Über die Ziele für unseren Freistaat bis 2020 haben wir uns in den Koalitionsverhandlungen verständigt. Diese Ziele bilden die Grundlage für diesen Doppelhaushalt. Der Haushalt ist deshalb Ausdruck des gemeinsamen Gestaltungswillens der Koalitionsregierung. Dafür ist der Prozess der Aufstellung des Doppelhaushaltes der beste Beweis. Der Haushaltsprozess ist reibungslos verlaufen. Die Koalitionspartner haben gelernt, aufeinander zuzugehen, sich zusammenzusetzen und ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen. Dabei hat es natürlich ein Geben und Nehmen und am Ende auch Kompromisse gegeben. Das ist nicht unüblich. Am Ende ist ein Haushalt entstanden, der im besten Sinne Geist und Buchstaben der Koalitionsvereinbarung in Finanztitel umgesetzt hat. Hinter diesem Haushalt steht der politische Wille der Koalition. Ich möchte allen Beteiligten in den Fraktionen und in der Regierung für die außerordentlich gute Zusammenarbeit danken. Das Klima der Verhandlungen war von gegenseitigem Vertrauen, von Offenheit und Ernsthaftigkeit geprägt. Das ist eine gute Basis für die Aufgaben, die wir uns gemeinsam vorgenommen haben.
Was sind unsere Ziele für Sachsen bis zum Jahr 2020? Die Rahmenbedingungen für die Zukunft Sachsens werden nach wie vor von drei entscheidenden Faktoren bestimmt. Es sind:
1. die wirtschaftliche Gesamtlage Deutschlands und dabei besonders das außerordentlich geringe Wachstum,
2. der kontinuierliche Rückgang der Transferzahlungen aus dem Solidarpakt und von der Europäischen Union und
Vor dem Hintergrund der wachsenden Konkurrenzsituation durch die Osterweiterung der EU und die Globalisierung stecken diese Faktoren den Rahmen ab, in dem sächsische Politik handeln kann. Wer glaubt, er könne gegen diese Flut von Problemen Dämme errichten und hinter diesen Dämmen seine Besitzstände in Sicherheit
bringen, der irrt. Eine Politik, die nur versucht, Schlimmeres zu verhindern, ist zum Scheitern verurteilt. Wir setzen dagegen eine Politik, die Familien unterstützt, die in Bildung und Wissenschaft investiert und die durch gezielte Wirtschaftsförderung die Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze schafft. Grundlage dafür ist nach wie vor eine solide Finanzpolitik und nicht die Flucht in den Schuldenstaat.
Die Netto-Neuverschuldung wird in den nächsten Jahren zurückgeführt. Bis 2009 wollen wir einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Zeigen Sie mir bitte ein Land jenseits von Bayern, das realistische Chancen hat, dieses Ziel zu erreichen. Gleichzeitig gelingt es uns als einzigem Land in Deutschland, die Investitionsquote deutlich über 20 % zu halten.
Investieren und Sparen, meine Damen und Herren, wird auch weiterhin die Zukunft unseres Landes sichern.
Beim Thema Finanzen spielen für die neuen Länder aber auch Sonderfaktoren eine Rolle. Dazu zählen die Sonderund Zusatzversorgungssysteme der ehemaligen DDR. Diese Ausgaben haben sich in den vergangenen zehn Jahren um das Dreieinhalbfache erhöht und überfordern unseren Haushalt. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung ist man von vollkommen anderen Annahmen ausgegangen. Diese haben sich als unrealistisch erwiesen, auch weil die Rechtsprechung und die Gesetzgebung neue Ansprüche begründet haben.
Meine Damen und Herren, der Solidarpakt ist aber nicht dazu da, die Rentenansprüche aus der ehemaligen DDR zu finanzieren. Dies ist eine gesamtdeutsche Aufgabe und nicht die Aufgabe der ostdeutschen Länder.
Schließlich fehlt uns dieses Geld an anderer Stelle. Hätten wir diese Belastung nicht, hätten wir im letzten Jahr nicht nur keine Kredite aufnehmen müssen, sondern wir hätten auch etwa 400 Millionen Euro für die Schaffung neuer Arbeitsplätze einsetzen können. Ich habe mich deshalb in den letzten Jahren immer wieder dafür eingesetzt, dass uns der Bund bei der Zahlung der DDR-Zusatzrenten stärker entlastet. Bei seinem Besuch vor zwei Monaten in Weißwasser hat der Bundeskanzler zugesagt, sich für eine Lösung einzusetzen. Der Bundesfinanzminister, meine Damen und Herren, muss endlich in ernsthafte Verhandlungen mit den Ländern im Osten eintreten, um zu einer gerechten Lastenverteilung zu kommen.
Meine Damen und Herren! Ludwig Erhard hat einmal gesagt: „Erst auf dem Boden einer gesunden Wirtschaft kann die Gesellschaft ihre eigentlichen Ziele erfüllen.“ Das hat er zu einer Zeit gesagt, als die Arbeitslosigkeit Jahr für Jahr deutlich abnahm. Wir brauchen eine gesunde Wirtschaft nicht nur, um unsere sozialen Sicherungssysteme, unser Bildungssystem und die Sicherheit der Bürger zu finanzieren; heute brauchen wir einen sich selbst tragenden Wirtschaftsaufschwung, um uns von
Deshalb ist es wichtig, was der Bundespräsident sagt: „Wir brauchen eine Vorfahrtsregelung für Arbeit. Was der Schaffung und Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze dient, muss getan werden. Was dem entgegensteht, muss unterlassen werden. Was anderen Zielen dient, und seien sie noch so wünschenswert, ist nachrangig.“ – So der Bundespräsident.
Meine Damen und Herren, das steht sinngemäß auch in unserem Koalitionsvertrag. Vorfahrtsregeln für Arbeit – dafür gibt es in Sachsen gute Voraussetzungen. In Sachsen hält das überdurchschnittliche Wachstum unverändert an. Im Jahre 2004 hatten wir – wie bereits 2003 – mit 2,4 % erneut das höchste Wachstum in ganz Deutschland. Besonders erfreulich ist die Entwicklung in der Industrie. Die Bruttowertschöpfung stieg im Jahr 2004 um rund 13 %. Damit weist die sächsische Industrie den Spitzenwert aller deutschen Länder auf. Auch über einen längeren Zeitraum, von 1995 bis 2004, erreichte Sachsens Industrie mit einem Wachstum von etwa 6 % einen Wert, der weit über dem deutschen Durchschnitt von weniger als 1 % pro Jahr liegt. Gleichzeitig sind dort viele neue Arbeitsplätze entstanden, in großen und in kleinen Betrieben. In Sachsen sind im letzten Jahr allein 5 000 Arbeitsplätze in der Industrie netto hinzugekommen.
Die positive Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe wird wesentlich durch das Auslandsgeschäft getragen. So stieg zwischen 1995 und 2004 die Exportquote der sächsischen Industrie von rund 13 auf heute 30 %. Die Dynamik stimmt zuversichtlich. Immer mehr sächsische Unternehmen fassen auf ausländischen Märkten Fuß. Das ist ein Fundament, auf dem wir aufbauen können, aber es ist noch nicht ein sich selbst tragender Aufschwung. Dazu ist es notwendig, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft über hohe Qualität, steigende Produktivität und Innovationen zu stärken. Dies erfordert mehr Spielräume für Landespolitik. Wir müssen den unternehmerischen, erfinderischen und tüchtigen Menschen in unserem Land erlauben, ihre Kräfte und Ideen auszuprobieren. Wir brauchen – so meine Meinung – verstärkt Öffnungs- und Experimentierklauseln.
Meine Damen und Herren! Dass DHL sein neues europäisches Frachtdrehkreuz am Flughafen Leipzig ansiedelt und 10 000 Arbeitsplätze schafft, liegt auch daran, dass wir den Flughafen innerhalb von nur vier Jahren zu einem internationalen Großflughafen ausbauen konnten und dass das Planfeststellungsverfahren für die zweite Start- und Landebahn innerhalb weniger Monate beendet werden konnte. Wenn wir nicht, meine Damen und Herren, das vereinfachte Planungsrecht für Ostdeutschland gehabt hätten, wäre es so gekommen wie in Stuttgart und München: Wir würden uns heute immer noch durch
DHL wäre überhaupt nicht auf die Idee gekommen, in Leipzig zu investieren, denn in Europa bekommt man Planungsrecht wesentlich schneller als in Westdeutschland.
Die Tatsache, dass bei dem Planfeststellungsbeschluss in Leipzig nur rund zehn Bürger geklagt haben, in Frankfurt aber bei einem vergleichbaren Ausbau des Frankfurter Flughafens über 100 000 Einsprüche erhoben worden sind, zeigt, dass die Bevölkerung in Sachsen weiß, dass diese Planungen notwendig sind zur Sicherung ihrer Zukunft, und das soll auch so bleiben.
Meine Damen und Herren, ich verstehe ja durchaus, dass einige in der GRÜNEN-Fraktion das nicht gerne hören, Herr Lichdi. Das vereinfachte Planungsrecht hat bei uns unmittelbar Arbeitsplätze geschaffen; das lässt sich belegen. (Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Zurufe von den GRÜNEN)
Ein Gesetz, das so etwas möglich macht, dürfen wir nicht einfach auslaufen lassen, wie es in diesem Jahr geschehen soll. Vielmehr stellt sich die Frage, warum ein Gesetz, das dem Bürokratieabbau dient, nicht allgemeines Recht werden sollte.
Ich begrüße es daher, dass die Bundesregierung über eine gesamtdeutsche Lösung nachdenkt. Allerdings bedeutet das auch: Alles, was hinter das Herzstück der bisher für Ostdeutschland geltenden Regelung zurückfällt – das ist im Wesentlichen die Reduzierung auf eine gerichtliche Instanz –, können wir so ohne weiteres nicht akzeptieren. Zahlreiche Vorschläge für mehr Dynamik in den neuen Ländern liegen schon lange auf dem Tisch. Ich selbst habe vor einem Jahr eine Strategie Zukunft Ost vorgelegt. Die Regierungskommission um Klaus von Dohnanyi hat sich ähnlich geäußert, aber passiert ist leider noch zu wenig. Das gilt insbesondere bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wir müssen endlich akzeptieren, dass es in Deutschland erhebliche ökonomische Unterschiede zwischen Nord und Süd, zwischen Ost und West gibt. Diese Unterschiede können wir nicht durch undifferenzierte Einheitslösungen bekämpfen. Dies ist umso wichtiger, als die ökonomischen Effekte der EU-Erweiterung auf Ostdeutschland und hier insbesondere die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt für gering Qualifizierte systematisch unterschätzt wurden.
Meine Damen und Herren, wir wollen die sächsischen Stärken weiter stärken; lassen Sie mich dazu fünf Schwerpunkte nennen: 1. Wir werden vor allem die Wachstumspotenziale in den Zukunftsbranchen gezielt ausbauen. 2. Die Investitionsförderung über die GA bleibt zentrales Element unserer Wirtschaftspolitik. 3. Den Ausbau der Forschungs- und Verkehrsinfrastruktur werden wir konsequent fortsetzen. Nur so können wir die Produktivität der Wirtschaft erhöhen und im internationalen Wettbewerb bestehen.
4. Wir verfügen in Sachsen über hoch qualifizierte Fachkräfte. Diesen Standortvorteil wollen wir erhalten, indem wir die berufliche Qualifizierung und Weiterbildung stärken. 5. Die vielfältige Unternehmerlandschaft aus Großbetrieben, einem starken Mittelstand und einem gesunden Branchenmix müssen wir weiter entwickeln. Dazu werden wir sowohl unsere erfolgreiche Ansiedlungspolitik fortsetzen als auch die Bestandspflege ausbauen.
Die Koalitionsregierung hält an der verlässlichen Wirtschaftspolitik fest. Wir stellen uns den neuen Herausforderungen und handeln. Sachsens Industrie zeichnet sich – Gott sei Dank! – durch eine große Investitionsneigung aus. Dies hat zur Folge, dass der Förderbedarf hoch ist. Auch wenn die finanziellen Spielräume durch den Mittelrückgang des Bundes immer weiter eingeschränkt werden, halten wir auch künftig an einer gezielten Investitionsförderung fest. Dabei werden wir noch stärker als bisher die Priorität auf Projekte mit hohen Wachstums- und Arbeitsplatzeffekten legen. Wir werden auch weiterhin auf jeden Euro GAWirtschaftsförderung, der uns vom Bund angeboten wird, einen eigenen Euro drauflegen und die Mittel bei uns investieren, die andere Bundesländer nicht mehr abnehmen können. Sachsens Wirtschaft ist von kleinen und mittleren Betrieben geprägt. Deren Eigenkapitaldecke ist oft gefährlich dünn. Auch das ist ein ernstes Wachstumshemmnis. Deshalb schaffen wir einen mittelständischen Wachstumsfonds zur Bereitstellung von zusätzlichem Kapital für Investitionen auch aus dem privaten Kapitalmarkt. Wir wollen die größenbedingten Nachteile ausgleichen. Dazu setzen wir auch auf Netzwerke und Kooperationen für den Mittelstand. Wir werden entsprechende Initiativen weiterhin unterstützen. Besondere Bedeutung messen wir dabei dem Ausbau länderübergreifender Allianzen bei. Wir setzen auf sektorale Wachstumspole und sehen darin auch ein Instrument der Regionalpolitik. Dies zeigt beispielsweise das Automobil-Cluster, das von der Lausitz bis nach Plauen reicht und mit der Automobilbranche in unseren Nachbarländern, insbesondere in Polen – dort speziell in Schlesien –, in Tschechien, in der westlichen Slowakei und in Ungarn eng vernetzt ist.
Unsere Regionalpolitik zielt darauf ab, alle Wachstumspotenziale, auch die in den strukturschwachen Regionen, zu nutzen. Dazu legen wir ein integriertes Förderprogramm „Regionales Wachstum“ auf.
Meine Damen und Herren! Sachsen ist in Deutschland das dynamischste Land. Wir sind die Nummer eins in Ostdeutschland und wollen weiter aufholen. Wir sind auf dem Weg zu einer der führenden Regionen in der Mitte Europas.
In der Mikroelektronik stehen wir bereits heute auf den ersten Plätzen in der Weltrangliste. Heute kommen die schnellsten Chips aus Dresden und laufen in Computern und Geräten auf der ganzen Welt. Das neue Zentrum für Nanotechnologie setzt neue Maßstäbe in der Welt. Dieser viel versprechende Zusammenschluss von Wirtschaft und Forschung wird dem Standort Sachsen auch in Zukunft den entscheidenden Vorsprung sichern, mit dem wir im weltweiten Wettbewerb die Nase vorn haben.
Wir haben in Sachsen allen Grund, positiv in die Zukunft zu sehen. Die Aussichten für 2005 sind vergleichsweise günstig. Die Prognose des Ifo-Institutes geht erneut von einem überdurchschnittlichen Wachstum in Sachsen aus.
Leider mussten die Prognosen für Deutschland insgesamt wieder und wieder nach unten korrigiert werden. Deutschland wird auch in diesem Jahr Wachstumsschlusslicht in der Europäischen Union sein.
Meine Damen und Herren! Wir sind gut. Aber wir können noch besser werden, wenn wir einige Regeln beachten. Wir müssen weg von einer Politik, die auf die Standards der Europäischen Union für Deutschland immer noch eine Schippe obendrauf legt.
Ein Beispiel für diese zweifelhafte Strategie, dem Maulesel, der deutschen Wirtschaft, immer neue Lasten aufzupacken, ist das Thema „Feinstaub“. Was zur Feinstaubbelastung gesagt wird, ist teilweise richtig. Niemand möchte, dass unsere Kinder schlechtere Luft einatmen müssen als die Kinder in Polen oder Italien. Dass Deutschland so ziemlich das einzige Land in Europa ist, das die Feinstaubkonzentration exakt misst, wissen wir auch. Aber es kommt darauf an, wie man ein politisches Ziel umsetzt. Wir wissen genau, dass die Feinstaubbelastung in geschlossenen Räumen oft wesentlich höher ist als an Kreuzungen; aber da wird überhaupt nichts gemacht. Wir wissen genau, dass die Feinstaubbelastung eines Rauchers das Zehnfache dessen beträgt, was man innerhalb von zehn Stunden als Ausstoß eines Dieselmotors aufnimmt. Dennoch haben wir eine Raucherecke im Landtag! Das finde ich schon etwas heuchlerisch. Wenn man über dieses Thema ernsthaft diskutiert, dann sollte man auch die anderen Möglichkeiten, Feinstaub einzuatmen, in die öffentliche Diskussion einbeziehen, statt nur den Ausstoß von Rußpartikeln aus Dieselmotoren.
Meine Damen und Herren! Der Katalysator wurde vor einigen Jahren im Konsens mit der deutschen Automobilindustrie eingeführt. Ich gebe zu: Natürlich ist auch sanfter Druck notwendig gewesen. Aber am Ende stand ein Ergebnis, das es der deutschen Autoindustrie ermöglichte, im Wettbewerb mit ihren Konkurrenten zu bestehen und eine fortschrittliche Technik einzuführen, die die Umwelt wirkungsvoll entlastet. Wer jetzt bei der Diskussion um den Partikelfilter nur die deutsche Autoindustrie an den Pranger stellt, gefährdet Arbeitsplätze in Deutschland.