Protocol of the Session on May 15, 2009

Im Übrigen hat das natürlich im Kern – Herr Lichdi hat schon dazu gesprochen – etwas mit dem bisherigen Lobbyismus der CDU-geführten Regierung für die Braunkohlenenergiewirtschaft zu tun. Immerhin hat man sich nun auf eine jährliche Reduktion von 6,5 Millionen Tonnen CO2 geeinigt und darauf, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 am Bruttostromverbrauch mindestens auf 24 % zu erhöhen. Das soll unter anderem durch die Dämmung von Gebäuden, durch effiziente Pkw-Motoren, durch eine Abwrackprämie für Heizkessel oder durch die besondere Förderung von Fotovoltaikanlagen erreicht werden.

Zweifellos liegt das größte Potenzial zur CO2Verringerung im Gebäudebestand, aber eben auch nicht nur, sondern an zweiter Stelle kommt sofort der Verkehrsbereich. Ich habe bereits in der Debatte im vergangenen Jahr beklagt, dass im „Aktionsplan Klima und Energie“ der Verkehrsbereich überhaupt keine Rolle spielt. Das ist auch heute mit den konkret vorgestellten Maßnahmen wieder der Fall – außer dass Hybridbusse für den öffentlichen Verkehr gefördert werden sollen.

Zu begrüßen ist, dass die Staatsregierung zum ersten Mal von einer Reduzierung des Anteils der Braunkohle am Primärenergieverbrauch bis 2020 von 20 % ausgeht und damit das, was die Linksfraktion seit Jahren fordert – nämlich an ein Ausstiegsszenario aus der Braunkohlenenergiewirtschaft zu denken –, nun endlich allmählich geistig verarbeitet. In dieser Hinsicht hat sich die Staats

regierung tatsächlich geistig etwas bewegt; das ist nicht zu leugnen.

Ob allerdings die CO2-Reduktionsziele erreicht werden können, steht in den Sternen; denn mit der Inbetriebnahme des neuen Kraftwerksblockes in Boxberg – Herr Lichdi hat es bereits ausführlich dargestellt – müssten sich die jährlichen Reduktionsziele deutlich um 5 Millionen Tonnen erhöhen. Nun rühmt sich die Staatsregierung gar dafür, dass ihre beschlossenen Ziele zum Klimaschutz weit über die bundesdeutschen und europäischen Ziele hinausgingen. Das aber ist die Vortäuschung falscher Tatsachen.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Denn was Herr Jurk und Herr Kupfer verschweigen, ist die Tatsache, dass Sachsen hinsichtlich des gegenwärtigen Ausgangspunktes beim Anteil erneuerbarer Energien – ich will mich nicht um Plätze im Ranking der Länder streiten – und eben auch hinsichtlich konkreter CO2-Reduktionsziele durchaus Nachholbedarf hat.

Wenn es um die konkrete Ausgestaltung des CO2Emissionshandels in der Europäischen Union geht, sind auch vom neuen sächsischen Ministerpräsidenten Tillich die gleichen Reflexe wie von seinem Vorgänger zu vernehmen: Für Sachsen wurden permanent Ausnahmeregelungen eingeklagt und sogar eine Schutzklausel für die Mibrag erkämpft. Aber wenn die kapitalschwachen osteuropäischen neuen EU-Mitgliedsländer Ausnahmeregelungen bei der EU einfordern, dann schreit Ministerpräsident Tillich auf: O weh! Deutschland wird benachteiligt! – Das ist nicht redlich.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich werde mich heute nicht in einen Überbietungswettbewerb um die ehrgeizigsten Klimaschutzziele mit den GRÜNEN einlassen,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das schaffen Sie auch nicht!)

denn die Forderung, 100 % des Stromenergiebedarfes bis 2020 aus erneuerbaren Energien zu decken, ist nicht zu toppen.

(Rolf Seidel, CDU: Doch: 120 %!)

Für realistisch halte ich das allerdings auch nicht ganz, weil hierfür bestimmte Voraussetzungen nicht gegeben sind oder gar gestaltet würden.

Jetzt möchte ich noch einmal auf eine Facette in der energiepolitischen Debatte aufmerksam machen, die bisher meiner Ansicht nach in diesem Hohen Hause völlig unterschätzt wird: Viel entscheidender als der Streit um Ziele und Potenziale wäre der Streit um die infrastrukturellen Voraussetzungen und Energiewirtschaftsstrukturen selbst sowie um die politischen Rahmenbedingungen dafür, die Transformation der atomar fossilen Energiewirtschaft zur Energiewirtschaft auf Basis erneuerbarer

Energien zu beschleunigen, denn das uns hierfür zur Verfügung stehende Zeitfenster ist eng.

Das aber blenden sowohl die Staatsregierung als auch die GRÜNEN aus. Statt über mögliche Potenziale zu orakeln, sollten wir über harte Fakten debattieren, wie die Netzinfrastruktur und die Strukturen des nicht vorhandenen Energiebasismarktes in Deutschland hierfür fit gemacht werden können. Reformschritte hierzu hat die angebliche „Klimakanzlerin“ Merkel in Brüssel erfolgreich verhindert.

Ich erinnere nur daran, dass die EU-Kommission ein ganzheitliches Energiepaket beschlossen hat. Dazu gehören nicht nur der CO2-Emissionshandel, Klimaschutz etc., sondern eben auch die Entflechtung von Monopolstrukturen und der Ausbau der Netzinfrastruktur.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Die Auffassung der Linken steht in völliger Übereinstimmung mit der EU-Kommission und dem EU-Parlament und möchte die Herauslösung der Netzinfrastruktur aus den Monopolkonzernen RWE, E.on, ENBW und Vattenfall, eine unabhängige, dem Gemeinwohl verpflichtete Netzbetreibergesellschaft, einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen, Investitionen in Stromautobahnen von Nord nach Süd und von Ost nach West sowie ein auf modernen Kommunikationstechnologien basierendes intelligentes Netzmanagement erreichen. Nur dieses intelligente Netzmanagement wird die Voraussetzung dafür sein, dezentral und instabil erzeugte Energie für eine stabile Energieversorgung zu managen. Zudem muss der Lobbyismus der Energiewirtschaftskonzerne in der Politik beendet werden. Einfacher und billiger ist eine langfristig angelegte Energiewende auch für Sachsen nicht zu haben.

Hierzu aber sagen weder die Staatsregierung noch die GRÜNEN etwas. Wenn die GRÜNEN es ernst damit meinen, so schnell wie möglich den Stromverbrauch zu 100 % aus erneuerbaren Energien zu decken, dann erwarte ich, dass sie endlich auch Vorschläge zur strukturellen Umgestaltung der Energiewirtschaft vorlegen. Denn ohne diese strukturelle Umgestaltung wird die Energiewende nicht gelingen. Das ist meine feste Überzeugung.

Den in Teil I und II des Antrages der GRÜNEN von der Staatsregierung geforderten Maßnahmen zur Überarbeitung des Landesentwicklungsplanes, zur Anpassung der Regionalpläne und der Sächsischen Bauordnung können wir zustimmen – auch weil wir selbst schon in den verschiedensten Diskussionszusammenhängen ähnliche Forderungen an die Staatsregierung aufgemacht haben.

Aus diesen Gründen können wir – trotz der Kritik an diesem doch etwas überschießenden Ziel, 100 % bis 2020 aus erneuerbaren Energien im Stromverbrauch –

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja, das muss sein!)

dem Anliegen der GRÜNEN im Antrag zustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die NPD-Fraktion vertritt Herr Abg. Despang.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag zum „Aktionsplan Klima und Energie“, der der Feder der Koalitionsfraktionen entsprungen ist, ist genau wie der Aktionsplan selbst: nichts weiter als zeitraubender Murks. Dass sich die Regierungsfraktionen bisher nicht auf eine Neufassung des Energieprogramms für Sachsen einigen konnten und stattdessen mit einem halbseidenen Aktionsplan aufgewartet haben, ist für sich schon schlimm genug. Dass dieser Aktionsplan nun aber nach gerade einmal zwei Jahren evaluiert werden soll, ist vollkommen überflüssig.

Ohnehin sind wesentliche Teile des Aktionsplanes keineswegs neu und oft schlicht und ergreifend, klimatisch gesehen, eher positive Effekte der allgemeinen Politik, des technologischen Fortschritts oder der Preisentwicklung bei den Energieträgern auf dem Weltmarkt als ein eigentlich selbstständiger Bestandteil der Landespolitik.

Es erschließt sich uns nach wie vor nicht, warum im Aktionsplan keine Zielvorgaben, wie beispielsweise bei der Quote der erneuerbaren Energien, festgeschrieben wurden. Im Wesentlichen ist auch kein Zeitrahmen für das Erreichen der Ziele genannt, und wenn, dann wurden die Zeiträume viel zu weitläufig gefasst.

Wenn man sich den heute vorliegenden Antrag von CDU und SPD anschaut, so zeigt sich deutlich, welchen Stellenwert die Energiepolitik bei den Koalitionsfraktionen einnimmt: Es wird viel geredet, und getan wird nichts. Die sogenannten erfolgreich umgesetzten Maßnahmen des Aktionsplanes sind allesamt bereits früher begonnen worden und eigentlich selbstverständlich. Zudem ist es für meine Fraktion nicht erkennbar, wie Sie beispielsweise zwei Bürgersolarkraftwerke als durchschlagenden Erfolg eines Aktionsplanes bezeichnen können. Wenn wir inzwischen Hunderte solcher Kraftwerke hätten, dann wäre es sicher ein Erfolg, den wir auch anerkennen würden; aber zwei solcher Kraftwerke sind für uns nichts weiter als ein kleiner Lichtblick in völliger Dunkelheit.

Angesichts solcher Jubelanträge kommen wir zu dem Schluss, dass die Politik der Koalition inzwischen in weiten Teilen der Informationspolitik der untergegangenen DDR in den letzten Jahren vor dem Zusammenbruch gleicht. Dort wurde der Neubau eines Buswartehäuschens jubelnd gefeiert, obwohl an anderer Stelle ganze Straßenzüge in sich zusammenfielen.

Zu den einzelnen Ansatzpunkten nur so viel: Punkt 1. Wie der Aktionsplan bisher umgesetzt wurde, kann ich Ihnen beantworten: zu langsam. Punkt 2. Welche Effekte schon feststellbar sind, kann ich Ihnen auch beantworten: zu wenige. Punkt 3. Welche Modifizierung möglicherweise an dem Plan zukünftig vorzunehmen ist, auch: eine ganze Menge.

Benennen Sie konkrete Ziele und einen festen Zeitraum und beginnen Sie zu handeln statt zu reden! Der Antrag der GRÜNEN zur Ausgestaltung der zukünftigen Ener

giepolitik wird von unserer Fraktion inhaltlich mitgetragen. Wir sind uns dabei sehr wohl bewusst, dass es sich um ehrgeizige Ziele handelt. Es ist aber Sinn und Zweck einer zukunftsorientierten Politik, hohe Ziele zu formulieren. Dass neben dem Gedanken des Klimaschutzes auch arbeitsmarktpolitische Ziele im Bereich der erneuerbaren Energien im Vordergrund des Antrages stehen, begrüßen wir besonders. In Zeiten der Wirtschaftskrise steckt im Aufbau einer zukunftsorientierten Energiewirtschaft ein erhebliches Potenzial. Unser Land kann es sich nicht leisten, Jahr für Jahr Milliarden Euro für fossile Energieträger aus dem Land fließen zu lassen oder bei vorhandenen heimischen Energieträgern das Geld in die Kassen ausländischer Konzerne zu stecken.

Deshalb bedarf es einer schnellen Umstellung auf erneuerbare Energien und einer dezentralen Erzeugungskultur, deren Wertschöpfung allen zugute kommt. Ein Umsteuern in der sächsischen Energiepolitik ist längst überfällig, um die vorhandenen Ressourcen zu schonen und den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden, nicht zuletzt aber auch, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Abhängigkeit von Energieimporten zu senken.

Wir als NPD-Fraktion schließen uns dem Antrag der GRÜNEN an, weil er genau in die Kerbe schlägt, die wir schon vorgeschlagen haben. Wir werden dem vorliegenden Antrag der GRÜNEN zustimmen. Den Antrag der Koalitionsfraktionen lehnen wir selbstverständlich ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die Runde beschließt die FDP-Fraktion, vertreten durch Herrn Morlok.

(Lauter Wortwechsel zwischen den Abg. Martin Dulig, SPD, und René Despang, NPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Staatsregierung stellt sich mit dem jüngsten Kabinettsbeschluss ambitionierte Ziele. Ich denke: Grundsätzlich besteht in diesem Haus kein Dissens darüber, dass man sich auch ehrgeizige Ziele angesichts der Veränderungen im Weltklima und angesichts des Ausgehens der fossilen Energieträger stellen muss.

Wir begrüßen diese ehrgeizige Zielstellung grundsätzlich auch. Allerdings – darauf muss ich hinweisen – haben wir heute Morgen über die Wirtschaftskrise in diesem Land und über die entsprechenden Steuerausfälle im Rahmen dieser Wirtschaftskrise gesprochen. Wir müssen sehr wohl aufpassen, dass wir bei der Klimapolitik eben nicht die einheimische Wirtschaft erdrosseln und erwürgen, sondern müssen der einheimischen Wirtschaft den entsprechenden Spielraum lassen. Wir dürfen nicht übersehen, dass Klimapolitik auch nicht national oder regional betrieben werden kann, sondern eine globale Aufgabe ist. Unsere Unternehmen stehen auch mit anderen Unternehmen außerhalb Sachsens, Deutschlands und Europas im Wettbewerb. Wir dürfen bei allen Bemühungen um einen

Klimaschutz diese Wettbewerbsbedingungen nicht vernachlässigen.

Wir als FDP sagen ganz klar: Wir brauchen einen Energiemix deutschlandweit, zu dem in Sachsen aus unserer Sicht, zumindest mittelfristig, selbstverständlich auch die Braunkohle, die Kernenergie und die erneuerbaren Energien gehören.

Ich habe mir heute Morgen auf der Homepage der Staatsregierung des Freistaates Sachsen unter www.energiesachsen.de angeschaut, was auf dieser präsentiert wird. Dort wird der Entwurf des Energieprogramms dargeboten, wohlgemerkt aus dem Jahr 2007. Auf dieser Homepage beklagt Herr Jurk steigende Energiepreise, die den Verbraucher belasten. Meine Wahrnehmungen waren im letzten halben Jahr ein wenig anders. Hinsichtlich steigender Energiepreise, Herr Jurk – er ist heute leider nicht mehr im Hause –, sollten Sie einmal veranlassen, dass diese Homepage geändert wird.

(Beifall bei der FDP)

Weiterhin sucht er – er ruft die Bevölkerung förmlich auf – Ideen und Vorschläge zu diesem Entwurf des Energieprogramms aus dem Jahr 2007. Wir müssen also konstatieren: Der Minister, der für Energie zuständig ist, ist noch auf der Suche. Ich fürchte, bis zum Ende seiner Amtszeit wird er auch nichts finden.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist von der Staatsregierung eigentlich beantwortet. Angesichts der Papiermengen, die wir zu unserer Antragsberatung und Verteilung in diesem Hause verwenden, wäre es ein zielführender Beitrag zum Klimaschutz, wenn die Koalitionsfraktionen ihren Antrag in Anbetracht der vorliegenden Antworten für erledigt erklären würden.

(Beifall bei der FDP)

Zum Antrag der GRÜNEN – den 100 % – ist schon mehrfach gesprochen worden. Das brauche ich nicht weiter zu kommentieren. Es gibt verschiedene Bereiche der erneuerbaren Energien, die auch wir im Freistaat Sachsen durchaus für zukunftsfähig erachten: Fotovoltaik, Biomasse, Biogas. Das können wir alles nachvollziehen. Herr Prof. Mannsfeld hat bereits angesprochen, dass es andere Dinge gibt, die doch etwas undurchdacht erscheinen, beispielsweise Wasserkraft. Wollen denn die SuperÖkos hier im Landtag tatsächlich die Elbe aufstauen oder wie wollen Sie denn die 25 % Wasserkraft im Freistaat Sachsen gewinnen? Ist das das umweltpolitische Ziel der GRÜNEN?