Protocol of the Session on May 14, 2009

Dieses Thema schließt sich unmittelbar an die Debatte von heute Morgen an, denn um ausländische Touristen nach Sachsen zu bekommen, müssen wir ein weltoffenes Klima haben. Wenn wir zurzeit durch Dresden fahren und die NPD-Plakate sehen,

(Alexander Delle, NPD: … dann steht drauf: Touristen willkommen!)

denke ich, wir wissen, wo anzusetzen ist. In der Tourismusbranche weiß man: Weltoffenheit und Toleranz sind die Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Verständnis, Offenheit, Toleranz und Neugier auf andere Kulturen sind die Grundlage von Reiselust. Ich bin davon überzeugt, dass wir gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft für eine weitere positive Entwicklung des Tourismus in Sachsen meistern werden.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Für die NPDFraktion Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sachsen ist als beliebtes Reiseziel bekannt, und die Entwicklung der letzten Jahre kann sich durchaus sehen lassen. Meist handelt es sich allerdings um klassische Zweit- und somit Kurzurlaube. Trotz positiver Entwicklung wurde immer wieder festgestellt, dass nach wie vor das bestehende Potenzial noch nicht in Gänze ausgeschöpft ist und die Tourismuswirtschaft grundsätzlich weiter ausgebaut werden könnte.

Der Anteil der Tourismuswirtschaft am Bruttoinlandsprodukt und an der realen Wertschöpfung vor Ort ist in den letzten Jahren gestiegen. Die Umsätze wurden in allen touristischen Bereichen mehr. Die Zahl der Übernachtungen stieg an. Im Wesentlichen ist auch eine vernünftige Verteilung über die Landkreise gegeben. Bei den Übernachtungen im Beherbergungsgewerbe werden zwar für Zwickau, Meißen und Bautzen geringfügige Rückgänge im Vergleich zum Jahr 2004 angegeben, doch insgesamt

kann seit dem Jahre 2004 eine erfreuliche Entwicklung konstatiert werden.

Die Staatsregierung gibt in ihrer Antwort bekannt, dass in meinem Heimatlandkreis, dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, die Zahl der Übernachtungen kontinuierlich anstieg. Nach Medienangaben hat diese Zahl im Jahre 2008 den höchsten Nachwendestand erreicht. Dies vielleicht an die Adresse von Frau Kollegin Raatz. Das hebe ich bewusst hervor, wenngleich nicht in der vorliegenden Drucksache, jedoch in den Medien – wie jüngst wieder in der „Bild“-Zeitung am 28. April 2009 und jetzt von Frau Kollegin Raatz – nationale Wahlerfolge in bewusster Verkennung der Tatsache als der Tourismuswirtschaft abträglich dargestellt werden.

(Martin Dulig, SPD: Recht hat sie!)

Als ob irgendein Urlaubsreisender anstelle der Hotel- und Freizeitangebote sowie der Preisvergleiche die jeweilige Stadt- und Gemeinderatszusammensetzung studieren würde, im Gegenteil! Dies ist für den Normaltouristen überhaupt nicht im Blick. Und, meine Damen und Herren, wenn, wie man liest, vor allem Schweizer, Niederländer und Österreicher als besondere Zielgruppe favorisiert werden, können nationale Hochburgen, gemessen am Wahlverhalten, in den genannten Ländern nur tourismusfördernd wirken.

(Beifall bei der NPD)

Auf Seite 7 der Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage ist zu lesen, dass, so wörtlich „… der Anteil ausländischer Gäste an der Gesamtzahl der statistisch erfassten Touristen in Sachsen seit 2004 kontinuierlich gewachsen ist“. Ich weise darauf hin, dass 2004 das Jahr war, in dem die NPD erstmals in den Sächsischen Landtag einzog.

Die Anzahl ausländischer Touristen, die den Freistaat besuchten, stieg seither sogar um ein sattes Drittel an. So ist das mit der unterschiedlichen Betrachtung einer Statistik, Herr Günther und Frau Kollegin Raatz. Man kann es positiv betrachten und sagen: Es ist ein Drittel mehr geworden. Man kann aber auch versuchen, das irgendwo herunterzurechnen, wie es der Kollege Günther gemacht hat.

Der größte Wermutstropfen, welcher der in Rede stehenden Drucksache zu entnehmen ist, dürfte der Umstand sein, dass – wie auf den Seiten 7 und 8 zu lesen ist – die Beschäftigungsentwicklung nicht mit dem Besucheranstieg mithielt. Mit Ausnahme der Gastronomie war im Betrachtungszeitraum von 2002 bis 2007 sogar eine leicht rückläufige Entwicklung zu verzeichnen. Das spiegelt sich auch in der Ausbildungssituation wider.

Dies ist umso bedenklicher, als man aufgrund der weltweit ungünstigen Rahmenbedingungen und eines infolgedessen eintretenden Einbrechens der Konsumleistungsfähigkeit breiter Schichten einkalkulieren muss, dass sich viele potenziell Reisewillige künftig Urlaube nicht mehr im gewohnten Maße werden leisten können. Ich will

damit sagen, dass eine Fortsetzung der erlebten positiven Entwicklung unter den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.

Man wird von der Zielgruppenausrichtung vielleicht den Schwerpunkt zunehmend auf näherliegende innerdeutsche Reisekundschaft legen müssen, die Sachsen als Alternative für zu kostspielig gewordene Auslandsreisen entdecken sollen. Unter diesem Blickwinkel müsste folglich auch die Förderpolitik des Freistaates adäquat nachjustiert werden.

Vielleicht kann der Herr Staatsminister kurz Auskunft darüber geben, was die Gründe dafür waren, dass sich bei den Marketingmaßnahmen um Sachsen, sich als Reiseziel zu bewerben, die Ausgaben für Anzeigen in nationaler und internationaler Presse sowie für die Entwicklung und Herstellung von Druckerzeugnissen in den letzten fünf Jahren halbierten.

Angesichts der sich verschlechternden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Auswirkung auf alle Branchen, insbesondere auf die produzierenden und exportorientierten Bereiche, möchte ich anregen, hier zu einem Umdenken zu kommen und das Tourismusmarketing wieder zu verstärken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Für die Fraktion der GRÜNEN spricht Herr Abg. Weichert; bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn die Gesamtwirtschaft zu schrumpfen beginnt, läuft die Touristik noch eine Weile auf vollen Touren weiter.

2008 – das haben wir schon gehört – war trotz Wirtschafts- und Finanzkrise das bisher zweitbeste Jahr im sächsischen Tourismus überhaupt. Das gute Ergebnis verdanken wir in Sachsen vor allem den ausländischen Touristen. 2008 besuchten 7 % mehr Ausländer den Freistaat und die Zahl der von ihnen generierten Übernachtungen stieg sogar um 8,9 %. Der Anteil ausländischer Gäste am Gesamtportfolio betrug 10,5 %. Das ist zwar sächsischer Rekord, aber deutlich weniger als der Bundesdurchschnitt von immerhin knapp 19 %.

Experten sind sich einig: Im Inlandstourismus gibt es in Sachsen nur noch begrenztes Wachstum. Der Freistaat wird daher alles daransetzen müssen, die Zahl ausländischer Gäste weiter zu erhöhen.

Doch dafür reicht es nicht aus, uns auf Tourismusmessen in der ganzen Welt zu präsentieren und die Beschäftigten in der Tourismuswirtschaft zu befähigen, den Wünschen ausländischer Gäste zu entsprechen, wenn gleichzeitig ausländerfeindliche Vorurteile weiter wachsen und unter jungen Menschen die Ressentiments immer weiter zunehmen.

(Beifall der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

Leider sind einige Bürgerinnen und Bürger in unserem Land weit davon entfernt, weltoffen zu sein. Fremdenfeindlichkeit ist auch in Gebieten, in denen kaum Fremde wohnen, nach wie vor ein großes Problem.

Die Volksgenossen der NPD sind neuerdings krampfhaft bemüht, gute und schlechte Ausländer zu unterscheiden. Die einen dürfen uns besuchen, die anderen sollen raus. So steht es zumindest auf den Wahlplakaten. Hoffentlich gibt es parallel entsprechende Kurse für gewaltbereite Kameraden, damit sie lernen, das alles schön zu unterscheiden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Man braucht schon ein geübtes Auge, wenn man nachts mit 1,8 Promille einen ausländischen Touristen zweifelsfrei vom Asylbewerber unterscheiden will.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP – Heiterkeit der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Der Tourismus steuert in Sachsen circa 3 % zum Bruttoinlandsprodukt bei. In strukturschwachen Regionen ist er zum Teil der wichtigste Arbeitgeber. Nicht alle Arbeitsplätze in der Tourismuswirtschaft setzen ein Hochschulstudium voraus und ins Ausland kann man sie auch nicht einfach verlagern. Wenn uns also daran gelegen ist, diese Arbeitsplätze zu erhalten, müssen wir Toleranz und Weltoffenheit in die sächsischen Schulen und Kindergärten tragen und dort interkulturelles Lernen etablieren. Wir müssen die dumpf-dämlichen Losungen rechter Wahlwerbung zum Anlass nehmen, mit den Menschen auf den Straßen ins Gespräch zu kommen und mit ihnen die Konsequenzen zu erörtern. Noch immer warnen internationale Reiseführer, darunter so renommierte wie der „Lonely Planet“, vor Aufenthalten in Ostdeutschland aufgrund der Gefahr, Opfer rechter Gewalt zu werden.

Meine Damen und Herren! Gefahr droht der Tourismuswirtschaft auch durch die Wirtschaftskrise. Das Jahr 2009 droht zum Jahr der touristischen Verunsicherung zu werden. Laut der deutschen Tourismusanalyse der BATStiftung für Zukunftsfragen sind 35 % der Befragten nicht sicher, ob sie sich in diesem Jahr einen Urlaub leisten können oder wollen. Die Urlaube werden außerdem kürzer, das Budget wird knapper und die Reiseziele rücken näher. 38 % der Urlauber hielten sich im vergangenen Jahr in Deutschland auf und verzichteten auf eine Auslandsreise. Urlaub im eigenen Land, bei dem man Zeit und Geld sparen kann, ist gefragt. Jeder vierte Bundesbürger will in diesem Jahr im eigenen Land Urlaub machen. Das trifft vor allem auf Familien mit Kindern zu. Fast jede zweite Familie hat schon im vergangenen Jahr Urlaub in Deutschland gemacht. Die Devise lautet: nah, preiswert und gemütlich. Damit wird die Krise auch zur Chance für familienfreundliche Ferienorte.

Zum Problem für Sachsen wird aber, dass wir ein klassisches Kurzreiseziel für die Zweit- oder Drittreise sind. Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich nur noch

einer Minderheit den Luxus einer Zweit- oder Drittreise leisten kann.

Was wollen die Touristen in Sachsen erleben? Laut dem Qualitätsmonitor 2007/2008 stehen die Themen Kultur, Städte, Gesundheit und Kur eindeutig im Vordergrund. Das Interesse an diesen Urlaubsarten hat für die Gäste in Sachsen im Vergleich zu Gesamtdeutschland einen höheren Stellenwert.

Meine Damen und Herren, wie ist es nun um den Städtetourismus und den Gesundheitstourismus in Sachsen bestellt? Der Städtetourismus hat im letzten Jahr Federn lassen müssen. Nach dem Boom der vorherigen Jahre stagniert hier die Nachfrage. Im Gegensatz dazu ist der Gesundheitstourismus eine Wachstumsbranche. Dafür sorgen die drei großen Themen demografischer Wandel, medizinisch-technischer Fortschritt und gesellschaftlicher Wertewandel.

Die Potenziale für Wachstum und Beschäftigung werden in Sachsen allerdings noch nicht vollständig ausgeschöpft. In anderen Bundesländern ist man da deutlich weiter. Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben zum Beispiel einen Masterplan Gesundheitswirtschaft. Ich denke, auch wir brauchen ein ganzheitliches Konzept auf Landesebene, das alle Akteure vernetzt und eine wettbewerbsorientierte Vermarktung ermöglicht.

Apropos Vermarktung. Ein Grundsatz für erfolgreiches Marketing lautet: ein Ansprechpartner für alle Fragen. Diesem Grundsatz sollte sich auch die Sächsische Staatsregierung verpflichtet fühlen, wenn es um tourismuspolitische Fragestellungen geht.

Wer schon einmal Fördermittel für ein touristisches Projekt beantragt hat, der weiß, dass wir hier viel Nachholbedarf haben. Das SMWA verweist an das SMUL. Das SMUL verweist an die SAB. Die glaubt genau zu wissen, dass das SMWA zuständig sei. So geht das natürlich nicht! Hier muss eine Clearingstelle her, wie sie von Experten des Landestourismusverbandes seit Jahren gefordert wird.

Zur Verwirrung potenzieller Investoren trägt außerdem die kleingliedrige Struktur der Organisation des sächsischen Tourismus bei. Die Kleinstaaterei der Regionalverbände und Gebietsgemeinschaften führt oft zu parallelen Aktivitäten, die sich gegenseitig behindern und miteinander konkurrieren. Die Streuung der Kapazitäten schwächt die Tourismusbranche und führt zur Verschwendung von Fördermitteln.

In einem Vortrag von Herrn Dr. Große hörte ich einmal den Satz: „Der Weg des Reiselandes Sachsen zur Destination mit Zukunft kann nur gemeinsam, offen und mit Mut zur Veränderung diskutiert und beschritten werden.“ Das hat mir sehr gut gefallen, aber leider fehlen die Taten.

In diesem Zusammenhang fordere ich die Staatsregierung auf, bei der Vergabe von Geldern für Tourismusprojekte verstärkt darauf zu achten, wie nachhaltig das vorgelegte Konzept wirklich ist, ob es innovativ ist und inwiefern

private Investoren Eigenanteile bereitstellen. Das Kooperationsmodell der Zukunft sind öffentlich-private Partnerschaften, und zwar von der Produktentwicklung bis hin zur Vermarktung. Es ist immer ein guter Indikator für die Qualität eines Vorhabens, wenn private Investoren bereit sind, sich finanziell zu engagieren.

Meine Damen und Herren! Die Förderung „mit der Gießkanne“ hat längst ausgedient, und es dient auch nicht der Qualitätssicherung, touristische Projekte allein über Zwangsabgaben der Betriebe zu finanzieren. Zwangsabgaben, die man zahlt, ohne beeinflussen zu können, was man dafür bekommt, machen gleichgültig. Unter Gleichgültigkeit leidet jedoch die Qualität, und Qualitätsmangel führt zu Auslastungsverlusten. Ein gutes Preis-LeistungsVerhältnis wird bei der derzeit schwierigen Wirtschaftssituation wichtige Entscheidungsgrundlage bei der Auswahl des Urlaubsziels. Die Krise wird laut Tourismusexperten nicht zur „Aldisierung“ der Branche führen, denn Urlaub bleibt etwas Besonderes für den Gast. Qualität und Service machen den Unterschied und sollten zur guten Praxis eines touristischen Anbieters gehören.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch ein, wie ich denke, zukunftsweisendes Projekt aus der Oberlausitz vorstellen. Im Naturpark Zittauer Gebirge hat man erkannt, dass es neuer Vermarktungsansätze bedarf, um weitere Zielgruppen anzusprechen. Bisher war es im Zittauer Gebirge trotz hervorragender landschaftlicher Voraussetzungen nicht gelungen, von den Aktivurlaubern zu profitieren. Diese sehr gut situierte Klientel will im Urlaub viel unternehmen und Sport treiben. 86 % der Deutschen waren auf ihrer letzten Urlaubsreise sportlich aktiv und in Bewegung.

Vor diesem Hintergrund initiierte der Bürgermeister der Gemeinde Olbersdorf mit ehrenamtlich tätigen Partnern das Projekt „Outdoorland Zittauer Gebirge“. Durch die Kooperation, Koordination und Bündelung bereits vorhandener Angebote im Bereich Aktivtourismus entstand so ein Netzwerk von Anbietern und Akteuren, das zum Ziel hat, die Region als überregional bekanntes Qualitätsreiseziel für Aktivurlauber zu etablieren.

Die beteiligten Unternehmen sind bereit, sich auf die Zielgruppe der Aktivurlauber zu spezialisieren. Das erhöht ihre Wettbewerbsfähigkeit und sichert damit ihre Existenz. Die Zusammenarbeit basiert auf der Grundlage von Kooperationsverträgen zwischen den Partnern, Unternehmen, Kommunen, Vereinen und der Gemeinde Olbersdorf als Projektkoordinator. Der Freistaat unterstützt das Vorhaben über die sogenannte Clusterförderung. An dieser Stelle sage ich das auch sehr gern: Vor Ort ist man sehr begeistert über die Unterstützung durch das SMWA und hofft auf eine weitere gute Zusammenarbeit.

Die Herausforderungen, die in der Tourismuswirtschaft zu bewältigen sind, können schließlich nur von den Unternehmern in den sächsischen Destinationen gelöst werden. Ohne deren Ideen und Engagement läuft das beste Förderprogramm ins Leere. Auch kann man daran sehen, dass erfolgreiche Entwicklung im Tourismus inzwischen nicht