Protocol of the Session on May 13, 2009

Da alle Artikel abgelehnt worden sind, erübrigen sich weitere Beratungen und Abstimmungen, und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 14

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Förderung der Teilnahme von Kindern an Früherkennungsuntersuchungen

Drucksache 4/14409, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 4/15418, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend

Die Fraktionen haben zur allgemeinen Aussprache das Wort. Wir beginnen mit der CDU-Fraktion, danach die gewohnte Reihenfolge. Herr Abg. Krauß für die CDUFraktion, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jährlich sterben 150 Kinder in Deutschland an anhaltender Vernachlässigung oder Misshandlung – 150 Kinder pro Jahr! Wir haben pro Jahr 26 000 Fälle, in denen das Jugendamt Kinder in Obhut nehmen muss, weil die Kinder vernachlässigt worden sind, weil sie misshandelt worden sind oder weil die Eltern überfordert waren. Deshalb ist es richtig, dass man alles unternimmt, damit Kinder eben nicht zu Tode kommen.

Wir wissen, dass es noch eine große Dunkelziffer bei der Vernachlässigung gibt. Es gibt Kinder, die vernachlässigt werden; aber keiner merkt es oder keiner will etwas merken. Deshalb ist es Auftrag des Gesetzgebers, alles zu unternehmen, damit Kinder nicht benachteiligt oder vernachlässigt werden, damit Kinder gesund aufwachsen können und Eltern Hilfsangebote erhalten; denn die meisten Eltern wollen gute Eltern sein, sind jedoch überfordert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf steht im Einklang mit dem sächsischen Handlungskonzept für präventiven Kinderschutz. Er ist also ein Baustein der Politik, die wir in den vergangenen Jahren betrieben haben; deshalb auch vielen Dank an die Staatsministerin, dass sie dieses Handlungskonzept mit Leben füllt. Wir haben bereits den Kommunen Unterstützung finanzieller Natur gegeben, und nun kommen wir zum nächsten Baustein, einer gesetzlichen Regelung des Kinderschutzes.

Mit dem Änderungsantrag, den die Koalition im Ausschuss eingebracht hatte, haben wir den Hinweis auf lokale Netzwerke gegeben. Es ist wichtig, dass beim Kinderschutz alle Beteiligten an einen Tisch kommen. Diese Vernetzung fördern wir finanziell. Wir wollen, dass die freien Träger der Jugendhilfe, die Gesundheitsämter, die Sozialämter, die Schulen, die Polizei, die Krankenhäuser, die Beratungsstellen, die Familienbildungsstätten, die Familiengerichte, die Hebammen usw. zusammenkommen und ein Netzwerk bilden, damit wir den Kinderschutz gewährleisten können und Hilfsangebote weiter bekannt gemacht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Schwerpunkt des Gesetzentwurfes ist die Beteiligung an Früherkennungsuntersuchungen. Wir wollen diese Beteiligung erhöhen, dabei aber keinen Zwang haben. Wir wollen ein verbindliches Einladungswesen, damit Familien mit ihrem Kind zur Früherkennungsuntersuchung kommen.

Wie Sie vielleicht wissen, gehen andere Bundesländer in dieser Frage weiter. In Bayern oder in Thüringen erhalten die Eltern zum Beispiel das Landeserziehungsgeld erst dann, wenn sie bei der Vorsorgeuntersuchung waren bzw. sie haben ein Problem, einen Kindergartenplatz zu bekommen, wenn sie an der Früherkennungsuntersuchung nicht teilgenommen haben. Wir wollen das nicht so regeln. Wir wollen in erster Linie das Einladungswesen verbindlich regeln und damit die Teilnehmerzahlen

erhöhen. Wir wollen die Eltern mit einem Brief an die Bedeutung von Früherkennungsuntersuchungen erinnern, wenn sie mit ihrem Kind nicht an der Vorsorgeuntersuchung teilgenommen haben. In diesem Brief sollte ihnen mitgeteilt werden, dass diese Früherkennungsuntersuchungen sehr wichtig für ihr Kind sind. Dabei werden Defekte oder Krankheiten früher erkannt und man kann dem Kind helfen. Ferner wird dabei geprüft, ob bei dem Kind Bewegungsstörungen, Sprachentwicklungsstörungen oder eine Übergewichtigkeit bestehen, und es wird der Reflexstatus geprüft.

All das wird bei den Früherkennungsuntersuchungen herausgefunden. Das ist im Interesse der Eltern und des Kindes.

Wir sagen ihnen auch – falls es die Eltern noch nicht wissen –, zu welchem Arzt sie gehen können. Das Gesundheitsamt wird auf Hilfsangebote hinweisen und Beratungsstellen nennen, an die sich die Eltern wenden können. Klar ist aber auch: Wenn die Eltern diese Hilfsangebote nicht annehmen, dann muss das Gesundheitsamt nachfragen, warum die Eltern ihr Kind nicht zur Früherkennungsuntersuchung schicken. Dafür gibt es durchaus verschiedene Gründe. Die Eltern können in Urlaub gewesen sein, das Kind kann krank gewesen sein, die Oma kann gestorben sein oder es kann der linksalternative Rechtsanwalt sein, der Vorsorgeuntersuchungen genauso ablehnt wie Impfungen oder die Nationalhymne.

(Zuruf von der CDU)

Ja, da gibt es wenige mit Kindern. Diesbezüglich hat Kollege Piwarz recht.

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Krauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Frau GüntherSchmidt, bitte schön.

Können Sie mir bitte einmal den sachlichen Zusammenhang zu Ihrer eben gemachten Erklärung geben? Ich denke, Sie haben damit den Kollegen Lichdi gemeint.

An den Kollegen Lichdi habe ich nicht gedacht. Bei ihm weiß ich noch nicht einmal, ob er Kinder hat.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Ich weiß auch nicht, ob Herr Kollege Lichdi Impfungen ablehnt.

Ich hätte bei diesem Rechtsanwalt – von mir aus können Sie sich irgendjemanden vorstellen – überhaupt kein Problem, wenn dieser sagt – ein Problem hätte ich schon, aber es wäre akzeptabel –: Mein Kind schicke ich nicht zur Vorsorgeuntersuchung. – Wir müssen ihn aber fragen,

aus welchen Gründen das nicht geschieht. Wenn man bei dieser Prüfung aber feststellt, dass das Kind vernachlässigt wird bzw. es den begründeten Verdacht der Vernachlässigung gibt, dann muss das Jugendamt eingeschaltet werden, dann muss der Staat tätig werden und darf nicht wegschauen, dann müssen wir dem Kind helfen.

Schauen wir uns zum Beispiel die U7-Untersuchung an. Wie viele Kinder nehmen an dieser U7-Untersuchung teil? An der U7-Untersuchung nehmen in Sachsen 5 % nicht teil. Wir wissen, dass die Teilnahme – das wissen wir aus einer in Berlin durchgeführten Untersuchung – sehr viel mit dem Sozialstatus der Familie zu tun hat. Bei niedrigem Sozialstatus ist die Teilnahmequote an der U7Untersuchung 26 % niedriger als bei Familien mit einem hohen Sozialstatus. Es wird somit deutlich, dass Familien, die nicht zur Vorsorgeuntersuchung gehen, häufig aus einem schwierigen sozialen Milieu kommen.

(Elke Herrmann, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Krauß, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Ich möchte den Gedanken erst zu Ende führen, weil sich dann die Frage von Frau Kollegin Herrmann, glaube ich, erledigt.

Also nein?

Nein, erst einmal nicht. Wenn ich den Gedanken ausgeführt habe und es gibt dann eine Frage, beantworte ich diese gern.

Familien mit niedrigem Sozialstatus gehen seltener zur Vorsorgeuntersuchung. Das lässt den Verdacht aufkommen, dass diese Familien besonderen Unterstützungsbedarf haben und man ihnen Hilfsangebote unterbreiten muss. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen und einer Kindesvernachlässigung. Das geschieht aber nicht in dem Sinne, dass man sagen kann: Wer nicht an einer Vorsorgeuntersuchung teilnimmt, misshandelt automatisch sein Kind. Das ist falsch und das ist Quatsch. Sagen können wir aber: Wenn ein Kind nicht an einer Vorsorgeuntersuchung teilnimmt, dann ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass das Kind vernachlässig wird.

Diesbezüglich möchte ich auf die Anhörung verweisen. Das Saarland ist das Land, das als erstes Land ein Kinderschutzgesetz hatte und bereits Erfahrungen gesammelt hat. Ich möchte die Referatsleiterin des saarländischen Sozialministeriums, Frau Renate Klein, die an der Anhörung teilgenommen hat, zitieren: „... wir sehen aus den Einschulungsuntersuchungen, dass Kinder, die nicht an Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen haben, sehr viel häufiger Vernachlässigungen aufweisen im Hinblick auf gesundheitliche Vorsorge; sei es die Versorgung mit Brillen, sei es Karies, sei es Adipositas, aber auch im Bereich der Entwicklungsförderung ganz gravierende Mängel gegenüber den Kindern aufweisen, die regelmäßig an den Vorsorgen teilnehmen.“

Ich glaube, damit ist das Argument der GRÜNEN widerlegt, es gebe dort keinen Zusammenhang.

Frau Herrmann möchte doch ihre Frage stellen.

Bitte schön, Frau Herrmann.

Herr Kollege, ich kann Ihren Ausführungen nicht ganz folgen. Sie sagen, ein niedriger Sozialstatus hänge damit zusammen bzw. die Folge davon sei, dass Eltern mit ihren Kinder nicht zu Früherkennungsuntersuchungen gehen.

Aber jetzt kommt die Frage!

Ja, jetzt kommt die Frage. – Sie führen das noch weiter aus.

Das ist immer noch keine Frage!

Das bedeutet, dass Sie der Meinung sind, dass Kinder, die in Familien mit einem niedrigen Sozialstatus aufwachsen, eher vernachlässigt werden als andere Kinder. Warum vertreten Sie nicht die Auffassung, die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder so weit anzuheben, damit der Sozialstatus automatisch ein anderer ist?

Mit Geld kann man das Problem leider nicht lösen. Ich habe nicht gesagt, dass, wenn ein Kind aus einer Familie mit einem geringen Sozialstatus kommt, dieses automatisch vernachlässigt wird. Ich habe in meiner Argumentation gesagt, dass das nicht die Folge ist, aber dass es einen Zusammenhang zwischen einem Kind, das aus einem niedrigen sozialen Milieu kommt, und der Vernachlässigung des Kindes gibt bzw. dass dort die Wahrscheinlichkeit höher ist. – Das wird man doch aussprechen dürfen.

(Elke Herrmann, GRÜNE: Was heißt für Sie Sozialstatus?)

Darüber können wir gern sprechen. Mit Geld können Sie diese sozialen Probleme nicht lösen.

(Stefan Brangs, SPD: Womit denn?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch auf das eingehen, was bei dem Gesetzentwurf noch zu beachten ist. Das Gesetz wird auf fünf Jahre befristet. Wir wollen überprüfen, inwieweit sich das Gesetz bewährt. Alle Bundesländer haben nach der Vereinbarung der Bundeskanzlerin mit den Ministern diese Gesetze auf den Weg gebracht. Wir wollen 2011 einen Bericht an die Staatsregierung – –

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, steht am Mikrofon.)