Protocol of the Session on May 13, 2009

Viel war von Minister Jurk über den Segen landeseigener Konjunkturprogramme zu hören. Doch wenn man sich die „Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur im Freistaat Sachsen“ ansieht, stellt man erstaunt fest, dass viele der Programme bis zum 31.12.2009 befristet sind, zum Beispiel das Mittelstands-Stabilisierungsprogramm oder das Programm „BBS Liqui“ zur Liquiditätssicherung für mittlere und kleinere Unternehmen. Die Befristung dieser Programme bis Ende 2009 lässt vermuten, dass die Staatsregierung ernsthaft glaubt, der größte Konjunktureinbrauch der deutschen Nachkriegsgeschichte sei in wenigen Monaten schon ausgestanden. Diese Einschätzung lassen aber nicht einmal die vom Ministerium selbst veröffentlichten Zahlen zu. Im Baugewerbe, in der Industrieproduktion, im Groß- und Einzelhandel und anderswo sind sachsenweit Umsatzeinbrüche und Stellenabbau zu beklagen.

Das, was die Regierenden in Berlin und Dresden als Konjunkturprogramm verkaufen, ist nichts anderes als ein Ruhestellungsprogramm für das Volk, bis die Wahlen im Herbst vorüber sind. Deshalb will sich die NPD-Fraktion gar nicht lange bei diesem Thema aufhalten und den Blick stattdessen auf einen sächsischen Wirtschaftszweig lenken, den das Wirtschaftsministerium ohne jede gesetzgeberische Gegenwehr auf dem Altar der Globalisierung opfert. Anders sind die Unterlassungssünden des JurkMinisteriums gegenüber der heimischen Textilindustrie nicht erklärbar.

Die Staatsregierung sieht hier tatenlos zu, wie ein traditionsreicher sächsischer Industriezweig infolge eines entfesselten Finanzkapitalismus zugrunde geht. Dafür steht beispielsweise die Tuchfabrik in St. Egidien im Landkreis Zwickau. Die Muttergesellschaft des Werkes, „Palla Creativ Textiltechnik“ mit Sitz in Aachen, ist seit November 2008 insolvent. Weil das Werk aber hochmodern und profitabel ist und fast 500 Menschen in einer strukturschwachen Region in Lohn und Brot bringt, bestand über die Rettungswürdigkeit des Unternehmens durch einen staatlichen Überbrückungskredit eigentlich Einvernehmen. Die Geschäftsführung in St. Egidien hatte bereits nach der Insolvenz der Mutterfirma dem Wirtschaftsministerium mitgeteilt, dass man eine Kredithilfe des Freistaates in Höhe von insgesamt 4 Millionen Euro brauche, um die nächste Saison zu überstehen. Im Frühjahr findet nämlich immer die sogenannte Musterungsphase der Tuchhersteller statt, um die Saisonaufträge mit den Bekleidungsherstellern abzuschließen. Wenn dabei auch nur der leiseste Verdacht besteht, dass ein Hersteller

seinen Lieferverpflichtungen wegen Liquiditätsproblemen nicht nachkommen kann, geht er bei der Auftragsvergabe leer aus. Das kommt einem betriebswirtschaftlichen Todesurteil gleich, weil in der Folgesaison die Kapazitäten unausgelastet sind und damit Verluste eingefahren werden. Genau in dieser bedrohlichen Lage befand sich das Werk in St. Egidien.

Dem Wirtschaftsministerium war das voll umfänglich bekannt und es gab grundsätzlich auch grünes Licht für den 4-Millionen-Kredit durch die Sächsische Aufbaubank.

Wirtschaftsminister Jurk erklärte damals: „Der Freistaat glaubt an die Zukunft des Unternehmens und seiner 500 Mitarbeiter. Die Palla GmbH nimmt in ihrem Marktsegment ein Alleinstellungsmerkmal ein.“

Trotz dieser ministeriellen Absichtserklärung kam es nicht zur Kreditgewährung. Obwohl das Wirtschaftsministerium Mitte März, also sowieso schon reichlich spät, die Gewährung der Finanzhilfe verkündet hatte, kam das Geld bei Palla nach Aussage des Insolvenzverwalters Christoph Niering niemals an.

Kurz danach erklärte die Staatsregierung, sie hätte den schon zugesagten Kredit der SAB doch nicht freigeben können. Gab es vielleicht wieder einmal ein Veto der unsäglichen Europäischen Union, Herr Jurk?

Eine Betriebsrätin von Palla erklärte der NPD-Fraktion gestern auf Nachfrage, dass seit Anfang April 90 Mitarbeiter freigestellt sind und die restlichen 400 Mitarbeiter noch bis Ende Juni Arbeit haben, bis das Werk in St. Egidien endgültig geschlossen wird. Und das alles, meine Damen und Herren, weil die Staatsregierung nicht bereit war, diesem hochrentablen Werk mit einem läppischen 4Millionen-Kredit der Sächsischen Aufbaubank über die vorübergehende Liquiditätskrise zu helfen.

Die NPD hält dies für eine Bankrotterklärung sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik und findet es nur nachvollziehbar, wenn frühere Palla-Mitarbeiter nun sagen: Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten.

(Beifall bei der NPD)

Zu diesen und anderen Unterlassungssünden hätte sich der Staatsminister einmal äußern sollen, anstatt Plattitüden über Innovation als Motor für Wachstum und Arbeitsplätze abzusondern; denn auch im Falle einer anderen sächsischen Textilfabrik hat sich die Staatsregierung durch unterlassene Hilfeleistung an einer ganzen Region versündigt. Ich spreche von dem Viskosegarnhersteller Enka, dessen Produktionsstandort in Elsterberg abgewickelt werden soll, obwohl das Werk tiefschwarze Zahlen schreibt und die Mitarbeiter bereit sind, das Werk in eigener Regie fortzuführen. Um das Werk, die Produktionsanlagen und die Arbeitsplätze durch einen Eigentümerwechsel zu sichern, hätte die Staatsregierung – gestützt auf das Sozialpflichtigkeitsgebot des Grundgesetzes – die Enteignung des bisherigen Eigentümers ins Auge fassen müssen. Schließlich wird das Werk in Elsterberg mit seinen 380 Arbeitsplätzen nur deswegen platt ge

macht, weil der Eigentümer ICIG die Produktion auf seine Werke in Polen und China konzentrieren will.

Die NPD fordert deshalb in einem Gesetzentwurf, der heute noch zur 1. Lesung ansteht, die vorübergehende Weiterführung des Werkes als landeseigene Betriebsgesellschaft, bis zeitnah ein neuer Investor gefunden ist, der die rentable Produktion in Elsterberg fortführt.

Während die NPD also für konsequenten Politikwechsel zugunsten von Volk und Land eintritt und den Gestaltungswillen der Politik einfordert, verstehen sich die Regierenden als bloße Moderatoren und Verwalter des wirtschaftlich sozialen Niedergangs. Wo ist denn das Bekenntnis der Staatsregierung zur Erhaltung der heimischen Textilindustrie, von der trotz aller Produktionsverlagerungen ins Ausland immer noch 12 000 Arbeitsplätze in Sachsen abhängen?

Weil nicht noch mehr Betriebe und Wirtschaftszweige den Globalisierungstod sterben sollen, haben wir als NPD den Antrag mit dem Titel „Sächsische Textilindustrie sichern! Schließung der Werke in St. Egidien und Elsterberg verhindern“ in den Geschäftsgang des Landtages eingebracht. Darin fordern wir kurzfristige Maßnahmen der Staatsregierung zur Erhaltung der derzeit akut gefährdeten Textilbetriebe in Sachsen.

In dieser Generaldebatte muss aber auch daran erinnert werden, dass die von uns allen äußerst geschätzte Bundeskanzlerin bis zum Kollaps des internationalen Finanzkapitalismus im Herbst gebetsmühlenartig behauptete, dass es einen Wirtschaftsaufschwung gebe, der bei den Deutschen auch ankomme. Bei den Deutschen kam aber kein Aufschwung an, sondern nur der Zynismus einer Bundeskanzlerin, die von den Alltagsproblemen der Menschen so weit entfernt ist, als käme sie von einem anderen Sonnensystem.

Schon vor dem Einsturz des finanzkapitalistischen Kartenhauses war die Wirklichkeit viel hässlicher, als es uns die Schönrednerin aus dem Kanzleramt weismachen wollte. Massenarbeitslosigkeit und Ausbildungsplatzmangel, Armutslöhne und Hartz IV, Preissteigerungen und Steuererhöhungen, Firmenpleiten und Privatinsolvenzen waren schon Realität, als Angela Merkel noch vom Aufschwung schwadronierte. Viele Deutsche fragten sich: Wenn das der Aufschwung ist, wie sieht denn dann der Abschwung aus? Heute wissen wir es.

Doch bleiben wir noch etwas im Jahr 2008, als die Wirtschaftswelt der Angela Merkel noch in bester Ordnung war und sie überall glückliche Menschen in blühenden Landschaften sah. Noch vor einem Jahr behauptete die Bundesregierung, dass die Arbeitslosenzahl auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren gesunken sei. Das war schon vor der Wirtschaftskrise nichts als eine faustdicke Lüge, denn seit Jahren werden Ein-Euro-Jobber, Frührentner, Umschüler und Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gar nicht mehr als Arbeitslose gezählt. Merkels Regierungsmotto damals wie heute lautet: Ich glaube keiner Arbeitslosenstatistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.

Schon vor der Wirtschaftskrise war die soziale Lage im Land beklemmend. Diejenigen, die vorübergehend Arbeit gefunden haben, können von ihren Niedriglöhnen oft kaum leben. Mehr als fünf Millionen Deutsche ganz unterschiedlicher Qualifikationen müssen für entwürdigende Niedriglöhne arbeiten. 1,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte verdienen trotz harter Arbeit so wenig, dass sie ihr Gehalt vom Staat aufstocken lassen müssen. So wurde inmitten Angela Merkels großartigem Wirtschaftsaufschwung der „Aufstocker“ geboren. Mehr als sieben Millionen Menschen leben mehr schlecht als recht von Hartz IV. Es ist eine Schande, dass in diesem eigentlich reichen Land auch 2,5 Millionen Kinder auf Sozialhilfeniveau leben müssen.

2008 legte die Bundesregierung ihren neuen Armutsbericht vor, der das Bild eines reichen Landes mit armen Menschen zeichnet. Danach gelten bereits heute 13 % der Bevölkerung als arm und weitere 13 % werden nur durch Sozialtransfers vor dem Abrutschen in die direkte Armut bewahrt.

Das heißt, dass selbst nach dem offiziellen Armutsbericht der Bundesregierung jeder vierte Deutsche arm oder armutsgefährdet ist. Während die Kapitalbesitzer vom goldenen Teller essen, leben Arbeitslose, Geringverdiener und Alleinerziehende nicht selten von der Hand in den Mund. Die Reichen werden also immer reicher und die Armen immer ärmer. Das ist keine rechtsradikale Propaganda, sondern Tatsache. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung besitzen die reichsten 10 % der Bevölkerung zwei Drittel des gesamten Volksvermögens, während die Mehrheit unseres Volkes keine nennenswerten Vermögenswerte besitzt.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Sie zahlen die Hälfte der Steuern!)

Lesen Sie mal die aktuelle OECD-Studie, die belegt, dass in keinem anderen OECD-Land die Klein- und Mittelverdiener so stark steuerlich belastet sind wie in dieser Bundesrepublik, Herr Patt.

Diese Zahlen zeigen, dass der von der schwarz-roten Bundesregierung behauptete Aufschwung zwar einer kleinen Schicht von Kapitalbesitzern zugute kam, aber an vielen Menschen, Berufszweigen und ganzen Landstrichen spurlos vorüberging.

Für die NPD ist diese neue Armut das Armutszeugnis eines Staates, der zwar immer genug Geld für Ausländer, das Ausland und das Großkapital übrig hat, dessen Politiker sich aber kaum noch um die sozialen Interessen ihres eigenen Volkes kümmern.

(Beifall bei der NPD)

Geld ist in diesem Land genügend vorhanden. Es muss nur endlich wieder gerecht verteilt werden und der großen Mehrheit der Deutschen zugute kommen. Um die soziale Gerechtigkeit in Deutschland wiederherzustellen, fordert die NPD seit Langem eine Generalrevision von Hartz IV statt Massenverarmung, einen gesetzlichen Mindestlohn

für alle Arbeitnehmer statt Ausbeutungslöhnen. Wir fordern Steuerentlastungen für kleine und mittlere Einkommen statt für Großverdiener. Wir fordern eine Steuerpolitik für kleine und mittlere Betriebe statt für Konzerne. Wir fordern die Ausländerrückführung statt der Einwanderung weiterer ausländischer Lohndrücker und Arbeitsplatzkonkurrenten.

(Beifall bei der NPD)

Wir fordern schließlich eine Förderpolitik für unsere eigene heimische Wirtschaft, anstatt Milliardensummen an konkurrierende Volkswirtschaften in der Europäischen Union zu verschleudern.

Diese Forderungen der NPD waren schon vor der Wirtschaftskrise von brennender Aktualität. Heute sind sie schlicht und ergreifend ein Gebot der ökonomischen Vernunft und der nationalen Solidarität.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

– Ich komme zum Ende.

Für uns Nationaldemokraten geht Arbeit vor Kapitalrendite. Man könnte auch sagen: Arbeit für Millionen statt Profite für Millionäre!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Herr Morlok, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Jurk, Sie haben hier als stellvertretender Ministerpräsident und sicherlich auch als SPDLandesvorsitzender eine Bilanz von viereinhalb Jahren Regierungsbeteiligung der SPD vorgelegt. Ich nehme das Ende meiner Rede einmal vorweg: Es ist eine traurige Bilanz.

(Beifall bei der FDP)

Sie sprechen von moderner Bildungspolitik. Das ist gut und schön. Aber Sie haben in der Regierung die Schulschließungsorgie von Herrn Flath mitgemacht. Ist es moderne Bildungspolitik, die Schulen auf dem flachen Land zu schließen und Schulwege von fast einer Stunde entstehen zu lassen? Das hat mit moderner Bildungspolitik überhaupt nichts zu tun.

Wir als FDP sagen: Es sollen sich lieber die Lehrer bewegen als die Schüler. Wir müssen von dem Dogma der Mehrzügigkeit im Grundschulbereich wegkommen. Das wäre eine moderne Bildungspolitik, aber nicht das, was Sie in der Regierung bisher gemacht haben.

(Beifall bei der FDP – Staatsminister Thomas Jurk: Wir wissen, dass es keine Mehrzügigkeit bei Grundschulen gibt.)

Kommen wir zum Thema frühkindliche Bildung und Kinderbetreuung.

Wie sieht es denn mit dem Landeserziehungsgeld aus? Das wird doch nur gezahlt, wenn die Eltern zu Hause bleiben, die Kinder zu Hause betreuen und nicht in die Betreuung geben. Wir wissen aber doch, dass es die Ärmsten, die sozial Schwachen sind, die dieses Geld dringend benötigen und die sich eine professionelle Kinderbetreuung nicht leisten können. Es sind doch die Ärmsten in der Gesellschaft, die Sie hier treffen.

Sprechen wir über das Thema Steuererhöhungen. Da muss ich an die Mehrwertsteuerlüge erinnern. Das war doch die SPD im Bundeswahlkampf gewesen.

Das nächste Thema ist der Gesundheitsfonds. Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass Sie die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt haben. Das ist richtig. Das geschah aber, nachdem Sie sie erst einmal kräftig erhöht hatten.

(Starker Beifall bei der FDP – Staatsminister Thomas Jurk: Sie sind doch privat versichert!)

Nun verkaufen Sie das als Erfolg und Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Sie faseln hier etwas von sozialer Gerechtigkeit und ziehen den Ärmsten in diesem Land das Geld aus der Tasche.

(Staatsminister Thomas Jurk: Ich brauche keine Belehrung!)

Mehr Netto für alle, das wäre ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit.