Protocol of the Session on May 14, 2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Mangel an Demokratie muss in der EU behoben werden. Man muss auch wirklich darüber reden können, und zwar ohne Scheuklappen, damit Europa – daran ist uns gelegen – ein Erfolgsprojekt für die Menschen wird.

Insofern bitte ich Sie sehr ernsthaft, auch unseren Antrag, den Herr Kosel hier vorstellen wird, noch einmal mit zu diskutieren, denn es ist mehr zu tun, als nur zu feiern. Wir brauchen einen kritischen Blick. Ich denke, den kann man trotzdem haben, auch wenn man für dieses Europa streitet. Das wollen wir als Linke auch tun.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die NPD-Fraktion wird vertreten durch Herrn Despang.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antragsteller gehen schon jetzt davon aus, dass der sogenannte EU-Reformvertrag, der ja nichts anderes als eine verkappte Europäische Verfassung ist, gegen den klaren Willen der europäischen Völker durchgepeitscht wird, und zwar im Herbst, wenn das irische Volk – das einzige, das sich überhaupt äußern durfte und natürlich prompt Nein gesagt hat – erneut zur Wahl gerufen wird.

Wenn es dann auch wieder nicht klappt mit der Zustimmung, wird halt ein drittes Referendum auf der Grünen Insel durchgeführt, bis das manipulierte Volk doch noch irgendwann einmal Ja sagt.

Fällt Ihnen, meine Damen und Herren, nicht auf, dass hier eine Parodie auf Demokratie durchgeführt wird?

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Wenn nicht oder wenn es Ihnen egal ist, dann kann es wirklich nicht weit her sein mit der demokratischen

Überzeugung, die Sie hier im Landtag immer mit geschwollener Brust vor sich her tragen.

Ihnen dürfte wohl noch in Erinnerung sein, dass zwei große europäische Völker, die Franzosen und die Niederländer, ebenfalls die Europäische Verfassung abgelehnt haben. Wie gesagt, um die handelt es sich auch bei dem Reformvertrag. Diesmal dürfen sie erst gar nicht mehr abstimmen, sondern die umetikettierte Verfassung wird ihnen einfach übergestülpt.

Sie werden sich sicher auch an die Umfragen in Deutschland erinnern, meine Damen und Herren, in denen die EU-Verfassung regelmäßig mit übergroßer Mehrheit abgelehnt wurde. Sie trauen den Umfragen nicht? Gut. Aber dem Volk trauen Sie offenbar erst recht nicht. Sonst hätten Sie es befragt, bevor Sie sich anschickten, die bisherige BRD-Grundordnung und den Rest an Souveränität endgültig preiszugeben.

Aber viel zu groß war und ist bei Ihnen, meine Damen und Herren, die Angst vor einem Nein aus Deutschland, sodass Sie noch nicht einmal ansatzweise über eine solche Befragung nachgedacht haben. Es mag sich in Ihren Ohren vielleicht naiv anhören, aber eine solche Befragung des Volkssouveräns gehört sich einfach, wenn man die Regierungsordnung von Grund auf ändert und erhebliche Souveränitätsrechte aufgibt. Dies ohne Anhörung des Volkes zu tun ist nicht nur ein regelrechter Betrug, sondern vor allem Landesverrat. Die Quittung werden Sie aber schon noch bekommen, meine Damen und Herren, denn der Zusammenbruch des globalistischen Systems hat erst begonnen, und am Ende wird es die EU nicht mehr geben.

Wir werden beide Anträge selbstredend ablehnen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion hat noch einmal gewechselt; Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es relativ kurz machen. Ich glaube, die europapolitischen Positionen der FDP sind in zahlreichen Debatten hier im Plenum deutlich geworden.

Nur zwei Worte zu beiden Anträgen: Mich erstaunt schon, dass die Vertreter der Regierungskoalition hier bemängeln, dass sie sich von der Staatsregierung nicht hinreichend informiert fühlen. Das scheint einen tieferen Grund zu haben.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Schade, dass Sie das erst am Ende der Legislaturperiode bemerken und nicht am Anfang. Man hätte vielleicht noch etwas in Ordnung bringen können, wenn man am Anfang die Regierung aufgefordert hätte, auch das Parlament in die sächsische Europapolitik einzubeziehen.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wir werden nichtsdestotrotz beiden Anträgen zustimmen. Das erfreut Sie sicherlich, Herr Brangs.

Den Rest der Rede gebe ich zu Protokoll.

(Beifall bei der FDP)

Herr Weichert, Sie beschließen die erste Runde; das ist nicht die letzte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Schelm, wer denkt, dass wir diese Debatte der anstehenden Europawahl verdanken können, oder der meint, dass die ganzseitigen Anzeigen, mit denen die Staatsregierung neuerdings Werbung für den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung macht, etwas mit der Europawahl zu tun haben könnten. Sehen wir es mal positiv: Hoffen wir, dass solche Maßnahmen das Bewusstsein für die Bedeutung Europas erhöhen; tun wir mal so, als ob es nicht um Wahlkampf ginge, und freuen wir uns ganz unparteiisch, dass auch Angehörige des Sächsischen Landtages künftig in Brüssel ihre Kompetenz einbringen wollen.

Meine Damen und Herren, die beiden vorliegenden Anträge der Koalition und der Linksfraktion sprechen nämlich durchaus wichtige Themen an. Der Antrag der Koalition ist dabei leider etwas sehr kursorisch geraten nach dem Motto: Schreiben wir mal alles rein, was uns zum Thema Europapolitik einfällt. Der Antrag der Linksfraktion geht doch etwas konkreter auf einige Hausaufgaben ein, die der nächste Sächsische Landtag noch zu leisten hat, wenn er angemessen an der Europapolitik des Freistaates beteiligt sein will.

Ich werde aber zunächst auf die Punkte 1, 3 und 4 des Koalitionsantrages eingehen.

Meine Damen und Herren, dass die Staatsregierung aufgefordert werden soll, über ihre europapolitischen Schwerpunkte zu berichten, ist ja ganz schön, aber ein solcher Bericht ist bei Weitem noch keine echte Beteiligung des Landtages. Die europapolitischen Defizite unseres Landtages sind bereits im Januar zur Sprache gekommen, als wir über einen Berichtsantrag zum Ausschuss der Regionen beraten haben. Den Bericht haben wir ja jetzt. Ich weiß nicht, wer sich dadurch besser beteiligt fühlt als vorher. Ich habe damals schon gesagt, dass die Staatsregierung angehalten werden sollte, regelmäßig über ihre europapolitischen Aktivitäten zu berichten und dabei auch die Stellungnahmen des Landtages zu berücksichtigen. Diese Forderung kann ich bei dieser Gelegenheit ohne Abstriche wiederholen.

Abgesehen davon finde ich es bemerkenswert, wie selbstverständlich die Koalition davon ausgeht, über die kommende Wahl hinaus bestehen zu bleiben, und sich sozusagen selbst beauftragt, über ihre gemeinsamen europapolitischen Schwerpunkte im Jahr 2010 zu berichten.

Beim Punkt 3 muss man sich fragen, welchen Zweck die Mitteilung über die Maßnahmen zur Hebung der Wahlbeteiligung bei der Europawahl haben soll.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Die Wahl findet in dreieinhalb Wochen statt. Was wollen Sie denn jetzt noch mit dieser Information anfangen? Glauben Sie die Wahlbeteiligung noch kurzfristig verbessern zu können? Ich denke, dass wir es hier nicht mit einer kurzfristigen Aufgabe zu tun haben.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Wichtig wäre es, die Bürgerinnen und Bürger über die Funktionsweisen der Europäischen Union und über den Einfluss des Europäischen Parlaments zu informieren. Das wäre ein richtiger Schritt dahin, dass sich die Menschen bewusst anhand europapolitischer Kriterien entscheiden und die Europawahl einen anderen Stellenwert als eine bloße Testwahl hat.

Zu Punkt 4 ist im Grunde genommen Ähnliches zu sagen wie zu Punkt 1 des Antrages. Es wäre wünschenswert, dass die Staatsregierung regelmäßig über ihre Aktivitäten hinsichtlich der Zusammenarbeit mit anderen Ländern berichtet. Das gilt für die Aktivitäten in Brüssel ebenso wie für die direkte Zusammenarbeit mit unseren unmittelbaren Nachbarn Polen und Tschechien. Ich weiß zwar nicht, warum man immer noch eigens erwähnen muss, dass diese Länder mittlerweile der Europäischen Union beigetreten sind, wie Sie es in Ihrem Antrag tun. Aber vielleicht liegt das ja daran, dass sich noch nicht alle Mitglieder der Koalitionsfraktionen an diese Tatsache gewöhnt haben.

Meine Damen und Herren, CDU und SPD präsentieren uns also einen Antrag, in den man fröhlich alle möglichen europapolitischen Punkte hineingepackt hat, um sich mal wieder von der Staatsregierung berichten zu lassen.

Der interessanteste Teil ist aber der Punkt 2 des Antrages. Das verdeutlicht ausgerechnet der parallel vorliegende Antrag der Linksfraktion. Die Koalitionsfraktionen fragen die Landesregierung, wie diese sich die Einbindung des Landtages in das Subsidiaritätsfrühwarnsystem, das der Reformvertrag von Lissabon vorsieht – so wörtlich – „vorstellt“. Ich finde, diese Formulierung ist verräterisch. Da soll sich also die Staatsregierung äußern, wie sie die angemessene Beteiligung des Parlaments zu regeln gedenkt. Meine Damen und Herren, etwas mehr Souveränität sollte sich ein Parlament schon zutrauen und selbst Regelungen zu einer europapolitischen Handlungsfähigkeit entwickeln, statt bei der Regierung nachzufragen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Antrag der Linksfraktion ist in dieser Hinsicht etwas ernsthafter, indem in ihm konkrete Maßnahmen benannt werden. Diese sollten auch zustimmungsfähig sein, zumal sie keine linken Neuerfindungen sind, sondern im Wesentlichen der Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente vom 15. bis 17. Juni 2008 entsprechen.

Ich halte auch den darüber hinausgehenden Vorschlag in diesem Antrag für sinnvoll, eine bessere Vernetzung mit den Vertretungskörperschaften der tschechischen Bezirke

und der polnischen Woiwodschaften anzustreben, auch wenn man kritisch ergänzen muss, dass diese andere regionale bzw. institutionelle Ebenen abdecken als ein deutsches Länderparlament. Aber diese Inkongruenz kann kein grundsätzliches Argument gegen eine regionale Zusammenarbeit auch zwischen den gewählten Vertretungen der Regionen sein.

Meine Damen und Herren, dass wir über eine bessere europapolitische Beteiligung nicht nur der nationalen Parlamente, sondern auch der Landtage reden können, verdanken wir dem Vertrag von Lissabon. Meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt das Übereinkommen, und es freut uns sehr, dass kürzlich auch der Senat unseres Nachbarlandes Tschechien dem Lissabon-Vertrag mit der nötigen Mehrheit zugestimmt hat. Umso mehr bedauern wir die Haltung des tschechischen Präsidenten Václav Klaus gegenüber dem Vertrag.

Ich sage das auch in Richtung Linksfraktion. Sie wollen mit Recht das Prozedere zur europapolitischen Beteiligung des Landtages regeln. Aber seitens der EU ist es gerade der EU-Vertrag von Lissabon, der neue Möglichkeiten der Mitwirkung eröffnet. Ich finde, das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Fundamentalkritik der Linken gegen den Vertrag von Lissabon. Durch ihren Antrag bestätigt die Linksfraktion indirekt, dass dieser Vertrag demokratische Fortschritte ermöglicht, aber parteioffiziell wird dies geleugnet und der Vertrag als neoliberales Teufelswerk verunglimpft.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)

Erfahrene Europapolitiker der Linken, die sich eine etwas differenziertere Sichtweise auf den Lissabon-Vertrag erlaubt haben, wurden zur Europawahl nicht mehr aufgestellt.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)

Ich sage das ganz bewusst, weil wir GRÜNEN den Vertrag durchaus kritisch sehen. Die Kritik fällt bei uns auch unterschiedlich heftig aus, Herr Scheel, aber wir lassen Differenzen in dieser Frage wenigstens zu.

Auch wenn der Vertrag von Lissabon hinsichtlich des Demokratiedefizits innerhalb der EU verbesserungsfähig ist, sollten wir doch die Schritte in die richtige Richtung als solche anerkennen und auch selbst unseren Beitrag dazu leisten, dass sie unternommen werden.

Der Antrag der Koalition leistet dies bei Weitem nicht. Der Antrag der Linksfraktion benennt wenigstens einige Hausaufgaben, die wir hier zu machen haben. Wenn infolge des Lissabon-Abkommens eine bessere Einbindung der Landtage in die Angelegenheiten der Europäischen Union möglich wird, dann müssen diese entsprechende Entscheidungen treffen, um die verbesserten Mitwirkungsmöglichkeiten auch auf ihrer Seite institutionell zu verankern. Der neue Landtag wird die Mechanismen schaffen müssen, die eine bessere Information und Einbindung der Abgeordneten gewährleisten. Gerade weil auf uns mehr europapolitische Verantwortung zukommen