Protocol of the Session on April 19, 2005

Als noch verheerendere Maßnahme – das ist gerade schon ausgeführt worden – erwies sich die Streichung jeglicher finanzieller Unterstützung für die Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte, die bekanntlich inzwischen geschlossen ist.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

Die Staatsregierung legt damit ein eigentümliches Verständnis des Einstein-Jahres an den Tag. Denn der einzige sächsische Nobelpreisträger war im Jahre 1910 immerhin der erste Wissenschaftler, der den Entdecker der Relativitätstheorie für den Nobelpreis vorschlug.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: War eben „relativ“!)

Die von führenden Vertretern des SMWK dieser Tage geäußerte Absicht, den einmaligen Gelehrtensitz künftig über Ein-Euro-Jobs zu betreuen – möglicherweise noch auf der Basis von zusammengegoogeltem Halbwissen –, zeugt von einem bedenklichen Verfall der Sitten im zuständigen Ministerium.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sächsische Kultur hat trotz schwieriger Rahmenbedingungen enorme, ja, riesige Potenziale, die sie übrigens mitunter an Stellen freisetzt, die bisher eher im Verborgenen ruhten. In der inzwischen berühmten „Weber“-Aufführung des Dresdner Staatsschauspiels, die laut einer Umfrage allein 100 000 Einwohner der Landeshauptstadt sehen wollen, bekennt ein Mitglied aus dem von 33 Laien gespielten Chor der Weber unter starker Anteilnahme des Publikums – ich zitiere: „In uns lodert das Feuer der sächsischen Partisanenhöhlenmentalität.“ Möge die sächsische Kulturpolitik dazu beitragen, dass dieses Feuer künftig im gesamten Freistaat bei vielen Kunstproduzenten und Kulturinteressenten kräftig brennt.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion besteht noch Redebedarf. Herr Abg. Hatzsch.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden hier über einen Kulturhaushalt, bei dem verglichen mit den Haushalten der vergangenen Jahre das Bekenntnis zur Kultur nicht nur in Reden erfolgt, sondern in Zahlen nachzulesen und nachhaltig ist.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Roland Wöller, CDU)

Dies, meine Damen und Herren, lasse ich nicht schlechtreden, wie es einige meiner Vorredner getan haben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Roland Wöller, CDU)

Der Haushalt spiegelt die Intentionen des Koalitionsvertrages der SPD und CDU wider. So konnten zum Beispiel die Mittel für die Musikschulen verstetigt werden. Die Kollegen dort sind dankbar wie selten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das ist Euphemismus!)

Besonders hervorheben möchte ich, dass die jahrelang rückläufige Förderung der freien Kulturszene und des zeitgenössischen Kunstschaffens nicht nur gestoppt werden konnte, sondern hier wurden im Vergleich zu den vergangenen Jahren zusätzliche Gelder eingestellt. Damit ist wieder Projektförderung von Sparten möglich, die im

letzten Haushalt vernachlässigt wurden, wie die Filmund Literaturförderung.

Ich möchte einen ganz wichtigen Punkt ansprechen, der heute schon eine größere Rolle gespielt hat: das Kulturraumgesetz als die Besonderheit der sächsischen Kulturpolitik und Kulturförderung.

Meine Damen und Herren! Es ist den Abgeordneten der 1. Legislatur gelungen, parteiübergreifend ein Gesetz zu schaffen, um welches wir ebenfalls parteiübergreifend in vielen Bundesländern beneidet werden. Ich selbst habe in den vergangenen Jahren mehrere Kulturausschüsse verschiedener Landtage bei ihren Fahrten durch Sachsen begleitet, deren Erstaunen und Begeisterung wahrgenommen und immer die Frage vernommen: Warum haben wir dies nicht, warum ist dies bei uns nicht möglich?

Ich erinnere noch einmal: Das war in den frühen neunziger Jahren parteiübergreifend Konsens hier in diesem Haus.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Auf der Grundlage des Kulturraumgesetzes ist es gelungen, eine breite und qualitative kulturelle Infrastruktur nicht nur in den Großstädten, sondern auch in der Fläche aufzubauen und lebendig zu halten. Dieses Modell soll und muss fortgesetzt werden. Dieser unser Augapfel muss gehütet und geschützt werden.

Vergeblich bemühten wir uns in den letzten Jahren als Opposition, den Zuschuss des Freistaates für diese Gesetze aufzustocken. In der Koalitionsvereinbarung ist es uns gelungen, nicht nur die Mittel um zehn Millionen Euro jährlich zu erhöhen, sondern auch die Laufzeit bis zum Jahre 2011 zu verlängern. Wir sind stolz darauf und danken allen Beteiligten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Das Ganze, meine Damen und Herren, ist mit einer Verpflichtung verbunden: Denn zusammen mit Staatsregierung und Kulturräumen ist in den nächsten Jahren ein nachhaltiges Entwicklungskonzept zu erarbeiten.

Meine Damen und Herren! An einer anderen entscheidenden Stelle musste die Koalition den Entwurf des Haushaltes der Staatsregierung nachbessern. Gemeint sind die heute schon mehrfach genannten Fachstellen für Bibliotheken. Einen völligen Wegfall der Aufgaben, wie der Haushaltsentwurf ursprünglich vorgesehen hatte, kann sich das Land nicht leisten. Öffentliche Bibliotheken gehören zu den wichtigsten kulturellen und außerschulischen Bildungseinrichtungen. Gerade vor dem Hintergrund der Pisa-Ergebnisse ist bei der Entwicklung des Bibliothekswesens in Sachsen weiterhin eine Förderung des Landes erforderlich. Dies bedeutet: Es muss weiterhin eine Stelle geben, die zentrale und regional übergreifende Koordinations- und Vernetzungsaufgaben wahrnimmt. Nur so kann die Qualität und Entwicklung sächsischer Bibliotheken auch in Zukunft gewährleistet werden.

Wir haben uns daher mit unserem Koalitionspartner dafür eingesetzt, dass im Haushalt die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden. Das heißt im Klartext

die Zurücknahme von sechs Stellenkürzungen sowie die Ausstattung mit Sachmitteln. Gleichwohl – und das ist uns auch bewusst – können mit dieser Lösung nicht mehr alle Aufgaben im bisherigen Umfang erfolgen, wie etwa eine ausgeprägte regionale Einzelberatung von Bibliotheken. Ebenso bedeutet dieser Vorschlag, dass die Organisation der Fachstellen neu strukturiert werden muss.

Meine Damen und Herren! Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten steht der Staat in außerordentlicher Pflicht, in Kultur zu investieren und Akzente zu setzen. Dies ist nicht für jeden und für immer einsichtig. Umso mehr bedanke ich mich bei allen Kollegen der Koalition und bitte um breite Zustimmung auch seitens der Opposition.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Gibt es von den Fraktionen weiteren Redebedarf? – Das kann ich im Moment nicht erkennen. Frau Staatsministerin Ludwig, bitte; Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kultur und Wissenschaft bewahren unser gesellschaftliches Gedächtnis und sind zugleich Quellen des ständigen Wandels und der Innovation. Beide, Kunst und Wissenschaft, haben in Sachsen gleichermaßen eine große Geschichte und eine Erfolg versprechende Zukunft. Der Tradition und der Perspektive Sachsens als Land des Wissens, der Kultur und der Forschung fühlt sich die Sächsische Staatsregierung verpflichtet. Diese Haltung findet auch im Haushaltsentwurf meines Geschäftsbereichs ihren Ausdruck. Wir erhöhen trotz schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen die Ausgaben für Kunst und Wissenschaft im Jahr 2005 um 159 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2004 auf insgesamt 1,77 Milliarden Euro, und für 2006 sind 1,76 Milliarden Euro veranschlagt.

Sehr geehrter Herr Dr. Schmalfuß, ich weiß nicht, welche Vorstellungen die FDP-Fraktion von Mangel hat. Aber angesichts der gesamten Situation und angesichts dieses Haushalts habe ich den Eindruck, Sie sollten vielleicht noch einmal darüber nachdenken, ob Sie diesen Haushalt wirklich mit einem Satz zur „Mangelverwaltung“ zusammenfassen können.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Der Anteil des Haushalts des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst am Gesamthaushalt des Freistaates Sachsen erhöht sich schrittweise von 9,9 % im Jahr 2004 auf 10,6 % im Jahr 2005 und 11,2 % im Jahr 2006. Kunst und Kultur sind wichtige Seismografen des individuellen und des öffentlichen Wertebewusstseins und -wandels. Sie geben den Menschen Heimat, Halt, Orientierung und sie öffnen Türen.

Opern und Theater, Museen, Bibliotheken, Musikschulen, die freie Szene und die hier lebenden Künstlerinnen und Künstler bestimmen das Klima in unserem Land maßgeblich mit. Politik hat die Aufgabe, die Freiheit des kul

turellen Dialoges zu schützen und seine institutionellen Bedingungen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu erhalten. Dies tun wir mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf.

Ein tragfähiges Fundament sächsischer Kulturpolitik – wir haben es schon mehrfach gehört – ist das bundesweit einmalige Kulturraumgesetz. Herr Dr. Külow, natürlich kann man das jetzt so beschreiben, wie Sie es tun, dass es „bloß“ zehn Millionen Euro sind, die das erste Mal seit Bestehen des Gesetzes im Jahr 1994 zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, dass es „nur“ bis 2011 verlängert wird. Ich finde, dass das eine Kraftanstrengung ist, dass das eine richtige Entscheidung der Koalition ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das sehen im Übrigen die Kulturräume auch so.

Zugleich erhöhen wir ab sofort den jährlichen Zuschuss um zehn Millionen Euro. Ich bin bereits darauf eingegangen. Herr Dr. Wöller, das wäre der einzige Punkt, in dem ich Ihnen widersprechen würde: Sie hatten den Zuschuss auf zehn Millionen DM erhöht. Wir wollen nicht zu bescheiden sein. Ansonsten stimme ich Ihnen vollkommen zu.

Zu einer verantwortungsvollen Kulturpolitik der neuen Regierung des Freistaates Sachsen gehört, dass wir nicht nur unser kulturelles Erbe bewahren, pflegen und zeigen, sondern wir stellen uns auch unserer Verantwortung für die zeitgenössische Kunst. Damit Menschen heute und in Zukunft mit der Vielzahl von Anforderungen, Eindrücken, Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten umgehen können, ist kulturelle Bildung existenziell. Dazu brauchen wir neben den Kulturinstitutionen die gesellschaftlichen Experimentierfelder der freien Szene und der Soziokultur. Dies alles fördern wir gemeinsam mit der Sächsischen Kulturstiftung und dafür stocken wir die Mittel für die allgemeine Kunst- und Kulturförderung um eine Millionen Euro auf 6,5 Millionen Euro auf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Industriemuseen sichern die Zeugnisse unserer industriellen, wirtschaftlichen und sozialen Vergangenheit, stärken unsere Identität und sie machen damit auch Mut für den Weg in die Zukunft. Die neue Regierung des Freistaates Sachsen beteiligt sich auch weiterhin finanziell am Zweckverband „Sächsisches Industriemuseum“.

Die Förderung der sorbischen Kultur ist ein weiterer besonderer Schwerpunkt sächsischer Kulturpolitik. Der Freistaat kommt damit seiner Verpflichtung aus dem geltenden Finanzierungsabkommen zwischen dem Bund und dem Land Brandenburg selbstverständlich weiterhin nach. Wir werden für die Verlängerung dieses Abkommens nach dem Jahr 2007 Sorge tragen und wir erwarten vom Bund, dass er ebenfalls seinen Verpflichtungen nachkommt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die neue Regierung des Freistaates Sachsen hat große Anstrengungen unternommen, um ihrer Verantwortung für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Forschung finanziell gerecht zu werden. Dennoch ist vieles, was wir für gut

und für wünschenswert halten, leider nicht möglich. Der Personalabbau, der in seiner konkreten Umsetzung zum Beispiel bei den staatlichen Museen eine nicht leichte Aufgabe darstellt, ist ein Beispiel dafür. Der Vorschlag meines Hauses, den Stellenabbau unter anderem dadurch zu erreichen, dass die fachlich und inhaltlich geschätzte Aufgabe der Fachstellen für Bibliotheken wegfallen soll, ist ebenfalls ein Beleg für diese schwierige Situation.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir freuen uns gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern von Görlitz/Zgorzelec über ihren wirklich großartigen Erfolg im nationalen Wettbewerb um den Titel „Kulturhauptstadt Europa 2010“ und ich kann Ihnen versichern: Wir werden die Europastadt ideell – aber nicht nur das, auch in anderen Fragen – beraten, wir werden sie unterstützen. – Ihre Sorge, Herr Külow, dass wir das nicht schaffen könnten, kann ich Ihnen nehmen. Wir werden das sehr wohl schaffen. Ich glaube auch, wir haben sehr gute Chancen, dass Görlitz/Zgorzelec „Kulturhauptstadt Europa 2010“ werden kann.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissenschaft und Forschung sind Quellen und Träger kultureller und gesellschaftlicher Entfaltung. Sie sind wesentliche Voraussetzungen einer tatsächlich auf Bildung basierenden Wissensgesellschaft und zugleich entscheidend für die Innovationsfähigkeit unseres Landes. Sachsen verfügt mit seinen Hochschulen und seinen außeruniversitären Forschungseinrichtungen über eine der leistungsfähigsten Wissenschaftslandschaften Deutschlands.