Protocol of the Session on June 25, 2009

Ich rufe Punkt 2 dieser Drucksache auf. Wer gibt Punkt 2 die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Wieder eine Stimmenthaltung und Stimmen dafür. Dennoch ist auch Punkt 2 mit Mehrheit abgelehnt worden.

Damit ist die Drucksache erledigt.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 7

Sächsische Textilindustrie sichern – Schließung der Werke in St. Egidien und Elsterberg verhindern!

Drucksache 4/15281, Antrag der Fraktion der NPD

Es beginnt die NPD-Fraktion, Herr Abg. Delle.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der direkte Anlass, wenn auch nicht der einzige Grund für den vorliegenden Antrag, ist die endgültige Schließung der Tucheweberei Neue Palla

in St. Egidien zum 30. Juni. Da wir uns erst gestern mit der ebenfalls zum 30. Juni geplanten Schließung des Viskosegarnwerkes Enka im vogtländischen Elsterberg beschäftigen mussten – leider erfolglos, zumindest für die betroffenen Arbeitsplätze –, kann eine gewisse krisenhafte

Häufung derartiger Fälle in der sächsischen Textilindustrie nicht mehr geleugnet werden.

In St. Egidien stehen 465 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Hinzu kommen mindestens 300 Arbeitsplätze in Zulieferbetrieben, die zumindest stark gefährdet sind. In Elsterberg geht es um 380 Arbeitsplätze bei Enka. Das sind insgesamt 845 Arbeitsplätze, die Ende Juni, in fünf Tagen, auf einen Schlag der sächsischen Textilindustrie verloren gehen, wenn nicht im letzten Moment noch etwas passiert.

Es handelt sich dabei um hochwertige Arbeitsplätze, meine Damen und Herren. Hinter jedem von ihnen steckt viel Kapital in Form von ausgeklügelten Technologien und hochwertigen Maschinen wie Web- und Strickmaschinen, Wickel- und Reinigungsmaschinen usw. Bei Enka in Elsterberg führen zum Beispiel allein die sehr teuren Viskose-Spinndüsen zu einer zusätzlichen durchschnittlichen Kapitalausstattung je Arbeitsplatz von über 10 000 Euro.

Meine Damen und Herren! Gerade die hohe Qualität ist verstärkt zum Markenzeichen der sächsischen Textilindustrie geworden, nicht zuletzt im Hinblick auf die sehr wichtige gesundheitliche Verträglichkeit der Stoffe. Das Werk Palla hat sich diese im besonderen Maße an die Fahne geheftet und sichert sie durch laufende Qualitätskontrollen und eine Reihe von Ökosiegeln kontinuierlich ab. Deswegen, aber nicht nur deswegen, gilt das Werk als die modernste Textilfabrik in Europa. Das nach der Wende entstandene Werk ist das Resultat einer wirklich sinnvollen und gelungenen Weiterentwicklung einer mitteldeutschen Industrietradition, nämlich der Textilindustrie in der Region Meerane.

Der ehemalige volkseigene Betrieb VEB Textilwerke Palla in Glauchau und Meerane, der zu DDR-Zeiten bis zu 4 400 Mitarbeiter beschäftigt hatte, wurde 1995 von dem Aachener Textilunternehmen Tuchfabrik Wilhelm Becker übernommen. Durch die Errichtung des großen, hochmodernen Werkes in St. Egidien/Neue Palla entstand der leistungsstärkste Textilbetrieb Europas. Die Produktion lief 1998 an und erreichte bis 2004 ein Volumen von 15 Millionen laufenden Metern pro Jahr.

Dann kam im Jahr 2005 die von der EU verordnete Abschaffung der Importquoten für Textilwaren aus Asien. Binnen eines Jahres halbierte sich darauf die Tucheproduktion der Palla von 15 Millionen auf circa 7 bis 8 Millionen laufende Meter pro Jahr mit der Folge, dass Wilhelm Becker sehr bald Insolvenz anmelden musste. Das war im Jahr 2006.

Das Unternehmen konnte aber vorerst gerettet werden, indem es vom Textilkonzern Daun aus Niedersachsen aufgekauft wurde. Angesichts der massiven asiatischen Konkurrenz stellte das Werk in St. Egidien nun sein Produktsortiment um. Anstelle einer Vielzahl von Artikeln wählte man einige wenige Spitzenprodukte aus, und diese produzierte man in noch höherer Qualität als zuvor. „Klasse statt Masse!“ lautete die neue Devise.

Aber auch diese Strategie ging nur kurze Zeit auf; denn die chinesische Konkurrenz kopierte im wahrsten Sinne des Wortes die sächsische Qualität. Die Hersteller von Damenoberbekleidung usw. gaben die Palla-Muster einfach an chinesische Tuchewebereien weiter, und diese stellten die Waren zu erheblich niedrigeren Kosten her. Das nennt man, das wissen Sie, Produktpiraterie – auch eine schlimme Folge der Globalisierung von Wirtschaft und Finanzen.

Warum hat das Wirtschaftsministerium hier keinerlei wirtschaftspolitische oder rechtliche Maßnahmen ergriffen, um diesem kriminellen Treiben ein Ende zu bereiten? Sie wissen sehr genau, dass die Webereien häufig gar nichts selbst dagegen tun können, weil sie dann überhaupt keine Aufträge mehr bekommen würden. Hier muss vielmehr die Politik eine Lösung finden.

Dabei wäre die von uns vorgeschlagene Arbeitsgruppe Sächsische Textilindustrie im Wirtschaftsministerium genau die richtige Instanz, um mit dem Problem fertig zu werden. Sie könnte Hinweise entgegennehmen, neutral ermitteln, Kompromisse eingehen oder Fälle zur Anzeige bringen. Das wäre nicht die einzige Aufgabe dieser Arbeitsgruppe. Auch in anderer Hinsicht sollte sie das Wirtschaftsministerium in die Lage versetzen, endlich eine kompetente branchenspezifische Wirtschaftspolitik zu betreiben. Diese Fähigkeit hat es heute offensichtlich nicht.

Meine Damen und Herren! Weil wir bereits gestern den Fall Enka abgehandelt haben, bleibe ich beim Beispiel Palla. Das Unternehmen musste im November 2008 erneut Insolvenz anmelden, nicht etwa wegen grundsätzlich fehlender Rentabilität, sondern wegen eines vorübergehenden Auftragsrückganges. Darin waren sich Geschäftsführung, Insolvenzverwaltung sowie externe Experten einig.

Aus diesem Grund hatte das Wirtschaftsministerium in Dresden ein Darlehen von über 4 Millionen Euro fest zugesagt, das über die Sächsische Aufbaubank ausgereicht werden sollte. Dieses Darlehen musste aber unbedingt vor der sogenannten Musterungsphase im Februar/März ausbezahlt werden – ein Umstand, für dessen Verständnis man ein wenig Branchenkenntnis braucht. In dieser Zeit werden nämlich jedes Jahr die Muster für die Kollektionen der kommenden Saison festgelegt. Ein Tuchhersteller, dessen Solvenz und Lieferfähigkeit für die nächsten Monate zu diesem Zeitpunkt nicht einhundertprozentig sichergestellt ist, bekommt einfach keine Aufträge. Damit hat er in der Regel kaum eine Chance, die kommende Saison zu überleben.

Wenn Palla hätte überleben wollen, dann musste sie im Februar/März für die nächsten Monate ihre zuverlässige Lieferfähigkeit glaubhaft machen. Dazu brauchte sie eben das Geld. Das wusste das Wirtschaftsministerium sehr genau, denn der Geschäftsführer der Palla, Peter Recker, hatte seit Monaten eindringlich darauf hingewiesen. Trotzdem geschah nichts, gar nichts. Das Geld wurde trotz Zusage schlicht und ergreifend nicht ausbezahlt. Als

es zu spät war und Palla unter den gegebenen Umständen erwartungsgemäß nicht in ausreichendem Maße mit Aufträgen für die neue Saison ausgestattet war, hieß es im Wirtschaftsministerium, dass das Kreditrisiko zu groß sei, und der Kredit wurde gestrichen.

Ich möchte die Staatsregierung bitten, zu diesem merkwürdigen Vorgang Stellung zu nehmen und uns heute darzulegen, warum mit einem zukunftsfähigen, hochwertigen sächsischen Textilunternehmen in dieser für die Betroffenen völlig unverständlichen Art und Weise verfahren wird.

Ich habe noch eine Bitte: Sagen Sie dem Landtag ganz ehrlich, ob es wieder einmal die EU-Kommission war, die durch ihre Intervention die Rettung eines sächsischen Betriebes verhindert hat. Oder gibt es ganz andere Gründe für das Versagen, zum Beispiel, dass das Wirtschaftsministerium für eine begleitende, koordinierende und im Hinblick auf die Interessen des Landes zielgerichtete Wirtschaftspolitik nicht richtig aufgestellt ist?

Bei einem Blick auf das Organigramm des Wirtschaftsministeriums fällt beispielsweise auf, dass branchenspezifische Fachreferate weitgehend fehlen, zum Beispiel eben das Fachreferat Textilindustrie. Hätte das Ministerium ein solches gehabt, wäre die Panne bei Palla vielleicht verhindert worden.

Meine Damen und Herren! Unser Antrag soll der Rettung der beiden von mir genannten Betriebsstätten dienen. Genauso wichtig wie das kurzfristige Ziel der Arbeitsplatzrettung ist, die Reorganisation der staatlichen Wirtschaftspolitik um ein echtes Führungsinstrument zu bereichern und ein wirtschaftliches Krisenmanagement im Freistaat zu ermöglichen, das seinen Namen auch wirklich verdient.

Damit die Staatsregierung die hierfür notwendigen Schritte einleitet, bitte ich Sie um Zustimmung zum vorliegenden Antrag.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort; Herr Heidan, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle in diesem Hohen Hause zunächst meiner inständigen Hoffnung Ausdruck verleihen, dass wir uns in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr mit Anträgen der NPD beschäftigen müssen, – –

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

welche darauf gerichtet sind, aus sozialen Ängsten und wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit populistischen Parolen politisches Kapital zu schlagen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Es ist beschämend, meine Damen und Herren, mehr als 380 Mitarbeitern bei Enka in Elsterberg und mehr als 500 Menschen bei Palla Creativ in St. Egidien zu suggerieren, dass man sich ihrer Probleme annehmen wird, ohne auch nur im Geringsten irgendeinen Lösungsansatz bieten zu können.

Auch Ihr Gesetzentwurf, welchen Sie gestern zur Enteignung von Enka zum Besten gegeben haben, geht an der Realität vorbei und ist zudem noch nicht einmal grundgesetzkonform. Das interessiert Sie aber bekanntermaßen sowieso nicht.

Wir haben uns als Fraktion für die Erhaltung von Enka und Palla Creativ ausgesprochen. Ich habe mich persönlich als Abgeordneter des Vogtlandkreises gemeinsam mit meinen Kollegen Alfons Kienzle, Andreas Heinz und Jürgen Petzold bemüht – genauso wie es mein Kollege Prof. Gunter Bolick für die Palla in St. Egidien getan hat –, um die Belange bei Enka gekümmert und wir bleiben weiter dabei. Wir bleiben weiter am Ball, genauso wie wir es von unserem sächsischen Wirtschaftsminister erwarten.

(René Despang, NPD: Hoffentlich!)

Ich darf Ihnen versichern, dass bereits vor reichlich drei Jahren – das haben Sie in Ihrem Redebeitrag überhaupt nicht berücksichtigt – der Textilbeauftragte des Freistaates sehr aktiv bei Enka vorgesprochen und Lösungen angeboten hat, die in die Zukunft gerichtet waren. Wenn Sie sich mit der Problematik Enka halbwegs fachlich auseinandergesetzt hätten, würden Sie die fachlichen und sachlichen Gründe kennen und wüssten, welche Angebote der Freistaat dazu unterbreitet hat.

Sachsen hat Kompetenz in der Textilindustrie und wird diese mit Unterstützung des Freistaates erhalten können. Die gute Zusammenarbeit mit dem Verband der Nordostdeutschen Textilindustrie und die Förderung der Aktivitäten des Sächsischen Textilforschungsinstitutes und des Innovationsnetzwerkes Textil sind ein Beweis für unseren Willen, Sachsen als Textilstandort zu erhalten. Gemeinsam mit dem VTI wurde das Projekt gegen Markenpiraterie ins Leben gerufen und mit Mitteln des Freistaates unterstützt.

Wir kümmern uns tatsächlich um die Textilindustrie in Sachsen und verbreiten keine populistischen und dümmlichen Parolen, welche den Betroffenen in keiner Weise von Nutzen sind.

(Beifall bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund werden wir Ihren Antrag ablehnen. Wenn Sie wirklich etwas für die sächsische Textilindustrie tun wollen, dann kaufen Sie sich demnächst Kleidung, die in sächsischen Unternehmen hergestellt ist und nicht von Unternehmen in Dubai oder Großbritannien mit zweifelhafter Herkunft und zweifelhaften Symbolen ausgestattet sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Herr Delle, bitte.

(Frau Staatsministerin Dr. Stange: Ich möchte mich noch zu Wort melden!)

Herr Delle, möchten Sie Ihren Beitrag als Schlusswort oder als Redebeitrag vortragen?

(Alexander Delle, NPD: Als Schlusswort!)

Gut, dann müsste ich die Staatsregierung vorher noch um Ihren Beitrag bitten.

Frau Dr. Stange, wollten Sie sprechen? – Gut, dann können wir noch nicht zum Schlusswort kommen. Entschuldigung. Bitte, Frau Ministerin Dr. Stange.