Wie es mein Kollege Andreas Heinz bereits angekündigt hat, möchte ich noch einige Ausführungen über Cross Compliance machen. Diese so genannte Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen stellt die Verknüpfung der Agrarförderung mit der Einhaltung zahlreicher Richtlinien aus den Bereichen Umwelt, Futtermittel und Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz dar. Das klingt erst einmal logisch, ist aber in der gesamten Wirtschaft oder im Sozialbereich völlig unüblich. Oder können Sie sich vorstellen, dass man einer Mutter oder einem Vater, die ihr Kind zur Schule fahren und dabei ihr Auto ins Parkverbot stellen, nicht nur ein Knöllchen an die Windschutzscheibe hängt, sondern gleichzeitig auch noch das Kindergeld kürzt? Genau diese doppelte Sanktionierung tritt bei Cross Compliance ein. Also die Landwirte lehnen nicht etwa ab, Richtlinien einzuhalten, aber eine doppelte Bestrafung ist eben zu viel.
Der Gesundheitstest zielt einerseits auf Veränderungen in der gegenwärtigen Förderperiode, und andererseits dient er der Vorbereitung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik nach 2013. In beiderlei Hinsicht gibt es bei den Cross Compliances, also bei diesen mit der Agrarförderung verbundenen 19 Richtlinien – vielleicht sind es schon mehr – dringenden Veränderungs- bzw. Vereinfachungsbedarf. Da in der Landwirtschaft weder im Reinstraum produziert wird und die Arbeitszeit meist der Wetterbericht und nicht die Gewerkschaft bestimmt, muss außerdem auch bei den Kontrollen der Vorschriften mit Augenmaß vorgegangen werden. Dabei geht es mir nicht darum, vorsätzliches oder wiederholtes Fehlverhalten zu tolerieren. Wer Vorschriften bewusst missachtet, muss natürlich auch bestraft werden. Wenn aber beispielsweise eine Schlagkartei im höchsten Erntestress nicht taggenau aktualisiert wird, muss man auch die Chance bekommen, dies nachzuholen.
Den angesprochenen Änderungsbedarf möchte ich Ihnen an einigen wenigen Beispielen deutlich machen. Die angesprochenen 19 Richtlinien sind europaweit als sogenannte anderweitige Verpflichtungen mit der Agrarförderung verbunden. Die Ausgestaltung dieser Vorschriften ist jedoch zum Teil den Mitgliedsstaaten selbst überlassen. Zumindest sind Verschärfungen der europäischen Vorgaben jederzeit möglich.
Wie bei der Diskussion in der letzten Plenumswoche zum Thema Pflanzenschutz, möchte ich auch hier dringend eine europäische Harmonisierung einfordern. Es kann doch nicht sein, dass ein deutscher Landwirt nicht nur
bestraft wird, sondern auch noch die Agrarförderung gekürzt bekommt, weil sein Mineralöllager oder sein Maschinenwaschplatz den hohen deutschen Anforderungen nicht entspricht, und sein europäischer Nachbar aufgrund geringerer Anforderungen eben nicht bestraft wird. Das gleiche Szenario tritt ein, wenn ein in Deutschland nicht zugelassenes Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird – was in anderen Mitgliedsstaaten sanktionslos möglich ist.
Die Landwirte sind natürlich nicht berechtigt, mehr Flächen bei der Antragstellung für die Agrarförderung anzugeben, als sie bewirtschaften. Das ist ja logisch. Gleichzeitig sind sie aber verpflichtet, all ihre zur Verfügung stehenden Flächen im Antrag zu verankern. Geht also ein Antragsteller etwas vorsichtig an die Antragstellung heran und meldet seine Flächen etwas kleiner als gemessen, um nicht Gefahr zu laufen, wegen Subventionsbetrug vor der Staatsanwaltschaft zu landen, kann es ihm passieren, dass er sanktioniert wird, weil auf seinem Antrag einige Teilflächen fehlen. Er beantragt also weniger Geld, als ihm im Grunde zusteht, und wird womöglich dafür noch bestraft.
Ein weiteres Beispiel ist der Schutz von Landschaftselementen innerhalb der FFH-Richtlinie. Landschaftselemente, also Bäume, Hecken und Sträucher, sind nicht nur auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, sondern auch angrenzend zu erhalten. Gehört nun ein solches angrenzendes Landschaftselement weder zur Eigentums- bzw. zur Pachtfläche eines Landwirts und wird diese Hecke beispielsweise vom rechtmäßigen Eigentümer beseitigt, wird der ahnungslose Landwirt dafür sanktioniert. Auch das ist nicht nachvollziehbar.
Wenn wir die Landwirte mit immer mehr Auflagen und Nachweispflichten überziehen, wird natürlich auch die Gefahr von Verstößen größer. Wir dürfen nicht vergessen, dass die eigentliche Aufgabe der Landwirte die Produktion von Lebensmitteln und Rohstoffen ist. So können sie es sich nicht leisten, ganze Rechtsabteilungen zu unterhalten wie große Konzerne. Vielleicht reizt es auch deshalb manchen hier, die Schrauben immer enger zu ziehen.
Bei den Kontrollen wird in Sachsen sicherlich mit dem notwendigen Augenmaß vorgegangen. Dafür einen Dank an die vielen fachlich guten Mitarbeiter unserer Landwirtschaftsverwaltung. Toleranz hat aber natürlich ihre Grenzen. Auch deshalb muss es dringend zur Vereinfachung bei diesen Vorschriften kommen, und eine generelle Einszu-eins-Umsetzung europäischer Vorgaben muss außerdem der Maßstab sein.
Ich möchte, weil es hier angesprochen wurde, noch ein Wort zur Modulation verlieren. Das hat mein Kollege Andreas Heinz schon gemacht. Frau Kollegin Kagelmann, natürlich sind die sächsischen Landwirte und auch unsere CDU-Fraktion nicht gegen die Förderung von Agrarumweltmaßnahmen und auch nicht, lieber Michael Weichert, gegen die Entwicklung des ländlichen Raumes. Das ist ganz klar. Das ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und die kann doch nicht über Einkommensein
bußen bei der Landwirtschaft und bei der progressiven Modulation auch noch einseitig von der ostdeutschen Landwirtschaft finanziert werden. Das geht doch nicht.
Meine Damen und Herren! Mir ist klar, dass der vorliegende Antrag nicht mehr direkt auf den Entscheidungsprozess der EU Einfluss nehmen kann oder nur wenig. Es ist aber wichtig, dass genau zum jetzigen Zeitpunkt noch einmal ein Signal Richtung Agrarministerkonferenz und letztlich nach Brüssel gesendet wird, um Schaden von der sächsischen Landwirtschaft und damit vom ländlichen Raum abzuwenden.
Ein solches Signal wünsche ich mir auch von anderen politischen Entscheidungsträgern in den Bundesländern und im Bund. Dieses Signal sollte auch von einer deutlichen Mehrheit dieses Hohen Hauses mitgetragen werden.
Wer möchte sich noch von den Fraktionen in der zweiten Runde dazu äußern? – Ich sehe keinen weiteren Redebedarf. Dann bitte ich jetzt unseren Staatsminister, das Wort zu nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch sieben Tage bis zum offiziellen Countdown in Brüssel, dann werden die Agrarminister der Europäischen Union über den Gesundheitscheck entscheiden: Gesundheitscheck bzw. Health Check – eine Zwischenbewertung der Agrarreform von 2003.
Schon jetzt laufen in Brüssel Vier- und Sechs-AugenGespräche hinter verschlossenen Türen. Auch wir deutschen Agrarminister stimmen uns am Montag noch einmal in Berlin auf einer Sonder-Agrarministerkonferenz ab, bevor unsere neue Bundeslandwirtschaftsministerin Frau Aigner zu den Verhandlungen nach Brüssel reist. Mein ganz klares Ziel ist und bleibt: keine Benachteiligung für sächsische Landwirte.
Insofern unterstütze ich den Antrag der Regierungsfraktionen. Für dieses Ziel habe ich mich als Vorsitzender der Agrarministerkonferenz eingesetzt. An diesem Ziel halte ich auch jetzt beim europäischen Endspurt mit allen Kräften fest.
Sachsen forderte gleich nach dem Bekanntwerden der ersten Kommissionsvorschläge zum Health Check: An der uns im Jahr 2003 von den europäischen Staats- und Regierungschefs zugesicherten Planungssicherheit, Herr Kollege Weichert, darf bis 2013 nicht gerüttelt werden. Wir lehnen die vorgeschlagene Anhebung der obligatorischen und größenabhängigen Modulation entschieden ab.
Unsere Landwirte haben diese Zahlungen eingeplant – sie verlassen sich darauf. Sie haben ihre Betriebskonzepte darauf errichtet und investiert. Stellen Sie sich einmal vor: Sie kaufen sich ein Auto oder schaffen sich irgendetwas anderes an. Sie finanzieren also etwas auf Kredit. Dann planen Sie doch auch. Wenn zwischendurch dann jemand kommt und sagt: „April, April, wir nehmen Ihnen 20 % von den Mitteln weg!“ – das geht doch nicht!
Das ist eben kein Bestandsschutz. Wenn – wie nach dem Vorschlag der Kommission – die Direktzahlungen an die Betriebe gesenkt werden, sägt das an der Liquidität unserer Unternehmen. Schon jetzt kämpfen die Milchbauern und die Schweinezüchter immer wieder mit neuen Tiefstpreisen. Falls nun an der ursprünglichen, für die Betriebe sicheren Bank gerüttelt wird, stehen dringend benötigte Arbeitsplätze auf dem Spiel. Das können wir uns nicht leisten, meine Damen und Herren.
Ich bin froh, dass hier alle deutschen Bundesländer mit einer Sprache sprechen. Ich bin auch froh, dass nicht nur der Sächsische Landesbauernverband, sondern – wie ich heute erfahren habe – auch der Deutsche Bauernverband hinter uns steht und die Modulation einstimmig ablehnt.
Ähnlichen Diskussionsbedarf sehe ich beim Thema Milch. Der Ausstieg aus der Milchquote bis 2015 ist gesetzt. Allerdings verstehen die Bundesländer unter einer sanften Landung etwas anderes als die Kommission. Wir fordern immer wieder ein tragfähiges und schlüssiges Gesamtkonzept. Das darf nicht nur auf die Anhebung der Milchquote setzen, sondern auch auf andere Optionen, wie zum Beispiel die Senkung der Überschussabgabe. Das wäre für mich überhaupt das Einfachste: Man müsste sukzessiv die Überschussabgabe bis 2015 senken. Dann hätte sich die Quote erledigt. Das ist aber wahrscheinlich für Brüssel zu unbürokratisch.
Gleichzeitig denke ich auch an die Milcherzeuger in weniger wettbewerbsfähigen Regionen. Auch ihnen ist eine Perspektive zu geben. Ich möchte ein Maximum der Milchproduktion bei uns halten, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu sichern, um unsere Betriebe für Wettbewerb und Weltmarkt fit zu machen. Um die Milcherzeuger in den benachteiligten Regionen besonders zu unterstützen, benötigen wir zusätzliche finanzielle Mittel. Wir brauchen einen Milchfonds. Dazu stehe ich.
Zu diesem Punkt sind die von der Kommission bisher vorgelegten Vorschläge allerdings enttäuschend. Die Kommission schlägt stattdessen eine Kürzung der Direktzahlungen in den Mitgliedsstaaten und eine erneute Umverteilung vor. Das ist kein neues Geld aus der Modulation. Es handelt sich vielmehr um Gelder, die umverteilt werden. Auch dazu sagen wir entschieden: nein! Es entbehrt jeder Logik, dass die Kommission eine weitere Entkoppelung der Produktion von den Direktzahlungen fordert. Gleichzeitig möchte sie neue gekoppelte Zahlun
gen zulassen. Es werden nach dem Prinzip „Wunschbriefkasten“ wieder inkohärente Zugeständnisse an einzelne Mitgliedsstaaten vorgenommen. Dagegen wehre ich mich. Deutschland wird diese Option jedenfalls nicht anwenden.
Meine Damen und Herren! Ich fordere nach wie vor: Der Health Check muss zwingend die Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik vereinfachen. Potenzial gibt es vor allem im Bereich Cross Compliance. Es darf hier keinesfalls zu einer Ausweitung des Rechtsrahmens kommen. Bestehende Fördermöglichkeiten über die Agrarumweltmaßnahmen dürfen nicht konterkariert werden. Vielmehr muss der Verwaltungsaufwand – nur darum geht es – im bestehenden System reduziert werden. Es hat also nichts damit zu tun, Umweltstandards abzusenken. Es geht um eine Verwaltungsvereinfachung.
Es gibt aber nicht nur Kritik an den Vorschlägen der Kommission. Für wichtig und unstrittig halte ich den Punkt zur Abschaffung der Flächenstilllegung. Das ist sowieso ein „Dinosaurier“ der Agrarpolitik. Herr Heinz ist darauf eingegangen. In Anbetracht der Versorgungsengpässe mit Nahrungsmitteln in vielen Regionen der Welt geht Europa den richtigen Weg. Gleichfalls richtig ist, dass man sich immer mehr aus der staatlichen Steuerung von Angeboten zurückzieht. Die Intervention für Futtergetreide auf null zurückzufahren ist daher nur zu begrüßen. Richtig ist auch der Ausstieg aus der spezifischen Energiepflanzenförderung – diese war und ist ein bürokratisches Monster. Nach dem Wegfall der Flächenstilllegung war die Förderung nicht mehr erforderlich.
Meine Damen und Herren! Sachsen hat das Mögliche getan. Sachsen hat sich aktiv in den Diskussionsprozess zum Health Check eingebracht und Position bezogen.
Ich möchte an die unter der Federführung der Sächsischen Staatsregierung entstandenen Schreiben der ostdeutschen Ministerpräsidenten an den Kommissionspräsidenten Barroso und an das Schreiben an die EU-Kommissarin Fischer Boel – einschließlich ihres Besuches in Sachsen im Rahmen des Zukunftsforums Landwirtschaft – erinnern. Die Rahmenbedingungen für die Agrarpolitik werden im Wesentlichen durch EU-Politik bestimmt. Wir werden uns als sächsische Staatsbürger weiterhin einmischen. Wir stehen an der Seite unserer sächsischen Landwirte. Wir werden Einfluss nehmen. Der Antrag der Regierungskoalition bestärkt mich in unseren Bemühungen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir im Rahmen des Schlusswortes noch einmal kurz auf die eine oder andere Bemerkung einzugehen.
Frau Kagelmann, Sie widersprechen sich selbst. Sie sagen zum einen: Was vorhanden ist soll so bleiben, wie es ist. Auf der anderen Seite fordern Sie Änderungen bei der Modulation. Wenn wir Cross Compliance fordern, dann für alle. Ich möchte das an einem Beispiel illustrieren: Wenn ein Kind dreimal nacheinander ohne Frühstücksbrot in der Schule auftaucht, muss das Auswirkungen auf das Kindergeld haben. Dann könnten wir uns manche Diskussion zu diesem Thema sparen.
Meine Damen und Herren von der NPD! Sie fokussieren sich auf Deutschland – wahrscheinlich reicht Ihr Horizont nicht weiter. Unsere Aufgabe muss es sein, in Deutschland und mit der Hilfe Europas das Wohlstandsgefälle abzubauen. Dann werden auch die Leute versuchen, in ihrer Heimat eine Zukunft zu finden und nicht dorthin zu gehen, wo es wirtschaftlich attraktiver ist.
Ich möchte etwas zu der Zeit nach 2013 sagen: Ich wünsche mir, dass die Landwirte ganz allein von dem Verkauf ihrer Produkte leben können und Preisausgleichszahlungen unnötig sind. Das würde bedeuten: Das eine oder andere im Supermarkt wird etwas teurer sein. Damit kann ich – für meinen Teil – gut leben. Man bräuchte keine Kontrollen mehr und müsste sich nicht für Dinge rechtfertigen, die woanders hingegangen sind. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich beginne mit Punkt 1. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte! – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und wenigen Gegenstimmen ist Punkt 1 mit Mehrheit angenommen worden.
Ich rufe Punkt 2 auf. Wer möchte zustimmen? – Die Gegenstimmen, bitte! – Stimmenthaltungen? – Bei einer großen Anzahl von Stimmenthaltungen und wenigen Gegenstimmen wurde Punkt 2 mit Mehrheit angenommen.