Protocol of the Session on September 11, 2008

Es muss endlich Schluss damit sein, dass Mitarbeiter von Energiekonzernen in Ministerien sitzen und Gesetze selbst mitschreiben. Es muss endlich Schluss damit sein, dass Bundestagsabgeordnete in herausgehobener Stellung – wie Laurenz Meyer als ehemaliger CDU-Generalsekretär und Hans-Martin Arendt als ehemaliger CDA

Vorsitzender – monatlich von E.ON 4 000 Euro für Lobbyarbeit in der Politik kassieren. Zwar haben beide – nachdem dieser Skandal öffentlich wurde – ihre Ämter geräumt. Dafür hat Laurenz Meyer ein neues Amt erhalten: nämlich das des wirtschaftspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Die in der Schröder-Ära stattgefundenen Fusionen in der Energiewirtschaft haben mittlerweile zur Marktmacht der vier Großen beigetragen. Von Wettbewerb kann keine Rede sein. Die Marktmacht dieser vier großen Energiekonzerne ist nach Auffassung der Monopolkommission hauptsächlich dafür verantwortlich, dass wir es bei Strom- und Gaspreisen seit dem Jahre 2000 mit einer 50prozentigen Steigerung zu tun haben. Werner Müller, Alfred Tacke, Gerhard Schröder und Wolfgang Clement sind für ihr Wohlverhalten gegenüber den Energiekonzernen mit hoch dotierten Managerposten belohnt worden. So verliert Politik ihre Glaubwürdigkeit und Gestaltungskraft, wenn sie sich nur noch als verlängerter Arm von einzelnen Wirtschaftsinteressen versteht und nicht mehr die Gemeinwohlinteressen der Bevölkerung und des Landes im Blick hat.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Antrag zeigt bereits deutlich, dass sich die Koalition genau bewusst ist, dass der Freistaat Sachsen im Grunde genommen gar keine Handlungsmöglichkeiten hat. So ist der Antrag auch geschrieben.

Der Freistaat soll sich mit Thüringen und Sachsen-Anhalt dafür einsetzen, dass der noch vorhandene Einfluss der kommunalen Gesellschafter an der VNG erhalten bleibt. Die Frage, die sich hier stellt, ist aber das Wie. Der Freistaat hat keine einzige Möglichkeit, Einfluss auf den Kauf oder Verkauf von Unternehmensanteilen zu nehmen. Die einzige Möglichkeit besteht lediglich darin, Gespräche zu führen.

Weiterhin fordert die Koalition, dass sich die Staatsregierung bei der Bundesregierung für eine umfassende Erfüllung der Ministererlaubnis von 2002 einsetzen soll. Diese Forderung ist sicher berechtigt und klingt erst einmal gut. Sie ist aber ebenso wertlos, wenn sich die an der VNG beteiligten Unternehmen einfach nicht daran halten. Dann steht die Bundesregierung wie ein zahnloser Tiger da. Was soll sie denn tun? Die einzig richtige Entscheidung wäre dann, die Ministererlaubnis aufgrund dessen, dass sie nicht erfüllt wurde, zu widerrufen. Dann müsste der Zusammenschluss von E.ON und Ruhrgas rückgängig gemacht werden. Die EWE müsste ihre Anteile an der VNG zurückgeben und der Erwerb kommunaler Anteile müsste ebenfalls widerrufen werden.

Das, meine Damen und Herren, glauben Sie doch selbst nicht: dass die Bundesregierung so viel Mut an den Tag legt und derart in den heiß geliebten freien und liberalen Markt eingreift. Die einzig richtige Lösung wäre das aber. Fakt ist: Das Konzept des sogenannten liberalen Marktes, gerade im Energiesektor, ist grandios gescheitert. Den Energiemarkt haben wenige Großkonzerne aufgeteilt, und es ist immer wieder vorgebrachter Irrglaube, dass sich diese Konzerne gegenseitig Konkurrenz machen werden und den Markt beleben.

Der nun eskalierte Streit hat eine lange Vorgeschichte. Im Jahr 2002 wurde der Zusammenschluss von E.ON und Ruhrgas trotz der Warnung des Kartellamtes auf dem Weg einer Ministererlaubnis des SPD-Staatssekretärs Tacke genehmigt. Damit stieg E.ON zu einem der noch größeren Energiegiganten auf und eine weitere Konkurrenz auf dem Gasmarkt wurde durch die politisch geduldete Fusion beseitigt. Die Folgen waren noch weniger Wettbewerb, höhere Gaspreise für den Verbraucher und höhere Renditen für die Aktionäre. Zum Schein wurden damals Auflagen gesetzt, mit denen die Verbundnetz Gas AG zu einem neuen Konkurrenten auf dem sogenannten liberalen Gasmarkt etabliert werden sollte.

Das Ergebnis sehen wir jetzt im Streit der Anteilseigner der VNG. Die Unternehmen scheren sich einen Dreck um die Auflagen aus der Ministererlaubnis, und es ist ein Irrglaube, dass die derzeitige Politik in der Lage ist, in den Markt eingreifen und ihn lenken zu können.

Hinter der offensichtlichen Absicht des Oldenburger Versorgers EWE, die Aktionärseinheit innerhalb der VNG zu erzwingen, steht letztlich ein ganz klares Kalkül: Der vom Staat angedachte Konkurrent auf dem Gasmarkt soll ausgeschaltet werden. Dahinter steht niemand anderes als einer der vier großen Energiekonzerne, nämlich ENBW in Gestalt eines neuen Anteilseigners, der EWE.

Die Politik der Bundesregierung im Bereich des Gasmarktes hat also wieder versagt. Man hat mit dem damaligen Ministererlass nur einen neuen Zombie geschaffen. Danach, was E.ON Ruhrgas nicht bekommen hat, greift jetzt ENBW. Die Folge wird noch weniger Wettbewerb auf dem liberalen Gasmarkt mit noch höheren Preisen für den Verbraucher sein – so lange, bis die Menschen an ihrem Gashahn vollkommen erpressbar sind.

Deshalb steht für uns als NPD-Fraktion fest, dass die Energieversorgung unter staatliche Kontrolle gehört und der unkontrollierte Kapitalfluss vom Gesetzgeber in die Schranken gewiesen werden muss. Dafür setzen wir uns ein. Das System ist faul und deshalb ist der Antrag der Koalition nur eine kosmetische Korrektur der Zustände.

Wir werden dem Antrag aber zustimmen und fordern als ersten Schritt, dass die Ministererlaubnis von 2002 – sollte sie nicht erfüllt werden – sofort widerrufen wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Morlok erhält das Wort für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir als FDP setzen uns nachdrücklich für den Erhalt der VNG als eigenständiges Unternehmen in Sachsen am Standort Leipzig ein. Es handelt sich um 670 Arbeitsplätze, nicht um 600, wie es in der Anzeige der CDU zu lesen war. Es ist eines der größten Unternehmen Ostdeutschlands und es ist – das muss ich als Leipziger Stadtrat sagen – auch der größte Steuerzahler der Stadt Leipzig.

Ich begrüßte auch, wenn neben uns alle Fraktionen dieses Hauses dem Antrag der Koalition zustimmen könnten, um tatsächlich mit einer Einstimmigkeit eine entsprechende Botschaft auszusenden.

(Beifall bei der FDP)

Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich ein wenig Angst, dass unser Engagement und das Engagement vieler in den letzten Wochen und Monaten zu spät kommen. Die Fehler, die gemacht wurden, stammen aus der Vergangenheit. Sie sind auf die heute schon vielfach angesprochene Ministererlaubnis zurückzuführen.

Die Regierung Schröder hat mit dieser Ministererlaubnis das Fusionsverbot des Kartellamtes außer Kraft gesetzt. Wir als FDP haben damals auf Bundesebene nachdrücklich vor dieser Entscheidung gewarnt. Bereits Herr Milbradt hat damals als Ministerpräsident eine große Gefahr für die Eigenständigkeit der VNG gesehen.

Es ist genauso gekommen, wie man damals gesagt hat. Zwar hat man mit der Ministererlaubnis das Ziel gehabt, die VNG als eigenständiges Unternehmen in Ostdeutschland zu erhalten. Es sollte zu einem wirksamen Wettbewerber des fusionierten Unternehmens werden. Es wurde später auch vereinbart, eine gemeinsame Holding in Potsdam zu gründen, um diese Ziele zu verwirklichen.

Wir müssen uns allerdings fragen, ob die Auflagen in der Ministererlaubnis tauglich waren, genau diese Ziele wirklich zu erreichen. Wir haben die Sperrminorität der Kommunen. Entsprechende Auflagen gab es ja zum Anteilsverkauf. Aber wenn das Ministerium Glos im Wirtschaftsausschuss des Bundestages erklärt, die Auflagen seien erfüllt, dann wundert es mich auch nicht, dass der Minister nicht tätig wird, wenn er denn der Auffassung ist, dass die Auflagen erfüllt seien.

Deswegen sage ich: Die Fehler wurden eben damals gemacht, die Auflagen sind nicht klar und präzise gewesen, man hat etwas von den Auflagen erwartet, was man unter Umständen nicht erfüllt bekommt. Man hätte eben – das ist bereits angesprochen worden – die Ministererlaubnis gar nicht erst erteilen sollen. Dann hätten wir die Probleme, über die wir heute diskutieren, gar nicht erst bekommen.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen, doch einmal das Augenmerk auf die damals handelnden Personen lenken. Herr Müller, der Wirtschaftsminister, war bis 1997 bei der VEBA und seit 2003 ist er bei der Ruhrkohle AG. Herr Tacke, der die Genehmigung erteilt hat, ging im Jahre 2004 zur STEAG. Herr Clement ist seit 2006 Aufsichtsratsmitglied der RWE und war zum Zeitpunkt der Ministererlaubnis Ministerpräsident in NordrheinWestfalen, in dem die Ruhrgas ansässig war oder ist. Herr Schröder, der Bundeskanzler, der die Gesamtverantwortung der Regierung trug und aus Niedersachsen kommt – in Niedersachsen sitzt die EWE –, ging nach seiner Kanzlerschaft zu Gazprom. Da wundern wir uns alle, dass es so gekommen ist?

Diese Entwicklung, die hier eingetreten ist, zeigt ein Versagen der deutschen Sozialdemokratie im Bereich der Energiewirtschaft;

(Beifall bei der FDP)

denn hier wurden die strategischen Fehler gemacht, wofür das große Unternehmen VNG in Ostdeutschland jetzt bluten muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, überlegen Sie mal, was denn los wäre, wenn die VNG nicht ein Unternehmen aus Sachsen wäre, sondern ein Unternehmen aus Bayern. Was wäre dann in der CSU los? Was würde Herr Glos alles sagen? Welches Theater hätten wir auf der Bundesebene von dieser Partei aus Bayern? Nur weil das Unternehmen aus Sachsen kommt, interessiert es nämlich niemanden.

Der Punkt, der Lackmustest für die Regierung Tillich in dieser Frage, wird sein – Frau Dr. Runge hat es bereits angesprochen –: Wer hat mehr Einfluss bei Frau Merkel: Herr Wulff oder Herr Tillich? Wir werden es sehen.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Für die Fraktion GRÜNE spricht der Abg. Weichert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird diesem Antrag zustimmen.

Als Leipziger geht es mir natürlich um den Erhalt der Firmenzentrale und der Arbeitsplätze in Leipzig, nicht zuletzt auch deshalb, weil ich von 1970 bis 1972 beim Vorgänger, nämlich dem VEB Ferngasleistungsbau Engelsdorf, Gasmonteur gelernt habe.

Als Wirtschaftspolitiker der GRÜNEN-Landtagsfraktion bin ich der Überzeugung, dass die ostdeutschen kommunalen Eigentümer bei VNG am ehesten dazu beitragen können, dass die Energiepreise nicht weiter durch die Decke schießen.

Denn, meine Damen und Herren, was wird passieren, wenn die kommunale Seite ihre Sperrminorität verliert? Dann bestimmen Oldenburger Interessen das Unternehmen. Es heißt, wir reden beim Gaspreis, beim Konzernsitz, bei der Wertschöpfung und wo welche Arbeitsplätze

sind, gar nicht mehr mit. Im Umkehrschluss können wir davon ausgehen, dass die kommunalen Anteilseigner ihre eigenen, also unsere Belange und Interessen wie die Nöte und Sorgen der Verbraucher in den neuen Bundesländern nicht aus den Augen verlieren. Daher ist es richtig und wichtig, dass die ostdeutschen Kommunen weiter eine Sperrminorität bei VNG behalten und so ihren Einfluss für die Zukunft sichern.

Erst am Dienstagabend haben wir hier beim Parlamentarischen Abend von den sächsischen Handwerksmeistern gehört, dass die Energiepreisentwicklung ein wesentliches Problem ist und immer stärker zum echten Wachstumshemmnis wird. Es liegt daher im Interesse Sachsens, wenn wir einen der ganz wenigen Hebel, die wir im Moment nur noch bei der Energiepreisentwicklung haben, nicht aus der Hand geben, meine Damen und Herren, jedenfalls so lange nicht, bis auch wir in Sachsen unseren Energiebedarf unabhängig, das heißt aus erneuerbaren Energien, decken können. Dieses Hauptziel wollen wir bei allem Einsatz für VNG nicht aus den Augen verlieren. Unabhängigkeit in dieser Beziehung heißt unabhängig von EWE in Oldenburg, unabhängig von Oligarchen in Russland, die uns vielleicht auch einmal das Gas abstellen, und unabhängig von Kommunen wie Jena, die, bei allem Verständnis, uns mit ihrem Anteilsverkauf ja erst diesen Schlamassel eingebrockt haben.

Deshalb muss unser Ziel ganz klar sein: Hundertprozentige Unabhängigkeit, das heißt, in absehbarer Zeit hundertprozentig erneuerbare Energien, das heißt aber auch, mit einer starken VNG könnte Gas als Brückenenergie im Interesse des Klimaschutzes zu einem CO2-ärmeren Energiemix beitragen. Deshalb sollten wir unseren vorhandenen ostdeutschen Einfluss bei der Energieversorgung behalten, um unsere Interessen verteidigen zu können.

Allerdings, meine Damen und Herren, wundert mich schon ein wenig der Ton im Antrag. „Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ – so lese ich in der Begründung – soll sich die Staatsregierung bei der Bundesregierung, bei den Ländern Sachsen-Anhalt und Thüringen im Sinne einer kommunalen Sperrminorität bei VNG einsetzen. Schön und gut. Aber wieso machen die Koalitionsfraktionen ihren vorhandenen Einfluss nicht längst geltend?

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Gestern waren Bundeskanzlerin Merkel und Aufbau-OstMinister Tiefensee bei der 50-Jahrfeier von VNG in Leipzig. Zwanzig Minuten hat Frau Merkel bei dieser Gelegenheit geredet. Wie viel war ihr die Sperrminorität ostdeutscher Kommunen bei der VNG an Redezeit wert? Einen einzigen Satz hat sie zu diesem Thema gesagt, nämlich, ich zitiere: „Ich möchte ausdrücklich sagen, dass eine Prägung des Unternehmens auch eine Beteiligung der Stadtwerke und Kommunen ist, die dem Unternehmen gutgetan hat.“ Wahnsinn! Ein echter Merkel-Satz. Ein Einsatz für die ostdeutschen Kommunen, für die kommunale Sperrminorität hört sich nach meinem Empfinden

allerdings doch etwas anders an. Vielleicht hat aber auch Frau Merkel erkannt, dass es sich um einen Rechtsstreit zwischen den kommunalen Anteilseignern und EWE handelt und dass für Rechtsstreit in Deutschland die Gerichte, nicht aber die Politik zuständig ist.

Richtig ist aber auch, dass die Ministererlaubnis des Übels Wurzel ist. Trotzdem, meine Damen und Herren, muss dieser Antrag heute eine große Mehrheit bekommen und dann sofort nach Berlin überstellt werden. Ich wünsche mir, dass dort die Akteure der Großen Koalition Wege finden, in diesem Sinne alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen.

Meine Damen und Herren! Setzen wir uns gemeinsam vehement dafür ein, dass die VNG auf dem deutschen Energiemarkt erhalten bleibt und mit uns gemeinsam den Klimaschutz angeht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)