von Logik verstehen, ist ja völlig neu.

Lassen Sie mich neben dem Disput zu einigen Einzelaspekten kommen, die wir kritisch sehen.

Erstens. Ja, Frau Nicolaus, das war Ihre Spielwiese, wie jedes Mal beim Haushalt. Sie haben auf dem Gebiet des bürgerschaftlichen Engagements nachgebessert – das ist so –, allerdings nicht in der Weise, wie es nötig und möglich gewesen wäre. Sie verschweigen hier, dass Sie bestimmten Vereinen und Verbänden die Mittel gekürzt haben. Das hat natürlich nicht unmittelbar mit der „Aktion 55“ zu tun.

Ein Zweites ist heute noch gar nicht angesprochen worden. Wir haben bewusst darauf verzichtet, damit Sie nicht wieder in Gewissenskonflikte kommen, noch einmal einen entsprechenden Antrag zu stellen. Sie lassen hinsichtlich des Landeswohlfahrtsverbandes die Kommunen weiterhin im Regen stehen. Sie finanzieren nicht mit den Mitteln des Freistaates die Kostensteigerung des Landeswohlfahrtsverbandes mit. Das kritisieren wir auch. Selbst wenn es künftig zu einer stärkeren Kommunalisierung des Ganzen kommen sollte, hätte ich gern gewusst, wie die Kommunen dann zumindest die Mehrleistung, die sie tragen müssen, durch den Landeshaushalt mitfinanziert bekommen könnten.