Protocol of the Session on June 24, 2009

Zu den Ausgaben für Taschenrechner, Arbeitshefte, dauerhaft benötigte Bücher usw. kommen noch die Kosten der Schülerbeförderung hinzu. Durch die zahllosen Schulschließungen, die Sie, meine Damen und Herren vor allem von der CDU, in den letzten Jahren betrieben haben, müssen immer mehr Schüler zum Teil ziemlich weite Strecken zurücklegen. Auch für dieses Problem scheint uns eine sachseneinheitliche Regelung wesentlich besser zu sein als die regional oft sehr unterschiedlichen Lösungen in den Kreisen.

Außer der bloßen Behauptung, dass man die Schülerbeförderung angeblich vor Ort besser lösen könne, habe ich bisher leider keine stichhaltige Begründung dafür gehört, Herr Colditz. Es geht hier nicht um irgendwelche Fahrplanprobleme, die man vor Ort abstimmen sollte, sondern um die Finanzierung. Die Zuständigkeit für die Schülerbeförderung sollte deshalb lieber an den Freistaat fallen, der bereits bis 1996 dafür zuständig war.

Meine Damen und Herren! Das Lernmittelfreiheitsgesetz, das ja eigentlich eine Präzisierung und Verbesserung des Sächsischen Schulgesetzes darstellt, ist auch deshalb notwendig, weil das Schulgesetz seit seiner Verabschiedung einen Konstruktionsfehler hat und der entsprechenden Bestimmung der Verfassung des Freistaates hinterherhinkt. Während Artikel 102 Abs. 4 der Verfassung klarstellt, dass die Lernmittel an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft unentgeltlich sind, spricht § 38 Abs. 2 des Schulgesetzes nur davon, dass die notwendigen Schulbücher leihweise zu überlassen sind. Das kommt daher, dass das Schulgesetz bereits aus dem Jahr 1991 stammt, die Verfassung aber erst am 27. Mai 1992 in Kraft trat. Nach Auffassung der NPD wollte der Verfassungsgeber aber ganz offensichtlich mehr als nur die leihweise Überlassung von Schulbüchern. Jedenfalls ist die Formulierung in der Verfassung sehr viel weitgehender als die im Schulgesetz. Geheimnis der Linken bleibt es allerdings, warum sie diesen offenkundigen Widerspruch nicht schon viel früher thematisiert hat.

Eine letzte Bemerkung zu diesen rechtlichen Problemen: Es ist mir schon schleierhaft, wie die Vertreterin des Städte- und Gemeindetages, Frau Cornelia Schnerrer, in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf allen Ernstes behaupten konnte, das Schulgesetz sei ja bereits vor der Sächsischen Verfassung in Kraft gewesen und könne nur eine Auslegungshilfe für die Verfassung sein. Das Proto

koll verzeichnet an dieser Stelle zu Recht „Heiterkeit und Verwunderung“.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Schluss noch ein Zitat: „Heute leben 2,6 Millionen Kinder in Familien in relativer Armut. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Kinder. Sie bleiben in ihren Wohnvierteln unter sich, ohne gute Schulbildung, Ausbildungsmöglichkeiten und ausreichende soziale Unterstützung. Für diese Eltern sind bereits ein kostenloses Mittagessen in den Einrichtungen, aber auch die Bezuschussung von Schulmitteln sowie niedrige Betreuungskosten elementar.“

Diese Aussage, meine Damen und Herren, stammt nicht von einem Sozialverband oder einer Gewerkschaft, sondern aus der Studie „Eltern unter Druck“, die von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung 2008 herausgegeben wurde. Wir sollten also im Sinne dieser Aussage handeln.

Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von der Linken, betrachten wir von der NPD parlamentarische Initiativen von anderen Fraktionen nicht durch die ideologische Brille, sondern wir stimmen ihnen gern zu, wenn es gut für die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen ist oder, wie in diesem Fall, für unsere Schulkinder und ihre Familien.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDPFraktion Herr Herbst, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ohne Frage – der Kauf von Lernmitteln kostet Geld. Für viele Familien stellt das eine Belastung dar. Wir wissen auch, dass Schüler, die über keine oder nur über veraltete Lernmittel verfügen, natürlich benachteiligt sind. Davor dürfen wir die Augen nicht verschließen. Doch DIE LINKE schießt mit ihrem Gesetzentwurf aus unserer Sicht deutlich über das Ziel hinaus.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Niemals!)

Alles kostenlos für alle, koste es, was es wolle – Herr Hahn, das ist, glaube ich, Credo der Linken.

(Kopfschütteln des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Verantwortlich und aufrichtig ist das nicht, und zwar weder gegenüber den Eltern noch gegenüber den Kindern, die am Ende das, was Sie alles ausgeben wollen, als Schulden erben. Diese Politik ist mit der FDP nicht zu machen. Das sage ich ganz klar.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen uns – darauf ist verwiesen worden – natürlich die Frage stellen, ob überhaupt all das, was an Lernmitteln verlangt wird, immer notwendig ist. Da stellt sich

schon die Frage, ob man einen 130 Euro teuren Supergrafiktaschenrechner braucht. Da stellt sich die Frage, ob bestimmte Arbeitsmaterialien, Arbeitshefte, die teuer sind, gekauft werden müssen. Wir meinen, nicht in jedem Fall. Nicht immer ist teurer auch besser. Manchmal tut es auch ein entsprechendes Lernmittel, das günstiger ist, den Zweck aber genauso gut erfüllt.

(Beifall bei der FDP)

Wir erwarten, dass die Schulträger, die Schulen und auch das Kultusministerium bei ihren Empfehlungen und der Auswahl von Lernmitteln verantwortungsvoll entscheiden und den Blick auf Qualität und Kosten richten.

Klar gibt es auch Eltern, die finanziell an der Schmerzgrenze sind und für die der Kauf von Lernmitteln auch eine besondere Belastung darstellt. Den Kindern dieser Eltern wollen wir helfen. Ich glaube, das ist ein Grundkonsens, der uns hier im Plenum eint.

Die Frage ist nur: Wie macht man das? Geht man mit dem landesweiten Füllhorn umher und schüttet überall etwas Geld aus? Oder unterstützt man zielgerichtet, geht man direkt an die Schulen und schafft eigene Schulbudgets? Wir bevorzugen den zweiten Weg. Der Ansatz der Staatsregierung, diese Budgets einzurichten, ist zumindest schon einmal der richtige Weg, auch wenn wir sehen, dass das Geld, das dafür zur Verfügung steht, längst nicht ausreicht. Rechnet man das einmal herunter, sind es zwischen 10 und 15 Euro pro Schüler, die im Haushalt pro Jahr vorgesehen sind. Addiert man alle reellen Kosten für Lernmittel, kommt man sicher auf das Zehnfache. Der Weg ist aus unserer Sicht für alle besser, als von oben herab Geld auszugeben, dessen Wirksamkeit vor Ort nicht garantiert ist.

Wir wissen, dass es viele Schulen gibt, die sich kümmern. Sie helfen, wenn sie feststellen, dass Schüler sich Lernmittel nicht leisten können. Das passiert durch Sponsoring und Spenden, die sie akquirieren. Das ist gelebte Solidarität vor Ort. Das ist bürgerschaftliches und soziales Engagement. Genau dieses Engagement hilft auch den Familien, die nicht so viel Geld in der Tasche haben.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Linksfraktion schießt über das Ziel hinaus. Er ist ein typisches Beispiel der „Füllhorn-Politik“, nach der Geld unendlich vom Himmel fällt und unendlich vorhanden ist. Verantwortung und Glaubwürdigkeit sehen aus unserer Sicht anders aus.

Deshalb können wir dem Gesetzentwurf auch nicht zustimmen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Schade eigentlich! – Beifall bei der FDP)

Ich erteile der GRÜNE-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wir wollen, dass in Sachsen der in der Sächsischen Verfassung formulierte Anspruch auf unentgeltlichen Unterricht und auf unentgeltliche Lehrmaterialien an allen Schulen in öffentlicher Trägerschaft umgesetzt wird. Die derzeitige Einschränkung dieses Anspruchs durch das geltende Schulgesetz muss aufgehoben werden. Ich habe ebenso wie viele andere nie wirklich verstanden und nachvollziehen können, warum es notwendig ist, das Schulgesetz nach der Interpretation – Herr Colditz hatte es vorhin bereits angesprochen – so zu belassen, nur weil es älter als die Verfassung ist. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Die Sächsische Verfassung spricht von Lernmitteln, ohne diese auf Schulbücher einzuschränken.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Der Begriff Lernmittel umfasst unserer Auffassung nach allgemein alle Hilfsmittel, die für den individuellen und durch die Schule veranlassten Lernprozess durch Schülerinnen und Schüler Verwendung finden. Neben den Schulbüchern gehören dazu für uns natürlich auch Atlanten, Kompendien, Wörterbücher, Taschenrechner, Arbeitshefte, Kopien – eben alles, was man braucht, um am Unterricht teilnehmen zu können.

Vielleicht hat es sich in Zukunft bald erledigt, so viel Papier mit sich herumzuschleppen. Vielleicht steigen wir in den Schulen auf Notebooks um.

Wir GRÜNEN plädieren für ein von der Anzahl der Schüler abhängiges Budget zur eigenverantwortlichen Verwendung an den Schulen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir bemerken, dass die Sozialdemokraten uns in dieser Argumentation folgen konnten.

Dieser Ansatz steht im Einklang mit dem Konzept einer wirklich eigenverantwortlichen Schule. Das wäre eine Innovation. Sicherzustellen, dass alle Kinder ihre Bücher kaufen können, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung.

Leider drückt sich die Staatsregierung bislang vor einer klaren Regelung. Statt eine gesetzliche Regelung zu schaffen, lassen CDU und SPD den Schwarzen Peter bei den Kommunen, wohl wissend, dass gerade ärmere Kommunen in der Haushaltssicherung gar keine Möglichkeit haben, Bedürftigen den Eigenanteil an den erforderlichen Lehrmitteln zu erlassen, weil dies eine freiwillige Aufgabe ist. Solange es keine gesetzliche Regelung gibt, wird es trotz der vielen solidarischen Fördervereine an den Schulen weiterhin vorkommen, dass Kinder aus armen Familien ohne die notwendigen Bücher und Lehrmaterialien zur Schule kommen. Es kann aber nicht sein, dass jede Kommune als Schulträgerin ihre eigene Lösung findet. Dann kann es vorkommen, dass in einem Ort

Lernmittelfreiheit herrscht und Eltern 20 Kilometer weiter für die Bücher zahlen müssen.

Ich erwarte im Übrigen, dass sich die Frage der gedruckten Lehrbücher in Zukunft von selbst erledigen wird. Sie haben es vielleicht verfolgt: In Kalifornien wird derzeit überlegt, die Schülerinnen und Schüler mit einem eBook auszustatten. Dieses schließen sie an eine Dockingstation im Klassenzimmer an, gehen dann ins Internet und aktualisieren zeitnah. Das könnte fortschrittlich sein. In einer Studie stellten Unterrichtsforscher der Bergischen Universität Wuppertal fest, dass zwei Drittel der befragten Chemielehrer Texte des Schulbuches höchstens einmal im Monat verwenden. Manche verzichten ganz darauf. Der Grund dafür ist, dass einige Lehrer sich durch den obligatorischen Einsatz der Bücher bevormundet fühlen und auf eigene oder alternative Unterrichtsmaterialien zurückgreifen.

Nun soll der pädagogische Nutzen des Schulbuches genauer erforscht werden: Erzielt es die beabsichtigte Wirkung bei den Schülern? Wie soll damit im Unterricht gearbeitet werden? Diese Fragen erörtern Forscher vom Braunschweiger Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung.

Wie zeitgemäß das Schulbuch ist, ist angesichts des langen Weges, bis es im Klassenzimmer ankommt, nachdem Fachverlage in Übereinstimmung mit den Lehrplänen ein Buch konzipiert haben, nach meiner Einschätzung durchaus nicht fortschrittlich.

In einer Untersuchung der Stiftung Warentest im vergangenen Jahr waren neben inhaltlichen Fehlern bei etlichen untersuchten Biologiebüchern – und auch in Geschichtsbüchern – viele veraltete Angaben und überholte Interpretationen entdeckt worden. In der Regel werden Schulbücher nicht selten aufgrund des geringen Budgets der Schule im Schnitt alle acht Jahre erneuert.

Deshalb ist die heute beantragte Kostenfreiheit für Unterrichtsmaterialien natürlich nur eine Seite der Medaille. Es nützt nichts, etwas kostenlos zur Verfügung zu stellen, was nichts taugt oder veraltet ist. Mit digitalen Unterrichtswerken wäre zumindest das Problem der fehlenden Aktualität zu lösen. Möglicherweise entstehen aber Kosten, um die Lehrer erst einmal auf den Einsatz dieser digitalen Medien vorzubereiten.

Meine Fraktion wird dem Gesetzentwurf der Linksfraktion zustimmen. Er wird nicht alle Probleme lösen, die in diesem Bereich vorhanden sind. Aber er wird zumindest Verfassungskonformität herstellen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Frau Falken, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf einige Äußerungen meiner Kollegen reagieren.