Als Antragstellerin hat zunächst die Linksfraktion das Wort. Danach folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Linksfraktion, das Wort zu nehmen; Herr Bartl, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Freistaat Sachsen nimmt nach seinen gleich in Artikel 1 der Sächsischen Verfassung geregelten Verfassungs- und Staatsgrundsätzen für sich in Anspruch, ein Rechtsstaat zu sein. Es ist ein hoher Wert, dass zu den in Artikel 3 der Sächsischen Verfassung geregelten Grundsätzen das Prinzip der strikten Gewaltenteilung, der drei voneinander getrennten Staatsgewalten – nämlich der gesetzgebenden, der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt –, gehört.
Gerade für dieses Land und die anderen neuen Bundesländer ist dies keine Selbstverständlichkeit. Es ist gut und wichtig, dass dieses Prinzip der Gewaltenteilung zu jenen Verfassungsgrundsätzen gehört, die auch bei Verfassungsänderungen nicht zur Disposition stehen.
Worüber wir hier mit dem heutigen Thema reden, ist mithin etwas so Prinzipielles, dass es zur selbstverständlichen Verantwortung aller, die in diesem Land in Legislative, Exekutive und Justiz Verantwortung tragen, gehört, auch nur den bösen Anschein der missbräuchlichen Einflussnahme einer Gewalt auf die andere bzw. die Aufgabe der Rechtsbindung der Gewalten zu vermeiden.
Wer aber nicht ganz ignorant durch die Welt geht, kann nicht bestreiten, dass der Freistaat Sachsen immer öfter und zunehmend peinlicher in der Reflexion verschiedener Vorfälle bundesweit in das Rufbild gerät, dass die Exekutive hin und wieder nach Gutsherrenart ihre Überzeugungen von dem, was Recht und rechtens ist, durchzudrücken versucht.
Wer in diesen Tagen den Internetauftritt – sprich: die Website – www.karl-nolle.de aufsucht, findet dort ein Statement, das Karl Nolle als Mitglied des Hohen Hauses im Zusammenhang mit einer Pressekonferenz am 27. April 2009 aus Anlass eines gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens veröffentlicht hat. Im Rahmen dieses Statements erklärt einer der Anwälte des betroffenen Abgeordneten – mit Sicherheit im Wissen um seine Verantwortung als Organ der Rechtspflege und seiner standesrechtlichen Pflichten – wörtlich:
„Es ist kein ungewöhnlicher Vorgang, dass gegen einen Abgeordneten ermittelt wird. Ungewöhnlich – und nebenbei in eklatanter Weise rechtswidrig – ist der Umgang mit dieser Angelegenheit. Erstens: Klar ist, dass die Strafanzeige von der landläufig als Steuerfahndung bekannten Stelle in Freital ausging. Art und Inhalt der Vorwürfe freilich schließen zu meiner Überzeugung aus, dass die dortige Behörde ausschließlich aus Eigeninitiati
ve tätig geworden ist. Es handelt sich um einen vagen Anfangsverdacht. Die Vorgänge liegen lange zurück. Der Vorwurf ist, selbst wenn er zuträfe, marginal, selbst wenn man ihn ins Verhältnis zum Umfang der getätigten Investitionen setzt. Ein Schaden wird ohnedies nicht behauptet. Normalerweise nichts, womit Steuerbehörden und Staatsanwaltschaften ihre wertvolle Zeit vergeuden.
Auf der anderen Seite stehen die Person des Herrn Nolle sowie der Zeitpunkt kurz vor Beginn des Landtagswahlkampfes und der Veröffentlichung seines Buches zur Nomenklaturvergangenheit führender CDU-Politiker, die Schlimmes befürchten lassen.“
„Zweitens“, so der Rechtsanwalt weiter, „Medienberichten zufolge war die Staatsregierung von den geplanten Ermittlungen seit Monaten informiert. Endlich habe man Nolle. Bereits um Ostern wurde nach diesen Presseinformationen wenigstens einem Journalisten von einem hochrangigen Regierungsvertreter ein entsprechendes Material angeboten. Der Journalist lehnte ab. Vermutlich gab es das Angebot an weitere Journalisten. Sie taten es dem ersten gleich.“
Ob diese Medienberichte wahr sind, wissen Sie besser als diejenigen, die jetzt auf der Tribüne von der Presse vertreten sind. Nebenbei bemerkt, fügt der Anwalt hinzu, dass sie sich nahtlos in das Gesamtbild der Angelegenheit einfügen.
Ich beende jetzt das Zitat, das Statement des Herrn Rechtsanwalts Stefan Strebe, Fachanwalt für IT-Recht und Verfahrensbevollmächtigter von Karl Nolle, und stelle mit Nachdruck die Frage an die Staatsregierung, ob dieser Vorwurf, dass ein oder mehrere hochrangige Vertreter der Staatsregierung von den vermeintlichen Erkenntnissen zur Steuerfahndung im Fall Nolle seit Monaten Kenntnis hatten, richtig ist und ob diese Information quasi dosiert weitergegeben wurde.
Ich frage weiter: Nach seiner bzw. nach einer Erklärung der Anwälte hat Karl Nolle am Dienstag, dem 21.04.2009, gegen 22:54 Uhr durch eine SMS des Redakteurs der „Freien Presse“, Hubert Kemper, die auf seinem Handy einging, davon erfahren, dass die „Freie Presse“ am darauffolgenden Tag den Umstand öffentlich machen werde, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Subventionsbetruges einleiten will und hierzu die entsprechenden immunitätsrechtlichen Unterrichtungen vornehme. Ohne Chance, hierauf noch zu reagieren, las der Abg. Nolle am nächsten Morgen die besagte Pressemeldung. Zu diesem Zeitpunkt lag nach seinen Erklärungen bzw. seiner Rechtsanwälte weder ihm noch dem Präsidenten des Sächsischen Landtages die nach Ziffer 3 der generellen Genehmigung des Sächsischen Landtages zur Strafverfolgung von Abgeord
Ich frage an dieser Stelle – das werde ich in meinem zweiten Teil weiter ausbauen –: Ist die Staatsregierung vorher von diesen Mitteilungen an den Präsidenten bzw. den Abgeordneten unterrichtet gewesen? Sind die Entwürfe der entsprechenden Mitteilung an den Präsidenten vorher in das Staatsministerium der Justiz gelangt und wurden sie vorher im Staatsministerium der Justiz in irgendeiner Form zur Kenntnis genommen, bewertet, beurteilt, genehmigt oder in sonstiger Weise beeinflusst?
Diese Frage habe ich, und ich erwarte heute, dass der Herr Staatsminister der Justiz auf diese Frage das Parlament wahrheitsgemäß unterrichtet. Weitere Fragen dazu würde ich dann noch anfügen, weil ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende ist und ich diese auch nicht weiter strapazieren will. Ich werde dann später danach fragen. Aber das ist meine erste Frage: Ist der Entwurf der entsprechenden Unterrichtung vorher im Staatsministerium gewesen oder wie erklärt es sich, dass die ursprüngliche Unterrichtung nicht vom leitenden Oberstaatsanwalt unterschrieben war?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich meinem Vorredner entgegnen, dass es mich wundert, dass er so spät auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit der Justiz im Freistaat Sachsen pocht bzw. hinweist. Es gab eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder anderer Fraktionen, wo ebendiese Form der Rechtsstaatlichkeit von Ihnen, Herr Bartl, nicht eingefordert worden ist. – Das als Vorrede.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob dieses Thema heute ein Thema für eine Aktuelle Debatte ist, kann ich nicht genau beurteilen.
Ich wiederhole: Ob dieses Thema heute ein Thema für eine Aktuelle Debatte ist, kann ich nicht genau beurteilen. Ein aktuelles Thema ist es allemal. Ich bin mir sicher, dass einige Probleme in der sächsischen Justiz, Herr Staatsminister, schnellstens zu klären sind. Aus vielen Gesprächen, besonders aus meiner Fraktion, der CDUFraktion, weiß ich, dass es so nicht weitergehen kann.
Gemeinsam mit vielen engagierten Einwohnern des Freistaates Sachsen – klatschen Sie hier drüben nicht zu früh! – haben wir den Freistaat Sachsen wieder aufgebaut. In diesen Jahren galt neben vielen wichtigen Aufgaben unsere besondere Aufmerksamkeit dem Aufbau der sächsischen Justiz. Es war und bleibt die uns durch die friedliche Revolution des Herbstes 1989 erteilte wichtige Aufgabe, eine starke und unabhängige Justiz zu schaffen und sie als besonderes Anliegen in unsere Arbeit aufzunehmen,
damit nach Zeiten des Einflusses der NSDAP und später der SED, die die Rechtsprechung beeinflussten, die Rechtsprechung im Freistaat Sachsen unabhängig von Einflussnahme arbeiten kann.
Gewaltenteilung ist die Verteilung der Staatsmacht auf mehrere Staatsgewalten zum Zwecke der Machtbegrenzung und zur Sicherung von Recht, Freiheit und Demokratie, so wie es die Menschen im Freistaat Sachsen auf den Straßen auch eingefordert haben.
Deshalb darf es, meine sehr geehrten Damen und Herren, keine Anfragen zu Ermittlungen von Staatssekretären an verfahrensleitende Staatsanwälte mehr geben.
In der letzten Debatte hatten wir dies hier im Hohen Hause auch festgestellt. Ich glaube, Staatsminister Mackenroth hat dies auch entsprechend umgesetzt.
Unabhängige Gerichte sind eines der wichtigsten Ergebnisse der friedlichen Revolution. Deshalb sollten Sie nicht so mit diesem Thema umgehen. Dieses Gelächter zeigt mangelnden Respekt vor dem Ergebnis der friedlichen Revolution.
Mein Respekt gilt allen Richtern, Staatsanwälten und weiteren Mitarbeitern der Justiz, die das Erbe der friedlichen Revolution in ihrer Arbeit verinnerlicht haben. Dennoch gibt es immer wieder Anlass, auf die besondere Stellung der drei Staatsgewalten hinzuweisen. Der Respekt zwischen den Staatsgewalten muss immer wieder neu eingefordert werden. Dabei darf nicht vergessen werden:
Quelle aller Staatsgewalt bleibt das Volk des Freistaates Sachsen. Deshalb haben die Staatsgewalten Respekt vor dem Volk zu üben, dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen und damit ihren Beitrag zur Demokratie zu leisten. Wer das nicht will, soll sich eine andere Wirkungsstätte suchen.
Wo Menschen arbeiten, werden auch Fehler gemacht, ob im Privaten, in Unternehmen, in Verwaltungen, in der Justiz oder in der Politik. Entscheidend ist, dass man danach auch dazu stehen muss. Wer von uns ist schon fehlerlos?! In der dritten Staatsgewalt gibt es dabei Richter-Dienstgerichte, die das zu klären haben. Auch Abgeordnete sind nicht fehlerlos. Deshalb gibt es Regelungen in der Sächsischen Verfassung, insbesondere mit Artikel 55, deren Einhaltung Sie natürlich zu garantieren haben, Herr Staatsminister.
Es geht weiterhin nicht an, dass Abgeordnete bereits im Zuge von Vorermittlungen öffentlich an den Pranger gestellt werden.
Ich weiß, dass es in den letzten Tagen Gespräche gegeben hat, die die Anwendung sächsischen Rechtes einfordern. Das ist für Sie, Herr Staatsminister, ein Leichtes. Setzen Sie sächsisches Recht in die Praxis um, und wir werden einige Probleme in diesem Land weniger haben. Ich füge einen Punkt hinzu, Herr Staatsminister: Ich erwarte auch Respekt von Staatsanwälten, die dieses Hohe Haus als „Quatschbude“ bezeichnen.
Es geht nicht an, Respekt vom Landtag einzufordern und dann so gegenüber dem Landtag zu reagieren. Das darf es im Freistaat Sachsen nicht geben. Herr Staatsminister der Justiz, sorgen Sie dafür, dass Einzelne aus der Justiz wieder die notwendige Souveränität in ihren Äußerungen zurückgewinnen!