Ich zitiere sein Fazit: „Wir haben es hier mit einer Überregulierung zu tun, die der ARD und dem Hessischen Rundfunk in ihrer Auswirkung keine angemessene Teilhabe mehr an der Medienentwicklung gewährleistet. Eine Umsetzung dieser Vorgaben entwertet erstens unsere Online-Angebote und gefährdet ihren Bestand und belastet zweitens unsere zahlreichen kleinteiligen technokratischen Vorschriften, deren Auslegung vermutlich sehr zeitnah eine große Zahl von Gerichten beschäftigen wird.“
Er kam zu dem Fazit – weiter im Zitat: „Ich bitte Sie deshalb, dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag in dieser Form keine Zustimmung zu geben.“
Wer die weitere Debatte auch unter den Ministerpräsidenten verfolgt hat, konnte feststellen, dass es an dem vorliegenden Staatsvertrag keine wesentlichen Änderungen gab. Herr Hähle, wozu sind denn Gesetze und Staatsverträge da? Sie sind dazu da, sich den Anforderungen der Zukunft zu stellen – in dem Fall den medienpolitischen Anforderungen – und – darauf sind Sie eingegangen – Probleme zu lösen, die sich aus früheren Staatsverträgen ergeben haben.
Kommen wir zum Zweiten. Es gibt viele Probleme aus früheren Rundfunkstaatsverträgen, die auch mit dem
Mit dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde uns versprochen, dass zeitnah bis zum Jahre 2009 ein neues Rundfunkgebührenmodell entwickelt würde. Einer der Widersprüche ist, dass eine Person, die nur einmal sehen oder Radio hören kann, mehrmals zahlen muss: zu Hause, im Garten, im Dienstwagen und vielleicht auch in der Nebenwohnung. Ja, es wurde versprochen, dass dies zeitnah umgesetzt wird. Das war vor vier Jahren. Nun werden wir auf 2013 vertröstet. Eine solch kleine Änderung kostet die Ministerpräsidenten immerhin acht Jahre an Zeit. Ich glaube auch nicht, dass sie es bis 2013 schaffen werden.
Im Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde auch eine Befreiungsregelung parallel mit den Hartz-IVBescheiden geschaffen. Es stellte sich heraus, dass die Gebühreneinzugszentrale zu einer Datensammelbehörde wurde und alle Hartz-IV-Bescheide noch einmal in Kopie abheftete. Zeitnah intervenierten die Datenschutzbeauftragten im Jahre 2005 und forderten, dass diese Regelungen zurückzunehmen sind. Dies war vor vier Jahren. Bis heute gibt es keine Lösung. Es wurde auch nicht dargestellt, in welchem Zeithorizont genau dieses Problem abgeschafft werden könnte. Es könnte von heute auf morgen getan werden.
Im Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag konnten wir feststellen, dass es kein Trennungsverbot gab zwischen denjenigen, die Netzbetreiber sind und das Kabelnetz beherrschen, und denjenigen, die Programme anbieten. Die Folge war, dass diejenigen, die Programme anbieten – darunter auch die privaten Anbieter, zum Teil auch ARD und ZDF –, von den Kabelnetzanbietern diskriminiert werden. Auch dies wurde nicht mit den Folgestaatsverträgen geändert, weder mit dem Elften noch dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag.
Daher glaube ich, Herr Hähle – so schön Ihr Wunsch auch ist, die Zukunft werde beweisen, dass die Politik nachjustieren kann –: Die Vergangenheit hat jedoch bewiesen, dass nie nachjustiert wurde.
Doch kommen wir zu den Problemen der Zukunft. Was wollen denn Medienanbieter in der Zukunft? Gibt es dort nicht einen Paradigmenwechsel? Haben wir nicht mehr nur noch Medienanbieter wie Fernsehsender oder Radioanbieter, sondern mittlerweile Kabelnetzbetreiber, die in den Medienbereich einsteigen wollen? Das sind Plattformbetreiber wie zum Beispiel Premiere und auch Suchmaschinenanbieter wie zum Beispiel Google, die 95 % des Suchmaschinenmarktes beherrschen. Müsste dies nicht in die Rundfunkregulierung aufgenommen werden, wenn immer mehr Menschen, vor allem Jugendliche, ins Internet abwandern und ihre Meinungs- und Willensbildung im Wesentlichen über Suchmaschinen betreiben? Wird es denn dann in Zukunft nur noch ARD und ZDF geben? Haben RTL und Pro 7 mit dem jetzt vorliegenden Staatsvertrag eine digitale Zukunft?
Das geht noch ein Stück weiter: Was können wir denn feststellen, wenn wir uns die Medienanbieter der Zukunft, die Kabelnetzbetreiber, die Plattformanbieter, die Suchmaschinenbetreiber, ansehen? Sie wollen die Daten des Endkunden, sie wollen die Nutzerprofile, sie wollen wissen, wann wer wo wie was nutzt, um ihre Werbung personengenau schalten zu können.
Darauf hat die Medienpolitik nicht reagiert. Allerdings müsste sie genau dieses Problem angehen: Wie kann man in der medialen digitalen Zukunft die Anonymität des Einzelnen sichern? Dazu fehlt bis heute jegliche Antwort, auch aus der Sächsischen Staatskanzlei.
Kommen wir nun zum Kern des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages. Der Kern ist, dass in Zukunft die öffentlich-rechtlichen Anstalten – die ARD-Anstalten, ZDF und auch das Deutschlandradio – einen Drei-StufenTest durchführen sollen. Darin soll unter anderem geprüft werden, welche Auswirkungen die neuen Telemedienangebote – also nicht das, was über Fernsehen und Radio verbreitet wird, sondern übers Internet – auf den Medienmarkt haben. Anscheinend ist gewollt, dass die Auswirkungen möglichst gering sein sollen.
Doch worum geht es denn bei Medienangeboten? Man kämpft um die Aufmerksamkeit. Letztlich möchte man als Gremienvertreter dafür kämpfen und sorgen, dass der Sender, den man vertritt, möglichst viel Aufmerksamkeit erreicht. Damit werden natürlich die privaten Anbieter geschädigt; denn wenn weniger Leute die privaten Programme nutzen, sinken deren Einnahmen, weil sie für ihre Werbespots weniger Geld bekommen.
Es wird in diesem Drei-Stufen-Test gefordert, dass es in Zukunft für die Telemedienangebote, sprich die Angebote im Internet, einen publizistischen Mehrwerttest geben soll. Die Gremien, die Intendanten sollen nachweisen, dass das jeweilige Angebot einen publizistischen Mehrwert hat. Doch ich muss mich fragen, Herr Beermann: Warum denn nur für die Telemedienangebote? Wenn wir Probleme mit dem publizistischen Mehrwert von ARD und ZDF haben, warum denn dann nicht für alle Angebote, also auch für das, was im Radio und im Fernsehen verbreitet wird? Dies wäre doch nur konsequent.
Sie wollen, dass die entsprechenden Verfahren der DreiStufen-Tests durch die Gremien durchgeführt werden. Doch die Gremien sind ohne Experten.
Na gut, Herr Clemen, wir werden sehen. Es gibt niemanden, der den publizistischen Mehrwert abschätzen kann, weil sich keiner der Gremienvertreter, die ehrenamtlich tätig sind, die nebenbei ihrer Arbeit nachgehen, von morgens bis abends die Programme ansehen kann. Wer soll denn die Marktauswirkungen abwägen? Wer hat denn Ahnung vom Medienmarkt, und wo ist der juristische Sachverstand, um die entsprechenden Bescheide fachgerecht für die EU erstellen zu können?
Der Drei-Stufen-Test fördert nur das Gutachterwesen. Der MDR hat hierfür über 900 000 Euro eingestellt, das ZDF
1,25 Millionen Euro. Wenn Sie allein für diese beiden Anstalten die Summen zusammenrechnen, kommen Sie auf über 2 Millionen Euro. Davon könnte man 30 Dokumentationen für über 45 Minuten herstellen.
Natürlich können Sie, Herr Hähle, darauf verweisen, dass sich in der Anhörung keiner der Gutachter gegen diesen Staatsvertrag ausgesprochen hat, ja alle dafür plädiert haben, dass wir ihn annehmen sollen. Es müsste Ihnen jedoch bekannt sein, dass die ARD-Anstalten, darunter auch der MDR, ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, um nach Annahme des Staatsvertrages womöglich genau gegen diesen Staatsvertrag vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu können. Auch der VPRT, RTL und andere haben schon angekündigt, dass sie, wenn die ersten Gutachten durch sind, juristische Klageschritte einleiten werden.
Warum schaffen wir uns mit einem Staatsvertrag, mit den Regelungen in diesem Staatsvertrag mehr Probleme, statt dass wir medienpolitische Probleme lösen? Der Grund ist ganz einfach: Deutschland ist in Europa ein medienpolitisches Leichtgewicht.
Dazu nur ein Beispiel: In Frankreich hat der dortige Präsident festgelegt, dass die Werbung im öffentlichrechtlichen Rundfunk reduziert wird. Um die Ausfälle zu reduzieren, hat er gesagt, dass sowohl die Unternehmen der Telekommunikationsindustrie als auch die Unternehmen der Werbeindustrie entsprechende Abgaben zu leisten hätten. Dies wäre in Deutschland nicht möglich. Als dann vor der EU das entsprechende Verfahren lief, ist Sarkozy hingefahren, hat sich dagegen ausgesprochen, und das gesamte Verfahren gegen Frankreich war mit einem Wort eingestellt.
Herr Abg. Hilker, stimmen Sie mit mir darin überein, dass es in Frankreich anders als in Deutschland einen Staatsrundfunk gibt, dass wir in Deutschland aber einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben und demzufolge eine Staatsferne verordnet worden ist?
Das hat doch nichts damit zu tun, wie die Staatsvertreter, sprich die Vertreter der Länder und auch die des Bundes, auf europäischer Ebene agieren. Ich kann nur feststellen, dass sich Frankreich für sein Modell vor der Europäischen Union einsetzt, während sich Deutschland die Bedingungen von der Europäischen Union kleinteilig diktieren lässt.
Das Problem in diesem Bereich ist doch, dass auch in Sachsen die Medienpolitik visionslos handelt. Ja, Herr Minister Beermann, Ihnen geht es doch im Wesentlichen darum, dass bei „Fakt!“ keine CDU-Skandale vorkom
Der Regierungssprecher Herr Zimmermann hat sich vor allen Dingen damit herumzuschlagen, dass die CDUMinister im „Sachsenspiegel“ ihr Podium haben.
Meine Damen und Herren, Medienpolitik dient mittlerweile für die Regierenden zumeist nur noch dem Machterhalt. Doch dies ist eine Zweckentfremdung. Wer die Urteile des Bundesverfassungsgerichts liest, wird feststellen, dass Medien nicht eine Freiheit an sich haben, sondern eine der Demokratie dienende Freiheit. Dies gilt übrigens auch für die privaten Sender, also für RTL, Pro7, PSR und Antenne Sachsen. Ja, sie sollen der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung, der unabhängigen Berichterstattung dienen.
Seit Jahren werden die vorgelegten Staatsverträge dem nicht mehr gerecht. Deswegen lehnen wir auch diesen ab.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ähnlich wie im Jahre 1984 sind wir heute in einer Phase der Medienpolitik angekommen, in der wir wieder entscheidend die Weichen für unsere zukünftige deutsche Medienlandschaft stellen. 1984 ging es darum: Darf es in Deutschland privaten Rundfunk geben? Das Jahr 1984 war die Geburtsstunde unseres heutigen sogenannten dualen Rundfunksystems. Damit ist das gleichberechtigte Nebeneinander von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk gemeint.
Mit dem heutigen Rundfunkänderungsstaatsvertrag geht es nun um die Frage, welche Art von öffentlichrechtlichem Rundfunk wir zukünftig wollen. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der Konvergenz der Medien hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 2007 noch einmal bestätigt: Es gibt verfassungsrechtlich keine Arbeitsteilung zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Es ist nicht so und darf nicht so sein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur das macht, was sich für den Markt nicht rechnet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat keine Lückenfunktion. Er ist vielmehr eine der wichtigsten Grundlagen in unserer demokratischen Gesellschaft, denn er sichert Meinungsvielfalt und ist Faktor und Medium der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann dies leisten, weil er eben hinsichtlich der Programmgestaltung unabhängig von wirtschaftlichen oder staatlichen Einflüssen ist. Dies ist der Kerngedanke der Konstruktion des öffentlichrechtlichen Rundfunks, und daran wollen wir auch weiterhin festhalten. Gleichzeitig bedeutet dies aber, dass wir medienpolitisch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Damit sind wir beim eigentlichen Thema, nämlich beim Internet. Das Internet ist mittlerweile ein fester Bestandteil der privaten und gesellschaftlichen Meinungsbildung vor allem bei jungen Menschen. Wenn wir weiterhin die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung und Meinungsvielfalt sichern wollen, dann müssen wir auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Chance geben, die Menschen dort zu erreichen, wo sie bei ihrer Mediennutzung die meiste Zeit verbringen. Das ist es, was das Bundesverfassungsgericht mit der Aussage meinte, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auf den Status quo zu beschränken ist, sondern ihm eine Entwicklungsgarantie zusteht.
Der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag schreibt nun fest, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet machen darf und was nicht. Ausgangspunkt dieses Staatsvertrages stellte eine Beihilfeklage des Verbandes privater Rundfunk- und Telemedien dar. Wir haben darüber in der letzten Debatte schon diskutiert, und auch meine Vorredner haben bereits darauf verwiesen.
Bei der Umsetzung dieses EU-Beihilfekompromisses stand die deutsche Medienpolitik in der Verantwortung, einerseits die Balance innerhalb der dualen Rundfunkordnung zu halten und andererseits Rahmenbedingungen zu schaffen, die Angebote von Zeitungen publizistisch wie ökonomisch möglich machen.
Nach Auffassung der sächsischen SPD ist mit dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag diese Balance im Großen und Ganzen gelungen. Natürlich sehen wir an der einen oder anderen Stelle bestimmte Regelungen skeptisch, wie – auch das wurde schon hier erwähnt – beispielsweise die starre Sieben-Tage-Frist. Hier hätten wir uns durchaus eine andere Möglichkeit und die Gelegenheit eines längeren Abrufes vorstellen können. Leider war diese Auffassung innerhalb der Länder nicht mehrheitsfähig.
Zu begrüßen ist, dass das ursprünglich geplante Verbot, Unterhaltungssendungen ins Internet zu stellen, wieder aufgehoben worden ist.
Hier hat die SPD von Anfang an gesagt: Unterhaltung in Telemedien gehört wie bei Radio und Fernsehen neben Kultur, Bildung und Information ebenfalls zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Mit der Umsetzung des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages kommen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, genauer auf die Rundfunkgeräte als Repräsentanz der Gesellschaft auch große Herausforderungen zu. Ich denke an den Drei-Stufen-Test zur Prüfung neuer und bestehender Angebote. Hier müssen wir genau beobachten, ob und wie sich dies in der Praxis bewährt und auch, wie die Kostenfrage ist. Hier gebe ich Herrn Hilker durchaus recht.
Meine Damen und Herren! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört den Menschen in diesem Land. Sie haben einen Anspruch darauf, dass er gegen Veränderungen, die seine Unabhängigkeit und seine Entwicklungschancen bedrohen, verteidigt wird. Dazu gehört unter anderem auch, dass wir unsere Interessen für all das, was mit unserem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem geschieht, schärfen. Vor allem müssen wir auch aufpassen, dass wir die Veränderungen nicht den EuropaBürokraten überlassen.