Zuerst habe ich wieder eine angenehme Aufgabe zu erfüllen: Ich darf Herrn Dr. Hahn ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren, wünsche ihm alles Gute und weiterhin gute Zusammenarbeit.
(Beifall bei der PDS, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Lebhafter Beifall bei der NPD – Zuruf von der NPD: Was für ein Datum!)
Meine Damen und Herren! Das Haushaltsgesetz 2005/ 2006 wird weiter in seinen Einzelplänen behandelt. Folgende Redezeiten stehen noch zur Verfügung – das ist vielleicht für die Parlamentarischen Geschäftsführer wichtig –: CDU-Fraktion 134 Minuten, PDS-Fraktion 71 Minuten, SPD-Fraktion 53 Minuten, NPD-Fraktion 62 Minuten, FDP-Fraktion 35 Minuten, GRÜNEN-Fraktion 43 Minuten, Staatsregierung 80 Minuten. Meine Damen und Herren! Ich rufe auf
Zunächst erhält der Berichterstatter des Haushalts- und Finanzausschusses, wenn er es wünscht, das Wort. – Herr Nolle möchte nicht.
Meine Damen und Herren! Damit darf ich das Wort an den Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit, Herrn Jurk, weitergeben. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Begriff der Wirtschaft und der des Haushalts besitzen ein und dieselbe Wurzel. Das griechische Wort „Ökonomie“ bezeichnet sowohl das Haushalten wie das Wirtschaften. Auch heute noch bedeutet „etwas wirtschaftlich tun“ und „Haushalten“ das Gleiche. Es wundert also nicht, dass der Einzelplan des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit besondere Bedeutung für den Gesamthaushalt hat. Wenn wir gut haushalten, wird Sachsen auch besser wirtschaften können. Wenn Sachsen gut wirtschaftet, wird es dem sächsischen Haushalt insgesamt besser gehen. Für das sächsische Haus tragen seit der Landtagswahl von vor genau einem halben Jahr SPD und CDU gemeinsam die Verantwortung. Die Aufstellung des Haushaltsplanes war unsere erste große Bewährungsprobe als Koalition. Eines ist klar: Hätte die CDU allein weiterregiert, hätte der Haushalt anders ausgesehen. Hätte die SPD die Chance gehabt, allein zu regieren, hätte der Haushalt anders ausgesehen.
Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben es geschafft, Kompromisse zu finden. In der Gesamtschau sind es, so glaube ich, gute Kompromisse für unser Land.
Für die an diesem Prozess Beteiligten war die gemeinsame Arbeit eine gute, eine neue Erfahrung. Deshalb gilt meine Anerkennung meinen Kabinettskollegen und den
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Innovationskraft, Einsatzbereitschaft und Flexibilität der sächsischen Unternehmer und ihrer Beschäftigten halten die vorhandene Dynamik der sächsischen Wirtschaft in Gang. Wir brauchen diese Wirtschaftsdynamik mit Wachstumsraten über dem Bundesdurchschnitt, um zu mehr Beschäftigung in Sachsen zu kommen und – das betone ich ausdrücklich – um im Ergebnis des Aufholprozesses zu den alten Bundesländern im Jahre 2019 wirklich an die Leistungsfähigkeit der alten Bundesländer anknüpfen zu können.
Ich schränke dies allerdings ein: Angesichts eines derzeitigen Bruttoinlandsprodukts von rund 70 % je Erwerbstätigen in Sachsen im Vergleich zu den alten Bundesländern heißt das aber auch, dass wir theoretisch um mehr als 2 % über dem Durchschnitt aller deutschen Bundesländer wachsen müssen, um bis 2019 die entsprechende Höhe des Bruttoinlandsprodukts erreicht zu haben.
Es gibt eine berechtigte Skepsis, ob sich Wachstum wirklich in mehr Arbeitsplätzen niederschlägt. Zumindest die sächsische Industrie bestätigt diese Skepsis nicht. Bei Firmen in der Industrie mit mehr als 20 Beschäftigten sind im letzten Jahr mehr als 5 000 Arbeitsplätze entstanden. Besonderes Augenmerk richte ich vor allem auf die klein- und mittelständischen Firmen. Viele von ihnen stehen noch auf unsicheren Beinen und haben zu wenig für die eigene Zukunft vorsorgen können.
Wir alle wissen, dass dies vor allem an der zu geringen Eigenkapitalausstattung und an zu niedrigen Innovations- und Forschungskapazitäten liegt. Mit dem Mittelständischen Wachstumsfonds wollen wir die Eigenkapitalbasis für Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial verbessern. Zielgruppe sind innovative Mittelständler, die zum Beispiel für die Erschließung neuer Märkte oder die Marktdurchdringung mit neuen Technologien zusätzliches Eigenkapital benötigen. Die erforderliche beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommis
Ein weiterer Weg, den wir beschreiten, ist die Bildung größerer wirtschaftlicher Einheiten durch Kooperation. Das ist eine der kleinteiligen sächsischen Mittelstandslandschaft adäquate Form, um dem wachsenden Wettbewerbsdruck begegnen zu können. Neben der Ansiedlungs- und Wachstumsförderung ist die Schaffung von Anreizen zur Bildung von Kooperationen daher ein Schwerpunkt sächsischer Mittelstandspolitik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Netzwerkförderung ist besonders wichtig für die Herausbildung von innovativen, dynamischen Clustern. Mit unseren Verbundinitiativen für die Automobilzulieferindustrie und den Maschinen- und Anlagenbau sind solche strategischen Netzwerke geschaffen worden. Dass solche Cluster nicht nur in städtischen Ballungsgebieten möglich sind, zeigen unsere sächsischen Beispiele. Im Dienstleistungsbereich ist die Branche der Call-Center mit etwa 6 700 Mitarbeitern in der Region um Görlitz und Bautzen im Aufwind. Die Region um Zittau profiliert sich zunehmend als Zentrum der Oberflächentechnik. Die eher kleine Gemeinde Kodersdorf vor den Toren der Stadt Görlitz ist dabei, Zentrum eines Holz-Clusters zu werden.
Was die staatliche Förderung angeht, so gibt es in diesem Zusammenhang seit Jahren eine intensive Diskussion, ob wir diese auf so genannte Leuchttürme konzentrieren sollten. Unter anderem Klaus von Dohnanyi hat eine regionale Konzentration der Förderung auf die Wachstumszentren vorgeschlagen.
Ich halte dies für eine zu einseitige Sicht der Dinge, die an der Realität in unserem Land vorbeigeht. In Sachsen gibt es nicht nur die allseits bekannten großen und anerkannten Leuchttürme in den Ballungszentren; es gibt überall im Land kleine Leuchttürme. Bei Leuchttürmen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt es nicht in erster Linie auf die Größe an; sie müssen auf festem Fundament stehen und gut sichtbar sein, damit sie Orientierung geben können.
Bei meinen bisherigen Regionalbereisungen – Kollege Eggert, ich hätte mich gefreut, wenn Sie hätten dazukommen können – habe ich gute Beispiele für solche kleinen, auch am Weltmarkt erfolgreichen Unternehmen kennen lernen können. Dass es im Mittleren Erzgebirgskreis eine Firma mit einem Exportanteil von 68 % gibt, lässt aufhorchen. Das ist übrigens keine kleine, sondern eher eine größere mittelständische Firma. Wer denkt denn beim Anblick bzw. beim Klang von Blüthner-Pianos schon daran, dass diese Weltfirma inzwischen in der Bergbauregion südlich Leipzigs ansässig ist. Und nur auf der Verpackung sieht man noch, dass die in Österreich bei der größten europäischen Operettenveranstaltung benutzten Gläser aus Weißwasser kommen. Solche regionalen Wachstumskerne zu stärken und so die Entstehung von Neuem zu fördern ist das Ziel des integrierten Förderprogramms „Regionales Wachstum“. Einer der Schwerpunkte werden die strategischen Netzwerke „Technische Textilien“ und „Bahntechnik“ sein. Hinzu
Wohl das wichtigste Instrument der Wirtschaftsförderung in Sachsen ist die einzelbetriebliche Investitionsförderung, bekannter unter dem Kürzel „GA-Förderung“. Innerhalb der neuen Länder liegt Sachsen bei der einzelbetrieblichen GA einsam an der Spitze. Die GA-Mittelausstattung war trotzdem in den letzten Jahren stark rückläufig. So stehen in diesem Jahr im Vergleich zu 1999 weit weniger als die Hälfte der Mittel zur Verfügung. Gleichzeitig ist aber die Investitionstätigkeit der sächsischen Unternehmen nach wie vor erfreulich hoch und viele Unternehmen beabsichtigen auch, nach Sachsen zu kommen. Bei unveränderten Förderkonditionen könnten wir nicht alle aussichtsreichen Anträge positiv bescheiden. Eine zusätzliche Mittelkonzentration war damit unumgänglich. Mit den dort konkret beschlossenen Änderungen können nun die geringeren Mittel konsequenter auf wirtschaftspolitische Schwerpunkte und – ich betone es ausdrücklich – auf die Schaffung von Arbeitsplätzen konzentriert werden. Dabei haben wir die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen besonders berücksichtigt, Stichwort: KMU-Bonus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Wirtschaftsminister bleibe ich dabei: Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt genießen oberste Priorität. Dabei müssen wir noch eine beträchtliche Wegstrecke zurücklegen. Deshalb haben wir in Brüssel einen Antrag auf Umschichtung von 156 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds in den Europäischen Regionalfonds gestellt. Dieser Umschichtungsantrag trägt der besonderen Situation in Sachsen Rechnung. Die Investitionswilligkeit der sächsischen Unternehmen ist nach wie vor ungebrochen.
Ich bin aber nicht der Auffassung, dass die einzelbetriebliche Förderung generell besser ist als Investitionen in das „Humankapital“ – ich erlaube mir, das Unwort des vergangenen Jahres zu verwenden –, denn Investitionen und Fachkräfteentwicklung ergänzen und verstärken sich gegenseitig.
Der sinnvolle Einsatz von ESF-Mitteln zur Qualifizierung setzt jedoch einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt voraus, zumal wir die GA-Förderung an die Bedingung geknüpft haben, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. So stimmt es auch. Wenn das Angebot an Arbeitsplätzen stimmt, wissen wir auch, in welchen Bereichen wir qualifizieren müssen. Genau das ist der richtige Weg: Investitionen auf dem ersten Arbeitsmarkt mit Unterstützung durch die Instrumente, zum Beispiel ESF, um die Leute für diesen ersten Arbeitsmarkt wirklich zielorientiert zu qualifizieren. Als Arbeitsminister sage ich deshalb sehr deutlich: Solange die Lage auf dem Arbeitsmarkt, vor allem in den neuen Bundesländern, derart angespannt ist, brauchen wir nach wie vor auch eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Dafür stehen weiterhin ESF-Gelder in Höhe von über 150 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Auch Arbeitslosengeld-II-Empfänger können unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin aus dem Europäischen Sozialfonds gefördert werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Investitionen in die wirtschaftsnahe Infrastruktur sind eine staatliche Leistung zugunsten der gewerblichen Wirtschaft. Es ist
legitim, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Wirtschaft, insbesondere die im Aufbau befindliche Sachsens, staatlicher Unterstützung bedarf. Staatliche Vorleistungen, das sind insbesondere Leistungen in der Infrastruktur. Als Verkehrsminister möchte ich hier besonders betonen: Sachsen ist nicht nur Autoland, sondern auch Bahnland. In Sachsen werden nicht nur hochmoderne Pkws produziert, sondern auch hochmoderne Doppelstockwagen in Görlitz, Straßenbahnen in Bautzen und Leipzig und Güterwaggons in Niesky. Gestern haben wir in der Sächsischen Staatsregierung beschlossen, dass Sachsen seinen Beitrag zur Senkung der Feinstaubbelastung leistet. Das Wirtschaftsministerium wird künftig nur noch Busse mit Rußpartikelfilter fördern. Die Staatsregierung wird künftig nur noch Pkws mit dieser Technik nutzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Regional“ und „global“ sind in Sachsen keine Widersprüche. Unsere Wirtschaft lebt von der Weltoffenheit. Wir führen fast doppelt so viel aus, wie wir einführen. Wenn die Staatsregierung Unternehmen hilft, sich erfolgreich auf wichtigen Exportmärkten zu bewegen, geht es nicht nur um finanzielle Hilfen, sondern um die politische Unterstützung der Unternehmer vor Ort. Dies geschieht zum Beispiel im Rahmen der Unternehmerreisen. Dieses Jahr ist Japan ein besonderer Schwerpunkt unserer Aktivitäten, insbesondere aufgrund der dort stattfindenden EXPO und des begonnenen Deutschland-Jahres in Japan.
Auch im Osten wollen wir uns nach der Erweiterung der Europäischen Union verstärkt engagieren und – ich betone ausdrücklich – über die Grenzen der erweiterten Europäischen Union hinaus.
Wenn wir an international tätige Unternehmen denken, fallen uns meist die Global Player ein. Auch kleine und mittlere Firmen sind aber in der Lage, auf dem Weltmarkt zu operieren. Wir helfen ihnen – neben der Beratung – durch die Finanzierung von Kooperationsbörsen, Produktpräsentationen und Symposien zur Markterschließung. Ganz konkret: Der Freistaat Sachsen hat Ende 2004 bei der International Finance Corporation, IFC, einen Treuhandfonds von einer Million Euro aufgelegt, um sächsischen Mittelständlern als Sprungbrett in die Märkte der ehemaligen Sowjetunion zu dienen.
Mit „Energy Efficiency“ startet das erste Projekt für Unternehmen und Ingenieurbüros, die an Aufträgen im Bereich energiesparender und emissionsarmer Technologien interessiert sind.
In der Technologie-Politik werden wir uns wie auch bisher auf Schlüssel- bzw. Querschnittstechnologien konzentrieren. Wir haben Potenziale, die auch international ein hohes Innovationsniveau erwarten lassen. Ob große Unternehmen als Knotenpunkte im Innovationsgeschehen oder innovative Mittelständler, wir wollen Ressourcen von Wirtschaft und Wissenschaft in zukunftsträchtige Technologiebereiche mobilisieren, damit Sachsen seinen Weg der Entwicklung als attraktiver Wirtschaftsraum fortsetzen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn an unseren Schulen nicht das selbständige Denken und Handeln junger Menschen gefördert wird, werden sie sich kaum einmal in der Wirtschaft selbständig machen.
Wenn wir im Bereich der inneren Sicherheit etwa durch den Rechtsextremismus Verunsicherungen erleben, wird das die Attraktivität Sachsens bei der Ansiedlung neuer Unternehmen negativ beeinträchtigen. Wenn die organisierte Solidarität der Gesellschaft durch den Druck auf die Sozialsysteme immer mehr ausgedünnt wird, gefährdet dies den sozialen Frieden auch zum Nachteil der Wirtschaft. Der vom Ministerpräsidenten gestern zitierte Satz von Ludwig Erhard, dass erst auf dem Boden einer gesunden Wirtschaft die Gesellschaft ihre eigentlichen Ziele erfüllt, ist richtig, gilt aber auch umgekehrt, nämlich: Auf dem Boden einer gesunden Gesellschaft kann die Wirtschaft weiter wachsen und gedeihen.
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und sozialer Ausgleich sind keine Gegensätze. Sie gehören vielmehr zusammen. Wenn der Fraktionsvorsitzende der FDP mir jetzt auch zuhören und nicht nur den „Pressespiegel“ lesen würde, mir heute in der Zeitung vorwirft, ich hätte ein gestörtes Staatsverständnis, weil ich die Frage gestellt habe, ob reines Renditedenken in der Wirtschaft dauerhaft soziale Sicherheit und Wachstum bringt, dann sage ich Ihnen, lieber Kollege Zastrow: Sie haben ein falsches Verständnis von Wirtschaft.
Ich bin sehr – auch weil ich eine DDR-Biografie habe wie Sie – für wirtschaftliche Freiheit und privates Eigentum. Aber ich bin genauso entschieden dafür, dass diese Rechte auch mit Pflichten verbunden sind. Das Eigentum ist sozialpflichtig.
Ein Zitat: „Sein Gebrauch soll zugleich der Allgemeinheit dienen.“ So zumindest steht es in unserem Grundgesetz. Ich denke, daran sollten wir uns immer erinnern. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und sozialer Ausgleich gehören zusammen. Wir sorgen dafür, dass Wirtschaft und Arbeit in Sachsen nach vorn kommen und dass wir uns in Sachsen weiter positiv entwickeln. Das ist das gemeinsame Ziel der Staatsregierung. Deshalb bitte ich auch, dem vorgelegten Entwurf in der Beschlussempfehlung zum Einzelplan 07 zuzustimmen.