Der Klapperstorch liegt uns nicht nur aus demografischen Gründen am Herzen. Mit 400 Brutbauern konnte Mitte der Neunzigerjahre nach ununterbrochenem Rückgang eine Stabilisierung des Bestandes erreicht werden. Seit der Jahrtausendwende ist der Bestand wieder rückläufig. Wie bei uns Deutschen auch, wird als Ursache die zu geringe Anzahl des Nachwuchses gesehen. Adebar braucht zum Bestandserhalt – wie wir Menschen – mehr als zwei Junge im Nest. Er braucht das einmal im Jahr, wir brauchen das in unserem ganzen Leben.
Das Artenschutzprogramm „Weißstorch“ der Staatsregierung konnte jedenfalls – bei allen Anstrengungen – den Rückgang des allbekannten großen Schreitvogels nicht aufhalten. Die Hauptursachen für diese Entwicklung liegen in der zunehmenden Intensität der Acker- und Grünlandnutzung, dem Rückgang von Hecken- und Flurgehölzen und Ackersäumen. Dazu kommt die seit DDR-Zeiten ungebremste Vergrößerung der Schläge, die Verringerung der Kultur- und Fruchtfolgenvielfalt und die
Entflechtung von Acker- und Grünland. Die Intensivierung und der Wettbewerbsdruck in der Landwirtschaft führen zur Reduzierung der Pflanzenarten je Flächeneinheit. Die Erhöhung der Haindichte und die Vorverlegung der Schnitttermine schränken Brutmöglichkeiten ein. Stoppelbrachen verschwinden und die Flächenstilllegung ist wegen des erhöhten Bedarfs an Nahrungsmitteln und Bioenergie rückläufig.
Es soll aber in keiner Weise der Landwirt verantwortlich gemacht werden, der trotz seiner Verbundenheit zu unserer Natur und Heimat unter dem existenziellen Druck der jeweiligen Verhältnisse steht – sei es die Intensivierung der sozialistischen Landwirtschaft, der Wettbewerbsdruck globaler Agrarmärkte oder die Regulierung der Europäischen Union.
Dazu geraten die durch Beschränkung ihrer Lebensräume gebeutelten Arten noch unter einen verstärkten Verfolgungsdruck: die ungebremst sich vermehrenden Beutegreifer wie Rabenvögel, Füchse, Marderhunde, Waschbären und andere. Das Freizeitverhalten von Menschen – nicht angeleinte Hunde und streunende Miezekätzchen – reduziert die Anzahl der wenigen Jungvögel noch weiter.
Mit der Initiative der Koalitionsfraktionen möchten wir den Rückgang der genannten charakteristischen Vogelarten aufhalten und dafür Sorge tragen, dass die Bestände wieder zunehmen. Damit helfen wir Lerche, Rebhuhn, Kiebitz, Weißstorch und weniger bekannten Arten, die dieselben Lebensräume bewohnen.
Der erste Schritt zu dem von der Staatsregierung geforderten speziellen Artenschutzprogramm muss eine Begutachtung der Bestandsentwicklung sein. Anschließend müssen Maßnahmen konzipiert werden, die das genannte Ziel erreichen. Dazu möchten wir unsere Bauern einbeziehen und für die Belange des Naturschutzes gewinnen.
Wichtige Maßnahmen sind die Restrukturierung der Agrarlandschaft mit Feldhain, Hecken- und Flurgehölzen und die Erhöhung der Kulturartenvielfalt. Entscheidend – gerade für die Stabilisierung und Ausbreitung von Bodenbrütern – ist die gezielte Anlage von Dauerbrache- und Schwarzbrachestreifen, die überwinternde Stoppelbrache und das Belassen von Ernteresten. Nassstellen sollten bei der Bewirtschaftung ausgespart und Feuchtwiesen für die Kleingewässer reaktiviert werden. Jedem wird einleuchten, dass Mahd- und Bewaldungstermine auf bekannte Brutstätten und Lebenszyklen der zu schützenden Vogelarten abgestimmt werden müssen.
Zu diesen und anderen Maßnahmen ist der Dialog zwischen Naturschützern und Landwirten zügig in Gang zu bringen. Die Moderation – ich bin guten Mutes, dass wir in Frank Kupfer einen wichtigen Verbündeten gefunden haben – erwarten wir vom Ministerium.
An Geld dürfte es nicht fehlen. Hunderte Millionen Euro in Agrar- und Umweltprogrammen der Europäischen Union bilden eine hinreichende Grundlage für die in den nächsten Jahren einzuleitenden Maßnahmen. Diese müssen im Freistaat Sachsen nur gezielter und zugleich
wirksamer für den Erhalt und die Herstellung der Artenvielfalt eingesetzt werden. Das ist in der freien Feldflur augenscheinlich nicht gelungen und muss korrigiert werden. Dabei muss geprüft werden, warum geltende Fördermaßnahmen für den Schutz der biologischen Vielfalt nicht wirksam genug sind oder mangels ausreichend attraktiver Gestaltung kaum in Anspruch genommen werden.
Von Landwirten und Naturschützern kommen außerdem Klagen über eine ausufernde Förderbürokratie. Möglicherweise bietet sich hier ein interessantes Feld für die viel beschworenen Entbürokratisierungsmaßnahmen der Staatsregierung.
Ich wünsche mir, dass wir über diese Initiative von der Diskussion zur Aktion kommen und zumindest Rebhuhn, Kiebitz, Lerche und Weißstorch in den nächsten zehn Jahren auf die von der FDP vorgeschlagene „Weiße Liste“ über Erfolge beim Tier- und Artenschutz setzen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Sachsen gibt es 42 Vogelarten, die nach der EG-Vogelschutzrichtlinie eines besonderen Schutzes bedürfen. Darunter sind Vogelarten, die auf landwirtschaftlichen Flächen brüten und dort auf Nahrungssuche gehen. Insgesamt befinden sich etwa 40 % der Vogelschutzgebiete in Agrarräumen. Damit haben landwirtschaftliche Flächen als Vogellebensräume eine besonders große Bedeutung.
Eine wesentliche Ursache für den Bestandsrückgang bei einigen Vogelarten der Agrarlandschaft ist die Bewirtschaftungspraxis der Landwirtschaft. So ist zum Beispiel der Bruterfolg des Kiebitzes auf Ackerflächen sehr gering. Dafür gibt es natürlich auch noch andere Gründe. Oft werden aber Gelege durch landwirtschaftliche Maschinen vernichtet. Anhand des Vergleichs der Brutvogelkartierung in Sachsen von 1978 bzw. 1982 und 1993 bzw. 1996 zeigen sich sowohl positive als auch negative Entwicklungen. So wurde für das Rebhuhn ein Bestandsrückgang von etwa 30 bis 40 % und beim Kiebitz sogar von 50 bis 60 % festgestellt.
Jeder Landbewirtschafter steht vor der schwierigen Aufgabe, den Erhalt der Vogelarten des Agrarraumes mit einer rentablen Nutzung der Flächen in Einklang zu bringen. Anforderungen an die Bewirtschaftung, die über die Einhaltung der guten fachlichen Praxis hinausgehen, sollen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes umgesetzt werden. Für eine angepasste Landbewirtschaftung in europäischen Vogelschutzgebieten steht seit 2008 die Förderrichtlinie „Natürliches Erbe“ zur Verfügung.
Sie beinhaltet neben der Förderung von Maßnahmen zur Biotop-Entwicklung sowie zur Anlage und Wiederherstel
lung von Landschaftselementen der historisch gewachsenen Kulturlandschaft auch die Förderung spezieller Artenschutzmaßnahmen. Zu den förderfähigen Maßnahmen zählt zum Beispiel die Wiederherstellung von Feuchtbereichen.
Die Koalitionsfraktionen und die GRÜNEN sind sich in der Zielsetzung ihrer Anträge einig, den Schutz charakteristischer Vogelarten des Offenlandes zu stärken. Allerdings scheint der Antrag der GRÜNEN in einigen Forderungen über das Machbare hinauszugehen, zum Beispiel, was die Kartierung anbelangt. Mit den im Antrag der GRÜNEN unter Punkt 2 genannten Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen müssen wir uns, so glaube ich, im Rahmen der Beratung über den Antrag nicht im Einzelnen befassen. Darüber informiert unter anderem der vom Freistaat Sachsen herausgegebene Leitfaden für die landwirtschaftliche Nutzung in europäischen Vogelschutzgebieten in Form ausführlicher Steckbriefe. Diese gibt es für alle genannten Vogelarten. Außerdem werden Maßnahmen für die vogelschutzgerechte Umsetzung in den einzelnen Anbau- und Nutzungsverfahren beschrieben. Ergänzt wird das Ganze noch durch Angaben zur Verbreitung und zum Lebensraum sowie durch weitere Informationen zu Brutbestand, Status, Fortpflanzung und den für die Art wichtigsten Vogelschutzgebieten. Diesen Leitfaden haben alle Landwirte, die in Vogelschutzgebieten wirtschaften, erhalten. Auch gibt es bereits Schulungen, die sich mit dieser Materie beschäftigen.
Mit unserer Initiative sollte jeder Landbewirtschafter in der Lage sein, neue Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Bestandsentwicklung von Vogelarten zu berücksichtigen und den Beweis anzutreten, dass Landwirtschaft und Vogelschutz miteinander vereinbar sind.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass wir uns hier im Hause zum zweiten Mal in dieser Woche mit dem Thema Biodiversität beschäftigen können. Ich freue mich auch – das möchte ich zu Beginn ausdrücklich sagen –, dass sich – je länger, je mehr – die Übereinstimmungen zumindest zwischen den Koalitionsfraktionen und unserer GRÜNEN-Fraktion herauskristallisieren. Das ist doch eigentlich eine gute Entwicklung.
Wir haben uns heute in einen Bereich begeben, in dem sehr hoher Handlungsbedarf besteht. Es geht um den Erhalt der Artenvielfalt in unserer Agrarlandschaft. Herr Dr. Rößler hat soeben in das Thema eingeführt. Die vielen richtigen und wichtigen Fakten, die er genannt hat, muss ich nicht wiederholen. Ich will aber einige zusätzliche Fakten beitragen.
In der Agrarlandschaft Sachsens kann man nicht nur von einer akuten Gefährdung der Artenvielfalt sprechen; man muss sogar von einem beängstigenden Artensterben sprechen. Hier sind nicht nur die Hälfte, sondern sogar zwei Drittel der Arten gefährdet.
Das Artensterben betrifft fast alle faunistischen Artengruppen in Sachsen: Heuschrecken, Tagfalter, Brutvögel und Säugetiere. Ähnliche Verhältnisse gelten für die Flora.
Unser Antrag bezieht sich dabei bewusst auf Biotopschutzvorhaben für die bedrohten Brutvögel der Agrarlandschaft. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich klarstellen, dass wir mit unserem Antrag Lebensräume für möglichst viele Artengruppen wiederherstellen wollen, aber dazu den Schutz der Brutvögel für besonders geeignet erachten.
Es ist mir auch wichtig, aufzuzeigen, dass die von uns genannten Vogelarten im Denken der Menschen tief verwurzelt sind und somit auch zum Kulturgut im Freistaat Sachsen gehören.
Ich möchte die Gefährdung für die im Antrag genannten Brutvogelarten etwas plastischer darstellen. Dazu bediene ich mich auch des Zahlenmaterials einiger unserer zahlreichen Kleinen Anfragen sowie der Großen Anfrage, die – ich habe es gestern schon angedeutet – sicherlich viel Arbeit gemacht, uns aber auch ein sehr gutes Arbeitsmaterial an die Hand gegeben hat.
Viele der einst für unsere Agrarlandschaft typischen Vogelarten sind seit den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts stark im Rückgang begriffen. Dieser Rückgang verstärkte sich – nach einer gewissen Erholungsphase direkt nach der Wende – in den letzten 15 bis 20 Jahren noch einmal.
Die erste in unserem Antrag genannte gefährdete Art, der Weißstorch, ist wohl am tiefsten im Brauchtum vieler ländlicher Regionen verwurzelt. Ankunft und Abzug des Zugvogels bilden für die Dorfbewohner ein besonderes Ereignis. Eine geradezu mythologische Beziehung entwickelte sich zum Weißstorch, der noch heute die Schildwache, die Dachfirste vieler Gehöfte, ziert. Vielleicht hat der eine oder andere in der gestrigen Ausgabe der „Morgenpost“ den Bericht über den Schwarzstorch gelesen, der sich verletzt hat – ein Schicksal, das leider immer noch viele Störche in Sachsen erleiden.
Trotz eines Artenschutzprogramms der Staatsregierung leben im Freistaat gar nur noch 400 Brutpaare des Weißstorchs. Seit der Jahrtausendwende ist ein rückläufiger
Bestandstrend zu verzeichnen, und das, obwohl seit 1999/2000 das „Artenschutzprogramm Weißstorch“ besteht.
Beängstigend für uns ist es, dass die Zahl der Jungvögel pro Brutpaar nur noch bei 1,75 liegt. Herr Dr. Rößler hat angesprochen, dass das zu wenig ist. Der Grund ist natürlich, dass das Nahrungsangebot nicht ausreicht.
Weniger bekannt ist der Kiebitz. Ich überspringe jetzt einige Anmerkungen, weil Herr Dr. Rößler dazu schon ausgeführt hat. Die Staatsregierung berichtet von der Bestandsentwicklung wie folgt: Waren es im Zeitraum 1978 bis 1982 noch zweieinhalbtausend Brutpaare, so verringerte sich der Bestand in den Jahren 2004 bis 2007 auf nur noch 400 bis 800 Brutpaare. Das entspricht einem Rückgang um mehr als 68 % in 20 Jahren. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, was wir verhindern müssen, dann ist bald mit dem Aussterben der Art zu rechnen.
Auch das bekannte Rebhuhn, ein ehemaliger Charaktervogel der Agrarlandschaft, ist heute in vielen Teilen Sachsens nicht mehr anzutreffen. Lebten 1990 noch 2 500 Brutpaare im Freistaat, sind es heute nur noch 200 bis 400. Auch hier muss von einem beängstigenden Bestandsrückgang um über 80 % gesprochen werden.
Ich möchte noch zum Braunkehlchen kommen, weil Herr Dr. Rößler es nicht angesprochen hat und es auch im Antrag der Koalition keine Erwähnung findet.
Ich entschuldige mich, spreche es aber trotzdem noch einmal an. – Einst war auch dieser Vogel, ein sperlingsgroßer Bewohner der extensiven Agrarlandschaft, sehr häufig. Auch schon seit den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts kam es bei der Art zu erheblichen Bestandseinbrüchen; diese setzen sich bis heute fort. Ich nenne wieder Zahlen: 1990 waren es noch bis zu 5 000 Brutpaare, 2007 nur noch 2 000. Das entspricht wiederum einem Rückgang um mehr als 50 %.