Protocol of the Session on March 12, 2009

Deswegen kritisieren wir – wir haben es schon die ganze Zeit kritisiert –, dass das zu langsam geht.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Sie können nur reden! Wir wollen handeln!)

Die Verbesserungen beim Konjunkturpaket II gehen in die richtige Richtung – in dem Sinne, dass für Kinder zwischen sechs und 13 Jahren der Hartz-IV-Satz erst einmal auf 70 % angehoben wird. Vorher lag er bei 60 % eines Erwachsenen. Ab dem 1. Juli sind es 36 Euro mehr. Ich denke auch an die 100 Euro für den Schulbedarf für Schüler bis zum 18. Lebensjahr, wenn sie Eltern haben, die arbeitslos sind bzw. ein geringes Einkommen beziehen.

Die Beschlusslage, dass wir kindgerechte Hartz-IV-Sätze wollen, ist nicht neu. Wir haben Sie hier im Landtag einstimmig herbeigeführt. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat sie ebenso vertreten wie der Bundesrat und der Bildungsgipfel, der im Oktober vorigen Jahres hier bei uns in Dresden stattfand. Alle Bundesländer inklusive Bundesregierung haben den Ansatz, der auf kindgerechte Hartz-IV-Sätze zielt, vertreten. Deswegen sehen wir jetzt wirklich den Bundessozialminister in der Pflicht, aus dem Startloch herauszukommen, loszulegen und endlich diese Berechnung vorzulegen. Wir stimmen insofern überein, dass uns das viel zu langsam geht. Es ist klar, dass in diesen kindgerechten Hartz-IV-Sätzen ein Mittagessen in der Schule inbegriffen ist.

Kurz zum Thema Fahrtkosten! Hier sehe ich die Problemstellung nicht so. Wir wissen, dass die Landkreise – schauen Sie sich die Satzungen an! – Schüler von den Fahrtkosteneigenanteilen ausgenommen haben, wenn die Eltern keiner Arbeit nachgehen.

Ich komme auf Ihren Antrag zurück. Unter Punkt 1 fordern Sie, Kinder sollten so viel Hartz IV bekommen wie die Erwachsenen. Sie haben vielleicht gelesen, dass auch Ihre Bundestagsfraktion Ende Januar ein entspre

chendes Papier vorgelegt hat, aber mit einer ganz anderen, gegensätzlichen Forderung. Ihre Forderung zielt jedenfalls auf den gleichen Regelsatz für Kinder. Unter Punkt 2 Ihres Antrags fordern Sie dann bedarfsgerechte Hartz-IVSätze, obwohl Sie gesagt haben, es sei Spekulation, wie hoch die sind.

Ich denke, man muss sich für einen Weg entscheiden. Entweder plädiert man für den gleichen Regelsatz wie für Erwachsene, oder man sagt, der Regelsatz für Kinder und Jugendliche solle bedarfsgerecht sein. Beides miteinander zu verbinden geht leider nicht.

(Falk Neubert, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Bitte, Herr Neubert, stellen Sie Ihre Zwischenfrage.

Nur um unseren Antrag richtig einzuordnen: Könnten Sie sich vielleicht damit anfreunden, dass Punkt 1 unseres Antrags für das sofortige Handeln und Punkt 2 für das zukünftige Handeln formuliert ist?

Damit kann ich mich, ehrlich gesagt, nicht anfreunden. Ich frage mich – aber darauf können Sie vielleicht in Ihrem zweiten Redebeitrag eingehen –, wieso Sie hier nicht die Zahlen Ihrer Bundestagsfraktion bringen; denn sie sieht – vorübergehend, bis die Berechnungsgrundlage da ist – andere Zahlen als kindgerecht an. Wieso haben Sie nicht diese Zahlen in Ihren Antrag geschrieben, sondern hier einfach formuliert, die Regelleistung solle so hoch wie bei Erwachsenen sein? Ihr Antrag ist also unlogisch und sehr widersprüchlich formuliert. Es tut mir leid!

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Wenn es die letzte ist, ja.

Stimmen Sie mir zu, dass es – entgegen der Forderung unserer Bundestagsfraktion – hier darum geht, den Regelsatz entsprechend umzusetzen, bevor es zu einer Neufestsetzung kommt?

Ihre Bundestagsfraktion setzt sich mit dem gleichen Problem auseinander. Sie wollen kurzfristig X Euro – die Summen sind ja dort festgelegt – haben. Gleichzeitig fordern Sie – wie wir – die bedarfsgerechte Ermittlung der Hartz-IV-Sätze für Kinder. Insofern widersprechen Sie eben Ihrer eigenen Bundestagsfraktion.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir den Antrag ablehnen. Wir halten ihn für unnötig, unlogisch und widersprüchlich.

Ich füge hinzu: Wir würden mit der Annahme Ihres Antrages ein bürokratisches Monster aufbauen. Das zeigt sich, wenn man in die Tiefe geht. Wieso ist das so? Ein großer Gewinn von Hartz IV ist der Ansatz, alle Leistungen zu bündeln. Es soll vermieden werden, dass man

wegen jedes Kühlschranks und wegen jeder Hose auf das Amt gehen und ein zehnseitiges Antragsformular ausfüllen muss, um dann abzuwarten, was rauskommt. Wir wollten – das ist umgesetzt worden – mehr Selbstbestimmung für die Betroffenen haben. Das hat natürlich auch zu einer Einsparung von Bürokratie und von Steuergeldern geführt, was den Betroffenen zugute kommt. Wenn Sie das wieder auflösen wollen und fordern, wegen jeder Fahrkarte und jeder Essensmarke solle man wieder auf das Amt gehen und einen Antrag stellen, dann halten wir das für irrsinnig und werden das ablehnen.

Die pauschalen Sätze, die wir beim Arbeitslosengeld II haben, sind gut und richtig. Die Eltern sind natürlich aufgefordert, das Geld einzuteilen. Aber das setzt man voraus bei einem Menschen, der selbstständig handeln kann. Wir wollen aber nicht den Eltern vorschreiben, welche Hose sie ihrem Kind kaufen sollen. Das soll nicht der Staat vorschreiben, sondern das sollen die Eltern selbst entscheiden.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Jetzt Herr Pellmann.

Herr Pellmann, bitte.

Herr Krauß, Sie sprachen in Ihrem vorherigen Gedanken davon, dass aufgrund der Vereinfachung und des bürokratischen Zurückfahrens in erheblichem Maße Steuergelder eingespart worden seien. Würden Sie mir dann beantworten können, weshalb wir es regelrecht mit einer Explosion von Widersprüchen und Klagen vor den sächsischen und den übrigen bundesdeutschen Sozialgerichten zu tun haben, was ja nicht sein könnte, wenn Ihre These, die Sie soeben vorgetragen haben, zuträfe?

Herr Kollege Pellmann, ich haben von den Bürokratiekosten gesprochen, also den Kosten, die auf dem Amt anfallen. Es ist doch logisch, wenn jeder Antrag einzeln gestellt werden muss, dass das mehr Bürokratie verursacht, als wenn ich dem Betroffenen pro Monat eine feste Summe gebe und ihm sage: Du musst mit diesem Geld selbst auskommen! Du musst dir das einteilen und selbst entscheiden! – Ich brauche mir nur die Antragsformulare anzusehen, die dann immer auszufüllen sind. Ich brauche mir nur anzusehen, was es kostet, das Geld auszuzahlen und zu überprüfen, ob das Geld richtig eingesetzt ist. Das sind die Bürokratiekosten, die anfallen.

Sie haben angesprochen, dass es auf einigen Gebieten nach der Neueinführung eine Rechtsunsicherheit gibt; da gebe ich Ihnen zweifelsohne recht. Aber das hat wenig mit der Entbürokratisierung, die eingetreten ist und von der ich gesprochen habe, zu tun.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Frank Kupfer)

Herr Kollege Pellmann, ich will noch einmal auf Ihren Antrag eingehen. Die pauschalen Sätze sind gut. Wir haben dort auch Ausnahmen. Es ist ja nicht so, dass das System hundertprozentig funktioniert. So kann man bei der Erstausstattung der Wohnung die Haushaltsgeräte extra beantragen. Auch eine Erstausstattung mit Bekleidung ist möglich.

Was für Schüler interessant ist: Bei mehrtägigen Klassenfahrten kann man einen Antrag auf Übernahme der entsprechenden Kosten stellen, und man bekommt alles bezahlt.

Das ist der Sozialstaat, wie wir ihn uns wünschen und wie er auch funktioniert. Das ist richtig. Was wir aber nicht wollen, ist, dass man jetzt noch mit der Regelung anfängt, wegen jeder Fahrkarte und jeder Essensmarke auf das Amt gehen und dort einen zehnseitigen Antrag ausfüllen zu müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen: Der Antrag ist recht widersprüchlich und bringt uns nicht weiter. Deswegen werden wir ihn ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Frank Kupfer)

Die SPD, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es so, dass wir uns schon häufiger mit diesem Thema beschäftigt haben. Man kann eigentlich fast davon ausgehen, dass es zu jeder Landtagsdebatte auch zu dem Thema „Hartz IV-Regelsätze und Kinderarmut“ kommt. Wir haben auch in der letzten Debatte gemeinsam darüber gesprochen, dass wir durchaus die Auffassung vertreten, dass wir etwas bei den Regelsätzen tun müssen. Damals konnten wir darüber noch keine Angaben machen, wie sich die Regelsätze entwickeln werden. Mittlerweile wissen wir, dass es eine Erhöhung gegeben hat. Ich habe auch beim letzten Mal für eine solche Erhöhung gesprochen.

Nun ist es DIE LINKE, die sagt, dass diese Erhöhung nicht ausreicht. Das ist die klassische Politik der Linken. Immer gerade das, was gemacht wird, ist nicht ausreichend. Sprechen die einen vom Betreuungssatz in Kitas von 1 : 10, sagen andere 1 : 7, dann wird DIE LINKE wahrscheinlich demnächst 1 : 5 fordern. Reden die einen von 7,50 Euro Mindestlohn, redet DIE LINKE von 8,90 Euro Mindestlohn usw. usf. Das ist die klassische Sahnehäubchenpolitik der Linken, die stattfindet, und so ist es auch heute mit diesem Antrag. Es wird jetzt krampfhaft versucht zu konstruieren, warum wir uns heute erneut damit beschäftigen müssen. Es wird vollkommen ausgeklammert, dass es eine Reihe von Veränderungen im positiven Sinne für Kinder gegeben hat.

Das Einzige, was am Ende übrig bleibt, ist, dass es dann ein Bundessozialgerichtsurteil vom Januar gibt, auf dessen Basis man der Bundesregierung vorwerfen kann, sie hätte willkürlich irgendeine Begründung für die

Anhebung des Regelsatzes gesucht. Genau das ist nicht der Fall, denn dieser neu festgelegte Regelsatz ist nicht willkürlich, sondern er basiert auf einer Sonderauswertung der letzten Einkommensentwicklung nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2003. Genau diese Erhebung hat ergeben, wie der Mittelwert für eine solche Familie mit Kindern auszusehen hat. Um in der Systematik des Gesetzes zu bleiben, hat man dann von einem Eckregelsatz gesprochen. Genau deshalb ist man in der Systematik geblieben und hat gesagt, wir heben diesen Eckregelsatz auf 70 % an. Zu sagen, es ist willkürlich oder es ist gegriffen und niemand weiß genau, wie es entstanden ist, das habe ich gerade zu widerlegen versucht.

Dann gibt es eine Reihe von Punkten, die mein Kollege Krauß schon ausgeführt hat. Es ist so, dass für alle Kinder ab 2009 ein Kinderbonus von 100 Euro eingeführt wird, der nicht auf das ALG II angerechnet wird. Das war eine Forderung der SPD und von weiten Teilen von Verbänden. Es ist auch so, dass zukünftig nicht mehr 207 Euro als Regelsatzbemessung, sondern 256 Euro – das sind die 70 % – ausgezahlt werden. Auch das ist eine positive Entwicklung. Darauf sollte man durchaus noch einmal hinweisen.

Es ist auch richtig, dass man gesagt hat, wir wollen diese Regelung bis 2011 befristen, weil man natürlich die Basis der Einkommen immer wieder neu bewerten will. Insofern ist es nicht so, dass das in Stein gemeißelt ist. Man hat sich darauf verständigt, dass man die Überprüfung der Regelsätze stichprobenartig durchführen wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich, bitte.

Bitte, Herr Abg. Pellmann.

Sie hatten von der Einkommensstichprobe und von der Erhebung von 2003 gesprochen und dann begründet, dass das, was die 60 % bzw. 80 % des Regelsatzes für Kinder betrifft, sich aus den entsprechenden Stichproben ergeben habe. Da ich keine Erklärung abgeben darf, sondern Ihnen nur eine Frage stellen kann, muss ich das so formulieren:

Herr Kollege, woraus entnehmen Sie diese von Ihnen dargestellte These, wenn doch für jeden klar ist, dass genau diese Prozente willkürlich gegriffen sind und eben nicht einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten, auch nicht wissenschaftlich geprüft sind, es dann heute darauf ankommt – das hat die Bundesregierung zugesagt –, dass man nunmehr endlich eine kindergerechte Prüfung des Bedarfs vornehmen will?

Das waren ja mehrere Fragen. Das war eine Einschätzung, dann eine Darstellung eines Sachverhaltes und dann war am Ende eine Frage enthalten, woher ich das nehme. Das nehme ich aus der Debatte

des Bundestages. Auf der Grundlage der Debatte des Bundestages hat es eine Einschätzung gegeben, dass man, wenn man eine Erhöhung der Regelsätze will, eine Datenbasis braucht. Diese Datenbasis hat man beim Statistischen Bundesamt gefunden und hat sich dort angeschaut, wie sich auf der Basis von 2003 der Verbrauch entwickelt hat. Daraufhin hat man diesen Regelsatz auf 70 % erhöht.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Weil es keine Zwischenfragen werden, sondern Statements, gestatte ich keine mehr.

Insgesamt ist es auf jeden Fall so, dass es entgegen dem, was DIE LINKE immer wieder darstellen möchte, eine Reihe von Verbesserungen gegeben hat. Wir haben eine Kindergelderhöhung zu verzeichnen. Das Wohngeld ist erhöht worden. Wir haben darüber hinaus eine Erhöhung des Kindergeldzuschlages und wir haben auch ein Schulbedarfspaket eingeführt; das heißt, in diesem Falle die Bundesregierung. Sie ist ja auch bekanntlich schwarz-rot zusammengesetzt. Es gibt da eine Reihe von Einflüssen und Querverweisen, die auf die sächsische Politik Anwendung finden können.

Auch in Sachsen haben wir etwas getan. Das möchte ich auch noch einmal ansprechen, weil es wichtig ist, dass man das in diesem Zusammenhang nennt. Wir haben zum Beispiel in der Koalition gemeinsam das Thema „Lernmittelfreiheit“ erörtert. Wir haben jeweils 5 Millionen Euro jährlich als Einstieg in die Lernmittelfreiheit bereitgestellt. Da kann man exakt wieder diese Sahnehäubchenpolitik betreiben und sagen: Es ist alles nichts, 5 Millionen Euro sind zu wenig, wir fordern 50 Millionen Euro. Das ist immer leicht zu sagen, wenn man das als Opposition bewertet. Wir haben gesagt, wir sehen ein Problem auf uns zukommen. Wir wollen zumindest etwas bereitstellen und abwarten, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt.