Protocol of the Session on April 19, 2005

Herr Hähle, ich bin sehr froh, dass Sie sich jetzt, nachdem Sie es gestern nicht getan haben, von diesem unsäglichen Papier der Jungen Union distanziert haben.

(Zuruf von der PDS: Hat er ja gar nicht!)

Von Ihnen und von dem Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden Milbradt erwarte ich eine klare Trennung zwischen demokratischem Patriotismus und verfassungsfeindlichem undemokratischem Nationalismus. Grundlage der Demokratie sind die Menschen- und Grundrechte aller Menschen, nichts anderes. Die Menschenrechte gelten, wie das Wort schon sagt, für die Menschen, nicht nur für die Deutschen. Herr de Maizière, wir haben uns auch darüber schon auseinander gesetzt: Wenn ich eine blutsmäßige Abstammungsgemeinschaft, die es im Übrigen überhaupt nicht gibt, zur Grundlage des Staates erkläre, dann wähle ich ein anderes Grundprinzip staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung. Dann wird es möglich, Menschen- und Grundrechte unter Berufung auf angebliche Erfordernisse einer Abstammungsgemeinschaft einzuschränken.

(Uwe Leichsenring, NPD: Korrekt!)

Diesen Zusammenhang hat die JU nicht erkannt und deswegen Beifall von der falschen Seite erhalten. Ich fordere Sie als demokratische Partei dringend auf, dies zu korrigieren. Zur Sache! Aufgrund der fehlenden Zeit kann ich nur einige Anmerkungen zum Haushalt des Innern machen.

Es handelt sich um einen Umbruchshaushalt. Der Stellenabbauplan der Polizei – er ist uns für den Herbst zugesagt worden – steht ebenso aus wie die Verwaltungs- und Funktionalreform; meine Vorredner haben es angesprochen.

Auf eine Kleine Anfrage meinerseits hat das Innenministerium leider bestätigt, dass die Einbeziehung des Landtags bzw. der Öffentlichkeit vor Veröffentlichung der Ergebnisse nicht geplant sei. Wir bedauern das ausdrücklich.

Ziel der Verwaltungs- und Funktionalreform kann es nur sein, mehr Bürgernähe herzustellen. Mir ist im Übrigen keine Studie bekannt, die belegen würde, dass die Zentralisierung von Behörden zwangsläufig oder auch nur in den meisten Fällen weniger Verwaltungsaufwand bedingt. Ich sage Ihnen eindeutig: Eine Radikalverkleinerung auf zehn oder gar fünf Landkreise wäre das Legen der Axt an die Selbstverwaltung und damit an das Fundament der Demokratie in Sachsen. Das können und sollten wir uns alle nicht leisten.

Zum Schluss wenige Worte zum Problem Schengen; auch Herr Bandmann hat es angesprochen. Ich bin sehr verwundert, dass Sie sich derart vehement gegen einen schnellen Beitritt Tschechiens und der Polnischen Republik zum Schengener Abkommen ausgesprochen haben. Herr Bandmann hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach der Erweiterung kein Anstieg in der polizeilichen Kriminalstatistik zu verzeichnen ist. Herr Minister, vielleicht ist es Ihnen nicht so geläufig: Herr Kollege Jurk verzichtet zum Beispiel auf die GZA auf der A 17 an der tschechischen Grenze unter Hinweis darauf, dass bald mit dem Beitritt zum Schengener Abkommen zu rechnen sei. Ich fordere Sie also auf: Schüren Sie in der Bevölkerung nicht weiter Ängste nach dem Motto, die Kriminellen aus ganz Osteuropa kämen zu uns herüber. Das entspräche nicht dem gutnachbarschaftlichen Verhältnis, das wir zu diesen Staaten anstreben sollten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich frage die Fraktionen, ob es weiteren Redebedarf gibt. – Herr Abg. Bandmann.

Frau Präsidentin! Ich denke, zu einigen Äußerungen ist noch etwas zu sagen, gerade auch zu denen von Herrn Lichdi, der hier manchmal den Eindruck von Comical Ali vermittelt.

(Heiterkeit bei der NPD)

Herr Lichdi, wenn Sie in den Grenzregionen wohnen, dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass die innere Sicherheit in Sachsen natürlich ein Ergebnis der polizeilichen und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist. Dass dieser Prozess aber nicht völlig konfliktfrei verläuft und dass wir im Bereich der inneren Sicherheit vor einer Vielzahl von Herausforderungen stehen, sollte Ihnen klar sein. Verantwortliche Politik bedeutet, dass man dann Termine setzt, wenn die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen sind.

Zu den Ausführungen von Herrn Dr. Friedrich! Sie versuchen, im Ausschuss eine konstruktive Arbeit zu leisten – anders als die NPD, die sich an der Arbeit des Innenausschusses mit null Wortmeldungen beteiligt –,

(Beifall des Abg. Dietmar Jung, PDS)

können sich aber offensichtlich in ihrer eigenen Fraktion nicht durchsetzen. Die gesamte Haushaltsdiskussion ist davon gekennzeichnet, dass die PDS jeder Gruppe die Erfüllbarkeit utopischer Forderungen suggeriert. Das Ergebnis auch von Haushaltsberatungen ist aber ein vernünftiger Kompromiss.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Bandmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Im Moment bitte nicht. – Wenn ich dann die Ausführungen von Herrn Apfel höre, in denen er, auf Frau Ernst bezogen, eine politische Bespitzelung behauptet und sich mit Frau Dr. Ernst in Übereinstimmung sieht, dann frage ich mich schon: Trifft es zu, was man sich auf den Fluren erzählt, dass es hinter den Kulissen Absprachen zwischen NPD und PDS gibt, bestimmte Dinge gemeinsam zu vertreten?

(Dr. Cornelia Ernst, PDS: Unerhört!)

Dieser Eindruck kann einen ganz deutlich beschleichen, wenn man dieses gleich lautende Agieren hier sieht.

(Uwe Leichsenring, NPD: Mit denen nie!)

Deswegen sei an die Extremen rechts wie links deutlich der Hinweis gerichtet: Die Bundesrepublik Deutschland zeichnet sich, anders als die Weimarer Republik, durch eine wehrhafte Demokratie aus. Polizei, Justiz und Verfassungsschutz werden genau diese rechtsstaatliche Garantie durchsetzen. Das sei Ihnen in aller Deutlichkeit gesagt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir werden es nicht dulden, dass gewaltbereite Kriminelle, egal unter welcher politischen Couleur und mit welchem politischen Mäntelchen sie daherkommen, diese Bundesrepublik oder diesen Freistaat zerstören. Wir werden ihnen mit aller Entschiedenheit entgegentreten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der PDS: Was ist bei Ihnen nur durchgegangen?)

Herr Bandmann, ich bitte Sie dringend darum, künftighin von persönlichen Beleidigungen gegenüber Abgeordneten abzusehen.

(Beifall bei der PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Gibt es noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister de Maizière.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Einzelplan 03 des Innenministeriums gilt wie für jeden anderen Einzelplan auch: Können wir – und wenn ja, wie – angesichts der äußerst schwierigen Finanzlage die Aufgaben in dem erforderlichen Umfang und in der erforderlichen Qualität erfüllen? Die Antwort lautet: Dies ist möglich. Es ist alles in allem für den Bereich der Innenpolitik gelungen, die Mittel einzustellen, die einerseits erforderlich sind und die andererseits dem finanziell Machbaren und Vertretbaren Rechnung tragen. Ich hätte natürlich gern manche Bereiche, insbesondere den Polizeibereich, Herr Abg. Dr. Martens, von Sparmaßnahmen verschont. Niemand kann sich aber den Zwängen der finanziellen Situation verschließen, die ja nicht nur im Freistaat Sachsen schwierig ist.

Meine Damen und Herren! Jeder Fachpolitiker in diesem Hause und in der Staatsregierung ist auch für das Gesamte des Haushaltes mitverantwortlich. Es ist keine Kunst, mit viel Geld viel zu machen, aber bei weniger Einwohnern, weniger Einnahmen und damit weniger Ausgaben viel und Besseres zu machen, das ist eine Kunst, die wir erst lernen müssen.

Lassen Sie mich vor diesem Hintergrund zu drei Schwerpunkten etwas sagen: Innere Sicherheit, Verwaltungsreform und Stadtumbau.

Zur inneren Sicherheit: Freiheit und Sicherheit sind Grundfesten unseres Gemeinwesens. Es ist eine Kernaufgabe des Staates, um der Freiheit der Bürger willen die innere Sicherheit zu gewährleisten. Die Menschen in Sachsen haben ein Recht auf wirkungsvollen Schutz ihres Lebens, ihrer Freiheit und ihres Eigentums durch den Staat und durch die Polizei. Sicherheit – davon war schon interessanterweise bei dem Einzelplan des Wirtschaftsministers die Rede – ist nicht nur ein Faktor der Lebensqualität, sondern im zunehmenden Maße wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg einer Region. Ein Erfolg der Arbeit in den letzten Jahren ist, dass sich etwa 90 % der sächsischen Bürgerinnen und Bürger in ihrer Wohngegend sicher bis sehr sicher fühlen. Gleichzeitig war im Jahr 2004 mit rund 335 000 Straftaten die niedrigste Kriminalitätsbelastung seit 1992 zu verzeichnen. Das, meine Damen und Herren, fällt nicht vom Himmel, sondern ist auch das Ergebnis harter Arbeit der Polizei im präventiven und repressiven Bereich.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Aber es wäre ein fataler Fehler, sich auf den Erfolgen ausruhen zu wollen. Das werden wir nicht tun.

Meine Damen und Herren! Ich bekenne mich hier auch ausdrücklich zur Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz, das auf rechtsstaatlicher Basis arbeitet, und jeden Vergleich mit der Arbeit der Staatssicherheit der DDR weise ich auch für die Mitarbeiter dieses Amtes mit aller Schärfe zurück.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Die NPD wird, Herr Abg. Apfel, selbstverständlich vom Verfassungsschutz beobachtet. Bei der NPD handelt es

sich um eine verfassungsfeindliche Partei. Damit ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, diese Partei zu beobachten.

(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich bin trotzdem der Meinung, wie Herr Bandmann, dass es interessant ist, wie sich, wenn auch mit einer anderen Begründung, NPD und PDS einig sind, die Arbeit des Verfassungsschutzes entweder abzuschaffen oder zumindest entscheidend zu schwächen.

Meine Damen und Herren! Mit der wachsenden Freizügigkeit des Personen-, Waren-, Geld- und Dienstleistungsverkehrs im Rahmen der Erweiterung der EU entstanden natürlich als Kehrseite der gewonnenen Freiheit neue Erscheinungsformen der Kriminalität sowie ein qualitativ und quantitativ verändertes Verkehrsaufkommen. Der zuständige EU-Kommissar Franco Frattini hat nun erklärt, dass angeblich bereits eine Entscheidung über den Wegfall der Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien im Oktober 2007 getroffen worden sei, obwohl – mit Verlaub – die EU-Kommission überhaupt nicht zuständig ist, sondern es einer einstimmigen Entscheidung der Innen- und Justizminister des Rates bedarf.

Der Freistaat Sachsen verfügt mit 566 km über die längste Schengener Außengrenze von allen Bundesländern. Wir wären von einer verfrühten Aufhebung der Grenzkontrollen besonders betroffen. Die Sicherheitslage wäre durch mangelnde Kontrollen der EU-Außengrenzen gefährdet. Eine Aufhebung der Personenkontrollen an den Grenzen zu den am 1. Mai 2002 beigetretenen Mitgliedsstaaten kommt deshalb erst dann in Betracht, wenn zuvor zweifelsfrei klargestellt wurde, dass der betreffende Staat den gesamten EU-Standard im Bereich innere Sicherheit vollständig übernommen hat sowie praktisch und dauerhaft anwendet, auch an der Ostgrenze nach Weißrussland und zur Ukraine. Ich halte deshalb Aussagen – Herr Lichdi ist nicht hier, aber er hat es angesprochen –, die den Eindruck erwecken, die Aufhebung der EU-Innengrenzen sei schon im Oktober 2007 möglich, nicht für vertretbar, für falsch und gefährlich.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Daher habe ich der von Kommissar Frattini geäußerten Auffassung sofort vehement widersprochen und in einem Schreiben Bundesinnenminister Schily gebeten, für eine entsprechende Klarstellung auf europäischer Ebene zu sorgen.

Gestatten Sie mir noch eine persönliche Bemerkung. Ich habe – auch, aber nicht nur – aus Sicherheitsgründen erhebliche Zweifel, ob Rumänien und Bulgarien auf unabsehbare Zeit überhaupt Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werden können.

(Beifall bei der CDU)

Nun hat der Abg. Apfel versucht, uns hier eine Ausländerdebatte aufzureden. Ich will dieser Versuchung nicht erliegen, biete aber gern an, dass wir bei Gelegenheit über dieses Problem diskutieren. Der Staat hält sich an die Gesetze und auch abgelehnten Asylbewerbern stehen