Protocol of the Session on March 13, 2009

Meine niederschlesische Heimatstadt Görlitz – erlauben Sie mir diese Feststellung, meine sehr geehrten Damen und Herren – und das Schlesische Museum sind ein Vorbild für ein Zentrum gegen Vertreibung, und zwar nicht nur gegen Vertreibung, sondern gegen Vertreibungen – Mehrzahl!

Unser Generalsekretär Michael Kretschmer hat bereits 2006 darauf hingewiesen, dass es auch bei der Gründung des Landesmuseums von polnischer Seite durchaus unterschiedliche Stimmen gab. Allerdings wäre es ein Fehler gewesen, dieser Kritik zu Beginn der Neunzigerjahre nachzugeben.

Das Museum ist eine großartige Einrichtung, die die Geschichte Schlesiens im geschichtlichen Kontext darstellt. Nach anfänglicher Kritik von polnischer Seite an der Konzeption der Ausstellung ist nach Besuchen durchaus Akzeptanz geworden. Mittlerweile gibt es gemeinsame Projekte.

Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Eine Politik der guten Nachbarschaft bedeutet nicht, eigene Vorstellungen und Überzeugungen fallen zu lassen. Meinungsaustausch kann mit dem Ergebnis enden, dass man unterschiedlicher Meinung ist. Eine Demokratie kann das immer aushalten.

Die CDU-Fraktion steht dazu, ein solches Zentrum in Deutschland zu errichten und damit zu zeigen, dass die

Bedenken, die andere haben, unbegründet sind. Im Übrigen spricht sich die sächsische Union wie alle anderen CDU-Landesparteien für eine Einbeziehung der Städte Görlitz und Zgorzelec in die durch den Bund finanzierte Erinnerungsstätte in Berlin aus. Wir begrüßen und unterstützen das ausdrücklich.

Die Europastadt ist aufgrund ihrer besonderen Geschichte ein authentischer Ort des Erinnerns und kann sich in die aktuelle Diskussion einbringen. 40 % der Familien in Görlitz und 99 % der Familien in Zgorzelec haben einen unfreiwilligen Migrationshintergrund. Das heißt, sie sind zum Ende des Zweiten Weltkrieges Opfer von Vertreibung gewesen. Insofern halten wir eine Einbeziehung der beiden Städte in die Erinnerungsstätte in Berlin als einen Zugewinn an Erfahrung, – –

Bitte kommen Sie zum Schluss!

– an geschichtlicher Aufarbeitung und Aufarbeitung an Erinnerung, um für das über allem stehende Ziel Zeichen der Versöhnung zu setzen und gegen das Vergessen zu gestalten. Beide Städte praktizieren aktiv die deutsch-polnische Zusammenarbeit und sind dafür auch von polnischer Seite ausgezeichnet worden. Das sollte man nicht vergessen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die NPD meldet noch einmal Redebedarf an; Herr Apfel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Hickhack um Erika Steinbach mit dem vorläufigen Rückzug der BdV-Präsidentin hat bei vielen Deutschen nur Kopfschütteln ausgelöst.

Bei einer Umfrage von „WELT ONLINE“, bei der über 3 500 Nutzer ihre Stimme abgaben, stimmten 71 % der Aussage zu, dass der Bund der Vertriebenen an Frau Steinbach als Vertreterin im Stiftungsrat hätte festhalten sollen. Eindeutig fielen auch die Solidaritätsbekundungen für Frau Steinbach in den Leserbriefspalten der Zeitungen aus.

Am Tag nach ihrem Rückzug gab es zwei Stimmen, die für die NPD besonders erwähnenswert sind. So schrieb der Mitherausgeber der „FAZ“ Berthold Kohler auf der Titelseite seines Blattes: „Berlin bekommt eine Dauerausstellung zur Vertreibung. Doch diese wird von nun an ein sichtbares Zeichen dafür sein, dass die Vertriebenen hierzulande entgegen aller behaupteten Normalisierung auf dem Felde der Erinnerungskultur weit unter politischer Kuratel stehen und in einer Angelegenheit, die niemanden so sehr betrifft wie sie, faktisch entrechtet worden sind. Das Mahnmal wird, was das angeht, zum Schandmal.“

Am Tag nach der Steinbach-Debatte, nach dem SteinbachRückzug, gab es auch eine interessante Stimme aus

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einen Satz anfügen. Die Art und Weise, wie die NPD und Herr Apfel mit dem Wort „deutsch“ umgehen, ist eine einzige Besudelei des Deutschtums.

Sachsen. Max Duscha, der stellvertretende Vorsitzende des sächsischen BdV, erklärte gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“: „Die CDU hat uns als Wähler verloren.“ Bisher, so Duscha, habe man in der Union eine politische Heimat gefunden. Dies sei nun vorbei – endlich, möchte man sagen, denn viel zu lange sind die Vertriebenenfunktionäre einer hörigen CDU gefolgt!

Anlässlich des Deutschlandtreffens der Schlesier 1963 richtete die SPD eine Grußbotschaft an die Schlesier, die von Willy Brandt, dem heute viel Zitierten, Herbert Wehner und Erich Ollenhauer unterzeichnet war. Dort hieß es: „Breslau, Oppeln, Gleiwitz, Glogau, Grünberg, das sind nicht nur Namen, das sind lebendige Erinnerungen, die in den Seelen von Generationen verwurzelt sind und unaufhörlich an unser Gewissen klopfen. Verzicht ist Verrat. Wer wollte das bestreiten? Das Recht auf Heimat kann man nicht verhökern. Niemals darf hinter dem Rücken der aus ihrer Heimat vertriebenen oder geflüchteten Landsleute Schindluder getrieben werden.

(Beifall bei der NPD)

Das Kreuz der Vertreibung muss das ganze Volk mittragen helfen.“ Man würde sich wünschen, es gäbe heute noch so aufrechte Sozialdemokraten wie Herbert Wehner, Willy Brandt und Ollenhauer im Jahre 1963.

Meine Damen und Herren! Die NPD bleibt bei ihrer Forderung, in der niederschlesischen Stadt Görlitz ein sächsisches Zentrum gegen Vertreibung zu schaffen, in dem an das Jahrhundertverbrechen der Vertreibung so erinnert wird, wie es der Millionen Heimatvertriebenen würdig ist.

Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, gemeinsam ein Zeichen gegen die zunehmende Relativierung des Vertreiben Holocoust am deutschen Volk setzen!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Hierfür gibt es einen Ordnungsruf. Sie haben das verstanden?

(Holger Apfel, NPD: Das nehme ich zur Kenntnis!)

Gibt es darauf noch einmal Erwiderungswunsch? – Herr Abg. Nolle, bitte.

(Holger Apfel, NPD: Ich sprach von aufrechten Sozialdemokraten!)

(Beifall bei der SPD – Höhnische Bemerkungen bei der NPD)

Ich frage die Staatsregierung, ob sie sich an der Debatte beteiligen möchte. – Frau Dr. Stange, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich hier im Namen der Staatsregierung bei unseren polnischen Nachbarn für die Ausfälle der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag ausdrücklich entschuldigen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Die Sächsische Staatsregierung wird sich an dem Aufbau der Stiftung „Flucht – Vertreibung – Versöhnung“ mit all ihren Möglichkeiten beteiligen und gleichermaßen das Zentrum für Vertreibung in Görlitz/Zgorzelec nach seinen Möglichkeiten in der Unterstützung der Stiftung überprüfen. Ich halte die Debatte, wie sie heute vonseiten der NPD hier geführt wurde, für unwürdig für das, was die sächsische Landesregierung in den letzten Jahren an guter Zusammenarbeit zu unseren polnischen Nachbarn praktiziert hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ich denke, die demokratischen Fraktionen des Sächsischen Landtages schließen sich dieser Entschuldigung an.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Caren Lay, Linksfraktion: Kein Applaus bei der CDU? Komisch!)

Meine Damen und Herren! Diese Debatte ist abgeschlossen.

Ich rufe auf

2. Aktuelle Debatte

Niedergelassene Fachärzte stärken – Qualität der medizinischen Versorgung in den Regionen sichern!

Antrag der Fraktion der FDP

Als Antragstellerin erhält zunächst die FDP-Fraktion das Wort und danach CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung. Herr Zastrow, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Überall in unserem Land nimmt die Kritik am neuen Gesundheitsfonds zu. Neben der Kritik an den vor allem in Sachsen massiv gestiegenen Krankenkassenbeiträgen steht die sogenannte Honorarreform für niedergelassene Ärzte im Mittelpunkt der Diskussion. Erst in dieser Woche machten sich Tausende Ärzte Luft und protestierten gegen sinkende Honorare und dramatische Einkommensverluste.

Die Reaktion der Politik fiel erwartungsgemäß aus, denn in der für sie so typischen Mischung aus Arroganz und Ignoranz warnte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die deutsche Ärzteschaft im ZDF davor, ihre Proteste doch bitte nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen und die Ärzte anderenfalls mit einem Verlust ihrer Zulassung rechnen müssten. Nach Meinung der SPD-Politikerin handele es sich bei dem Konflikt um ein rein innerärztliches Verteilungsproblem.

Ich frage Sie aber, ob das tatsächlich so ist, ob es sich tatsächlich nur um ein innerärztliches Problem handelt oder ob es vielleicht auch sein kann, dass die sinkenden Honorare für Hautärzte, Orthopäden, Augenärzte, Unfallchirurgen, Kinderärzte, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und viele andere trotz Krankenkassenbeiträgen auf Rekordniveau ihre Ursache vielleicht in einem gewissen Konstruktionsfehler innerhalb dieser Gesundheitsreform ihre Ursache haben.

Ich denke, meine Damen und Herren, dieser Gesundheitsfonds funktioniert eben nicht so gut, wie es uns das Bundesgesundheitsministerium immer weismachen will. Dieser Gesundheitsfonds ist nun einmal in sich schon ein einziger Konstruktionsfehler.

(Beifall bei der FDP)

Ich lasse mich längst nicht mehr, auch wenn ich das bestimmt gleich hören werde, von Sprüchen beschwichtigen wie: Na ja, das sind ja nur Anlaufschwierigkeiten, das kommt schon noch in Ordnung, und man müsse erst einmal abwarten. Nein, ich bin der festen Überzeugung, meine Damen und Herren, dass die Probleme, die die niedergelassenen Ärzte jetzt haben, schlichtweg gewollt sind. Es ist politische Absicht, dass niedergelassene Ärzte durch zu geringe Honorare wirtschaftliche Schwierigkeiten bekommen, und es ist politisches Kalkül, dass nieder

gelassene Ärzte um die Zukunft und den Wert ihrer Arztpraxen fürchten müssen.