Sehr geehrte Damen und Herren, die Wirtschaft im ländlichen Raum zu fördern bedeutet auch, mit einer flächendeckenden Breitbandförderung für die nötige Infrastruktur in der Informationsgesellschaft zu sorgen. Ich bin der festen Überzeugung, dass durch die Breitbandversorgung bis in den letzten Winkel unseres Landes der ländliche Raum eine neue und bisher nicht gekannte Attraktivität bekommen wird.
Aber wenn – wie in der Debatte um die UKW-Frequenzen angekündigt wird – im ländlichen Raum erst 2015 das Breitbandnetz ausgebaut werden kann, weil wir dann die übrigen UKW-Frequenzen nutzen können, dann ist das lächerlich und Unfug.
Sehr geehrter Herr Kupfer, in Ihrer Rede betonen Sie beispielsweise die Wichtigkeit des Clusters Forst- und Holzwirtschaft mit 33 000 Beschäftigten im ländlichen Raum.
Richtig! Aber die Koalitionsfraktionen hatten nichts Besseres zu tun, als mit einer völlig verfehlten Verwaltungs- und Kommunalreform den Sachsenforst halb zu zerschlagen und strukturell zu schwächen – natürlich zulasten der notwendigen Aufgaben im ländlichen Raum. Das passt nicht zusammen!
Katastrophal ist auch der Zustand der sächsischen Straßen. In Sachsen befinden sich 40 % der Bundesstraßen und 60 % der Staatsstraßen in einem schlechten oder sogar sehr schlechten Zustand, besonders im ländlichen Raum. Da viele Einwohner zum Arbeiten in die größeren Städte pendeln müssen, wäre gerade hier eine leistungsfähige Straßen- und Schienenverbindung besonders wichtig. Sachsen braucht unverzüglich eine Sanierungsoffensive.
Sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie wissen, fordere ich seit Jahren für den vernachlässigten Bereich Erzgebirge eine gute Verbindung, eine Erzgebirgsmagistrale, die quer der Grenze entlang die Bundesautobahn A 72 mit der A 17 verbindet. Wenn ich zum Beispiel den Landrat des Erzgebirgskreises in seinem Heimatort Sosa besuchen wollte, müsste ich über Chemnitz, über die Autobahn fahren, weil eine Querverbindung schlicht unmöglich ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, was das Thema Konjunkturpaket betrifft, würden sich die sächsischen Kommunen und Bürger im ländlichen Raum sehr freuen, wenn das von Ihnen angekündigte Geld endlich vor Ort ankommen würde. Gestern durften wir in der Presse lesen, dass von 1 300 Anträgen für Mittel aus dem Paket bis heute gerade mal 300 abgearbeitet sein sollen. Das Nadelöhr ist mal wieder die SAB, was uns nicht wirklich überrascht.
Doch nun zu einigen Beispielen, die ich von Bürgermeistern direkt übermittelt bekommen habe. Da werden dringende Schulsanierungen nicht durchgeführt, weil die Denkmalschützer nicht mit den Städtebauern können und die wiederum nicht mit den Schulhausbauern reden. Da fallen Gemeinden mit weniger als 3 000 Einwohnern aus der ILE-Förderung heraus. Ihre Ankündigung, sehr geehrter Herr Kupfer, dass Kommunen bis 5 000 Einwohner berücksichtigt werden, ist schön; ich hätte aber erwartet, dass Sie hier den Vollzug verkünden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Gemeinden sind die ILE-Förderungen ein Riesenaufwand und im Ergebnis werden meist nur Schwarzdeckenprogramme gefördert. Neue oder innovative Ideen werden wegen zahlreicher Bedenken in der Regel abgelehnt. Seit der Verwaltungsreform und dem Wegfall der Ämter für ländliche Entwicklung sind die Regionalmanager nur noch mit den Abstimmungsprozessen beschäftigt. Sie sind zum verlängerten Arm der Verwaltung geworden und können ihrer eigentlichen Arbeit nicht mehr nachkommen. Bei grenzüberschreitenden Projekten mit Tschechien im Rahmen der Ziel-3-Förderung wurden die Mittel im Begleitausschuss bereits vor Monaten bewilligt. Auf die Zuwendungsbescheide der SAB warten die Projektpartner bis heute. Es wäre für alle Beteiligten einfacher gewesen, wenn die tschechischen Projektpartner in ihrem Land die Förderung beantragt hätten. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist peinlich für Sachsen.
Diese Beispiele stehen keineswegs für eine vorbildliche Förderpolitik. Diese Politik sorgt für Frust bei den Bürgermeistern vor Ort und den Bewohnern auf dem Land. Diese Politik ist keine Erfolgsgeschichte. Angesichts Ihrer Rede, Herr Staatsminister, mit so viel rosaroter Prosa für die Probleme im ländlichen Raum bin ich fast sprachlos geworden. Sie sagten in Ihrem Schlusswort: Genauso wollen Sie als Staatsminister den ländlichen Raum weiter begleiten. Ich hoffe, das war keine Drohung.
Veranstaltung in Nordsachsen zu mir: „Das Schlimmste, was dir passieren kann, ist alt sein, allein sein und auf dem Land leben müssen.“
Offensichtlich ist es mindestens ebenso belastend, innerhalb der Staatsregierung für den ländlichen Raum verantwortlich zu sein, denn der Posten des Staatsministers für Umwelt und Landwirtschaft war in der Vergangenheit eher ein Durchgangsposten. In keinem anderen Ministerium wechseln die Minister schneller als im SMUL. Die „Sächsische Zeitung“ zitierte in ihrer Ausgabe vom 20.01.2009 sächsische Aussteller auf der Grünen Woche. Einige von ihnen konnten sich an einen gewissen Herrn Wöller noch erinnern. Wie der Nachfolger hieß, fiel ihnen jedoch nicht ein. „Jedes Jahr ein Neuer“, so die Befragten völlig resigniert.
Das ist unbegreiflich. Schließlich repräsentiert das Ressort einen großen Teil Sachsens und seiner Bevölkerung. Herr Brangs und Herr Kupfer, etwa 48 % aller Sachsen leben im ländlichen Raum.
Er umfasst allerdings einen Flächenanteil von circa 83,5 %. Warum, meine Damen und Herren, wird das Amt wie eine heiße Kartoffel weitergereicht? Weil es keinen Spaß macht, den gegenwärtigen Schrumpfungsprozess zu managen? Weil es unsexy ist, über Kühe, Milchpreise oder demografischen Wandel zu reden statt über Kultur oder Hochtechnologien, oder fehlen der Staatsregierung schlicht und ergreifend die Ideen, den ländlichen Raum zu entwickeln? Was auch immer die Gründe sein mögen, akzeptabel wären sie alle nicht, denn die Bedeutung der ländlichen Räume ist groß. Sie tragen einen großen Teil zur gesellschaftlichen Wertschöpfung bei und dienen als Rückzugs- und Erholungsort für die Menschen.
Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben es bereits mehrfach gesagt: Die Entwicklung des ländlichen Raumes stellt uns vor enorme Herausforderungen. Das Arbeitsplatzangebot nimmt ab oder stagniert auf niedrigem Niveau. Die demografische Entwicklung macht uns Sorgen und durch die Verschlechterung der Daseinsvorsorge droht ein Verlust an Lebensqualität. Eine Abkopplung dieser Gebiete in Bezug auf Wohlstand und Wohlbefinden droht. Die Situation verschärft sich durch die absolut unzureichende Finanzausstattung der Förderprogramme für die ländlichen Räume, Resultat übrigens des von Bundeskanzlerin Merkel verhandelten Kompromisses zum EU-Haushalt 2007 bis 2013 und der weiteren Mittelkürzungen in den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden.
Meine Damen und Herren! Der Entwicklung des ländlichen Raumes hilft die Selbstbeweihräucherung der Staatsregierung ebenso wenig wie die Schwarzmalerei einiger anderer Kollegen. Meine Fraktion begreift den Strukturwandel in ländlichen Gebieten nicht als unaufhaltsames Niedergangsszenario, sondern als Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. Dazu brauchen wir aller
Wir sehen beispielsweise in erneuerbaren Energien und nachwachsenden Rohstoffen neue Wertschöpfungspotenziale für die ländliche Wirtschaft, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen und Handwerksbetriebe. Mit einer nachhaltigen Klima- und Naturschutzpolitik steigert sich die Attraktivität des ländlichen Raumes als Erholungs- und Lebensraum. Eine Neuausrichtung der Landwirtschaft auf gentechnikfreie ökologische und qualitativ hochwertige Produktion verschafft den Landwirten neue Marktanteile, höhere Wertschöpfung, intensiviert die regionalen Kreisläufe und bringt zusätzlich Arbeitsplätze in den ländlichen Raum.
Sehr geehrter Herr Staatsminister Kupfer! Sie behaupten, dass Sie die Herausforderung des Strukturwandels im ländlichen Raum erkannt haben. Doch wie sieht es in unseren Dörfern tatsächlich aus? Fakt ist, die Staatsregierung hat in der Vergangenheit mit viel Geld die urbanen Zentren entwickelt, Strohfeuer auf Leuchttürmen entfacht und dem ländlichen Raum Hilfspakete mit Trostpflastern geschickt. Die Verteilung dieser Trostpflaster erfolgte oft nach dem Windhundprinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Nachhaltige Investitionen waren schöner Zufall, aber nicht die Regel. Herr Minister, streuen Sie den Menschen auf dem Land nicht länger Sand in die Augen! Sie loben Ihre Maßnahmen zur Förderung der Umwelttechnik und der erneuerbaren Energien. Da muss mir irgendetwas entgangen sein. Hält die Staatsregierung nicht starrköpfig an der Braunkohle als Energieträger fest und nimmt Umweltzerstörung und Umweltverschmutzung damit billigend in Kauf? Diese Kurzsichtigkeit, meine Damen und Herren, wird Sachsen künftig Milliarden kosten: Folgekosten des Klimawandels und Geld, das zur Entwicklung des ländlichen Raumes fehlen wird. Ich erinnere an das Elbehochwasser, das uns immerhin 9 Milliarden Euro gekostet hat.
Gleichzeitig versäumen Sie, durch ambitionierte Ausbauziele für erneuerbare Energien zukünftige Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu fördern. Bis zum Jahr 2020 sollen 24 % des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien kommen. In Brandenburg beispielsweise sind es heute schon 40 %. Herr Staatsminister, über Ihre Worte zu den erneuerbaren Energien freuen sich höchstens die Betreiber von Windkraftanlagen, denn Sie produzieren viel heiße Luft.
Ähnlich verhält es sich beim Thema Landwirtschaft. Das Deckmäntelchen des Ökolandbaus kann die Ideenlosigkeit Ihrer Landwirtschaftspolitik nicht überdecken. Nach dem Motto „Masse statt Klasse“ soll Sachsens Landwirtschaft für den globalen Wettbewerb fit gemacht werden. Doch schielen wir nur auf die Konkurrenz von Billiglohnstandorten, bleiben Arbeitsplätze, Umwelt und damit auch die Menschen in Sachsen auf der Strecke. Statt sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, sollte sich die Staatsregierung stärker für eine umweltgerechte, ökologi
Meine Damen und Herren! Jetzt wird es etwas kompliziert, weil fachlich. Herr Staatsminister Kupfer redet gern und oft davon, dass er konventionelle Landwirte, die auf ökologische Produktion umstellen wollen, unterstützt, wo er kann. Wo kann er und will er denn überhaupt? In der Praxis sieht das so aus: Konventionelle Landwirte können sich für fünf Jahre verpflichten, Maßnahmen zur extensiven und naturschutzgerechten Grünlandbewirtschaftung bzw. zur naturschutzgerechten Ackerbewirtschaftung durchzuführen. Dafür erhalten sie Geld aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Wollen sie nun ihre Produktion umstellen und die Ökolandbauförderung in Anspruch nehmen, kommen sie nicht wieder aus diesen Maßnahmen heraus.
Wechseln sie, drohen Rückzahlungen, die etliche Betriebe natürlich abschrecken. Die Folge: Es wird nicht umgestellt. Ich frage mich: Was ist hier los? Die Staatsregierung kann doch nicht behaupten, sie bietet gute Förderung an, wenn diese dann im Detail so gestrickt ist, dass etliche Betriebe sie nicht nutzen können.
Auch die verbesserte Förderung ist bisher unter Vorbehalt versprochen worden, gezahlt wurde nämlich bisher noch nichts. Damit schwindet das Vertrauen der Landwirte in Ihr Ministerium, Herr Staatsminister. Mit Populismus und Wahlkampfgetöse entwickeln Sie den ländlichen Raum sicher nicht. Aber seien Sie unbesorgt, ich werde auch in der nächsten Legislatur aufpassen, damit Sie Ihrem Versprechen Taten folgen lassen.
Meine Damen und Herren! Naturschutz spielt im ländlichen Raum eine besonders wichtige Rolle. Hier existieren besonders viele Gebiete mit einem hohen naturschutzfachlichen Wert. Viele seltene Tier- und Pflanzenarten finden dort ihren Lebensraum. Unsere Bürger schätzen diesen Reichtum an Flora und Fauna. Sie machen deshalb besonders gern in den naturschutzrelevanten Gebieten Urlaub und sie erbringen damit eine hohe Wertschöpfung für den ländlichen Raum. Das belegen zahlreiche Studien des Bundesamtes für Naturschutz.
Der Freistaat Sachsen schätzt diesen Reichtum an biologischer Vielfalt und hat im Vergleich mit anderen Bundesländern zahlreiche Fördermittel dafür eingestellt. Wie aber in Sachsen mit diesen zur Verfügung stehenden Mitteln umgegangen wird, das schreit gen Himmel. Der heutige Tag, der 15. Mai, ist ein wichtiger Termin. Die Anträge auf Biotoppflege müssen bei den Außenstellen des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sein – ein guter Zeitpunkt, um einmal zu schauen, wie es mit der aktuellen Beantragung der Förderung aussieht.
Nachdem nämlich die Förderung über die Richtlinie „Natürliches Erbe 2008“ zu großen Teilen ein Ausfall war, bahnt sich auch im Jahr drei einer möglichen Förderung ein Desaster an. Viele Naturschützer vor Ort wurden mit einem unvorstellbaren Netz an Bürokratie überzogen. Obwohl die Bürokratie in der Landwirtschaftsförderung
schon immer reichlich kritisiert wird, stülpten die Ministerialbürokraten des SMUL nun gerade diese Förderung den oft ehrenamtlichen Naturschützern über. Diese werden in den auf Landwirtschaft geeichten Ämtern nun einem Landwirt gleichgesetzt und damit beginnt das bürokratische Schlamassel. Meine Damen und Herren! Die Naturschützer benötigen für die Förderanträge eine Betriebsnummer vom Landesamt und eine andere Betriebsnummer vom Veterinäramt. Dazu kommen notwendige Schlagdateien. Diese sind oft nicht vorhanden und nur mit hohem Aufwand zu erstellen.
Um einen Förderantrag stellen zu können, muss man sich dann einer Software eines geografischen Informationszentrums bedienen und einen modernen Computer haben. Damit hätte mindestens die Hälfte unseres Hohen Hauses – ich gehöre dazu – ein entscheidendes Problem oder – besser gesagt – wir könnten damit gar nicht umgehen. Aber das mutet man den Naturschützern zu.
Manche Umweltinitiative bewirtschaftet nur kleine Flächen, die aber naturschutzfachlich sehr wertvoll sind. Sie erhalten dann maximal 300 bis 400 Euro Förderung im Jahr, haben sich aber dieser unsäglichen Prozedur zu stellen. Herr Minister, so fördern Sie also Aktivitäten derjenigen, mit denen Sie sich gern schmücken. So kann das nicht weitergehen. Koppeln Sie die Naturschutzförderung von der Landwirtschaftsförderung ab und schicken Sie ausreichend Mitarbeiter in die Naturschutzbereiche des Landesamtes!
Im Namen der Naturschutz- und Landschaftspflegeverbände fordere ich kurze Bearbeitungszeiten und ausreichend kompetentes Personal in den Bewilligungsbehörden. Am besten, Sie schicken diejenigen, die dieses bürokratische Meisterwerk verzapft haben, zum Praktikum in die Naturschutzverbände.
Herr Staatsminister, Sie sprachen vom Ausbau von Straßen, auch von der B 178 Löbau-Zittau. Warum berichten Sie nicht über die erbitterten Widerstände gerade der Betroffenen vor Ort, zum Beispiel der Bürgerinitiative WISA. Ist es nicht so, dass hier eine schnelle Durchfahrt gebaut werden soll, die eben nicht der Entwicklung des ländlichen Raumes, sondern der Abkopplung dient? Warum werden die Sorgen der Anlieger nicht gehört, und warum wird nicht kommuniziert?
Sie haben am Ende Ihrer Rede einen ehemaligen Schweizer Bundespräsidenten zitiert. Ich finde den Aufruf des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog viel passender: „Es geht ein Ruck durch Deutschland.“ Herr Staatsminister, sorgen Sie dafür, dass der Ruck auch endlich in der sächsischen Staatsbürokratie ankommt, damit wir den ländlichen Raum tatsächlich zukunftsfest machen können, sehr gern auch mit uns natürlich.