Protocol of the Session on January 23, 2009

Wie Sie täglich verfolgen können, mehren sich leider auch die schlechten Nachrichten aus Sachsen, auch wenn bisher nur einzelne Betriebe in schweres Fahrwasser geraten sind. Qimonda ist das aktuellste Beispiel.

Dann erreichen uns weiterhin fast täglich schlechte Nachrichten von den Finanzmärkten. Deshalb meine ich,

entscheidend für die Konjunkturentwicklung wird sein, dass die Rettungsaktion für die Finanzmärkte gelingt.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ohne funktionierendes Finanzwesen gibt es keine funktionierende Realwirtschaft. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat es auf den Punkt gebracht: „Wenn der internationale Finanzmarkt brennt, muss gelöscht werden, auch wenn es sich um Brandstiftung handelt.“ Die Bundesregierung hat schnell und entschlossen gehandelt. Mit hohem Tempo wurde ein Rettungspaket für die Banken geschnürt und von Bundestag und Bundesrat verabschiedet.

Sachsen ist neben seiner Bürgschaftsverpflichtung für die ehemalige Sachsen LB in Höhe von 2,75 Milliarden Euro mit maximal 345 Millionen Euro beteiligt. Die Rettungspakete innerhalb der Europäischen Union summieren sich mittlerweile auf 2 Billionen Euro. Die Entstehung der Krise, aber auch die unmittelbaren politischen Reaktionen machen deutlich: Wir brauchen einen starken Staat. Das ist kein aufgeblähter Staat, aber auch kein schwindsüchtiger; denn nur ein starker Staat ist handlungsfähig, auch international, und er kann die Interessen seiner Bürgerinnen und Bürger wirkungsvoll vertreten.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Für manche ist diese Einsicht allerdings neu, für uns ist sie eher eine Bestätigung. Ich erinnere zum Beispiel an den Kampf für den Erhalt der kommunalen Sparkassen. Die Sparkassen als Teil des vielfach kritisierten dreigliedrigen deutschen Bankensystems sind heute ein stabilisierender Faktor und besonders für die mittelständische Wirtschaft in Sachsen von entscheidender Bedeutung.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Milbradt wollte sie kaputt machen!)

In meinen Gesprächen mit den sächsischen Finanzinstituten ist deutlich geworden, dass die Kreditversorgung der sächsischen Wirtschaft zwar weitestgehend gesichert ist; dennoch gibt es bei vielen Kreditinstituten eine Neubewertung der Risiken. Bei manchen hat man den Eindruck, sie entledigen sich nicht nur der schlechten Risiken, sondern generell der Risiken. So war es aber nicht gemeint.

(Marko Schiemann, CDU: Oder sanieren sie!)

Neben der unmittelbaren Krisenbewältigung muss der Brandschutz verbessert und künftigen Brandstiftern das Handwerk gelegt werden. Es steht nämlich die Frage mit Ausrufezeichen im Raum: Wer verdient am Boom, und wer bezahlt am Ende die Zeche?

Wenn diese berechtigte Frage ohne klare und entschiedene politische Antwort bleibt, werden die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren. Deshalb brauchen wir im Finanzwesen mehr und vor allem bessere Regeln. Diese Regulierung dient nicht dem Zweck, den freien Markt abzuschaffen, sondern vielmehr dazu, sein Funktionieren zu gewährleisten. Frau Abg. Dr. Runge hat völlig

recht: Die Geldpolitik braucht einen neuen Rahmen. Dazu gehören unter anderem eine internationale Vereinheitlichung der Bilanzierungsstandards, neue Transparenzpflichten, erhöhte Eigenkapitalquoten, eine Zulassungspflicht für Finanzprodukte und -instrumente sowie eine striktere Haftung für Vorstände und Aufsichtsräte. Vielleicht sparen wir uns am Ende auch das gesamte Basel II. Die Amerikaner haben sich im Übrigen nie daran gehalten.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Wir können es nicht zulassen, dass einige wenige durch unbegrenzte Gewinnsucht und fehlendes Verantwortungsbewusstsein die Leistungen vieler Menschen gefährden. Die Banken und die gesamte Finanzwirtschaft müssen wieder ein solider Bestandteil einer soliden Gesamtwirtschaft werden. Wir brauchen keine aufgeblasene Parallelwirtschaft, die von Spekulanten betrieben wird.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Richtig!)

Die Finanzmarktkrise zeigt, dass wir das Verhältnis von Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung neu definieren müssen. Anders als vor der Krise gibt es nun national und international ein neues Bewusstsein für diese wichtige Aufgabe. Die Finanzmarktkrise hat längst auf die sogenannte Realwirtschaft übergegriffen. Die sogenannte Realwirtschaft und die Finanzmärkte sind aber keine getrennten Welten, sondern beide wirken wechselseitig aufeinander ein.

Es ist unübersehbar, dass ausgehend von konsumnahen Wirtschaftsbereichen wie der Automobilindustrie weite Teile der Wirtschaft in eine Abwärtsbewegung geraten. Branchen, die sich in einer zyklischen Abschwungphase befinden, drohen als erste zu Krisenbranchen zu werden. Noch sind große Teile der sächsischen Wirtschaft in einer robusten Verfassung, aber wir werden uns von der internationalen Entwicklung nicht abkoppeln können. Abwarten und darauf hoffen, dass der Markt alles regelt, ist keine echte Option. Angstgesteuerter Aktionismus wäre dagegen allerdings auch kein guter Ratgeber.

Ich bin davon überzeugt, dass massive, aber gezielte Konjunkturimpulse, vor allem für Investitionen, notwendig sind und dass wir Finanzierungslücken von Unternehmen überbrücken müssen. Herr Rößler, Sie haben völlig recht, hierbei geht es um das Thema Betriebsmitteldarlehen.

Entscheidend für den Erfolg ist es, dass sich die Politik national und international sowohl als handlungsfähig als auch als handlungswillig erweist. Parallel zur Wirtschaftskrise erleben wir eine Renaissance einer Wirtschaftspolitik, die auf staatliche Interventionen und Anreize für eine höhere Nachfrage setzt. Selbst Ökonomen, denen der Staat bisher nicht zurückhaltend genug sein konnte – das war die deutliche Mehrheit der Ökonomenzunft in Deutschland –, rufen jetzt nach immer neuen, immer größeren Konjunkturprogrammen und einige sogar

nach einer direkten Beteiligung des Staates an Not leidenden Unternehmen.

(Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD: Hört, hört!)

Ich möchte diese Wandlungsfähigkeit einmal positiv interpretieren. Mit einem Augenzwinkern könnte man sagen, dass die Wirtschaftsexperten dieses Landes keine Dogmatiker sind, sondern ihre Ratschläge flexibel der jeweiligen wirtschaftlichen Situation anpassen.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)

Etwas verwundert hat mich allerdings der vielstimmige Chor zu den Konjunkturpaketen der Bundesregierung.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)

Den einen kamen die Pakete nicht schnell genug, die anderen beklagen, man hätte das erste Konjunkturpaket vor der Aufnahme des zweiten Konjunkturpaketes erst evaluieren müssen. Den einen ist das Paket nicht sozial genug, die anderen beklagen, man hätte in erster Linie die Steuern senken müssen.

Ich kann nur raten, dazu die Begründung und die Erklärung der Konjunkturpakete einmal im Zusammenhang zu lesen und sich nicht nur die Schlagzeilen in der Boulevardpresse anzuschauen. In Wirklichkeit ist doch sehr schnell erkennbar, dass die Bundesregierung mit den zwei Konjunkturprogrammen die wichtigsten Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise ergriffen hat. Im Mittelpunkt steht dabei die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte, der Erhalt der Arbeitsplätze und die Investitionsfähigkeit der Betriebe.

In der Arbeitsmarktpolitik müssen und werden wir alles dafür tun, damit Entlassungen vermieden werden und Qualifikationen ausgebaut werden können. Dafür werden auch die Arbeitgeber bei Kurzarbeit von Sozialversicherungsbeiträgen entlastet, die Dauer des Kurzarbeitergeldes ist verlängert worden und auch die Zeitarbeitsunternehmen können Kurzarbeit in Anspruch nehmen.

Diese Maßnahmen erlauben es Unternehmen, ihre Fachkräfte auch bei Auftragsflauten im Betrieb zu halten. Die Zeit der Kurzarbeit kann für Qualifizierungsmaßnahmen genutzt werden. Diese werden von der Bundesagentur für Arbeit besonders unterstützt.

Wichtig ist außerdem, die private Nachfrage zu stärken und die Rückgänge beim Export aufzufangen. Das Konjunkturprogramm sieht dafür unter anderem eine Einmalzahlung für Kindergeldberechtigte, die Aufstockung der Regelsätze für Kinder im Rahmen von Hartz IV und die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge vor. Bei Letzterem muss der Ehrlichkeit halber hinzugefügt werden, dass wir damit im Prinzip den Anstieg vieler Kassenbeiträge etwas dämpfen.

Mit Blick auf die Situation in Sachsen sind das Vorziehen von Infrastrukturinvestitionen, die Förderung der Forschung und der Ausbau der Breitbandversorgung, insbesondere im ländlichen Raum, besonders wichtig.

An dieser Stelle wurde heute über die Verschrottungsprämie für Alt-Pkws kontrovers diskutiert. Ich muss jetzt diejenigen fragen, die Kritik geübt haben: Sollen wir nun im Bundesrat die Verschrottungsprämie für Pkws stoppen? Ich sage das deshalb, weil bei vielen dieses Thema angekommen ist. Es mag ja in der deutschen Automobilindustrie umstritten sein, aber vielen Autohäusern würde es helfen. Deshalb gibt es bestimmte Begehrlichkeiten. Ich sage ganz vorsichtig: Die Leute richten sich darauf ein und da müssen wir ihnen relativ schnell sagen, ob wir uns im Bundesrat, auch mit der neuen Stärke der FDP, davon wieder verabschieden. Dann sollten wir es aber bald tun.

Das Vorziehen von staatlichen Infrastrukturprojekten in Straße und Schiene sowie Schulen und Hochschulen wirkt sich unmittelbar positiv auf Wachstum und Beschäftigung aus. In Sachsen haben wir eine Vielzahl von dringend notwendigen Verkehrsprojekten in der Schublade, die ohne zeitliche Verzögerungen umgesetzt werden können.

Liebe Antje Hermenau, ich war ein wenig erstaunt, dass du hier, eigentlich zu Recht, den kommunalen Straßenbau erwähnt hast. Ich habe mich vehement eingebracht, dass der ÖPNV zum Beispiel von der Negativliste verschwindet. Da stehen jetzt leider ÖPNV und kommunaler Straßenbau drauf. Bei Letzterem, glaube ich, werden sich die Leute an den Kopf greifen, wenn wir damit beginnen, einzelne Ausschreibungen zu machen, und sie sich gerade über die vom Winterfrost zerstörten Straßen in ihren Kommunen ärgern. Das passt nicht zueinander. Deshalb haben wir deutlich gemacht: Egal, welche Hemmnisse es gibt, wir sollten auch schauen, dass im kommunalen Straßenbau dort, wo es Notwendigkeiten gibt, schnell und unbürokratisch geholfen werden kann.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wichtig ist selbstverständlich der Bereich Bildung. Deshalb ist völlig klar: In unseren Schulen und Hochschulen gibt es noch genügend zu tun. Vor allem, wenn es dabei noch gelingt, energieeffizient zu bauen und zu sanieren, werden langfristig Werte geschaffen, von denen auch zukünftige Generationen profitieren werden.

Die Möglichkeit, jetzt Konjunkturmaßnahmen zu ergreifen, ist übrigens auch eine Bestätigung für die Konsolidierungspolitik der vergangenen Jahre im Bund und in Sachsen. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!, sagt bekanntermaßen der Volksmund.

Bei meinen Gesprächen vor Ort in den sächsischen Unternehmen spüre ich solch eine Art von trotzigem sächsischem Optimismus. Die Menschen sagen: Wir haben in den Jahren nach der Wende schon viel Schlimmeres erlebt. Oder wie es der IHK-Präsident in Leipzig formulierte: Ich mache die Krise einfach nicht mit, und wir haben einen kampferprobten Mittelstand.

Ja, wir alle wollen es nicht zulassen, dass unsere Aufbauleistungen in Sachsen gefährdet werden. Deshalb mein Appell: Helfen Sie mit, wo Sie es können, dass die Maßnahmen der Konjunkturpakete auch in Sachsen

schnell greifen! Dazu sind wir gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie möglichst unbürokratisch, auch mithilfe von Pauschalen, Geld in unsere Kommunen fließt. Darüber werden wir uns sicher in der Staatsregierung noch verständigen. Das Ziel ist aber klar.

Haben Sie bitte auch dafür Verständnis, dass momentan gerade, vor allem auf der Bundesebene, die Vereinbarungen mit den Ländern erfolgen. Es wird eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung vorbereitet. Deshalb ist der Chef der Staatskanzlei heute nicht anwesend, denn er nimmt gerade an den Gesprächen teil. Alles Schritt für Schritt, aber in die richtige Richtung!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Danke schön. – Meine Damen und Herren! Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich möchte daran erinnern, dass wir uns heute Morgen eine Tagesordnung gegeben haben. Diese besagt: Jetzt haben wir die Fragestunde, die genau eine Stunde, bis circa 14:00 Uhr, dauern wird. Zehn Minuten nach Eintritt in die Mittagspause, also circa 14:10 Uhr, tritt das Präsidium zusammen. Dann wird entschieden, ob wir nach der Mittagspause mit einem Wahlvorgang beginnen.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zu

Tagesordnungspunkt 2

Fragestunde

Drucksache 4/14353