Was Herr Dr. Külow gerade von sich gegeben hat, der ja auch keinerlei Probleme mit seiner DDR-Biografie hat und sich heute noch seinem Kampfauftrag verpflichtet fühlt,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der wunderbaren Abschiedsausstellung von und für Harald Marx im Semperbau des Dresdner Zwingers – sie heißt „Sehnsucht und Wirklichkeit – Malerei für Dresden im 18. Jahrhundert“ – sind die einzelnen Säle jeweils mit einem Motto versehen. Eines, das für das sogenannte Rétablissement, die Zeit unmittelbar nach dem Siebenjährigen Krieg, steht, lautet „Sachsen durch die Künste blühend machen“. Dieses Motto stammt aus der „Topographischen Geschichte der Stadt Dresden“ von Benjamin Gottfried Weinert aus dem Jahre 1777. Er schreibt dort über die Wiedereinrichtung der kulturellen Institutionen nach dem Siebenjährigen Krieg, insbesondere auch über die Neugründung der Dresdner Kunstakademie 1764, nur ein Jahr nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges – ich zitiere –: „Diese Anstalten wurden nicht getroffen, um die Säle der Großen zu verschönern noch den Reichen Gelegenheit zu verschaffen, ihren Hang zur Pracht zu befriedigen. Der Endzweck war weit edler, man wollte Sachsen durch die Künste blühend machen.“
So weit das Zitat. – Das Land lag am Boden, zerstörte Städte und Dörfer, verwüstete Felder, die Bevölkerung dezimiert, Handel, Handwerk, Landwirtschaft darniederliegend. Mit dem Tode des Kurfürsten August II. 1763, des Sohnes August des Starken, ging das glanzvolle augusteische Zeitalter und das polnische Königtum der Wettiner zu Ende – aber die Regierung traf Anstalten, Sachsen durch die Künste blühend zu machen.
Das, meine Damen und Herren, ist Kulturbewusstsein! Dort wurzelt der sprichwörtliche sächsische Kulturstolz! Dem politischen Stellungsverlust muss nicht zwangsläufig ein kultureller Niedergang folgen.
Auch ein halbes Jahrhundert später zeigte sich das in Sachsen. Durch sein taktisch unkluges Agieren in den
Napoleonischen Kriegen verlor Sachsen mit den Beschlüssen des Wiener Kongresses 1815 fast zwei Drittel seines Territoriums und einen Großteil der Bevölkerung an Preußen und versank in politischer Bedeutungslosigkeit.
Aber die Sachsen retteten auch in dieser Krise ihr Selbstbewusstsein in ihren Kulturstolz. Er hat gewiss auch zum wissenschaftlichen und industriellen Aufschwung Sachsens im 19. Jahrhundert beigetragen, und ganz gewiss haben uns die Liebe und Verbundenheit zu unseren im Kern unversehrt gebliebenen sächsischen Kulturinstitutionen auch ein ganzes Stück durch die 40 Jahre DDR mit der diktierenden Partei der Arbeiterklasse getragen.
Was Kultur bewirken kann, ist in Sachsen besonders bewusst, und so ist es kein Zufall, dass wir uns nach der Wiederbegründung unseres Freistaates in unserer Verfassung nicht mit dem in Artikel 11 formulierten Staatsziel der Kulturförderung zufrieden gegeben haben – dieses Kulturförderziel gibt es ja in fast allen Länderverfassungen –; sondern wir haben in Artikel 1 das Kulturstaatsgebot in den Rang einer Staatsfundamentalnorm erhoben und neben die traditionellen Staatsfundamentalnormen gestellt, als da sind: das Demokratiegebot, das Rechtsstaatsgebot oder das Sozialstaatsgebot; und so ist es auch gut, dass heute – am Ende der Legislaturperiode – noch einmal Kunst und Kultur im Mittelpunkt unserer Beratungen stehen.
Sie, verehrte Frau Staatsministerin, haben, wie sich das für eine Fachregierungserklärung zur Kultur gehört, ein weites Feld abgeschritten. Nicht zu allem kann und muss etwas gesagt werden, und im Allgemeinen kann ich auch auf ein sehr konstruktives Miteinander mit Ihnen in den Fragen, die die Kultur betreffen, zurückblicken. Ich möchte deshalb nur vier Bemerkungen machen.
Erstens. Ohne Zweifel ist die bedeutendste und nachhaltigste kulturpolitische Entscheidung dieser Legislaturperiode die Verstetigung und Aufstockung der Kulturraumförderung und die Anpassung der Kulturraumstrukturen an die neue Landkreisstruktur.
Das ist ein großer Erfolg für die Kultur in Sachsen. Sie wissen ja, für Misserfolge will meist niemand verantwortlich sein, Erfolge aber haben immer viele Väter und Mütter. Sie, Frau Staatsministerin, haben einfach das Glück gehabt, in Ihrer relativ kurzen Amtszeit einen Beschluss des CDU-Parteitages vom 15. September 2007 umsetzen zu dürfen,
in dem die Entfristung des Kulturraumgesetzes und die dauerhafte Festschreibung der Mindestzuwendungen an die Kulturräume gefordert wurde.
Es war nicht leicht, die seit der ersten Verabschiedung des Gesetzes unterschwellig immer vorhandenen Widerstände bei Finanz- und Wirtschaftspolitikern, aber auch unter den Landräten, und die dabei benutzten verfassungsrechtlichen Argumentationen zu überwinden. Das Umstrittene ist als Beispiel für kreative Gesetzgebung zum bundesweiten Vorbild geworden und nun dauerhaft gesichert.
Das bedeutet freilich nicht, dass nun auf der Kulturraumebene alles perfekt wäre und wir uns beruhigt zurücklehnen könnten. Die Diskussionen um die Novellierung des Kulturraumgesetzes sind ja durch die schon erwähnten zwei Gutachten flankiert gewesen, die auf Bitten des SMWK durch die Kulturstiftung erstattet worden sind: eines zur Musikfestivallandschaft des Freistaates und eines zu den Theatern und Orchestern. Sie haben den ganzen wunderbaren Reichtum dokumentiert, der sich in diesen Bereichen bei uns entfaltet, aber Sie haben auch den noch bestehenden Strukturierungsbedarf vor Augen geführt; Sie haben schon davon gesprochen. Hier hätte ich mir nach der Novellierung des Kulturraumgesetzes seitens des Staatsministeriums ein intensiveres Zugehen auf die Kulturräume gewünscht. Den Boden für einen konstruktiven Dialog hatten die Gutachten bereitet.
Ich weiß, es geht vorrangig um Gegenstände der kommunalen Selbstverwaltung, und zunächst mussten sich ja auch die großen, neuen Kulturräume neu finden. Ich weiß auch, dass Sie inzwischen fast alle Kulturräume aufgesucht und Gespräche geführt haben. Aber ich finde, das ist zu wenig. Gefragt sind Moderation, Beratung und Hilfestellung als Ausfluss kultureller Gesamtverantwortung, damit nicht demnächst die großen Kulturinstitutionen in den Kulturräumen – das sind nun einmal die Theater und Orchester – einen immer größeren Teil der Kulturraummittel auffressen und eine lebendige kulturelle Szene daneben erstickt wird.
Zweitens. Sachsen hat wunderbare Museen. Die wohl bedeutendsten und schönsten Sammlungen vereinigen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die „Schatzkammer“ des Freistaates. Es ist ein schönes Symbol für den Kulturstaat Sachsen, dass er das jahrhundertealte politische Machtzentrum der Wettiner, das Dresdner Residenzschloss, in einem beispiellosen Wiederaufbauprozess zur Präsentation seines Staatsschatzes herrichtet. Unser Land bekommt sein geschichtliches Herz wieder, und wir müssen besorgt sein, dass die Geschichte ablesbar bleibt und das Bauwerk nicht nur die Hülle für moderne oder gar modernistische Ausstellungspräsentationen darstellt.
Ihrem Staatsministerium kommt dabei eine besondere Verantwortung zu, die auch wahrgenommen werden muss.
Lande überblicken nur Kenner. Immer wieder hat es deshalb den Ruf nach einer umfassenden Museumskonzeption gegeben, und Sie, Frau Staatsministerin, haben kurz nach Ihrer Amtsübernahme – wie ich damals fand, ein wenig leichtfertig; vielleicht lag das noch an der Unerfahrenheit – zugesagt,
eine solche Konzeption vorzulegen. Diese Zusage haben Sie leider nicht eingehalten; denn das Papier aus Ihrem Hause, das Sie vor einigen Wochen in die Öffentlichkeit gebracht haben, ist zwar sorgfältig erarbeitet und enthält gutes Material und manche bedenkenswerte Empfehlung zu den staatlichen Museen, aber es leidet an einem politischen und an einem sachlichen Mangel: Es hat das Kabinett nicht passiert, und es betrachtet die nichtstaatlichen Museen nur am Rande und viel zu pauschal.
So kann das Papier nur als Material für eine künftige Museumskonzeption dienen; ein Neuansatz wird notwendig sein.
Noch zwei Anmerkungen zum Museumspapier. Sie haben das Japanische Palais in Dresden bereits erwähnt, ein Bauwerk hohen Ranges – wir haben es hier immer vor Augen –, an dessen Giebel in großen Buchstaben seine Bestimmung geschrieben steht: „Museum usui publico patens“ – Museum zu öffentlichem Nutzen offenstehend. Dieses Haus verdient eine klare, durchstrukturierte Nutzungskonzeption, nicht vage Mischnutzungsvorstellungen. Die Nutzung sollte klar auf die Naturhistorischen Sammlungen, deren Rang auf ihrem Gebiet dem Grünen Gewölbe auf seinem Gebiet durchaus vergleichbar ist, und auf die Ethnografischen Sammlungen konzentriert werden.
Die zweite Anmerkung. Die Landesstelle für Museumswesen ist der Verwaltungsreform entnommen worden und als kleine selbstständige, dem SMWK direkt nachgeordnete Behörde erhalten geblieben. Sie nimmt eine unverzichtbare Aufgabe wahr.
Wenn sie die zusätzlichen Aufgaben wahrnehmen soll, die ihr in dem Konzeptionspapier zugemessen werden, wird sie personell und strukturell überfordert sein. Die Angliederung an die Staatlichen Kunstsammlungen halte ich für keine gute Idee. Dort wird sie das fünfte Rad am Wagen werden. Möglich wäre eine Zusammenführung mit der Kulturstiftung – die Förderprofile fügen sich aneinander – oder eine Angliederung an das Landesamt für Denkmalpflege.
Drittens. Eigentlich drängt es mich, weitere Schwerpunkte und Erfolge sächsischer Kulturpolitik zu benennen bzw. zu vertiefen, die Sie genannt haben. Es gibt genügend Anlass. Zum Beispiel sind die Kulturausgaben im laufenden Doppelhaushalt deutlich gestiegen, obwohl Sachsen unter den deutschen Flächenländern schon vorher Spitzenreiter bei der Kulturförderung war.
Ich muss aber auch hier eine Sorge benennen, die mich in den letzten Jahren umtreibt. Ich habe die gravierenden pauschalen Personalsparprogramme, die der Landtag beschlossen hat, immer aus Überzeugung mitgetragen, weil sie Ausdruck einer verantwortungsvollen Finanzpolitik sind und unser Land zukunftsfähig machen. Inzwischen aber wird sichtbar, dass die pauschalen Stellenstreichungen, die im Interesse der politischen Durchsetzbarkeit zunächst sicherlich nötig waren, bei einigen zentralen kulturellen Institutionen zur Zerstörung ihrer Kernkompetenz führen können.
Dazu zähle ich vor allem die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, aber auch die Sächsische Landesbibliothek. Wir sind jetzt soweit, dass wir von den pauschalen Streichungen Abstand nehmen und die Einrichtungen ausnehmen müssen, deren Niveau und internationale Ausstrahlung verloren zu gehen drohen. Museen wie die Rüstkammer oder das Münzkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen können ohne dauerhaft angestellte Spezialrestauratoren, ohne der Sammlung mit dem Herzen verbundene Kunstwissenschaftler, die auch forschen, nicht angemessen existieren.
Wir müssen den schleichenden Niedergang an diesen Stellen aufhalten. Das ist eine ernste und schwierige Aufgabe für den nächsten Doppelhaushalt.
Die vierte Bemerkung. Gestatten Sie auch mir noch ein Wort zur Sächsischen Akademie der Künste. Ich bin der Letzte, der meinte, Qualität und Erfolg im kulturellen und künstlerischen Bereich hingen nur vom Geld ab. Aber es gibt – das ist wie im sozialen Bereich – Grenzen, unterhalb derer man von Unterfinanzierung sprechen muss. Es ist bewundernswert, welche öffentlichkeitswirksame Arbeit die Akademie mit ihrem bescheidenen Etat geleistet hat. Wir alle in diesem Hohen Haus haben die Akademie aus gutem Grund gewollt. Sie nimmt neben der Kulturstiftung und dem Kultursenat eine wichtige kulturelle Querschnittsaufgabe wahr. Nun sollten wir sie schrittweise mit einem angemessenen Haushalt ausstatten, wie es dem Kulturstaat Sachsen zukommt. Diesbezüglich stimme ich Ihnen, Frau Ministerin, uneingeschränkt zu.
Zurück zu meiner Einleitung. Weil Sachsen Erfahrung mit der Überwindung von Krisen durch Kulturpflege und durch Kulturbewusstsein hat, werden wir mit der Wirtschaftskrise und dem demografischen Wandel gelassener umgehen können als andere. Jedenfalls sind wir gut vorbereitet. Das Kulturland Sachsen nimmt auch keinen Schaden, wenn in Dresden eine kommunale Brücke gebaut wird, die seit dem 19. Jahrhundert geplant ist und die mehr als zwei Drittel der Dresdner wollen.
Zum Schluss erlaube ich mir noch eine Bemerkung zur weithin staatsmännischen Rede von Ihnen, Herr Staatsminister Jurk – er ist gerade nicht anwesend – zur Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten. Sie haben – ich glaube, es war fast wörtlich – gesagt: Koalitionen sind keine Notlösung, sondern sie dienen der Demokratie.
Ich will nicht bestreiten, dass Koalitionen demokratisch sind, aber sie sind nicht demokratischer als Alleinregierungen, wie das oft behauptet wird. Bei allem Respekt vor Ihrer erworbenen Kompetenz und Ihrem Einsatz zum Wohle unseres Freistaates – das gilt ebenso für Sie, Frau Staatsministerin Dr. Stange –, Koalitionen bleiben eine Notlösung.
(Stefan Brangs, SPD: Nein, sagen Sie bloß! Das gibt es doch nicht! – Zurufe von der Linksfraktion und den GRÜNEN)