Protocol of the Session on November 13, 2008

Ein wesentlicher Punkt ist der erweiterte Senat. Ich hätte mir gewünscht, dass etwas mehr darüber gesprochen wird, welche Vorteile ein erweiterter Senat haben kann. Aber da kam von Ihnen, der Linksfraktion und den GRÜNEN, wenig. So wird es künftig einen erweiterten Senat geben, der im Gesetzentwurf bisher nicht vorgesehen war. Der erweiterte Senat setzt sich aus den Mitgliedern des Senats – das sind bis zu 21 Senatoren – sowie mindestens noch einmal der gleichen Anzahl Hochschulangehörigen zusammen. Alles Weitere wird in der Grundordnung geregelt.

Der erweiterte Senat hat zwei Aufgaben: die Wahl und Abwahl des Rektors sowie den Beschluss der Grundordnung im Einvernehmen mit dem Rektorat. Damit wird der Rektor von einer breiteren Basis als allein den Senatsmitgliedern legitimiert; denn nur durch diese breitere Legitimation innerhalb der Organisation Hochschule hat die Hochschulleitung dann auch die Legitimation, Entscheidungen eigenverantwortlich treffen zu können.

Ebenso wird der erweiterte Senat die Grundordnung beschließen. Die Grundordnung ist eine Art Verfassung der Hochschulen. Mit einem verantwortungsvollen Blick auf die Handlungsfähigkeit der Hochschule wird die Grundordnung nun durch eine breitere Basis bewertet.

Weiterhin geht es um die Entwicklungsplanung. Ausführlich haben wir im Ergebnis der Anhörung noch einmal die Kompetenzen des Senates auf den Prüfstand gestellt. Die Entwicklungsplanung der Hochschule wird nunmehr vom Senat beschlossen und nicht, wie ursprünglich im Gesetz vorgesehen, durch das Rektorat. Die Entwicklungsplanung der Hochschule entscheidet – das ist uns allen klar – über die strategische Ausrichtung der Hochschule im

Rahmen der landesweiten Planung. Hierin wird festgelegt, in welche Richtung eine Profilbildung, wenn man sie vorhat, gehen soll. Daher war es unser dringendes Bestreben, dass das zentrale Organ der Hochschule diese Entscheidung trifft und entsprechend mitträgt. Der Hochschulrat genehmigt in Vertretung der Staatsregierung die Entwicklungsplanung. Die Grenzen seines Genehmigungsvorbehaltes sind dabei durch das Gesetz sehr eng definiert. Er kann die Genehmigung nur versagen, wenn die Entwicklungsplanung der Hochschule der landesweiten Planung entgegensteht. Ein inhaltlicher Eingriff ist dem Hochschulrat nicht möglich.

Noch einige Worte zur Erweiterung der Erprobungsklausel; auch das stand in der Kritik. Mein Kollege Herr Prof. Mannsfeld hat schon kurz darauf hingewiesen. Seitens der Studierenden gab es Kritik, die Erprobungsklausel öffne der Beliebigkeit Tür und Tor. Auch hier kommt wieder ein gewisses Misstrauen gegenüber den Hochschulen und Hochschulangehörigen zum Vorschein.

Ich denke, die Kritik ist unberechtigt, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen geht es darum, neue Modelle in der Lehre anzuwenden, was eigentlich im Interesse der Studierenden sein sollte. Diese Reformmodelle werden evaluiert und sind zeitlich befristet. Außerdem werden diese Dinge in der Grundordnung festgeschrieben. Das heißt, auch auf einer breiteren Basis wird darüber diskutiert, was möglich ist. Ich sehe hier eher einen Vorteil als einen Nachteil sowie große Chancen für die Hochschulen, sich an neuere Modelle in Forschung und vor allem Lehre heranzuwagen.

Zum Zweiten: Wenn eine Hochschule von der Erprobungsklausel Gebrauch machen möchte, dann müssen diese Änderungen genau in der Grundordnung festgeschrieben werden. Die Grundordnung wird – ich habe es soeben gesagt – vom erweiterten Senat beschlossen. Es wird also keine Erprobungsklausel geben, wenn der erweiterte Senat nicht zustimmt.

Eine Klarstellung haben wir hinsichtlich der Mitwirkungsgrundsätze hinzugefügt. Bei der Einführung der Erprobungsklausel darf nicht von den Grundsätzen einer Gruppenuniversität abgewichen werden.

Sehr geehrte Abgeordnete! Das neue Hochschulgesetz stärkt nicht nur die Autonomie der Hochschulen und bietet ihnen dafür den notwendigen gesetzlichen Rahmen, das Gesetz sichert auch die demokratischen Strukturen und Mitwirkungsmöglichkeiten aller Gruppen. Vertrauen wir doch auf die Intelligenz und die Fähigkeiten unserer Rektoren, der Senatoren oder allgemein der Hochschulmitarbeiter, die dieses Gesetz zukunftsweisend mit Leben erfüllen sollen! Warum vertun wir uns hier im KleinKlein? Im vorliegenden Gesetzentwurf sehe ich große Chancen für die Hochschulen und vertraue den Verantwortlichen, dies entsprechend umzusetzen.

Daher bitte ich morgen um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und danke Ihnen heute für Ihr Zuhören.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Thomas Jurk)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Gansel, bitte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Dresdner Schüler!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den salbungsvollen Worten der Koalitionsredner könnte man meinen, hier und heute würde mit der Verabschiedung des Hochschulgesetzes ein Stück sächsischer Bildungsgeschichte geschrieben.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Richtig ist nur, dass heute eine quälend lange Auseinandersetzung der Meinungen und Interessen zum neuen Hochschulgesetz ein Ende findet.

Die CDU/SPD-Koalition klopft sich belobigend auf die Schulter und versucht der Öffentlichkeit weiszumachen, hier sei ein großes Gesetzeswerk gelungen, um die sächsischen Hochschulen zukunftsfest zu machen.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Die Koalition feiert überdies ihre hochschulpolitische Entschlusskraft und visionäre Gabe, wenn auch nur mit dem abgedroschenen Vokabular schneidiger Hochschulreformer. Dabei unterschlägt die Staatsregierung, dass ihr Gestaltungsspielraum trotz der hochschulpolitischen Kompetenzstärkung infolge der Föderalismusreform minimal ist.

Dirigiert wird das Hochschulkonzept in Europa doch längst von beamteten Bildungsfunktionären im fernen Brüssel, und das nach der Partitur, die am 19. Juni 1999 im italienischen Bologna von den EU-Bildungspolitikern niedergeschrieben wurde. Nach diesem Notenblatt dirigieren die Eurokraten seither die europäische Hochschulpolitik. Auch die deutschen Landespolitiker dürfen in diesem Konzert gerade noch die Triangel spielen, während Wirtschaftslobbyisten mit Pauken und Trompeten längst den Takt vorgeben.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Mit dem Inkraftsetzen des Bologna-Prozesses sind deutsche Hochschulpolitiker letztlich zu Vollzugsorganen Brüssels geworden, die in ihren Parlamenten durchzuwinken haben, was in fremden Amtsstuben ausgeheckt wird. Das sollten Sie hier und heute auch einmal ehrlich eingestehen.

Für das lebenslange Ziel, bis 2010 einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen, sollen sämtliche deutsche Bildungstraditionen entsorgt und die Leistungserfolge des deutschen Hochschulsystems auf dem Altar der europäischen Einigung geopfert werden.

Die NPD-Fraktion lehnt bekanntermaßen den BolognaProzess als solchen ab und erteilt damit der europaweiten

Gleichschaltung der Hochschulen und ihrer Umwandlung in Bildungsfabriken mit minderqualifizierenden Bachelor- und Masterabschlüssen eine Absage.

Wir könnten uns heute mit Ihnen von der großen Bologna-Koalition über das Klein-Klein der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe streiten. Wir könnten Ihnen sagen, was wir an der vorgesehenen Gremienstruktur und den Kompetenzen für Senat, Hochschulrat und Rektorat im Einzelnen gut oder schlecht finden. Ich kann Ihnen auch verraten, dass wir die grüne Forderung nach einer zwingenden Repräsentanz von Frauen in der Berufungskommission und die bevorzugte Einstellung von Frauen bei gleicher Eignung ablehnen. Frauen sind nämlich inzwischen so weit, dass sie weder grüne Frauenbeauftragte noch Förderquoten brauchen, um sich im akademischen Umfeld durchzusetzen und erfolgreich ihren beruflichen Weg zu gehen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Klar ist auch, dass die NPD-Fraktion das Ansinnen der Koalitionsfraktionen ablehnt, den Universitäten den Status staatlicher Einrichtungen zu entziehen und sie in bloße rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts zu verwandeln, weil damit der „Verbetriebswirtschaftlichung“ der Universitäten Tür und Tor geöffnet wird.

Gerade die CDU-Hochschulpolitiker seien daran erinnert, dass ihr ehemaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf vor ziemlich genau einem Jahr auf einem Forum in Dresden erklärte: „Die Vorherrschaft des Ökonomischen ist geeignet, die Kultur als Ausdruck der Ganzheitlichkeit menschlicher Gesellschaft und ihrer staatlichen Verfasstheit zu bedrohen.“

Positiv – und das will ich nicht verhehlen – ist an den beiden Gesetzentwürfen die grundsätzliche Absage an Studiengebühren in Sachsen bis zum Masterabschluss. Als NPD-Fraktion haben wir immer gesagt, dass es an den Hochschulen keine Auslese nach der sozialen Herkunft der Studierenden geben darf. Gebühren für ein Studium in der Regelzeit sind grundsätzlich abzulehnen, weil sie den Hochschulzugang sozial noch undurchlässiger machen. Diese soziale Undurchlässigkeit haben bekannterweise unzählige OECD-Studien auf dramatische Art und Weise belegt.

Ansonsten sind für uns die beiden Gesetzentwürfe nur ein paragrafenreicher Ausdruck des Bestrebens, die akademische Ausbildung den Funktions- und Arbeitsmarktbedürfnissen einer globalisierten Wirtschaft dienstbar zu machen. Nicht zufällig führen sich Universitätspräsidenten zunehmend wie Unternehmensführer auf und sitzen Wirtschaftslobbyisten in den Uni-Gremien. Und nicht zufällig sieben Hochschulen Studierende nach Wirtschaftsgesichtspunkten aus und wetteifern Fakultäten wie Profit-Center um Exzellenzprädikate und Fördermillionen.

Die deutsche Universität fußte seit Wilhelm von Humboldt auf der Einheit von Forschung und Lehre und

stellte die Bildung über die bloße Ausbildung. Diese Entwicklung wird nun umgekehrt, indem die bewährten Hochschulabschlüsse Diplom und Magister durch Bachelor und Master ersetzt werden.

Nach einem sechssemestrigen Blitzstudium bekommt man den Bachelortitel, und fertig ist der „Akademiker light“.

Der Rechtswissenschaftler Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, kritisiert den Trend zur allgemeinen Verschulung mit starren Studienplänen, die kaum Raum für studentische Selbstorganisation lassen. Kempen sagt: „Alle diese haarklein festgelegten Module führen zu einem Scheuklappenstudium, das den Blick nach rechts und links verstellt. Damit werden keine Innovationsträger und Funktionseliten herangebildet.“

Die Wirtschaft wollte junge, formbare, mobile und flexible Absolventen und diktierte den Bologna-Reformern ihren Wunschzettel. Nun bekommen sie DiscountAkademiker, denen es nicht selten an Fachwissen und Lebenserfahrung mangelt. Was wird denn nun aus den bisherigen Staatsexamensfächern Jura und Medizin? Ein Jura-Bachelor mag ja noch irgendwo als Bürokraft beruflich unterkommen, auch wenn er nie als Richter oder Staatsanwalt wird arbeiten können. Doch was ist mit den Medizinern? Sollen sie nach sechs Semestern Blitzstudium schon Patienten behandeln dürfen? Man ahnt, dass vor allem die Studierenden die Leidtragenden des EUdiktierten Reformwahns sind.

Die NPD-Fraktion lehnt den Ökonomisierungs- und Internationalisierungsdruck auch im Hochschulbereich ab und wird deshalb gegen die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe stimmen.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Dr. Schmalfuß, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich begrüßen wir es als FDP-Fraktion, wenn ein neues, modernes Hochschulrecht zur Entscheidung gebracht werden würde, um den veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen auch im Hochschulbereich Rechnung zu tragen. Doch was uns heute in Form des Entwurfs der Staatsregierung zur Entscheidung vorliegt, verfehlt nach Meinung der FDP-Fraktion in weiten Teilen das Ziel, den Hochschulen weitgehende Autonomie und flexible, wettbewerbsfähige Handlungsfähigkeit zuzugestehen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Es ist ein in Gesetzestext gegossener Koalitionskompromiss, aber ein Kompromiss, der die meisten Wünsche offen lässt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Offensichtlich ließ der jahrelange Abstimmungsmarathon in der Koalition nicht zu, auch noch Externe, das heißt, die unterschiedlichen Vertreter der sächsischen Hochschulen, rechtzeitig und umfassend in die Gesetzesgestaltung einzubeziehen. Nach der Anhörung zum Gesetz und den umfangreichen dabei geäußerten Einwendungen sah sich die Koalition zu der vorliegenden Änderungsorgie genötigt. Als wie solide, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann aber ein Gesetzentwurf bezeichnet werden, in den kurz vor der Beschlussfassung noch 33 Änderungen gepresst werden müssen? Was Sie uns hier als Lern- und Beratungsfähigkeit der Koalition verkaufen wollen, ist nichts anderes als mangelnde Abstimmung im Vorfeld.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren der Koalition! Sie hatten für dieses Gesetz jahrelang Zeit. Jetzt soll plötzlich alles ganz schnell gehen. Mit nachhaltiger Hochschulpolitik hat dies wenig zu tun.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Worüber wir heute oder morgen abstimmen, ist ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz. Es mag sein, sehr geehrte Frau Staatsministerin Stange, dass Sie aus ästhetischen Gründen auf ein Artikelgesetz verzichtet haben. Wer aber mit dem steten Mantra von einer soliden Gesetzgebung unbeirrt gegen die formalen Einwände beispielsweise des Juristischen Dienstes ansingt, der verweigert sich einer sachlichen Auseinandersetzung und ignoriert bewusst die entsprechenden, übrigens auch verfassungsrechtlichen Zweifel. Auch hier sitzt Ihnen offenbar die Zeit im Nacken.