Protocol of the Session on March 10, 2005

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Weltoffen und engagiert – Tourismus in Sachsen!

Antrag der Fraktion der CDU

2. Aktuelle Debatte: Situation und Perspektiven der sächsischen Lehrer angesichts von Stellenabbau und Schulschließungen

Antrag der Fraktion der FDP

Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 41 Minuten, PDS 26 Minuten, SPD 12 Minuten, NPD 12 Minuten, FDP 17 Minuten, GRÜNE 12 Minuten und die Staats

regierung, wenn gewünscht, 20 Minuten, obwohl die Staatsregierung immer sprechen darf.

Wir kommen nun zu

1. Aktuelle Debatte Weltoffen und engagiert – Tourismus in Sachsen!

Antrag der Fraktion der CDU

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der CDU das Wort, danach in der weiteren Reihenfolge PDS, SPD, NPD, FDP, GRÜNE, Staatsregierung. – Herr Abg. Lämmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wann waren Sie denn das letzte Mal auf Reisen? Vielleicht waren einige von Ihnen in den Winterferien zum Skifahren? Oder Sie haben sich in den wärmeren Gefilden nach den Vorboten des Frühlings umgeschaut? Oder vielleicht haben Sie schon einen lange geplanten Abstecher in eine unserer schönen Städte unternommen? Oder vielleicht haben Sie sich auch in einer der so genannten Wellness-Oasen in Sachsen entspannt und auf diese Plenarwoche vorbereitet?

Wo auch immer Sie waren, meine Damen und Herren, Sie waren als Tourist unterwegs. Sie waren auf Reisen. Wir wissen: Reisen bildet. Außerdem hat man nach einer Reise auch immer etwas Interessantes zu erzählen.

Die Möglichkeit zum Reisen, meine Damen und Herren, das dürfen wir nicht vergessen, ist eine der großen Errungenschaften einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Gerade wir hier in Sachsen kennen die leidvollen Dinge vor 1990 sehr genau.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Sachsen ist ein attraktives Reiseland. Im Jahre 2004 konnten wir Rekordzahlen im Tourismus in unserem Land vermelden. Mit rund 5,4 Millionen Gästen und 14,7 Millionen Übernachtungen erreichten wir Steigerungen, die beachtlich über dem Bundesdurchschnitt lagen. Es waren insgesamt 6,3 % Gäste mehr in unserem Land. Dieses Jahr gilt es, die Zahl von 15 Millionen Übernachtungen zu übertreffen.

Meine Damen und Herren! 4,1 Milliarden Euro werden so erwirtschaftet und die Tourismusbranche sichert rund 92 000 Menschen in unserem Land Arbeit und Beschäftigung.

Trotz aller Erfolge müssen wir ständig um jeden Gast kämpfen. Denn überall auf der Welt gibt es schöne Fleckchen, gibt es interessante Ausstellungen und temperamentvolle Städte.

(Lachen der Abg. Rita Henke, CDU)

Meine Damen und Herren! Sachsen ist als Tourismusland also kein Selbstläufer. Marketingexperten sagen uns klipp und klar: Die Tourismuszuwächse der Zukunft werden nicht mehr aus Deutschland kommen. Die Deutschen als Reiseweltmeister haben ihre Potenziale erschöpft. Wenn wir an weitere Gäste denken, dann können die nur aus dem Ausland kommen.

Meine Damen und Herren! Sachsen ist ein weltoffenes Land. Das war fast immer so, das ist heute so und das wird auch so bleiben. Darum werden wir mit allen Mitteln kämpfen. Parolen wie „Grenzen dicht!“ oder „Keine

Ausländer!“ oder „Ausländer raus!“ sind kein sächsisches Gedankengut.

(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und des Abg. Uwe Leichsenring, NPD)

Wir lassen uns von den Rechtsradikalen ein weltoffenes Sachsen nicht kaputt reden.

Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren haben 25 % mehr ausländische Gäste unser Land besucht. Jeder Einzelne – egal welcher Nation – ist uns herzlich willkommen. Trotz dieser Steigerungsraten liegt der Anteil ausländischer Besucher in Sachsen immer noch unter gesamtdeutschem Durchschnitt. In den nächsten Jahren wird Sachsen das Auslandsmarketing deutlich forcieren. Wir wollen in Amerika, in Japan, in China und in Europa Interesse für Sachsen wecken.

Ich glaube, nein, ich bin sogar überzeugt davon: Das werden wir auch schaffen. Nur ein Hindernis steht uns hier wirklich im Weg und das lassen Sie mich in Richtung NPD ganz klar sagen: Sie stehen uns im Weg!

(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Jeder Aufmarsch der NPD, jedes Plakat mit braunen Parolen und jede Rede, die Sie hier im Landtag halten und die nach außen dringt, vernichtet in kurzer Zeit die Arbeit engagierter Touristiker, vernichtet große Teile des für Marketing eingesetzten Geldes und, meine Damen und Herren, als letzte Konsequenz daraus bringt es Arbeitsplätze und Umsätze in der Tourismusindustrie in Gefahr.

Das müssen wir den Menschen im Land auch ganz klar erklären. Denn hier liegen die Hindernisse für die zukünftige Entwicklung. Sachsen ist das Kulturreiseland in den Augen der ausländischen Gäste. Das, meine Damen und Herren, soll so bleiben. Dafür werden wir in unserem Lande kämpfen und Rechts auch im Tourismus keine Chance lassen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Dr. Johannes Müller, NPD: Jeder macht sich so lächerlich, wie er kann!)

Die SPD-Fraktion. – Oder? Wir geben der Dame den Vortritt. Frau Dr. Raatz, bitte.

(Dr. André Hahn, PDS: Wir sind tolerant!)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bedanke mich bei der PDS für die Toleranz. Das ist ja auch das Thema heute: Weltoffen und tolerant, wie wir alle so sind. Ich freue mich schon, wenn ich mit Herrn Lämmel demnächst gemeinsam die „temperamentvollen Städte“ hier in Sachsen besuchen werde.

(Heiterkeit)

Am Dienstag hat der Landestourismusverband gemeinsam mit der Tourismus-Marketing-Gesellschaft einen Parlamentarischen Abend durchgeführt. Der war auch recht temperamentvoll, muss man sagen. Aber der Inhalt war eher, dass Sachsen als Reiseland vorgestellt werden sollte. Ich denke, dass das dort auf sehr attraktive Weise geschehen ist. Mephisto führte durch das Programm, stellte Bach und Silbermann vor. In einem Filmbeitrag konnte man Weinberge bewundern, die Bergbautradition kennen lernen, aber auch etwas über die Industriegeschichte erfahren. Nach dem Filmbeitrag wusste man es eigentlich genauso gut wie vorher: Kaum ein anderes Land hat wie Sachsen so viel Kultur, Geschichte, Tradition und interessante Landschaften zu bieten.

Kurz gesagt: Sachsen ist ein tolles Land und immer eine Reise wert. Das beweisen auch die Zahlen von 2004. Mehr als 5,4 Millionen statistisch registrierte Gäste kamen nach Sachsen, davon ein großer Anteil aus dem Ausland. In den letzten zwei Jahren hat sich der Anteil der ausländischen Gäste um ein Viertel erhöht. Dies verdanken wir sicherlich auch dem Engagement des Landestourismusverbandes und der TMGS, vor allem aber den vielen regionalen Verbänden und Akteuren.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, PDS)

Die insgesamt 92 000 Beschäftigten in der Tourismusbranche erbrachten im vergangenen Jahr vier Milliarden Euro Umsatz. Ich denke, dass ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann.

Damit wir weiter positive Touristenzahlen zu verzeichnen haben und unser Potenzial ausbauen können, darf kein brauner Schatten auf unser Land fallen, müssen und wollen wir uns zukünftig noch stärker als tolerantes und weltoffenes Land präsentieren.

Ich denke, Sachsen ist hier gut aufgestellt.

Im Mittelpunkt der touristischen Aktivitäten in diesem Jahr steht die Weihe und Wiedereröffnung der Frauenkirche im Oktober. Das ist ein großes Ereignis, sicher nicht nur für Menschen, die den Prozess des Wiederaufbaus intensiv begleitet und unterstützt haben. Denn die Frauenkirche ist ein Symbol für die Versöhnung ehemaliger Kriegsgegner. Sie wird einer der wichtigsten touristischen Anziehungspunkte in der nächsten Zeit für inund ausländische Gäste sein sowie ein Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit über Landesgrenzen hinweg setzen.

Doch darüber hinaus müssen wir uns zur Erschließung weiterer Potenziale über das zukünftige Tourismuskonzept Sachsens Gedanken machen. Denn nur etwa 6 % der Deutschen bekunden bisher die Absicht, in den nächsten Jahren nach Sachsen zu kommen. Zum Vergleich: Bayern haben 27 % der Deutschen im Visier.

Was ist zu tun? Was ist unser Alleinstellungsmerkmal? Wie kann die Dachmarke Sachsen gestärkt werden? Wie baue ich die sächsische Tourismusregion weiter aus? Welche Angebote fördere ich zukünftig verstärkt? Im Hinterkopf sollte man dabei haben, dass hauptsächlich ältere Menschen Sachsen besuchen; älter bedeutet hier: über 55 Jahre. Wir haben also einen sehr hohen Anteil an Menschen, die Kultur- und Naturreisen bevorzugen.

Die TMGS hat ein Marketingkonzept erarbeitet, das auf den Stärken der einzelnen Regionen aufbaut – ein richtiger Weg, denke ich. Denn die Regionen müssen eine eigene Identität entwickeln. Das klappt an vielen Stellen gut, aber es zeigen sich auch erhebliche Schwächen.

So philosophiert man in Zwickau über die Zukunft der Robert-Schumann-Gedenkstätte und tritt auf Initiative der PDS-Stadtratsfraktion aus dem Tourismusverband Westsachsen-Zwickau aus. Damit hat sich die Stadt Zwickau von der gesamten Verbandsinfrastruktur abgeschnitten. Der Tourismusverband Westsachsen-Zwickau ist ohne Zwickau nur noch schlecht handlungsfähig und braucht neue Partner.

Für den Weißeritzkreis und das Chemnitzer Land gilt Ähnliches.

Auch die Stadt Freiberg zögerte lange, bis sie der Tourismusgemeinschaft „Silbernes Erzgebirge“ beigetreten ist.

Der Hintergrund für diese Entscheidungen ist meist finanzieller Art. Die Zersplitterung von Strukturen kann doch wohl nicht unser Ziel sein. Im Gegenteil. Darum ist es Aufgabe der Politik, koordinierend zu wirken, den Entwicklungsprozess zu begleiten und die Regionen mit ihren Problemen nicht allein zu lassen.