Protocol of the Session on March 12, 2009

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Neulich las ich in der Zeitung von Herrn Wöller, was Leistungen eines Lehrers sind. Ich hoffe, dass die Journalisten das nicht richtig interpretiert haben. Man will die Leistungen eines Lehrers in Sachsen daran messen, welche Prüfungsergebnisse die Lehrer mit den Schülern erreicht haben oder welche tollen Bildungsempfehlungen fürs Gymnasium geschrieben worden sind. Das ist doch keine Ermittlung der Leistungen eines Lehrers!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich gehe davon aus, dass Sie das nicht wirklich wollen. Denn einen Schüler von der Note 4 auf eine 3 zu bringen ist keine Leistung eines einzelnen Lehrers, sondern immer eine Teamarbeit innerhalb der Schule. Eine einzelne Leistung ist überhaupt nicht messbar und gar nicht möglich.

Kommen wir zu einigen Fragen, die ich habe und die in dem Antrag überhaupt nicht beantwortet werden. Was verstehen Sie denn unter Bedarf an sächsischen Schulen? Wir haben vorhin schon einmal darüber gesprochen. Ich habe erklärt, wie Lehrer bezahlt werden. Ist der Bedarf für Sie der reine Unterricht oder gehört zum Bedarf im

Lehrerbereich wesentlich mehr? Der Lehrer hat extrem viele unteilbare Aufgaben. Diese unteilbaren Aufgaben werden ihm im Freistaat Sachsen nicht wirklich vergütet. Gehört das zur Prämie, zur Leistungsbezahlung, oder nicht? Das halten wir für nicht wirklich zu benennen und nicht wirklich zu erfassen.

Wie soll in den Schulen bewertet werden? Sie haben es schon dargestellt; das Kultusministerium soll nicht bewerten. Wer soll das tun? Soll das der Schulleiter machen?

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Herr Dulig, vielleicht fährt die FDP herum. Das kann ja sein.

Soll das der Schulleiter machen? Sollen das die Schüler machen? Sollen das die Eltern machen? Sollen es alle gemeinsam machen? Welches Kriterium ist es dann? Die Beliebtheit des Lehrers beim Schulleiter oder die Beliebtheit des Lehrers bei den Schülern? Welche Form der Beliebtheit beim Schüler ist denn ein Lehrer wirklich wert? Welche Kriterien wollen Sie dafür ansetzen?

(Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD: Viele Witze erzählen! – Heiterkeit)

Zum Glück gibt es Schüler, die auch ein wenig gefordert werden wollen. Aber, genau – der eine Schüler ist so und der andere so. Ich denke, mit diesem Verfahren, das Sie sich überlegt haben, ist das in der Praxis nicht umzusetzen.

Ich möchte Ihnen erklären, was Bewertungsverfahren in der Praxis an sächsischen Schulen bedeuten.

Wir hatten an den sächsischen Schulen die Höhergruppierungsverfahren – im Grundschulbereich dreimal, im Mittelschulbereich einmal –, weil nicht genügend Haushaltsstellen zur Verfügung standen, um die Lehrer in die entsprechende Eingruppierung zu bringen. Diese Verfahren an den Schulen haben an vielen Stellen zur absoluten Demotivierung geführt. Was ist passiert? Das Kultusministerium hat vorgeschrieben, wie viel Höhergruppierungen möglich sind – das ist klar, das kann man aus dem Haushalt ausrechnen, kein Thema –, und den Schulen zugeordnet. Das heißt, es gab Schulleiter, die sich sehr intensiv damit beschäftigt haben, ihre Lehrer so objektiv, wie es geht, zu beurteilen. Danach haben sie ein Computerprogramm bekommen, in dem sie eingeben mussten, wie viele Lehrer übrig bleiben, und danach wurde mit dem Computerprogramm die entsprechende Bewertung durchgeführt. Das hat natürlich extrem zur Demotivierung geführt.

Wenn Sie von den Prämien sprechen, die derzeit oder wieder einmal nach Haushaltslage – insofern haben Sie schon recht; immer so, wie die Haushaltslage ist – ausgeteilt werden oder auch nicht, dann haben Sie einen Schlüssel, logisch, kein Thema. Aber wenn ich eine Schule habe, die weniger als 20 Lehrer hat, dann bekommen die gar keine Prämie, egal, wie gut diese sind oder auch nicht. Das sind doch alles Kriterien, die für eine Bewertung überhaupt nicht relevant sind.

Jetzt habe ich gezeigt, wie es wirklich nicht geht. Vielleicht erklären Sie uns, wenn Sie das vorhaben und machen möchten, wie es gehen könnte. Aber de facto ist es doch so, dass wir eine leistungsbezogene Bezahlung im Lehrerbereich nicht einführen sollen und nicht einführen dürfen. Nicht umsonst haben die Gewerkschaften, Herr Herbst, sich genau diesen Passus der leistungsbezogenen Prämie teuer, sehr teuer in diesem Tarifvertrag abkaufen lassen, weil genau diese Regelung nicht funktioniert.

Wir fordern deshalb, dass die Bedingungen an sächsischen Schulen, so wie wir es bereits heute früh in der 1. Debatte gemeinsam besprochen haben, verändert werden, sodass Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen für Lehrer in Sachsen wieder erträglich und für die Arbeit mit den Schülern erfolgreich sein können. Motivierend ist das nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Es folgt die SPDFraktion, Herr Prof. Weiss.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDPFraktion hat zwar, wie so oft, eine blumige Überschrift und dann doch nur wieder einen Inhalt, der weder zielführend noch umsetzbar ist.

(Beifall der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Im Grunde genommen handelt es sich um die Aufkündigung des gerade geschlossenen Tarifvertrages. Sie, meine Damen und Herren der FDP, wollen einen Teil der zur Verfügung stehenden Gehaltsmittel leistungsbezogen verteilen. Sie wollen damit den Wettbewerb unter den Lehrern fördern und gute Arbeit honorieren. Das Letztere, also Ihre Absicht, gute Arbeit zu belohnen, will ich gern würdigen. Diese gute Absicht erkenne ich. Das Erstere aber, der Wettbewerb, führt im Zusammenhang mit Bildung immer in die Irre.

Nun ist die FDP ja bekannt für ihr Faible für Wettbewerb und freie Märkte. Wir können uns gerade davon überzeugen, wohin das im Extrem führen kann und wie schnell dann die Allgemeinheit teuer retten soll, was manchmal kaum noch zu retten ist. Das wollen Sie jetzt auch noch unseren Schulen bescheren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie diese Folgen wollen, die unregulierte Märkte und Wettbewerb eben so mit sich bringen. Aber ich konstatiere, dass Sie in der Frage des Wettbewerbs an Schulen beratungsresistent sind, denn wir reden nicht zum ersten Mal über das Problem.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Was wollen Sie eigentlich mit Ihrem Wettbewerb der Lehrer und Leistungszuschlägen erreichen? Natürlich mehr Leistung im Durchschnitt. Aber haben Sie bedacht, dass es bei Wettbewerben nicht nur Gewinner, sondern immer auch Verlierer gibt? Können wir uns die an unseren Schulen wirklich leisten, und wollen Sie wirklich an

unseren Schulen statt Teamgeist und Teamverantwortung gute und schlechte Einzelkämpfer, wer immer das auch bewerten soll?

Damit bin ich schon beim nächsten Problem Ihres nur scheinbar verführerischen Ansatzes. Wer soll denn – diese Frage wurde schon von Ihnen, Frau Falken, gestellt – überhaupt beurteilen, wer mehr leistet als der andere? Die Tätigkeit eines Lehrers ist so komplex und die Bedingungen an den Schulen und in den Klassen sind so verschieden, wie es Schülerinnen und Schüler gibt. Wohlgemerkt, wir sprechen hier nicht von Funktionszulagen, die gibt es bereits. Ich lese nirgendwo in Ihrem Antrag, dass Sie diese ausweiten wollen. Wie schnell aber kann das Instrument des Leistungszuschlages zu einem Instrument der Gefügigkeit, der Angepasstheit oder der Kumpanei werden!

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Sie wissen wie ich, dass dies nicht aus der Luft gegriffene Vermutungen sind, sondern dass wir an den Grundschulen einschlägige negative Erfahrungen bei der Verteilung der Aufstockungsstunden zur Teilzeit beobachten konnten. Im Übrigen gab es ähnliche Erfahrungen schon in der DDR. Die können Sie nicht kennen, Herr Herbst, das konzediere ich. Ich erwähne die Begriffe LAZ und LOZ. Das eine war der leistungsabhängige Zuschlag und das andere war der leistungsorientierte Zuschlag, der Letztere also für Versprechungen oder Wechsel auf die Zukunft und das andere für irgendwelche Berichte, die man sich aus der Schublade holte.

Herr Herbst, das hat man in den Schulen versucht, das hat man in den Hochschulen versucht, und das führte zu dem oben beschriebenen Desaster.

Sie schlagen in der Begründung einen Bewertungskatalog vor, aber nicht im Detail, sondern einfach als billige Forderung. Sie haben aber wahrscheinlich keine Ahnung von den üblichen Beurteilungen, die es bereits gibt und die doch hoch problematisch sind. Warum? Weil ein Teil einer solchen Einschätzung rein subjektiv durch den Schulleiter erfolgen muss, weil Voraussetzung für manches Engagement auch die Wahrnehmung einer entsprechenden Funktion ist, die man jedoch erst einmal bekommen muss, weil der Bildungserfolg der Schüler nicht berücksichtigt wird und wohl auch kaum eins zu eins an einem einzigen Lehrer festgemacht werden kann, kurz: weil eine solche Beurteilung zwar dienstrechtlich erforderlich ist, in der Sache aber höchst problematisch und den komplizierten Prozessen an der Schule überhaupt nicht angemessen und weil sie auch für eine gute Schule überhaupt nicht nötig ist.

Zurück zu Ihrem Antrag. Sollten wir schließlich, bevor wir über Leistungszuschläge sprechen, erst einmal dafür sorgen, dass entsprechend der erbrachten Leistung Lehrer auch gleich eingestuft werden? Wir hätten zurzeit noch nicht einmal die Basis für einen fairen Wettbewerb.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun weist der Antrag in der Begründung erstaunlicherweise noch auf einen ganz anderen Aspekt hin, den des bundesweiten Wettbewerbs um Lehrer. Zu diesem Wettbewerb hatten wir ja heute Vormittag schon eine Debatte. Im Kontext Ihres Antrages aber konterkariert diese Begründung nun gänzlich den Leistungsgedanken, den Sie im Titel monstranzartig vor sich hertragen. Es geht gar nicht um Leistung, es geht hier um die Bewältigung von Mangel. Ist es wirklich eine Leistung, ein Mangelfach studiert zu haben und nun auf dem Markt nachgefragt zu werden? Nein, natürlich nicht. Wenn Sie vielleicht am Anfang meines Beitrages noch irritiert waren, weil ich hier vom freien Markt rede, der doch im Antrag gar nicht vorkommt – hier haben wir ihn, den freien Markt, und zwar nichts weiter als diesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Antwort auf das Problem haben wir heute Vormittag gegeben. Wir brauchen – mein Fraktionschef Martin Dulig hat das gesagt – mehr Verantwortung in den Schulen, damit attraktive Arbeitsbedingungen für Lehrer geschaffen werden, und zwar so, dass sie als Team arbeiten und sich gegenseitig ergänzen, dass die Schwäche des einen auf irgendeinem Gebiet durch die Stärke eines anderen Kollegen ausgeglichen wird, dass an den Schulen genügend Spielraum vorhanden ist, sich fehlende Kompetenzen anzueignen, dazuzukaufen oder im Austausch dazu zu erhalten, dass die Lehrer sich weiterentwickeln, ihre spezifischen Stärken ausprägen und einbringen können, ohne gegebenenfalls von irgendwelchen Schwächen behindert zu werden, und dass sie nicht nur über Unterrichtsstunden definiert und damit zu Stundenhaltern degradiert werden. Ja, all dies kann auf einer gesicherten und gleichen Gehaltsbasis auch durch besondere Vergütung besonderer Leistungen aus den den Schulen zur Verfügung stehenden Finanzmitteln durchaus ergänzt werden, aber nicht auf der Grundlage staatlichen oder Verwaltungshandelns, sondern allein durch transparente und in der Schule selbst gefällte Entscheidungen. Dafür brauchen wir aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine ganz andere Ressourcenverteilung an den Schulen, über die zu sprechen jetzt zu weit führen würde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch aus eigener Erfahrung etwas hinzufügen: Die Motivation für einen Lehrenden – egal, ob an einer allgemeinbildenden Schule oder einer Hochschule, ganz egal wo – ist nicht plus/minus hundert Euro im Gehaltszettel. Es sind die dankbaren Augen der Schüler, es ist der Erfolg der Schülerinnen und Schüler im späteren Beruf und in der Weiterbildung, es ist der Stolz auf diese Schüler, die eine Lehrerin oder einen Lehrer motivieren.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Der Leistungsgedanke, der vielleicht für die Wirtschaft taugt, ist für die Bildung absolut kontraproduktiv.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der FDP, Sie werden folglich nach dem Gesagten nicht überrascht sein, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Als Nächstes folgt die NPD. Frau Schüßler, jetzt haben Sie das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die FDP will sich also der sächsischen Lehrer annehmen. Ich habe einige grundsätzliche Ausführungen zu dem Thema bereits heute früh in der Aktuellen Debatte gemacht und möchte mich jetzt kurz fassen.

(Zuruf von der Linksfraktion: Wir haben es in bester Erinnerung!)

Wem die FDP mit ihrem Antrag wirklich einen Gefallen tun will, weiß ich bis jetzt allerdings nicht. Allein der Titel „Engagement belohnen – Sächsische Lehrer leistungs- und bedarfsgerecht vergüten“ verrät schon, dass wir es hier mit einem ideologisch geprägten Antrag der Liberalen zu tun haben. Folgt man der Logik der FDP, muss man annehmen, dass es in Sachsen allzu viele Lehrer gibt, die sich in ihrem schwierigen Beruf nicht engagieren, weshalb dringend eine Leistungsvergütung her muss. Abgesehen davon, dass es das ohnehin schon gibt und die Schulleiter ständig ihre Lehrer bewerten müssen, ärgert einen einfach schon die Unterstellung, dass alles gut wird, wenn nur endlich Leistungsvergütung eingeführt wird. Was haben Sie nur für eine schlechte Meinung von Sachsens Lehrern, Herr Herbst und die FDP? Ihr Problem scheint zu sein, dass Sie gar nicht wissen, was Lehrer heute ohnehin schon leisten müssen. Frau Falken ist ja vorhin ausführlich darauf eingegangen. Stattdessen sehen Sie allen Ernstes gleich eine Bedrohung des sächsischen Bildungssystems und fordern in Punkt III Ihres Antrages den Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder.

Darum, denke ich, geht es Ihnen nämlich in Wahrheit. Sie wollen aus der Tarifgemeinschaft aussteigen und damit den Versuch unternehmen, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst künftig finanziell schlechter zu stellen. Ich hoffe, dass sich Ihr Ansinnen unter den Lehrerinnen und Lehrern herumspricht und Sie am 30. August möglichst wenig Stimmen von den Beschäftigten im öffentlichen Dienst erhalten. Hinter Ihrem Verständnis des Begriffs Leistung steht doch nur die Absicht, die Arbeitnehmer, egal ob im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft, noch mehr zu hetzen oder gegeneinander auszuspielen, letzten Endes also noch mehr auszubeuten. Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen.

(Beifall bei der NPD)

Und die erste Runde für Frau Günther-Schmidt von den GRÜNEN; bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun führen wir also die Aktuelle Debatte von heute Morgen weiter. Allerdings ist der Antrag insofern nicht aktuell, als der Tarifvertrag der Länder inzwischen abgeschlossen wurde. Wir wissen, dass der Abschluss nicht nach dem Geschmack der FDP ist. Aber das macht nichts, dafür gibt es ja Tarifautonomie.