Ebenso wichtig ist das dritte in der Evaluation angesprochene Problem, nämlich die Kindertagespflege. Das übersieht die Linksfraktion mit Ihrem Antrag heute komplett.
Wir teilen indes die Problemwahrnehmung in dieser Studie, dass Erzieher in der Tagespflege eher voneinander isoliert arbeiten und in ihrer Qualifikation dringend unterstützt werden müssen.
Die Ergebnisse der Evaluation, die uns vorliegen, sind sehr nahe an der Realität, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir alle wissen das. Da der Abschlussbericht der Staatsregierung nunmehr seit einem halben Jahr vorliegt,
waren in der Tat Konsequenzen zu erwarten. Sie sind im Zuge der Haushaltsdebatten nicht erfolgt. Die dem Ministerpräsidenten abgelauschte Forderung von 1 : 12 passt allerdings mit den Empfehlungen, die diese Evaluation enthält, überhaupt nicht zusammen. So gut ein erster Schritt in diese Richtung wäre, so ist er überhaupt nicht ausreichend. Man braucht auch nicht bis ins Detail zu rechnen, um festzustellen, dass dieser Schritt, nämlich die Verbesserung des Personalschlüssels, vielleicht zur Realisierung einzelner Empfehlungen wie der Entlastung der Kita-Leitung reicht oder zur Steigerung der kinderdienstfreien Zeit von Erziehungskräften bei der Berücksichtigung von Fehlzeiten, aber keinesfalls für alle diese Empfehlungen gemeinsam.
Besser ist da schon unser seit Jahren geforderter Betreuungsschlüssel von 1 : 10. Überhaupt nicht berücksichtigt ist in Ihrem Antrag im Übrigen die Situation in den Krippen. Sie wissen ja, dass dort der Betreuungsschlüssel von 1 : 6 oder real 1 : 7 weit über den von Experten empfohlenen 1 : 4 liegt.
Den Ministerpräsidenten beim Wort zu nehmen greift deshalb zu kurz, genauso wie auch die Reduzierung der Probleme allein auf den Betreuungsschlüssel. Wer Qualität in Kindertagesstätten und Tagespflege spürbar verbessern will, der muss sich nicht über die Empfehlung berichten lassen, sondern muss sie umsetzen. Unser Vorschlag Kita 2020 sieht Sachberatung trägerunabhängig vor. Als öffentliche Aufgabe wäre dies zu organisieren. Das findet sich in der Evaluierung ebenso wieder wie unsere Forderung nach einer verbindlichen Qualifikation der Fachberatung und die Empfehlung zur Tagespflege, zu der es heute noch einen Antrag gibt.
Klar ist bei allen notwendigen Veränderungen, dass sich das Land keineswegs aus der Verantwortung herausreden kann, wie es hier immer wieder versucht wird. Sowohl der Betreuungsschlüssel als auch die Qualifikation und Fachberatung müssen nämlich innerhalb eines landesweiten Rahmens geregelt werden. Deshalb können Sie, Herr Minister Wöller, die Verantwortung auch nicht auf die Kommunen abschieben.
Ich habe wenig Hoffnung, dass heute an dieser Stelle eine entscheidende Wende passieren wird. Das heißt, wir müssen weiter kämpfen für eine Verbesserung all dieser in der Empfehlung genannten Ziele. Unsere Fraktion wird das jedenfalls tun, andere sicher auch. Wir hoffen, dass wir zumindest in der nächsten Legislaturperiode ein neues Kita-Gesetz bekommen, das die Empfehlungen berücksichtigt.
Danke schön. – Das war die erste Runde. Gibt es weiteren Aussprachebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Herr Staatsminister Prof. Wöller, Sie haben das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seien Sie unbesorgt – um zum Titel des Antrages zu kommen –, wir nehmen beide ernst: den Ministerpräsidenten und die externe Evaluierungsstudie über die Personalausstattung in sächsischen Kindertageseinrichtungen. – Dies nur als Vorbemerkung.
Die Staatsregierung hat zum Antrag der Linksfraktion bereits schriftlich Stellung genommen. Ich erläutere aber gern noch einmal unsere Position. Im August 2008 legte das Institut PädQUE der Freien Universität Berlin gemeinsam mit Steria Mummert Consulting einen Abschlussbericht zur Lage der Personalausstattung und der Fachberatung an sächsischen Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege vor. Es handelt sich um einen externen Evaluierungsbericht, den das Sächsische Staatsministerium für Soziales in Auftrag gegeben hatte.
Selbstverständlich studieren wir mit größtem Interesse die Empfehlungen der unabhängigen Gutachter. Mehr noch: Der Bericht trug auch zu der eingebrachten Veranschlagung im Regierungsentwurf zum Doppelhaushalt 2009/ 2010 bei. Sie kennen den Verlauf der Haushaltsdebatte und die Beschlussfassung für den Titel in der Titelgruppe 83, Kinderbetreuung; das brauche ich nicht zu wiederholen. Ich bin dankbar, dass es von den Rednern der Koalitionsfraktionen noch einmal bekräftigt wurde.
Ich will aber unterstreichen, dass wir die Evaluation als tragfähige Grundlage ansehen, auf der wir Maßnahmen zur Verbesserung der personellen Rahmenbedingungen der Kindertageseinrichtungen treffen. Die Sächsische Staatsregierung bekennt sich seit Jahren zu ihrer Mitverantwortung für die Gestaltung und die Finanzierung der Kindertagesbetreuung. Sie können das anhand der ständig wachsenden Ansätze in den Haushaltsplänen nachvollziehen. – Sie sehen, meine Damen und Herren: Wir nehmen die Studie sehr ernst und müssen nicht erst dazu aufgefordert werden.
Jedoch ist nicht der Freistaat Träger von Kindertageseinrichtungen, der unmittelbar über Personalfragen entscheidet. Diese Aufgabe fällt den Kommunen, Vereinen und Verbänden zu, die entsprechende Einrichtungen betreiben. Diese Organisationsstruktur hat sich bewährt und wir werden sie nicht ändern.
Damit aber bleibt sowohl beim Thema Personalausstattung als auch beim Thema Fachberatung die kommunale Ebene der erste Adressat. Hier kann und will die Staatsregierung keine unangemessene detaillierte Regelung auf Landesebene erlassen, die letztlich die Kompetenz der Träger der Kindertageseinrichtungen beschneidet. Das entspricht nicht unserem Verständnis von Politik im Konsens. Ich bin der Auffassung, dass künftige Schritte zur Qualitätsverbesserung grundsätzlich gemeinsam von den Kommunen und vom Freistaat finanziert werden sollten. Wenn wir die pädagogische Qualität der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen verbessern wollen, sollten
wir keine überhastete Änderung eines gerade erst gefassten Gesetzesbeschlusses dieses Hohen Hauses anstreben. Es gibt nur den Weg über Gespräche und Vereinbarungen mit den kommunalen Spitzen zu diesem Themenkomplex. Für diesen Weg sind wir offen; wir werden ihn auch gern aktiv beschreiten.
Meine Damen und Herren! Für den von der Linksfraktion eingebrachten Antrag sehe ich keine Notwendigkeit und empfehle daher die Ablehnung.
Gibt es nach den Ausführungen des Staatsministers noch einmal den Wunsch, eine zweite Rederunde zu eröffnen? – Dann kommen wir zum Schlusswort. – Ach, Sie möchten noch einmal im Rahmen der Redezeit sprechen; aber gern. Bitte, Herr Neubert.
gestatten Sie mir, zu Beginn etwas anzumerken: Ich habe, als Herr Krauß nach Frau Nicolaus immer in die Bütt gegangen ist, Frau Nicolaus vermisst. Aber ich muss zugestehen, nachdem Sie jetzt in die Bütt gegangen sind, vermisse ich ja fast schon Herrn Krauß.
Wir haben selbstverständlich diese Studie, die hier zur Diskussion steht und in diesem Antrag untersetzt ist, schon im Dezember in den Haushaltsverhandlungen diskutiert. Das ist Ihnen mit Sicherheit entgangen, Frau Schöne-Firmenich. Es war dort schon in der Diskussion. Nichtsdestotrotz war es uns wichtig, diesen Punkt noch einmal in einem Antrag zu fixieren. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Sie unserem Gesetzentwurf innerhalb der Haushaltsverhandlungen nicht zugestimmt haben, sodass es nur die Möglichkeit gab, es über einen Antrag zu formulieren und in diesem Landtag einzufordern. Ich verweise darauf, dass unser dritter Gesetzentwurf zu dieser Thematik abgelehnt wurde.
Der zweite Punkt: Die Empfehlungen sind vielfältig in diesem Bericht; darin gebe ich Ihnen recht. Aber Sie finden in unserem Antrag unter Punkt 1 genug Dinge aus diesen Empfehlungen. Diesen Antrag nur darauf zu reduzieren, dass er die Verbesserung des Betreuungsschlüssels zum Inhalt hat, ist einfach falsch. Es ist der Punkt 2 mit der Bitte, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um das schnell umzusetzen. Das ist eben keine überstürzte Handlung, Herr Kultusminister, sondern das ist schon seit Langem ein Diskussionspunkt in diesem Parlament und eigentlich auch langjähriger Konsens der Fachpoliti
Frau Dr. Schwarz, Sie sagten, in der Studie steht, in der Evaluation nichts Konkretes hinsichtlich der Verbesserung des Personalschlüssels. Das stimmt so nicht. Es gibt mindestens eine Stelle – das ist einfache Mathematik –, um von 1 : 13 auf 1 : 12 zu kommen, bei der Vor- und Nachbereitungszeit. Ich könnte aus diesem Bericht zitieren, aber ich erspare mir das. Es sind noch weitere Bereiche genannt, in denen argumentativ untersetzt ist, dass man auch dort noch am Betreuungsschlüssel drehen müsste.
Herr Neubert, zitieren Sie mir bitte die Stelle, an der ganz konkret die Empfehlung eines Schlüssels von 1 : 12 steht!
„Ein sinnvoller Mindestwert für die kinderbetreuungsfreie Zeit ergibt sich unmittelbar aus der Aufgabenanalyse... Er liegt bei circa 10 % der wöchentlichen Arbeitszeit“ – einfache Mathematik an dieser Stelle.
Es gibt noch andere Punkte, Frau Dr. Schwarz, die eine Verbesserung beschreiben. Sie hatten auf die Verbesserung von 14 Millionen Euro im Kindertagesstättenbereich hingewiesen, die mehr eingestellt wurden. Wir sind uns ja wohl einig, wie wir es auch in den Haushaltsberatungen festgestellt haben, dass diese zusätzlichen 14 Millionen Euro eigentlich ein Nullsummenspiel sind, weil sie in anderen Haushaltspositionen auf null gesetzt bzw. eingespart und hinübergeschoben wurden. Das ist ein Nullsummenspiel; das ist auch die Rückmeldung aus der Praxis.
Ich weiß nicht, was bei Ihnen ein Nullsummenspiel ist. Ist Ihnen bewusst, dass wir die Landespauschale erhöht haben?
Ein Nullsummenspiel, Frau Dr. Schwarz, ist, wenn ich Haushaltstitel von fast 14 Millionen Euro auf null setze und woanders 14 Millionen Euro draufsetze und die Pauschale erhöhe. Das ist für mich ein Nullsummenspiel.
Vielleicht noch etwas zu Ihrem Vorwurf, dass wir von der Programmatik abweichen, wenn wir nicht sofort den Antrag auf einen Betreuungsschlüssel von 1 : 10 stellen und hier 1 : 12 fordern: Ich finde es wesentlich konsequenter, einen Schritt zu gehen, als Ihre Position einzunehmen und sich überhaupt nicht zu bewegen mit der Argumentation, es sei jetzt nicht möglich. Insgesamt war ich etwas verwirrt, dass die SPD-Fraktion gesagt hat, unser Antrag gehhe viel zu weit, und die GRÜNEN gesagt haben, er greift viel zu kurz. Das Spektrum der Kritik geht weit.
Herr Wöller, abschließend an Sie gerichtet: Es freut mich, dass Sie die Studie ernst nehmen. Viel lieber wäre es mir, wenn Sie als Minister in diesem Bereich handeln würden. Der kommunalen Ebene die erste Verantwortung zuzuschieben halte ich an dieser Stelle nicht für sachgerecht. Wir haben zum 1. Januar dieses Jahres die frühkindliche Bildung nicht ganz zufällig vom Sozialministerium ins Kultusministerium verlagert. Wir reden hier über Bildung, einen klassischen Bereich der Landespolitik. Bildung ist Landespolitik. An dieser Stelle ist das Land in der Verantwortung, auch bei der Finanzierung und Verbesserung des Personalschlüssels.