Protocol of the Session on March 19, 2009

Bei allem Respekt vor einem Experten für Insolvenzrecht, der uns gestern in der „Sächsischen Zeitung“ ganz im Sinne der CDU unter der Überschrift „Die Sanierung von Qimonda oder Märklin ist keine Staatsaufgabe“ belehren wollte, ohne dass in dem Text Qimonda auch nur ein einziges Mal erwähnt wurde, sage ich in aller Deutlichkeit: Wir reden heute nicht über Unterwäsche, Porzellan oder Spielzeugeisenbahnen, um die es in diesem „SZ“Beitrag ging; wir reden über einen strukturbestimmenden Betrieb des technologischen Innovationspotenzials der sächsischen Wirtschaft.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir als Linksfraktion haben daher von Anfang an verlangt, eine vorübergehende staatliche Beteiligung als Option ernsthaft zu prüfen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es sind seit 1990 nach Angaben des Dresdner Amtes für Wirtschaftsförderung alles in allem allein in Dresden 12 Milliarden Euro am Mikroelektronikstandort investiert worden. Das dadurch vor allem in der Region Dresden-Freiberg existierende Geflecht an HightechUnternehmen ist europaweit einzigartig. Wenn Sachsen seiner schon Jahrhunderte währenden Tradition treu bleiben will, ökonomisch an der Spitze mitzuspielen, darf dieser zentrale Pfeiler der Wirtschaft des Freistaates nicht demontiert werden.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich könnte heute auch durchaus manch Kritisches zur Bundes- und Europapolitik anmerken, denn auch die dort Verantwortlichen haben sich in Sachen Qimonda nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das ändert aber nichts daran, dass sich die Sächsische Staatsregierung nach Angaben von Herrn Verheugen erstmals im Januar und überaus zaghaft an die EU-Kommission gewandt hat, viel zu spät und viel zu leise.

Herr Tillich mag sich als langjähriger ehemaliger Europaabgeordneter und sächsischer Europaminister auf dem diplomatischen Parkett geschmeidig bewegen können, hinsichtlich politischer Entscheidungen aber ist er ein absolutes Leichtgewicht, das weder in Brüssel noch in Berlin im sächsischen Interesse irgendetwas zu bewegen vermag.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von der CDU: Unverschämtheit!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die laufende Legislaturperiode zu Ende geht, kann ich insbesondere die Koalition nur dringend davor warnen, in

Sachen Qimonda weiter nichts zu tun und stattdessen Trostpflästerchen zu verteilen.

Als sich zum Jahreswechsel die Lage des Unternehmens immer weiter zuspitzte, lancierten die schwarzen und die gelben Wirtschaftspolitiker in Sachsen die vermeintlich Trost spendende Prognose, dass die Insolvenz doch durchaus neue Chancen eröffnen würde. Das hat sich nun eindeutig als Trugschluss erwiesen, nicht zuletzt deshalb, weil die Staatsregierung den nötigen Eigenanteil an Aktivität bei der Lösungssuche im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht geleistet hat.

Nun soll es eine Transfergesellschaft richten, wie der Ministerpräsident draußen vor den Demonstranten erklärt hat. Ich habe persönlich Verständnis für jeden Arbeitnehmer, der nach diesem Strohhalm greift, wenn er ihm als Alternative zur sofortigen Arbeitslosigkeit angeboten wird.

Man sollte aber nicht vergessen – das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich betonen –, dass das Bundesarbeitsgericht zum Thema Transfergesellschaften festgestellt hat, diese seien – Zitat – „auf das endgültige Ausscheiden aus dem Betrieb gerichtet“.

Man kann sich in der Politik nicht endlos Zeit erkaufen, um aus der Verantwortung zu flüchten, auch deshalb, weil die betroffenen Menschen die ihnen aufgebürdete Unsicherheit nicht endlos ertragen können.

Eine Transfergesellschaft wäre also keine Lösung, sondern nur der nächste Schritt ins endgültige Aus. Nein, Herr Jurk und Herr Tillich, wir wollen Ihnen die Entscheidung nicht überlassen, wir wollen heute eine Entscheidung im Landtag, nicht als eine scheinbar perfekte Lösung, sondern als verbindliches Signal des Freistaates Sachsen, dass er seiner industriepolitischen Verantwortung endlich gerecht wird.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Da die Koalitionsabgeordneten ja manchmal Probleme damit haben, Oppositionsanträge richtig zu lesen, lese ich Ihnen noch einmal den entscheidenden Satz des Antrags von DIE LINKE und GRÜNEN vor: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Wege einer zeitlich befristeten Übergangslösung eine unmittelbare oder mittelbare Minderheitsbeteiligung des Freistaates Sachsen an Qimonda oder an dessen Nachfolgeunternehmen für den Fall vorzusehen, dass das Unternehmen mit seinem Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsbereich am IT-Standort Dresden als wichtiger Teil dieser europäischen Schlüsseltechnologie erhalten werden kann.“

Das und nichts anderes ist das Thema, Herr Tillich und Herr Jurk. Es geht uns also weder um Kombinat oder VEB, sondern um eine intelligente industriepolitische Lösung, wie sie in vergleichbaren Situationen weltweit guter und bewährter politischer Brauch ist.

Was allerdings kein guter Brauch ist, sind Ihre koalitionsinternen Ränkespiele, meine Damen und Herren von CDU

und SPD. Es ist doch längst kein Geheimnis mehr, dass sich hochrangige Mitarbeiter der Staatskanzlei gegenüber CDU-Abgeordneten oder sogar Journalisten damit brüsten, dass sie den SPD-Wirtschaftsminister Jurk nicht nur in Sachen Qimonda am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Ist diesen Leuten das Schicksal von Tausenden Beschäftigten und deren Familien eigentlich völlig egal? Ich will endlich wissen, ob es zutrifft, wie aus sogenannten gut informierten Kreisen im Regierungsviertel berichtet wird, dass ein im Grundsatz positives Antwortschreiben von Wirtschaftsminister Jurk an den Insolvenzverwalter Jaffé in der Staatskanzlei hängengeblieben ist. Hat Staatskanzleichef Beermann wirklich den ihm vorgelegten Briefentwurf des Wirtschaftsministers zurückgewiesen und gravierende Änderungen verlangt? Wo sind wir hier in Sachsen eigentlich hingekommen?

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wer hat denn in diesem Land eigentlich das Sagen? Wer hat die Richtlinienkompetenz – der Chef der Staatskanzlei oder vielleicht doch irgendwie der Ministerpräsident?

Sehr geehrter Herr Tillich, Hören Sie endlich mit Ihrem Versteckspiel auf! Sie können sich nicht länger vor der Verantwortung drücken.

(Volker Bandmann, CDU: Parolen in die Welt setzen und verunsichern!)

Ich fordere Sie nachdrücklich auf, Herr Ministerpräsident: Treten Sie heute hier endlich an dieses Pult und beziehen Sie eindeutig Position!

(Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von der CDU)

Wollen Sie Qimonda retten, oder nehmen Sie wegen Ihrer generellen Ablehnung staatlicher Beteiligung aus rein ideologischen Gründen den Verlust Tausender Arbeitsplätze billigend in Kauf? Auf diese Frage erwarte ich von Ihnen heute endlich eine klare Antwort.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sagen Sie dem Landtag, ob Sie, Herr Tillich, Ihre ablehnende Haltung zur staatlichen Beteiligung vielleicht doch noch geändert haben, wie Herr Jurk eben behauptete! Sie haben ja die Chance, das hier klarzustellen.

Doch auch dem Wirtschaftsminister kann ich zwei unangenehme Fragen nicht ersparen. Wie lange, Herr Jurk, wollen Sie sich eigentlich noch von der CDU demütigen lassen? Wie lange wollen Sie noch an einem Koalitionspartner festhalten, der mit dem ganzen Gewicht einer von viel zu langer Machtausübung verkalkten Partei bei allen wichtigen Weichenstellungen auf der Bremse steht?

(Zuruf von der CDU: Unverschämt! – Weitere Zurufe von der CDU)

Selbst der noch parteilose Finanzminister bekam schon die Trägheit des CDU-Machtapparates zu spüren, als er

im Januar einen Nachtragshaushalt zur Rettung von Qimonda in Aussicht stellte.

(Volker Bandmann, CDU: Bei Ihnen ist doch der Abgeordnete ausgetreten!)

Prompt sahen CDU-Fraktionsvorsitzender Flath und im Hintergrund wohl auch der gescheiterte Altministerpräsident Milbradt, wie man hört, die Stunde gekommen, die Regierung an die Leine zu nehmen. Der Nachtragshaushalt war schon tot, bevor die Mitarbeiter von Finanzminister Unland auch nur die erste Zahl aufgeschrieben hatten.

Wir als Linke sind seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Qimonda nicht untätig geblieben, sondern haben aufgezeigt, wo es langgehen könnte – nicht weil wir so ungewöhnlich schlau wären, sondern weil wir im Unterschied zur Koalition über die Grenzen des eigenen Landes hinausschauen.

Wir haben zum Beispiel auf Frankreich hingewiesen, wo es gelungen ist, eine von der EU genehmigte staatliche Unterstützung für den Halbleiterhersteller ST in Höhe von 457 Millionen Euro hinzubekommen. Auch das ist nunmehr schon wieder fünf Wochen her, ohne dass die Sächsische Staatsregierung und die Koalition von CDU und SPD aus dem Knick gekommen wären.

Wir haben in unserer Argumentation wiederholt deutlich gemacht, dass es letztlich nicht einfach um Subventionen für ein einzelnes gefährdetes Unternehmen geht, sondern im Kern um eine genehmigungsfähige Förderstrategie für die Mikroelektronik insgesamt.

Was mich an der bisherigen landespolitischen Debatte so erschüttert, Herr Ministerpräsident, ist ihre wirtschaftspolitische Provinzialität. „Silicon Saxony“ steht in einem unerbittlichen globalen Konkurrenzkampf mit Mitbewerbern, unter denen sich kein einziger befindet, bei dem nicht irgendein Staat seine Hand mit im Spiel hat. Statt sich bewusstseinsmäßig endlich auf die Herausforderungen dieser Weltliga einzustellen, wiederkäuen Sie, Herr Tillich, den Katechismus der reinen Marktwirtschaft, wie er Ihnen vielleicht vor 1989 in Potsdam gelehrt wurde.

(Heiterkeit des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Selbst als Linker ist man geneigt, Ihnen zuzurufen: Hallo, aufwachen! Wir sind 20 Jahre weiter. Die Welt hat sich in dieser Zeit ein bisschen mehr gewandelt als die Klosterkirche in Panschwitz-Kuckau, und als Ministerpräsident sollte man schon über den nächsten Kirchturm hinaus denken.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich bitte Sie also ebenso schlicht wie herzlich, uns nicht mit längst erledigten Uraltdebatten zu nerven. Landtagsabgeordnete einer Partei wie der Linken, unter denen sich überdurchschnittlich viele Kommunalpolitiker, Selbstständige, Freiberufler und Unternehmer befinden, brauchen keine Nachhilfe in Sachen Marktwirtschaft.

Wir als Linksfraktion in Sachsen reihen uns nicht in die Schlange der CDU-, CSU- und SPD-Politiker ein, die zurzeit überall dort in Deutschland nach Schutzschirmen für Unternehmen rufen, wo es Probleme gibt, ohne darüber zu reden, wie sie entstanden sind.

Wir als Linke wollen einen Schutzschirm für die Menschen, und dazu gehört neben der Gewährleistung menschenwürdiger Sozialstandards auch die Stützung der Produktionsketten, die in Zukunft den Wohlstand für die gesamte Gesellschaft erwirtschaften sollen.

Natürlich weiß ich aus der Erfahrung der letzten Jahre: Komplexes Denken ist nicht gerade eine Stärke der sächsischen CDU.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Deshalb suchen Sie ja auch in Uraltfeindbildern Zuflucht, die Ihnen eine einfachere Welt verheißen als jene Welt, die tatsächlich existiert. Damit sind Sie aber auch nicht in der Lage, größere Zusammenhänge zu begreifen – als jene Zusammenhänge, die heute zur Debatte stehen.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Deshalb sage ich es in größtmöglicher Schlichtheit, damit auch Sie es verstehen: Wir sind für Hightech, weil wir gegen Niedriglöhne sind.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

DIE LINKE will eine Wirtschaft, die so modern wie irgendwie möglich ist. Wir wollen eine hochproduktive Wertschöpfung auf höchstem technologischem Niveau. DIE LINKE will Innovation und Dynamik – ganz im Geiste erfolgreicher sächsischer Industrietraditionen. Wir wollen all dies nicht als Selbstzweck, sondern weil wir in einer schrumpfenden und älter werdenden Gesellschaft jetzt die Weichen stellen müssen, langfristig die ökonomischen Grundlagen des modernen Sozialstaates zu sichern.