Protocol of the Session on November 12, 2008

Es war dann weiter nachzulesen, dass die Schwerpunktstaatsanwaltschaft INES, die 2004 nach längerer Debatte auch im Sächsischen Landtag – wir hatten es in der 3. Wahlperiode – speziell zur Korruptionsbekämpfung eingerichtet worden war, teilweise in die neue Task Force integriert werde. Dies alles ist nachzulesen in der „SZ“ vom 15. Februar dieses Jahres. Einen Tag, einen Auftritt – dann war zunächst Ruhe.

Uns ließ die Sache nicht ganz so ruhen, wir waren nicht ganz so gelassen. Wir wollten, da es uns doch verdächtig erschien, diese Zentralisierung der Entscheidungskompetenz, alle maßgeblichen Strafverfahren auf den Generalstaatsanwalt zu übertragen, doch letzten Endes wissen, was an der Sache dran ist, und hatten entsprechend im März dieses Jahres den Ihnen vorliegenden Antrag eingereicht.

In der Antwort vom 31. März 2008 ist zu lesen: Erstens. Der Generalstaatsanwalt ziehe derzeit nicht in Betracht, INES durch eine möglicherweise neu zu schaffende Task Force zu ersetzen. Beide Ermittlungseinheiten sollten trotz angestrebter enger Zusammenarbeit selbstständig nebeneinander bestehen bleiben. Zweitens. Der Generalstaatsanwalt der Freistaates Sachsen erarbeitet ein Konzept zur Errichtung einer landesweit zuständigen Ermitt

lungseinheit für Sonderfälle aus allen Kriminalitätsbereichen, deren zeitnahe Erledigung durch einzelne sächsische Staatsanwaltschaften nicht durchgängig sichergestellt werden kann. Drittens. Als Gründe, die Anlass gaben, über die Bildung der Task Force nachzudenken, wurden in der Antwort der Staatsregierung genannt: die Beseitigung temporärer Kapazitätsengpässe, sowohl in der Staatsanwaltschaft als auch in den Ermittlungsdezernaten bei umfangreichen Verfahren; die Beseitigung des Widerspruchs zwischen Zeitdruck und dem Postulat bestmöglicher Sachaufklärung in gewichtigen Fällen; eine höchstmögliche Konzentration interdisziplinären und hoch spezialisierten Fachwissens sowie die Sicherung von kurzen unbürokratischen Wegen und schließlich, dass die künftige Task Force als Ermittlungseinheit nicht nur im gesamten Staatsgebiet des Freistaates Sachsen, sondern im Rahmen gemeinsamer Ermittlungsgruppen im gesamten europäischen Rechtsraum einsetzbar sein solle. Eine engere Zusammenarbeit der noch zu schaffenden Task Force mit INES sei zu erwarten, ein flexibler Personaleinsatz geplant.

Das ist im Kern aus unserer Sicht die Antwort der Staatsregierung. Zum Ende der Stellungnahme hieß es dann noch lapidar, dass die geplante Einrichtung – hier zitiere ich wieder – „einer Task Force derzeit keiner weiteren Abstimmung zwischen der Staatsregierung und dem Generalstaatsanwalt bedürfe und über die Notwendigkeit einer Beteiligung der funktionalen Ebene von Staatsanwaltschaft und Polizei zu gegebener Zeit befunden werden wird“.

Nun vernahmen wir dieser Tage, dass der bislang maßgeblich für die Arbeit – nennen wir es mal ruhig so, wie es in der Zeitung steht – der Sondereinheit zum vermeintlichen Sachsensumpf von der Staatsanwaltschaft Dresden verantwortliche Oberstaatsanwalt Schwürzer zum Generalstaatsanwalt versetzt sei und er dort Karriere machen werde. Er solle nämlich der Chef der Task Force werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Der hat sich auch bewährt!)

Das, Herr Kollege, bestreite ich ja nicht.

Da nach der Logik der Dinge die Auswahl der Nomenklatur darauf schließen lässt, dass die Formierung der neuen Struktur einer Task Force weit gediehen ist, aus dem Hause Mackenroth aber bislang nichts verlautbar wurde und wir im Hinblick auf die Haushaltsentwürfe 3 und 6 nicht so recht erkennen konnten, wie denn nun die Task

Force haushalterisch untersetzt sein sollte, haben wir uns entschlossen, nun den Antrag aufzurufen. Dies in der Hoffnung, dass uns heute der Staatsminister der Justiz Mackenroth, gegebenenfalls assistiert von Herrn Innenminister Dr. Buttolo etwas schlauer macht. Einfach so, weil es dem Landtag nun nicht ganz gleich sein kann, welche im Freistaat gebildeten, operierenden Ermittlungseinheiten für den gesamten europäischen Rechtsraum programmiert sind respektive vielleicht demnächst in Helsinki oder vor Prag oder Lichtenstein operieren sollten. Insofern bitten wir um Nachsicht, wenn wir jetzt ob der zurückhaltenden Bereitschaft der Staatsregierung und speziell des Herrn Justizministers von uns aus auf die Sache zurückkommen und anfragen, was nach dem neuen Erkenntnisstand mit der Task Force geschehen soll, wie weit sie gediehen ist,

(Unruhe im Saal!)

wie die Pläne oder Entscheidungsvorlagen inzwischen gediehen sind. Nicht zuletzt deshalb, weil es uns interessiert – es steht auch wirklich so in der Antwort der Staatsregierung vom 31. März –, ob es sich um eine Eingreifreserve handeln soll. Über deren Kompetenzen, Zuständigkeit und erwartbaren Einsatzzeitpunkt würden wir gern informiert sein.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Danke schön. – Das war die einreichende Fraktion. Es folgt die CDU, vertreten durch Herrn Abg. Schiemann; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein kurzer Vorsatz: Auf Pressemitteilungen und -äußerungen, Herr Bartl, werde ich hier nicht reagieren. Sie haben die Presse und den Generalstaatsanwalt zitiert. Ich weiß nicht, ob er das alles so gesagt hat, ob er sich in den europäischen Rechtsrahmen zur Bekämpfung begeben möchte. Ich denke, der richtige Ort, diesen Antrag zu behandeln, wäre der Rechtsausschuss gewesen. Diese Möglichkeit haben Sie verpasst; denn dort hätten Sie auch Gelegenheit, nochmals den Wahrheitsgehalt dieser Äußerungen, die in der Zeitung gestanden haben, nachzuprüfen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich sächsische Staatsanwälte im europäischen Rechtsraum, in Andorra oder Italien bewegen werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte jetzt keine Frage, tut mir leid.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist eine verpasste Chance, die Sie hier im Plenum nutzen. Im Ausschuss wäre das sicher ganz gut aufgehoben gewesen.

(Heiterkeit des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion – Caren Lay, Linksfraktion: Und der Inhalt?)

Wir brauchen eine effektive Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, gut ausgebildete Staatsanwälte, Polizisten und natürlich auch Fachpersonal, das sich im Steuerrecht, aber auch in vielen anderen schwierigen Sachbereichen zurechtfindet. Erfahrungen bei der Bekämpfung in den Deliktbereichen Korruption und Wirtschaftskriminalität gehören natürlich ebenfalls dazu. Die Komplexität und Vielschichtigkeit der wirtschaftlichen Zusammenhänge stellen deshalb immense Anforderungen an die mit der Strafverfolgung betrauten Personen.

Neues Tatverhalten und ein nicht zu unterschätzender Erfindungsreichtum der Straftäter unter Ausnutzung der modernen Medien wie Internet und Computertechnik erfordern einen ständigen Fortentwicklungsprozess und eine kontinuierliche Neuorientierung der Ermittler sowie einen länderübergreifenden Erfahrungsaustausch. Dies hat natürlich nichts mit einer Wirkung in Andorra oder Italien zu tun. In der Praxis bewähren sich der regelmäßige Informationsaustausch, der im europäischen Rechtsraum gilt, und die enge Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden in Europa.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich schon mehrmals in diesem Hohen Hause deutlich dazu positioniert, dass man Korruption nicht verniedlichen und nicht unterschätzen darf, auch nicht durch Zeitungsäußerungen. Jede Form von Korruption ist zu bekämpfen, weil sie Entwicklung und Innovation der Menschen blockiert und zu einem erheblichen Verlust des Vertrauens der Menschen in die Integrität und Rechtmäßigkeit staatlichen Verwaltungshandelns führt.

(Klaus Bartl, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Schiemann, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte jetzt keine.

Es geht um volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe. Korruption ist deshalb nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Enrico Bräunig, SPD)

Die Frage, ob – und gegebenenfalls wie – das Handeln von Wirtschaftsunternehmen jenseits des strafwürdigen Verhaltens einzelner Mitarbeiter selbst zum Gegenstand strafrechtlicher Ahndung werden kann, wird bekanntlich in Deutschland immer wieder und mit wechselnder Intensität kontrovers diskutiert. Die Strafbarkeit von Unternehmen – ich betone: Unternehmen – gilt hier offensichtlich immer noch als Kuriosum. Anders in den angloamerikanischen Rechtsordnungen. Es ist jedoch nicht mehr zu übersehen, dass sich die Unternehmens- oder Verbandsstrafe weltweit auf dem Vormarsch befindet, auch wenn das auf Bundesebene in Deutschland

derzeit überhaupt kein diskutierbares Thema ist, bei dem Mehrheiten zu finden sind.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Mir geht es darum, dass nicht die handelnden Personen in den Konzernen als individuelle Straftäter behandelt werden, sondern dass sich der Konzern strafbar gemacht hat, wenn seine Mitarbeiter im Auftrag des Konzerns strafbare Handlungen vollführen.

Unzufrieden und kritisch möchte ich auf Folgendes hinweisen: Jenseits der deutschen Debatte – ich betone: der deutschen Debatte – über rechtliche Tatbestandsfragen ist überall in der Welt schon lange klar geworden: Auch im europäischen Rechtsrahmen, in vielen europäischen Ländern gibt es eine andere Entwicklung. Dort geht es nämlich schon in Richtung Unternehmensstrafrecht und nicht mehr nur um Strafrecht der einzelnen handelnden Personen.

Korruption gefährdet Arbeit und Erfolg, sie stört die Balance zwischen Leistung und Gegenleistung, schließt fairen Wettbewerb aus, gefährdet gesellschaftliche Stabilität und zersetzt die demokratische Ordnung. Korruption und Wirtschaftskriminalität vernichten Arbeitsplätze und Unternehmerexistenzen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Quantität und Qualität der korruptiven Praktiken international operierender Unternehmen sind mit dem individuellen Zurechnungskonzept des überkommenen deutschen Strafrechts nicht mehr zu bewältigen. Das ist ein deutliches Problem auch für die Strafverfolgungsbehörden. Manche Unternehmen haben sich in Hochburgen krimineller Machenschaften verwandelt, in denen die Handlungsmuster der Organisierten Kriminalität alltägliche Geschäftspraxis geworden sind.

Im Wettbewerb um lukrative Aufträge haben sich Mitarbeiter und Führungskräfte ganzer Konzerne auf allen Hierarchieebenen so weit korruptiv verstrickt, dass eine Systemkriminalität entstanden ist, an der das konventionelle deutsche Verständnis des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes und des Schuldgrundsatzes scheitern muss. Das deutsche Strafrecht ist auf die Herausforderungen moderner Unternehmensdelinquenz wegen einer Mischung mehrerer Faktoren nicht vorbereitet. Die Bundesebene muss dies erkennen und endlich handeln. Natürlich ist auch der Freistaat gefordert, seine Hausaufgaben zu machen.

Meine Damen und Herren! Es muss im Freistaat Sachsen erlaubt sein, darüber zu diskutieren und Wege aufzuzeigen, wie Korruption und Wirtschaftskriminalität wirkungsvoll zurückgedrängt und bekämpft werden. Wie Sie wissen, hat sich die CDU-Fraktion mehrfach für ein Korruptionsregister als wirksames Abschreckungsinstrument gegen Korruption ausgesprochen.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Abgelehnt! – Allgemeine Unruhe im Saal)

Unser Ziel ist ein bundesweites Korruptionsregister, da Korruption nicht an Landesgrenzen stehen bleibt. Das

Korruptionsregister wäre ein erster deutlicher Schritt, dem weitere abschreckende Sanktionen folgen können. Dazu gehören neben Haftstrafen und Geldsanktionen zum Beispiel der Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder Hilfen, vorübergehendes oder ständiges Verbot der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit bis hin zur richterlichen Aufsicht.

Für die CDU-Fraktion gehört die Diskussion um eine effiziente Strafverfolgung von Wirtschaftsdelikten und Korruption durch die sächsische Justiz ebenso dazu. Die Integrierte Ermittlungseinheit INES, die aus einer Abteilung der Staatsanwaltschaft Dresden und einem Dezernat des Landeskriminalamtes Sachsen bestand, war ja für die Verfolgung struktureller Korruption und schwerer Fälle von situativer Korruption im Freistaat zuständig. Wo ist eigentlich die Kapazität von INES?

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Wo ist die hin?)

Eben! – Aufgrund der Brisanz und des Umfanges der Verfahren bei Wirtschaftsstrafsachen und anderen Sonderfällen sollte es erlaubt sein, über eine Fortentwicklung von INES mit allen Vor- und Nachteilen zu diskutieren. Ich denke, das wird sicher auch von anderen Rednern hier im Parlament – –

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Nutzen Sie doch Ihre Chance im Rechtsausschuss; dort kann sich auch der Generalstaatsanwalt dazu äußern.

(Fortgesetzte Unruhe im Saal)

Es liegen durch das Wirken von INES entsprechende Erkenntnisse vor. Wir können nur bewerten, was der Antrag der einreichenden Fraktion, der mit der Antwort der Staatsregierung verbunden ist, als Ergebnis gebracht hat.

Natürlich darf man dabei den Blick auf die bereits bestehenden Strukturen der sächsischen Justiz, etwa die bestehenden Schwerpunktabteilungen der sächsischen Staatsanwaltschaft, nicht vergessen. Wir haben seit Mitte der Neunzigerjahre, bereits seit einem sehr langen Zeitraum, Schwerpunktstaatsanwaltschaften im Freistaat Sachsen gehabt. Sicherlich kann der Justizminister auch dazu noch einmal etwas sagen. Es kann ja keine Neuerfindung sein, wenn diese Schwerpunktstaatsanwaltschaften – hoffentlich – bis zum heutigen Tage auch wirksam sind.

Allerdings kann man erst bei Vorliegen eines ausgereiften Konzeptes – das man, Herr Staatsminister, sicherlich erst im Parlament beraten sollte, bevor man darüber in der Zeitung spricht –

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

über dieses dann auch diskutieren, damit Missverständnisse verhindert werden.