Protocol of the Session on June 25, 2009

(Stefan Brangs, SPD: Nein, sagen Sie bloß! Das gibt es doch nicht! – Zurufe von der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Sie tragen zu noch mehr Parteipolitisierung jeder Sachfrage bei, als dies ohnehin schon der Fall ist.

(Zurufe von der SPD)

Meine Erfahrung nach zehn Jahren Regierungsverantwortung und 19 Jahren Landtagsarbeit ist: Diese Koalition hat in der politischen Arbeit den Aufwand verdoppelt und den Effekt halbiert.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion und der SPD)

Die Entscheidungen sind weniger, aber nicht besser geworden, und man hat länger gebraucht.

(Widerspruch bei der SPD – Zurufe von der Linksfraktion)

Meine Vorliebe für das Mehrheitswahlrecht ist bestärkt worden. Auch andere Koalitionen bleiben Notlösungen. Eine klare Mehrheit braucht unser Land.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Alle Minderheiten raus! 100 % CDU, das ist direkt! – Zuruf von der Linksfraktion: Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Hatzsch, bitte.

Herr Kollege Heitmann, eine sachliche Richtigstellung: Aufstockung und Entfristung des Kulturraumgesetzes ist die Beschlusslage von SPDParteitagen, und zwar mehrerer.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren vieles von dem, was in den vergangenen Legislaturperioden liegengeblieben war – aus welchen Gründen auch immer – aufgearbeitet.

(Unruhe bei der Linksfraktion und der SPD)

Meine Damen und Herren, darf ich um Aufmerksamkeit bitten!

Die Staatstheater wurden konsolidiert. Wir haben erste Schritte zur Verbesserung der sozialen Lage der bildenden Künstlerinnen und Künstler unternommen. Erstmals liegt ein Kulturwirtschaftsbericht für Sachsen vor. Die Förderung durch Kulturstiftungen wurde evaluiert, ebenso die der Festivalförderung. Wir haben eine Bibliothekskonzeption und als Ressortpapier des Kultusministeriums eine Museumskonzeption, die eine wichtige Grundlage für die zukünftige Entwicklung der Museumslandschaft im Freistaat Sachsen darstellt. Wir haben die Fortsetzung des Finanzierungsabkommens für die Stiftung des sorbischen Volkes erkämpft, und wir haben der kulturellen Bildung in Sachsen erstmals einen politischen Stellenwert eingeräumt.

Sprechen wir einmal über die Finanzen, denn Kultur braucht Geld. Es gab in dieser Legislaturperiode keine Kürzungen im Kulturhaushalt. Ich möchte an dieser Stelle das Industriemuseum ausdrücklich ausnehmen. Das ist ein anderes Kapitel, bei dem die Positionen der Koalitionsfraktionen leider zu weit auseinanderlagen und noch -liegen.

Mit der SPD in der Koalitionsregierung ist es uns gelungen, nicht nur eine Senkung der Mittel für die Kulturförderung zu verhindern, sondern die Ausgaben der Kulturförderung wurden in einigen Bereichen sogar erhöht. Wir hatten in Sachsen im Jahre 2004 die Situation, dass der Rotstift erbarmungslos an den Mitteln der freien Kunst- und Kulturförderung, dem zeitgenössischen Kulturschaffen, ansetzte. Am Ende sind sogar einzelne Sparten wie die Literaturförderung oder die kulturelle Filmförderung ganz herausgefallen.

Mit dem Koalitionsvertrag haben wir diesem Streichkonzert nicht nur Einhalt geboten, sondern auch die Mittel erhöht. Die Mittel für die Kulturräume wurden erstmals aufgestockt; wir sprachen bereits davon. Wir haben die Finanzierung der Musikschulen gesichert. Für die Umsetzung der bereits genannten Bibliothekskonzeption stehen jährlich 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die sächsischen Zuschüsse für die Stiftung für das sorbische Volk wurden aufgestockt. Erstmals stehen Mittel zur Förderung der kulturellen Bildung bereit, und zwar 600 000 Euro jährlich.

All das, was ich aufgezählt habe, sind nüchterne Fakten. Aber viel wichtiger ist, dass diese nüchternen Fakten das Ergebnis eines für Sachsen neuen kulturpolitischen Verständnisses sind. Kultur ist mehr als Tradition und Hochkultur. Kunst und Kultur sind Räume der Freiheit, der Kreativität, des Experiments, des Widerspruchs und des Selbstgesprächs. Kulturpolitik stellt sich die Aufgabe, die Freiheit, dieses Selbstgespräch kontinuierlich zu schützen, aufrechtzuerhalten und zu verbessern, gerade in schwierigen Zeiten.

Es gibt eine untrennbare Verbindung zwischen Freiheit, Demokratie und kultureller Freiheit. Politik hat die Verantwortung, immer wieder die Voraussetzungen für diese Freiheit zu schaffen. Anhand dieser Grundsätze haben wir in der zu Ende gehenden Legislatur in der Regierungsverantwortung Kulturpolitik aktiv gestaltet. Bei allen Themen, die noch offen sind, bei allen Aufgaben, die es noch zu lösen gilt, und bei allen Herausforderungen, vor denen wir in Zukunft stehen werden, haben wir eines sicherlich erreicht: Das kulturpolitische Klima in Sachsen hat sich verbessert.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Zur sächsischen Kulturlandschaft gehören die großen kulturellen Leuchttürme, die in einem Wettbewerb mit den anderen Kulturmetropolen der Welt stehen, genauso wie eine breite, innovative Kunst- und Kulturszene. Wir tragen die Verantwortung, dass öffentliche Museen, Theater, Volkshochschulen, Musikschulen, Stadtbibliotheken, Orchester und soziokulturelle Einrichtungen in Sachsen jedem zugänglich und für jeden verfügbar sind; denn Kultur ist ein öffentliches Gut.

Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Kunst und Kultur als öffentliches Gut heißt aber auch, dass wir die Gesellschaft zur Teilhabe befähigen müssen. Eine der zentralen Aufgaben von Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik ist daher, die kulturelle Bildung zu verstärken. Nur derjenige, der als Kind bereits ins Theater gegangen ist und sich selbst einmal im Rollenspiel versucht hat, nur derjenige, der als Kind ein Konzert besucht hat und selbst einmal einem Instrument Töne entlocken durfte, nur derjenige, der als Kind in einer Ausstellung war oder eine Bibliothek zu nutzen gelernt hat, tut dies auch im späteren Alter. Es wird für ihn zu einem Lebensbedürfnis.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Allgemeinbildende Schulen sind der beste Ort, allen jungen Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, einen grundlegenden und niederschwelligen Zugang zur kulturellen Bildung zu eröffnen. Gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten haben außerhalb der schulischen Bildung wenige Möglichkeiten, mit Kunst oder gar Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt zu treten oder Museen, Bibliotheken, Theater usw. zu erleben. Dafür braucht es Vernetzung und Kooperation zwischen Schule, Künstlern und regionalen Kulturinstitutionen. Aber auch kulturelle Einrichtungen selbst – egal ob staatlich oder nicht staatlich – müssen sich selbst als Bildungsorte verstehen und anderen Partnern gegenüber öffnen.

Die Kulturräume und die Kulturraumsekretariate haben die strukturellen Voraussetzungen, um hier zu vermitteln und anzuregen. Mit dem letzten Doppelhaushalt haben wir die finanziellen Mittel dafür geschaffen. Wir als Sozialdemokraten wollen, dass die Kinder und Jugendlichen auch außerhalb der Schule jederzeit Zugang zu kulturellen Einrichtungen haben. Unser Ziel für die nächste Legislatur ist es, in einem ersten Schritt bei den

staatlichen Museen anzufangen und Kindern und Jugendlichen den freien Eintritt zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Nur durch eine erfolgreiche Bildungsarbeit mit den Mitteln der Kultur gewinnen wir das Publikum von morgen, befähigen junge Menschen, sich gesellschaftlich und kulturell zu engagieren, und legen den Grundstein dafür, dass aus kleinen Künstlern die Schauspieler, Maler, Bildhauer, Komponisten, Architekten, Musiker, Filmemacher und Schriftsteller von morgen werden können.

Eine Sache ist mir beim Thema kulturelle Bildung besonders wichtig: die Jugendkultur. Kulturelle Bildung meint nämlich nicht nur die aktive oder passive Beschäftigung mit den schönen Künsten. Wir müssen uns bewusst werden, dass jede Generation ihre eigenen Ausdrucksformen sucht, und das nicht nur im Bereich der Musik. Kulturelle Bildung schließt auch Förderung und Vermittlung von sogenannter Jugendkultur automatisch ein.

Meine Damen und Herren! Das reiche kulturelle Erbe verpflichtet uns, dem Neuen immer wieder genügend Räume zu öffnen; Räume, in denen künstlerische Experimente gewagt werden, in denen sich das Moderne, das Unerhörte und das die Dinge Infragestellende entfalten können.

Natürlich ist zeitgenössische und moderne Kunst nicht einfach und schon gar nicht eine Reflexion auf den Zeit- und Massengeschmack. Sie ist verstörend, provokant und häufig eine Herausforderung der Sinne und des Denkens. Genau deshalb werden unsere Kultur und damit unsere Gesellschaft lebendig gehalten und können sich so weiterentwickeln.

Auch künftig muss der Freistaat genügend finanzielle Mittel für die Förderung überregionaler und innovativer Ansätze der freien Kunst- und Kulturszene und der zeitgenössischen Kunst bereitstellen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Spartenvielfalt erhalten bleibt. Aber nicht nur das, es bilden sich auch neue Kunst- und Ausdrucksformen heraus. Wir müssen öffentlich geschützte Räume bereitstellen, in denen Neues entsteht. Das meine ich nicht nur im übertragenen Sinn. Auch die staatlich geförderten Kulturinstitutionen stehen in Verantwortung gegenüber der zeitgenössischen Kunst, zum Beispiel dem Theater. Dabei muss auch gelten dürfen – dieser Appell geht an alle Finanzpolitiker –, dass die Auslastung und der Kostendeckungsgrad nicht das alleinige Kriterium für Erfolg sein können.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Der Zuspruch des Publikums ist zwar wichtig, aber Inszenierungen, in denen eine andere, ungewohnte Sichtweise gewagt wird, dürfen nicht zur Existenzfrage werden.

Meine Damen und Herren! Ohne Menschen, ohne kreative und schöpferische Köpfe keine Kultur. Aber auch Künstler müssen von irgendetwas leben. Es gibt kaum

einen freischaffenden Künstler, der ein regelmäßiges Einkommen hat. Mit der Verkürzung der Rahmenfrist beim Arbeitslosengeld I ist ein wichtiger Schritt getan. Auch die Künstlersozialversicherung ist wichtig. Vor Kurzem haben wir auf Bundesebene einen massiven Angriff auf diese kultur- und sozialpolitischen Errungenschaften erlebt. Deshalb möchte ich ausdrücklich betonen: Mit uns gibt es kein Rütteln an der Künstlersozialversicherung.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und des Abg. Heiner Sandig, CDU)

Zum Kulturraumgesetz haben meine Vorredner bereits eine Menge gesagt; ich spare mir das jetzt. Die kulturelle Infrastruktur wird nicht nur durch unsere Steuern finanziert und gewährleistet, sondern auch in erheblichem Maße von der Zivilgesellschaft an sich und von der Wirtschaft mitgetragen. Ein Engagement reicht von der Mitgliedschaft im Förderverein über Schenkungen und Stiftungen aus Privatbesitz bis hin zu klassischem Mäzenatentum, privatem Kultursponsoring und kommerziellen Kulturangeboten.

Kulturpolitik ist gefordert, dieses Zusammenspiel immer wieder neu zu befördern und anzuregen. Viele kommunale Einrichtungen können ohne das bürgerschaftliche Engagement gar nicht existieren. Mitunter ist das Ehrenamt in einzelnen Regionen in Sachsen sogar der einzige Träger der kulturellen Infrastruktur.

Ich möchte ein kleines Beispiel anführen: Wir als SPDFraktion verleihen jährlich einen Demokratiepreis. Das Preisgeld wird im Übrigen von den Abgeordneten und Mitarbeitern gespendet. Im letzten Jahr hatten wir die Ehre, diesen Preis einer Frau zu überreichen, die in ihrem Dorf mit circa 100 Einwohnern seit 1987 eine Bibliothek betreibt. Bis zum Jahr 2000 stellte die Gemeinde einen Raum zur Verfügung. Dann verkaufte die Gemeinde dieses Haus. Für unsere Preisträgerin war dies kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Kurzerhand machte sie ein Zimmer in ihrem eigenen Haus frei. Dort hat nun die Bibliothek jeden Mittwoch von 16 bis 17:30 Uhr geöffnet. Ohne die Begeisterungsfähigkeit dieser engagierten Menschen wäre die Vielfalt und Vitalität der sächsischen Kulturlandschaft oftmals nicht denkbar.

Seit nunmehr fast 20 Jahren bin ich Mitglied des Sächsischen Landtages und weiß, wovon ich spreche. Zum Kerngeschäft eines jeden Kulturpolitikers gehört es, die Ausgaben für die Kultur zu verteidigen. Wenn direkt vor Ort keine Kulturstreiter sind, dann ist zu befürchten, dass der Kulturbereich als einer der ersten in den Blick genommen wird, wenn Einsparmöglichkeiten im Haushalt gesucht werden.

Meine Damen und Herren! Kultur ist nach meiner festen Überzeugung die Basis für Demokratie; und ohne den Beitrag von Kultur lassen sich die politischen und wirtschaftlichen Zukunftsaufgaben der nächsten Zeit und aller Zeiten nicht lösen.

Meine Damen und Herren! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Und noch dies – mein letztes Wort: Das war nach 19 Jahren Mitgliedschaft in diesem Hause meine letzte Rede. Es war eine fantastische Zeit. Die letzten fünf Jahre vergingen wie im Flug. Ich bedanke mich dabei besonders bei allen, mit denen ich freundschaftlich verkehren konnte – das waren sehr viele, und das war parteiübergreifend. Ich bin sehr dankbar für dieses Schicksal, das ich genießen durfte. Ich trete nunmehr ab – diesmal freiwillig.

(Leichte Heiterkeit)

Das war’s also. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Irgendwann im September werde ich auf der Besuchertribüne sitzen und mit Interesse verfolgen, wer dann die Nachfolger werden, und werde mir so meine Kommentare nicht ersparen können. Aber das ist ein anderes Geschäft.

Alles Gute für Sie alle!

(Beifall des ganzen Hauses)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Gansel, bitte.

(Stefan Brangs, SPD: Es geht um Kultur, Herr Gansel!)