Protocol of the Session on October 16, 2008

Was uns als Linke negativ aufstößt, ist die Tatsache, dass die sächsischen Straßenbauverwaltungen und die DEGES, die für Autobahnen zuständige bundeseigene Gesellschaft, die Daten über die Lärmvorsorge und Lärmsanierung an Bundesfernstraßen detailliert erheben, nicht aber für den ureigensten Verantwortungsbereich, die Staatsstraßen. Die Datenlage hierfür ist äußert spärlich, wie aus den Antworten der Staatsregierung auf die Fragen 12 bis 15 der Großen Anfrage der Linksfraktion hervorgeht. Hierzu erwarten wir von Staatsminister Kupfer oder Staatsminister Jurk ein Angebot, wie dieser Mangel behoben und eine Übersicht und gezielte Steuerung von Lärmschutzmaßnahmen gewährleistet werden kann.

Dagegen ist aus der Statistik ersichtlich, dass die Ausgaben für Maßnahmen der Lärmsanierung an Staatsstraßen seit Jahren zurückgehen. Waren es 2007 nur noch 12 300 Euro, leistete sich der Freistaat vier Jahre zuvor noch Ausgaben von 166 400 Euro für die Lärmsanierung. Der Entwurf des Einzelplanes 07 für 2009 und 2010 enthält ebenfalls kein akzeptables Angebot. Da fragen wir uns schon, ob sich für die Staatsregierung die Lärmsanierung an Staatsstraßen etwa bereits erledigt hat? Und das, obwohl sie in der Antwort auf Frage 1 der Großen Anfrage sehr richtig feststellt, dass – Zitat – „Lärm auch für viele Menschen in Sachsen eines der vorrangigen Umweltprobleme darstellt“.

Ich denke, Landtag und Staatsregierung sollten das Problem der Lärmsanierung sehr ernst nehmen und den planungspflichtigen Gemeinden bei der Umsetzung der Aktionspläne verstärkt helfen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Lassen Sie mich dazu einige Beispiele nennen, um die Problemlage deutlich zu machen, natürlich aus dem Bereich Straßenverkehr, denn dort findet sich die Hauptlärmquelle.

Es geht dabei um die nicht abreißenden Beschwerden von Menschen, die an den eigentlich als lärmsaniert geltenden Bundesautobahnen in Sachsen leben oder, besser gesagt, leben müssen. Da stand in der „Freien Presse“ Plauen vom 2. Oktober 2008 unter der Überschrift „Autobahnen nicht lauter als erlaubt“, dass sich die Gemeinderäte aus Neuensalz in ihrer jüngsten Sitzung darauf verständig hätten, eine sogenannte Lärmaktionsplanung vorzeitig abzubrechen, da der Autobahnlärm der A 72 im erlaubten Rahmen bleibe.

„Frankenhausen beschäftigt der Autobahnlärm der A 4 seit Jahren“, heißt es in einer Meldung der „Freien Presse“ Werdau vom 27. September. Zitat: „Besonders bei Nordostwind ist die Belästigung sehr groß. Es ist so, als fahren Autos durch das Haus.“ Trotzdem verzichtet die Gemeinde auf das Erstellen eines Lärmaktionsplanes, weil nach Voruntersuchungen keine Notwendigkeit bestehe.

Drittens. In der Gemeinde Bockelwitz verdirbt der Lärmschutz entlang der A 14 dem Bürgermeister die gute Laune, wie wir der „LVZ“ Döbeln im Juni entnehmen konnten, weil grenzwertige Dezibelpegel dem Gemeinderat die Entscheidung für eine Lärmaktionsplanung mit konkreten Lärmschutzmaßnahmen erschweren.

Sachlich ist zu konstatieren: In diesen und vielen weiteren Fällen haben die Gemeinden die Lärmaktionsplanungen eingestellt, weil die allgemein angewandten Beurteilungspegel von 55 Dezibel nachts und 65 Dezibel tags eingehalten oder nur geringfügig überschritten werden. Aber die Kommunen wissen, dass die Probleme der Lärmbelästigung fortbestehen. Der formale Rückzug ist also eher der Tatsache geschuldet, dass sie mit ihren Wünschen nach verbessertem Lärmschutz auf den Autobahnab

schnitten bei der DEGES bzw. im SMWA auf Granit gebissen und resigniert haben.

Dabei haben DEGES und SMWA mehr als nur eine moralische Verpflichtung zur Abhilfe der Lärmprobleme und Lärmauswirkungen.

Im Zuge des Ausbaues der betreffenden Autobahnabschnitte wurden deshalb auch Schallschutzanlagen zur Pegelminderung für die Anwohner in den angrenzenden Siedlungsbereichen vorgesehen. Der Haken daran ist: Die Berechnung der Verkehrsemissionen erfolgt bei Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Grundlage der in Deutschland gültigen Richtgeschwindigkeit. Diese Richtgeschwindigkeit beträgt 130 km/h. Die real gefahrene Geschwindigkeit und damit der Lärmpegel auf sogenannten freigegebenen Autobahnabschnitten liegt jedoch deutlich höher, wie aus Straßenverkehrszählungen immer wieder hervorgeht. Mehr als die Hälfte der Verkehrsteilnehmer auf solchen Autobahnabschnitten fährt deutlich schneller als 130 km/h. Zusätzlich wird beim Schwerlastverkehr nahezu durchgehend die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten.

Das Fazit: In Summe ergeben sich daraus real deutlich höhere Lärmbelastungen, als sie im Rahmen der Berechnungen zur Lärmaktionsplanung zur Abwägung und Dimensionierung der Schallschutzanlagen im Rahmen der Ausbauprogramme für die Autobahn ausgewiesen sind.

In dieser Situation bleibt nur eine praktikable Lösung im Interesse der von Lärm gestressten Anwohnerinnen und Anwohner: Die Höchstgeschwindigkeit muss auf diesen Abschnitten mindestens auf die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h gesenkt werden.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit erweist sich auch auf innerörtlichen Abschnitten der Bundes- und Staatsstraßen als eine der wirksamsten und billigsten verkehrsorganisatorischen Maßnahmen. Die Effekte einer Senkung des Geschwindigkeitsniveaus von 50 auf 30 km/h sind vergleichbar mit denen einer Halbierung der Verkehrsmenge des betreffenden Straßenabschnittes. Man sollte meinen, dass sie deshalb vorrangig zur Anwendung kämen, wenn da nicht Vorbehalte der Behörden wären, die die Geschwindigkeitsbegrenzungen genehmigen müssen.

Meine Herren Staatsminister Jurk und Dr. Buttolo, vielleicht wäre es an dieser Stelle angebracht, die zuständigen Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet des Straßenverkehrswesens beispielsweise mit einem Erlass zu ermutigen, im Interesse der lärmgestressten Bevölkerung schneller zu reagieren.

Die Bekämpfung des Umgebungslärms in Sachsen steht erst am Anfang. Die 2006 gebildete interministerielle Projektgruppe „Umgebungslärmrichtlinie“ unter Leitung des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie muss weiterarbeiten.

Im Entwurf des Einzelplanes 09 ist für 2009 im LfULG eine befristete Stelle vorgesehen, die sich um die Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie kümmern soll. Warum nur für 2009 und nicht für Jahre verstetigt?

In den kommenden Jahren sollte der Schwerpunkt der Arbeit der Fachbehörden in der Unterstützung der Gemeinden bei der Umsetzung der in die Aktionspläne aufgenommenen Maßnahmen bestehen. Da das Gesetz keine Prüfung und Genehmigung der Aktionspläne vorsieht, muss der Erfahrungsaustausch mit den 102 Gemeinden gepflegt und gehegt werden, die durch Verkehrslärm von Bundesfernstraßen besonders betroffen sind.

Ob der Freistaat Sachsen einen Beitrag zur Finanzierung der Umsetzung der Maßnahmen leisten wird, konnte bei der Beantwortung der Großen Anfrage im Februar 2008 noch nicht beantwortet werden. Wir allerdings meinen, es kann nur ein Ja geben.

Denn ich erinnere Sie an den Rat der Sachverständigen im Umweltgutachten bereits aus dem Jahr 2004: Nicht abwarten, sondern handeln im Interesse der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger ist das Gebot der Stunde.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das war die einreichende Fraktion. Die CDU erwidert, vertreten durch Herrn Prof. Mannsfeld.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! In der Tat, wenn über Umweltschutz debattiert wird, fallen zunächst immer die Stichworte Luftreinhaltung, Gewässer- und Hochwasserschutz, Bodenschutz, zuweilen auch die Sorgen zum biotischen Umwelt-, also den Naturschutz. Höchst selten aber ist von der Umweltbelastung die Rede, welche – zumindest doch örtlich und regional – von höchster Priorität für die Gesundheit des Menschen ist, nämlich der Lärmschutz.

Denn nach wissenschaftlichen Untersuchungen ist zum Beispiel das Risiko eines durch Lärmbelastung verursachten Herzinfarktes höher als die Gefahr einer Krebserkrankung durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung, Stichwort: Feinstaub.

Trotz zahlreicher Bemühungen zur Lärmschutzverhinderung und den technischen Fortschritt bei der Lärmminderung hat die Verlärmung unserer Umwelt in der Vergangenheit ständig zugenommen. So gesehen bleibt der Schutz vor Lärm ein zentrales Umweltproblem – und damit auch in Sachsen. Deshalb ist die Große Anfrage durchaus ein Anlass, den Stand der Lärmbekämpfung auf der Grundlage aktualisierter gesetzlicher Bestimmungen sowie notwendiger Schritte in der kommenden Zeit zu beleuchten.

Wie vom Einreicher bereits beschrieben, ist die Basis unserer Erörterung die Umsetzung der EU-Richtlinie von

2002, die 2005 in das Bundes-Immissionsschutzgesetz integriert wurde. Danach erfolgt die Umsetzung in zwei Etappen. Bis zum Sommer vorigen Jahres verpflichtete das Gesetz den Freistaat Sachsen, Lärmkarten zu erarbeiten, wobei in diesem ersten Schritt Hauptverkehrsstraßen mit mehr als 6 Millionen Kfz pro Jahr oder Eisenbahntrassen mit über 60 000 Zügen pro Jahr für Ballungsräume mit mehr als 250 000 Einwohnern kartografisch zu bewerten waren. Bis zum Sommer dieses Jahres waren für diese Gebietskulissen auch Lärmaktionspläne zu erarbeiten.

In einem späteren Umsetzungsschritt bis zum Jahr 2013 kommen dann die übrigen Ballungsgebiete und die vom Aufkommen her reduzierten Straßen und Eisenbahntrassen dazu.

Die Antworten der Regierung belegen, dass Sachsen seinen Verpflichtungen – man kann durchaus sagen – zufriedenstellend nachgekommen ist und im April zunächst den Kartierungsauftrag gegenüber dem Bundesumweltamt als erledigt abgerechnet hat. Wenn von einem eingetretenen Zeitverzug die Rede ist, dann will ich nicht nur darauf hinweisen, dass es ohnehin eine verspätete Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht gegeben hat, sondern dass der Grundsatz galt: Eine sorgfältige Erledigung der hochkomplexen Aufgabe hat Vorrang vor formaler Fristeinhaltung.

Wir wissen, dass die kommunale Ebene den Vorgaben der Regelung des BImSchG, des novellierten BundesImmissionsschutzgesetzes, sehr distanziert gegenübergestanden hat. Deshalb war es eine sinnvolle Regelung der Staatsregierung, für die Lösung dieser gewaltigen Aufgabe die kommunale Seite durch eine ressortübergreifende Projektgruppe zu unterstützen, was eigentlich das Ergebnis erst ermöglicht hat. Seit Mitte des Jahres 2006 – Kollegin Kagelmann hat bereits darauf hingewiesen – ist nun das LfULG für die weitere Koordinierung der Maßnahmen zur Bekämpfung von Umgebungslärm verantwortlich.

Diese für eine allerdings in der öffentlichen Darstellung wechselnde Summe von Kommunen erstellten Lärmkarten – da liest man Zahlen mal von 70 und mal von 99, aber um diese Größenordnung geht es – sind nun die Basis für die Ableitung und Aufstellung von Lärmaktionsplänen, um die nachgewiesenen Lärmquellen zu reduzieren, alternative Technologien einzuführen und weitere Initiativen zu ergreifen, um die Lärmentstehung zu minimieren und den zunächst noch unvermeidbaren Lärm zu senken.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

In der Großen Anfrage wird zu dem kurz beschriebenen Gesamtanliegen eine Fülle von Einzelheiten abgefragt und beantwortet, also die Angaben über die eingesetzten Mittel zur Lärmvorsorge und Lärmsanierung, Lärmschutzvorrichtungen, Fensternachrüstung oder die von dem übermäßigen Lärm betroffene Gesamtfläche unserer großen Städte. Immerhin 10 % der jeweiligen Fläche der Städte Leipzig und Dresden fallen in diese Kategorie.

Nimmt man die konkreteste Aussage in der ganzen Drucksache, die Antwort auf die Frage 23, als Maßstab, dann ergibt sich, dass gegenwärtig in Sachsens Ballungsräumen und den an diesen Haupttrassen liegenden Kommunen rund 60 000 Menschen tagsüber von einem Straßenlärm von mehr als 65 Dezibel und weitere 60 000 im Bereich zwischen 60 und 65 Dezibel vom Lärm betroffen sind. Auch nachts sind immerhin noch 17 000 Bürger von Lärmkulissen zwischen 60 und 65 Dezibel negativ beeinträchtigt.

Diese 120 000 und die anderen dazu – aber das sind ja teilweise deckungsgleiche Zahlen – entsprechen demnach rund 3 % der sächsischen Bevölkerung. Für ganz Sachsen aber, also vor allem mit den übrigen Gemeinden und den anderen Verkehrstrassen, gehen wir von rund 515 000 Menschen aus, die am Tag Lärm oberhalb 65 Dezibel ausgesetzt sind, was etwa 11 % der Bevölkerung in unserem Freistaat entspricht. Nachts steigt die Zahl sogar auf 14 % an.

Meine Damen und Herren! Wo liegen die Ursachen? Der technische Fortschritt bei der Geräuschminderung der Kfz-Motoren und der Antriebsgeräusche von Fahrzeugen ist durch den starken Anstieg des Verkehrsaufkommens eigentlich wieder kompensiert worden. Hierbei kommt dem wachsenden Lkw-Verkehr eine maßgebliche Bedeutung zu, und die prognostizierte Entwicklung des Verkehrsaufkommens lässt weiterhin steigende Geräuschpegel in Einflussbereichen von Straßen erwarten. Besonders nachteilig wirken sich in Sachsen die noch immer vielfach schlechten Zustände in der Straßenoberfläche

(Beifall bei der FDP)

und die fehlenden Ortsumgehungen an dieser Stelle aus.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die notwendige Lärmreduzierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, erfolgt aber nicht durch die Kartierung oder die daraus abgeleiteten Aktionspläne. Gerade die Ziele der Aktionspläne müssen besser und wirkungsvoller mit den kommunalen Zuständigkeiten für die Bauleitplanung, Stadtentwicklung, Verkehrsplanung usw. verzahnt werden. Hier können geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Deshalb ist es schon ein Ergebnis, das nicht unbedingt zufriedenstellt, dass viele Kommunen sich dieser Aufgabe einfach verweigern oder sie nicht in dem Kontext meiner einleitenden Worte sehen, dass Lärm wirklich ein ernst zu nehmender Gesundheitsfaktor ist.

(Beifall bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, auch jeder Einzelne kann an der Reduzierung von Umgebungslärm mitwirken. So gesehen hebt die Große Anfrage für mein Empfinden viel zu stark allein auf den Straßenverkehr und die Bahntrassen ab, denn auch im Freizeitbereich werden an vielen Stellen unverantwortlich hohe Lärmpegel erzeugt. Hier hat 2002 die Sächsische Freizeitlärmstudie aufschlussreiche Einblicke geliefert. Mehr oder weniger unberücksichtigt bleibt in der Drucksache darüber hinaus der Industrie

lärm, selbst wenn hier die strengen gesetzlichen Grundlagen in den zurückliegenden Jahren dahin gehend gewirkt haben, dass Lärmreduzierung auch eingetreten ist.

Zusammengefasst: Die Antworten zur Großen Anfrage über die Umsetzung der Umgebungslärm-Richtlinie zeichnen eigentlich ein konturenscharfes Bild von den Fortschritten, aber auch von den noch zu leistenden Anstrengungen auf dem Sektor des Lärmschutzes. Bürgerbeschwerden über den Straßenlärm liegen nach wie vor bei den festgestellten Beeinträchtigungen ganz vorn. Lärmbelästigungen durch Sport und Freizeit und zunehmend besonders durch den Fluglärm nehmen ständig weiter zu, während Beschwerden über den Lärm aus dem Industrie- und Gewerbebereich eher gleich bleiben.

Die Aktivitäten vieler Kommunen zur Ausfertigung von Aktionsplänen und ihrer Umsetzung – ich habe es schon angedeutet – bleiben angesichts der bestehenden und erkannten Verlärmung vielfach hinter den Erwartungen zurück und sorgen letztlich dafür, dass der Lärmschutz noch keineswegs die Aufmerksamkeit besitzt, die er nach den analytischen Befunden haben müsste.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Danke schön. – Frau Dr. Deicke spricht für die SPD-Fraktion.