Wir machen ein Gesetz und wissen nicht, was es kostet. Wenn man sich die Kalkulation der Anfragen anschaut, wie sie von der Staatsregierung in dem Gesetz vorgenommen wird, heißt es: Man geht eigentlich von 6 500 Verfahren aus. Darüber hinaus möchte man – das kann ich verstehen – Gebühren für die Inanspruchnahme des einheitlichen Ansprechpartners erheben. Im Gesetz heißt es aber: „Es ist beabsichtigt, für die Tätigkeit des EA Gebühren zu erheben. Daher“ – das ist das Entscheidende – „ist mit einer eher zurückhaltenden Inanspruchnahme durch Dienstleister zu rechnen.“ Wenn man sagt, man erhebt eine Gebühr und hält sich damit die Anfragen vom Leibe, dann wird damit das Ziel des Gesetzes konterkariert.
Letztendlich kommen Sie von 6 500 möglichen, erwarteten auf 2 500 tatsächliche Anfragen. Die restlichen blocken Sie gleich mal durch die Gebührenkeule ab. Das ist der falsche Weg.
Wir sind der Auffassung – das hatte ich schon angesprochen –, dass man diesen einheitlichen Ansprechpartner nicht bei den Mittelbehörden einrichten sollte. Herr Kollege Brangs, Sie haben hier Beispiele aus anderen Bundesländern gebracht.
Mit FDP-Beteiligung. Ich kann Ihnen ganz klar sagen, warum wir in Sachsen sagen: nicht in die Mittelbehörden. Wir wollen diese Mittelbehörden abschaffen – ich denke, darin waren wir uns einig gewesen –; denn sie sind für ein Bundesland in der Größe Sachsens nicht zeitgemäß. Der Unterschied zu Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen ist, dass dort die Abschaffung derselben überhaupt nicht zur Diskussion steht. Sie sind im Rahmen der Verwaltungsreform dafür eingetreten und wollten die Mittelbehörden abschaffen. Ursprünglich sollten aus drei zwei werden und nachher hat man nur das Türschild geändert. Jetzt wollen Sie diesen Mittelbehörden, die Sie ursprünglich abschaffen wollten, neue Aufgaben übertragen. Eine solche 180-Grad-Wendung im Rahmen von fünf Jahren Regierungstätigkeit ist schon erstaunlich!
Noch ein Wort zur Union. Wir haben hier in der Anhörung erlebt, wie Kollege Prof. Bolick mehrere Male das Thema Allkammermodell angesprochen und nachgefragt hat. Dabei ist deutlich geworden, dass die CDU das Problem verpennt hat. So, wie Kollege Bolick in der Anhörung nachgefragt und deutlich gemacht hat, dass man eigentlich doch dieses Allkammermodell möchte, es aber vielleicht nur mit dem Koalitionspartner falsch verhandelt hat, ist Versagen eines Koalitionspartners meiner Ansicht nach noch nie im Rahmen dieser fünfjährigen Regierungstätigkeit deutlich geworden.
Die Kammern – das ist im Rahmen der Anhörung deutlich geworden – sind bereit, auch noch später dieses Modell zu übernehmen.
Kollege Morlok, ist Ihnen bekannt, dass die VSW das Mittelbehördenmodell in der Anhörung als sehr plausibel angesehen hat? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?
Die VSW hat das als sehr plausibel angesehen. Das ist sicher zutreffend. Aber es gibt auch bei der VSW die Überlegung, dass man das Allkammermodell verwenden kann. Sie haben sich nicht dagegen ausgesprochen, sondern es als plausibel betrachtet. Aber sehen Sie bitte auch, dass die Vertreter der Kammern ausdrücklich gesagt haben, dass sie bereit gewesen wären, das Allkammermodell zu übernehmen. Entsprechende Vorbereitungen auf Kammerebene waren bereits getroffen worden, um das Modell übernehmen zu können.
Sehr geehrter Herr Petzold, Sie wissen auch, dass wir als FDP sehr gute Kontakte zur VSW haben. Aber das schließt nicht aus, dass wir als FDP uns eine Meinung bilden und diese vertreten. Da kommt es auch mal vor,
dass man anderer Meinung ist als die VSW. Uns stört das nicht. Ich hoffe, die VSW stört das auch nicht. Das werden sie ertragen müssen. Wir als FDP haben eine klare Position vertreten und werden das auch weiterhin tun.
Man muss feststellen, dass Sie zum Schluss mit der Übernahme der Evaluationsklausel – die wir ausdrücklich begrüßen – in das Gesetz eigentlich die Notbremse gezogen haben; denn Sie haben erkannt, dass Sie im Rahmen der Koalition mit der Ansiedlung bei der Landesdirektion, um es in zwei Jahren wieder ändern zu können, den falschen Weg gegangen sind. Zeit war wirklich genügend. Es ist bereits angesprochen worden, dass die Richtlinie im Dezember letzten Jahres in Kraft getreten ist.
Mit gutem Willen hätte man das vernünftig diskutieren und auf vernünftigem Weg zu einem Allkammermodell kommen können. Das haben Sie in der Koalition nicht hinbekommen. Jetzt hoffen Sie, dass man das nach der Wahl bei anderen Mehrheiten wieder ändern kann. Ich kann Ihnen sagen: Wir sind dazu bereit, wenn Sie das mit uns im Herbst dieses Jahres konstruktiv anpacken wollen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Bürgerinnen und Bürger, auch hier im Freistaat Sachsen, sehen die Europäische Union leider als Inbegriff ausufernder Bürokratie und Undurchsichtigkeit.
Die Europäische Dienstleistungsrichtlinie, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zugrunde liegt, will genau das Gegenteil. Mit ihrer Umsetzung in nationales Recht bis zum 28.12. dieses Jahres soll die Aufnahme und Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten über Landesgrenzen hinweg erleichtert werden. Wettbewerbsrelevante Hindernisse sollen abgebaut, der Zugang zu Informationen verbessert sowie Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Das folgende Beispiel verdeutlicht, warum das bitter nötig ist.
Ein tschechischer Immobilienmakler möchte eine Zweitniederlassung in Sachsen eröffnen. Dazu muss er derzeit mindestens folgende Formalitäten und Behördengänge erledigen:
Erster Schritt: Er beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde der Gemeinde; es folgt die Weiterleitung an das Ausländeramt wegen einer Freizügigkeitsberechtigung.
Zweiter Schritt: Als Nächstes kommt die Auskunft aus dem Gewerbezentralregister, was auch wieder über die Gemeinde erfolgt.
Viertens: Danach geht es zum Amtsgericht. Dort gibt es Auskunft über Einträge in das Schuldnerverzeichnis sowie die Bescheinigung, dass kein Insolvenzverfahren anhängig ist.
Sechstens: Von dort geht es dann zum Landratsamt bzw. zum Gewerbeamt, um die gewerberechtliche Erlaubnis zu ergattern.
Siebentens: Nun muss der Gründer, so er denn noch kann, die Gewerbeanmeldung bei der Gemeinde oder dem Gewerbeamt abgeben, von wo aus weitere Stellen, zum Beispiel die IHK, Finanzamt etc., benachrichtigt werden.
Achtens: Nebenbei muss dem Notar ein Besuch abgestattet werden, der den Eintragungsantrag ins Handelsregister beglaubigt.
Neuntens: Die Eintragung ins Handelsregister sowie die Erteilung des Handelregisterauszuges erfolgt über das Amtsgericht.
Elftens: Nun wartet die Berufsgenossenschaft auf eine Mitteilung wegen der Unfallversicherung und die Arbeitnehmer müssen der Krankenkasse gemeldet werden.
Meine Damen und Herren, das alles muss man in einer mehr oder weniger fremden Sprache bewältigen. Danach braucht der arme Mensch doch fast zwangsläufig einen Termin beim Psychiater.
Mit der Dienstleistungsrichtlinie soll es künftig leichter werden. Ordentlich umgesetzt, kann die Bündelungsfunktion des einheitlichen Ansprechpartners zu einer erheblichen Erleichterung für die Dienstleister führen.
Zur Umsetzung der EU-Richtlinie wurde in Deutschland Anfang 2007 ein gemeinsames Anforderungsprofil zum einheitlichen Ansprechpartner sowie ein Papier zu den nötigen Trägern erstellt. Die Entscheidung über die Ansiedlung und konkrete Ausgestaltung der einheitlichen Ansprechpartner ist nun im Einzelnen von den Ländern zu treffen. Als mögliche einheitliche Ansprechpartner wurden Kammern, Kommunen und Landesmittelbehörden diskutiert. Meine Fraktion favorisiert dabei das Mittelbehördenmodell, schon aus haftungs- und aufsichtsrechtlichen Gründen.
Zudem ist es schlank und schafft keine überbordenden Strukturen. Das ist wichtig, denn der anfallende Arbeitsaufwand lässt sich noch gar nicht abschätzen.
Im Interesse der Dienstleister begrüße ich außerordentlich, dass es im Freistaat künftig nicht von Ansprechpartnern wimmeln wird, sondern eine zentrale Anlaufstelle
Meine Damen und Herren, ich glaube allerdings nicht, dass die derzeitige Kalkulation – zwei Personalstellen – ausreichend sein wird. Hier ist Flexibilität gefragt. Je nachdem, wie gut oder schlecht der Ansprechpartner angenommen wird, muss es möglich sein, die Personalzuweisung anzupassen.
Begrüßenswert ist die Entscheidung, den Service des einheitlichen Ansprechpartners auch für Inländer nutzbar zu machen; denn wir hören es immer wieder: Auch deutsche Existenzgründer leiden massiv unter den enormen bürokratischen Hürden. Wie wir spätestens seit dem Mittelstandsbericht der Sächsischen Staatsregierung 2007/2008 wissen, ist die Zahl der Existenzgründungen rückläufig; das kann damit zusammenhängen. Wir brauchen aber Menschen, die den Mut haben, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen und sich zu gründen. Wir machen sicher keinen Fehler, ihnen den Schritt in die Selbstständigkeit so leicht wie möglich zu machen.
Meine Damen und Herren, aus Sicht des Wirtschaftspolitikers kann man dem Gesetzentwurf zustimmen. Aus der Perspektive des Datenschutzes allerdings sieht es leider ganz anders aus. Im Gesetz ist die Ermächtigung des SMWA vorgesehen, den Umgang mit personenbezogenen Daten mittels Rechtsverordnung zu regeln. Wir sind entsprechend der Wesentlichkeitstheorie der Auffassung, das muss der Gesetzgeber – also wir, das Parlament – machen und zumindest Aussagen zu Zweck und Umfang der Datenerhebung bewerkstelligen. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist und bleibt ein Eingriff in die Grundrechte. Das wollen wir per Gesetz geregelt haben und nicht per Verordnung.
Danke schön. – Das waren die Fraktionen. Gibt es seitens der Fraktionen weiteren Gesprächsbedarf? – Nein. Herr Staatsminister Jurk, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Debatte mit großem Interesse verfolgt. Ich bedanke mich auch für das Lob, das Sie insbesondere für unsere Lösung gefunden haben, was die Möglichkeit auch für sächsische Dienstleister beinhaltet, den einheitlichen Ansprechpartner zu nutzen. Wir haben dies ausdrücklich im § 1 unseres Entwurfs eingebracht. Ich würde mich sehr freuen, wenn das abschließend auch so beschlossen werden könnte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man über die Frage der Entscheidung spricht, dann muss man natürlich auch wissen, dass einige Mitgliedsstaaten der EU beabsichtigen, den einheitlichen Ansprechpartner leider nur in Form einer rein elektronischen Lösung im Sinne quasi einer virtuellen Einrichtung einzurichten.