Protocol of the Session on June 25, 2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich Sie nach der Debatte verlasse, dann nicht nur, um nach Leipzig zu fahren, um den Businessplan-Wettbewerb SAXplus abzurechnen, sondern weil ich mich auch mit dem Betriebsrat von Primondo, oder besser gesagt Quelle, im Logistikzentrum in Leipzig treffen werde. Ich will deutlich sagen: Es ist schon etwas überraschend, nachdem gestern der Bürgschaftsausschuss von Bund und Ländern in Berlin zusammensaß, dass die Bayerische Staatsregierung am frühen Abend leider viel zu früh Entwarnung gegeben und gesagt hat, der Massekredit stehe bereit. Deshalb müssen wir mit den Beschäftigten reden, um ihnen zu erklären, wie die Situation wirklich ist. – Herr Morlok, ich will gern darauf hinweisen: Neben einem CSU-Finanzminister Fahrenschon gibt es ja wohl noch ein FDP-geführtes Wirtschaftsministerium, das im Übrigen den Massekredit offensichtlich unterstützt. Das sollte man der Fairness und Ehrlichkeit halber auch einmal sagen.

(Sven Morlok, FDP: Leider!)

Ich weiß, die sächsische FDP mit schwäbischem Dialekt ist anders gepolt; aber nehmen Sie einfach mal zur Kenntnis, dass es so ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die im Jahr 2009 zu erwartenden Steuerausfälle in Höhe von 554 Millionen Euro werden wir ohne Kürzung bei Investitionen, ohne Einschnitte bei den Sozialleistungen und ohne eine Erhöhung der Neuverschuldung decken. Das ist die Meinung der Sächsischen Staatsregierung.

Die Frage nach den sozialen Folgen der Krise muss zweifellos thematisiert werden. Leider ist das mitunter ein wenig unsachlich geschehen. So erweckt DIE LINKE hier wiederum den Anschein, als ob der Steuerzahler und die von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten allein den Schaden hätten, während es sich die Reichen weiter gut gehen lassen könnten. Ohne Zweifel: Jeder verlorene Arbeitsplatz, jedes dahinterstehende Schicksal ist eine Tragödie; doch die Finanzkrise hat zu allererst die großen Geldvermögen der eher Besserverdienenden vernichtet. Herr Rößler, wir haben natürlich ein gemeinsames Problem. Das trifft aber auch viele Mittelständler, nicht nur, weil sie ihr Geld dort eingesetzt haben, sondern – jetzt kommt der eigentliche Punkt – weil ihnen dieses Geld möglicherweise auch zur Finanzierung fehlen wird.

Verteilungspolitisch problematisch ist dieser Zusammenhang dann, wenn der Staat das Vermögen der Aktienbesitzer rettet, die Vermögensverluste also vergesellschaftet, ohne auf der anderen Seite an einem möglichen Vermögenszuwachs beteiligt zu sein. Insoweit sind die Anleger größerer Geldbeträge, die mit ihrer Jagd nach immer größeren Renditen den Kollaps herbeigeführt haben, die ersten Betroffenen.

Allerdings sehen wir, dass damit weniger Kapital für unsere Unternehmen zur Verfügung steht, wenn Eigentümer empfindliche Verluste ihrer Geschäftstätigkeit einfahren. Damit entstehen zwangsläufig wiederum Risiken für

die Beschäftigten in den Unternehmen. Es ist klar zu beobachten, dass prekär Beschäftigte und Leiharbeiter die ersten Leidtragenden der Krise waren und sind. Deshalb hat die Bundesregierung auf Drängen der SPD reagiert und endlich auch Zeitarbeitsunternehmen in die Kurzarbeiterregelung aufgenommen.

Das Instrument der Kurzarbeit erweist sich dabei als wirksam. Es hat bisher einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen eher bremsen können. Viele Betriebe – darauf hat Kollege Morlok zu Recht hingewiesen – nehmen die eigentlich beantragte Kurzarbeit in diesem Rahmen nicht in Anspruch oder aber sind inzwischen wieder zur Vollbeschäftigung übergegangen.

Wir sollten uns aber nicht täuschen lassen. Noch wissen wir nicht, ob es sich um die Ruhe vor dem nächsten Abwärtsstrudel oder um bereits dauerhaft ruhiges Fahrwasser handelt, das uns wieder nach vorn bringt. Mut macht mir aber, dass die befragten Unternehmen im IfoGeschäftsklimaindex wieder optimistischer in die Zukunft blicken.

Das Zukunftsinvestitionsprogramm wird sicher in den nächsten Monaten die Baukonjunktur stärken, und inzwischen melden in Sachsen erste Maschinenbauer wieder steigende Auftragszahlen. Ich stelle bei meinen Unternehmensbesuchen immer wieder fest, dass gerade unser Sondermaschinenbau trotz der Krise sehr gut aufgestellt ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da Wirtschaft viel mit Psychologie zu tun hat, sollten wir auch über die positiven Beispiele sprechen. Ich habe gerade während der Plenarsitzung mit einem großen sächsischen Unternehmen gesprochen, das auch in der Krise investieren will. Es wird davon Gebrauch machen, dass unsere GAMittel auch jetzt bereits zur Realisierung von Investitionen gezahlt werden, weil wir die Belegschaft auch dadurch in der jetzigen Stärke erhalten wollen, dass unsere Unternehmen in neue Maschinen und Anlagen investieren können. Vieles wird davon abhängen, wie wirksam die Nachfrageimpulse aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm sind, den Programmen, die jetzt allerdings erst anlaufen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird viel darauf ankommen, dass wir mit unseren Fördermöglichkeiten im Rahmen der Technologie- und Forschungsförderung neue Investitionen auf die Reihe bringen; Investitionen, die den Unternehmen für die Zeit nach der Krise helfen. Deshalb gilt es, die Wirtschaft anzukurbeln, damit wir nachher wieder Steuern von wirtschaftlicher Tätigkeit abschöpfen können. Auch diesen Zusammenhang sollte man sehen.

Der Bundesfinanzminister ist in einer zweifellos sehr schwierigen Situation. Wer Peer Steinbrück kennt – ich kenne ihn aus vielen Veranstaltungen auch jenseits der großen Politik –, der weiß, dass es eigentlich ein harter Hund ist; jemand, der entschieden für einen Konsolidierungskurs innerhalb der Bundesregierung eingetreten ist. Das Ziel war ja für 2011, den Bundeshaushalt mit einer

schwarzen Null abschließen zu können. Davon sind wir weiter entfernt denn je; aber ich finde es richtig, dass Steinbrück in einer bemerkenswerten Rede am vergangenen Freitag im Bundesrat deutlich gesagt hat: Man muss zum Beispiel, wenn man sich Keynes anschaut, genau wissen, wovon er einst gesprochen hat, weil das manchmal zu kurz kommt. Keynes hat zu Recht darauf hingewiesen, auch in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs Konjunkturimpulse setzen zu können. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – in den besseren Zeiten muss dann wieder das Geld zurückgelegt werden, was man für die schlechteren Zeiten anzusparen hat. Auf diesen Zusammenhang sollte man immer wieder hinweisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Hermenau, ich glaube nicht, dass wir die Vermögenden über die Vermögensabgabe quasi sensibilisieren, dass sie aus Furcht vor der Inflation bereit sind, mehr zu zahlen. Da mag es einige Überzeugte geben, aber sie sind meiner Ansicht nach in der Minderheit. Insofern wird der Staat gefordert sein, bei allen Paketen bzw. bei allen Steuerpaketen, die zu schnüren sind, auf die Leistungsfähigkeit der Betroffenen Rücksicht zu nehmen und die stärkeren Schultern stärker zu belasten.

(Beifall der Abg. Caren Lay und Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Ich halte nichts von Wahlversprechungen, die aus meiner Sicht unverantwortbar sind und Steuersenkungen im großen Umfang zur Folge haben. Es mag sein, dass manche Angebotsphilosophen immer noch der Überzeugung sind, es könnte dazu beitragen, dass die Wirtschaft in Schwung kommt; ich glaube aber nicht, dass diese Konzepte tatsächlich tragen. Deshalb sind wir alle gefordert, an dieser Stelle auch ehrlich mit dem Wähler umzugehen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Was mir wichtig ist: dass wir gerade dadurch, dass wir stärkere Schultern stärker belasten, zum Beispiel durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Geld haben, auch an der unteren Kante zu entlasten. Dann könnte es funktionieren und es ist aufkommensneutral.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da diese Welt gemeinsam von der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise betroffen ist, hoffe ich, dass wir mit dem Austrocknen der Steueroasen – Oasen sind ja in der Wüste; die wollen wir also austrocknen – auf der anderen Seite sehen, dass auf dieser Welt überall dieselben Probleme vorhanden sind; das heißt, die Möglichkeiten, aus Deutschland zu verschwinden und sich sozusagen sein Land auszusuchen, in dem möglichst wenig Steuern zu zahlen sind, geringer werden.

Insofern wird der Staat handeln müssen, und er wird seine Frage, wie er diese Probleme am Ende refinanziert, in erster Linie an diejenigen richten, die die stärkeren Schultern haben und die mehr leisten können.

Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Danke schön. – Tagesordnungspunkt 2 ist damit beendet.

Sie kennen mich. Ich weise darauf hin: Es ist 16 Uhr und fünf Sekunden. Wir haben noch 21 Tagesordnungspunkte vor uns. Jede Fraktion mag sich ihre Gedanken machen, wie sie damit umzugehen gedenkt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 3

Kindertagesbetreuung in Sachsen

Drucksache 4/14974, Große Anfrage der Fraktion der FDP, und die Antwort der Staatsregierung

Die einbringende Fraktion ist optimistisch, mühsam und kollegial auf dem Weg nach vorn und erhält das erste Wort.

(Kristin Schütz, FDP, begibt sich, leicht gehandicapt, in Begleitung ihres Fraktionskollegen Torsten Herbst zum Rednerpult.)

Dann geht es in der gewohnte Reihenfolge weiter. Frau Schütz von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verlorene Zeit – das passt auch ein bisschen zu meinem Tagesordnungspunkt.

Sie können sich noch erinnern: Im April 2006 rief die damalige Sozialministerin, die sehr geehrte Frau Helma Orosz, in ihrer Regierungsklärung das Ziel aus, Sachsen zum familienfreundlichsten Bundesland werden zu lassen. Ich darf es vorwegnehmen. Im Ergebnis unserer Großen Anfrage stelle ich fest: Sachsens Weg zum familienfreundlichsten Bundesland ist noch weit.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Falk Neubert, Linksfraktion)

Ich habe mittlerweile auch Zweifel daran, dass die jetzige Regierung aus CDU und SPD wirklich dazu bereit ist, die erforderlichen Maßnahmen und die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Es gab in den vergangenen Jahren zu viele Kompromisse statt mutiger Entscheidungen. Die Auswirkungen dieser Politik sehen wir durch die Antwort auf unsere Große Anfrage zur Kindertagesbetreuung in Sachsen bestätigt. Sie zeigt: In Sachsen haben wir zu wenige Betreuungsangebote, vor allem für Kinder unter drei Jahren. Ein bedarfsgerechtes Angebot kann nicht überall sichergestellt werden. Im ostdeutschen Vergleich sind wir mit einer Betreuungsquote von 33 % in Kinderkrippen, also für unter Dreijährige, sogar Schlusslicht. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt sind es 52,1 %.

Für die Eltern bedeutet das in ihrer Lebensrealität lange Wartezeiten auf eine Kindertagesbetreuung. In Dresden konnten rund 700 Kinder nicht zum gewünschten Zeitpunkt ein Betreuungsangebot erhalten. In Machern bei Leipzig mussten Familien sogar bis zu 18 Monate auf ein entsprechendes Angebot warten. Selbst in Kindergärten, in denen es einen Rechtsanspruch gibt, ist meine Heimatstadt Görlitz recht unrühmlich hervorgetreten; denn dort

konnte 49 Kindern im Kindergartenalter kein entsprechender Platz zeitgerecht angeboten werden. Für die Eltern bedeutet das Unsicherheit bei der beruflichen Zukunft und die Angst vor dem Verlust eines oder sogar beider Familieneinkommen. Auch Arbeitgeber sind davon sehr beeinträchtigt, wenn ihre Mitarbeiter zu Hause bleiben müssen, obwohl sie im Betrieb gebraucht werden und selbst arbeiten wollen. Das macht die persönliche Lebensplanung mit Kindern nicht einfacher, das kann ich Ihnen sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen: Sachsen muss bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie dringend besser werden. Hier rächt sich, dass es eben keine mutigen Entscheidungen gab, zum Beispiel die Festlegung auf einen Rechtsanspruch für ein Betreuungsangebot auch für unter Dreijährige. Wir nehmen damit in Kauf, dass eben nicht jeder, der es aus seiner persönlichen Situation heraus will, ein Betreuungsangebot in Anspruch nehmen kann. Wer hier erst auf den Bund wartet, der ab 2013 diesen Rechtsanspruch einführen will, ist bei weitem kein mutiger Vorreiter. Wenn wir wirklich das familienfreundlichste Bundesland werden wollen, müssen wir einfach früher handeln. Die FDP will – und das vor 2013! – diesen Rechtsanspruch ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einführen.

(Beifall bei der FDP)

Das ist natürlich nur umsetzbar, wenn wir weiter in Kindertageseinrichtungen und in die Kindertagespflege investieren.

Wir wollen auch, dass Unternehmen sich weiterhin stark engagieren. Es gibt ja schon die Betriebskindergärten und auch betrieblich geförderte Plätze in Kindertageseinrichtungen. Doch die Klagen über die bürokratischen Hemmnisse sind unüberhörbar. Die Unternehmen wollen nicht unbedingt mehr Geld. Sie wollen bessere Rahmenbedingungen, und da denken wir: Hierin steckt noch viel Potenzial.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben nicht nur zu wenige, sondern vor allem auch zu unflexible Angebote. Nur etwa einem Prozent der Kinder in öffentlich geförderten Kindertageseinrichtungen stehen flexible Angebote zur Verfügung. Kindertageseinrichtungen, die am Wochenende ein Angebot machen können, müssen Sie

mit der Lupe suchen. Nur wer sich eine private Kindertageseinrichtung leisten kann, findet bessere Angebote. Ob in der Gastronomie, der Pflege oder im Krankenhaus – die dort Beschäftigten, die ja meist kein hohes Einkommen haben, aber ein flexibles Betreuungsangebot brauchen, finden dann nichts.

Im Hinblick auf die kommende Debatte zur Großen Anfrage der GRÜNEN möchte ich auch darauf hinweisen, dass vor allem Alleinerziehende auf solche flexiblen Angebote dringend angewiesen sind. Doch leider hat sich die Koalition aus CDU und SPD überhaupt nicht um dieses Thema gekümmert. Selbst der Vorschlag unserer Fraktion, doch ESF-Mittel für Modellprojekte zu verwenden, wurde einfach so vom Tisch gewischt.

Es ist klar: Flexible Angebote sind teurer als die normalen in der Woche. Doch wenn wir hier nichts unternehmen, dann wird sich in dem Bereich natürlich auch nichts verbessern.

(Beifall bei der FDP)

Genau diese mutigen Entscheidungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf brauchen wir. Doch leider sehe ich diesen Mut derzeit nicht und das Ziel, familienfreundlichstes Bundesland zu werden, immer noch in weiter Ferne.

Doch es geht nicht nur um die Quantität, sondern vor allem um die Qualität. Da bedarf es nun einmal keiner kraftlosen Formulierungen, sondern echter Entscheidungen. Wir mussten allerdings aus der Großen Anfrage heraus feststellen, dass die frühkindliche Bildung immer noch nicht alle Kinder erreicht. Ein Beispiel sind die Zugangskriterien: Noch immer werden Kinder in 14 von 17 Landkreisen, Alt-Landkreisen bzw. kreisfreien Städten von Bildung in Kindertageseinrichtungen ausgeschlossen, und das nur aufgrund der Beschäftigungssituation der Eltern. Das heißt, Kinder werden danach eingeteilt, wie die Eltern sich im Augenblick im Arbeitsleben – wir haben gerade über die Wirtschaftssituation gesprochen – betätigen können, „können“, nicht „wollen“. Das halten wir für die grundsätzlich falsche Regelung.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)