Wenn man den Gedanken weiter verfolgt, dann stellt sich die Frage, ob der Sächsische Datenschutzbeauftragte angesichts des tatsächlichen Kontrollbedarfes in diesem Bereich personell richtig ausgestattet ist. Aber das ist eine Frage, die wir bei den anstehenden Haushaltsberatungen durchaus diskutieren können.
Ich bin der Überzeugung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir eine neue Wertschätzung des Datenschutzes brauchen, oder, wie es die Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt treffend formuliert hat: „Wir müssen wieder lernen, dass Privatheit etwas Wertvolles ist.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausforschung von Mitarbeitern an ihrem Arbeitsplatz bei einer großen Lebensmittelkette, der Missbrauch von Verbindungsdaten im Zusammenhang mit der Spitzelaffäre bei der Telekom, der massenhafte Handel mit illegal beschafften Daten zum Beispiel aus behördlichen Melderegistern – das alles sind nur die öffentlich bekannt gewordenen Verstöße gegen den Datenschutz. Natürlich ist es keine einfache Sache, dem kriminellen Erfindungsreichtum zu begegnen, wenn sich Kriminelle auf immer raffinierteren Wegen in den Besitz
der persönlichen Daten unserer Bürger zu bringen versuchen. Wo damit bereits bestehende Gesetze verletzt werden, besteht natürlich kein Bedarf an neuen Gesetzen. Da müssen die bereits bestehenden Gesetze nur konsequent angewendet werden.
Ein Bedarf besteht aber auf jeden Fall bei der Sensibilisierung unserer Bürger zum Schutz ihrer eigenen Daten; denn in vielen Fällen ist es die arglose Unbedachtheit unserer Bürger als Dateninhaber, die eine missbräuchliche Verwendung ihrer persönlichen Daten überhaupt erst ermöglicht.
Die NPD-Fraktion setzt sich dafür ein, dass eine jegliche Weitergabe personenbezogener Daten zu kommerziellen Zwecken ohne den Nachweis der Zustimmung des betroffenen Dateninhabers grundsätzlich verboten wird. Mit einer solchen Maßnahme könnte verhindert werden, dass die einmal durch einen Bürger unbedacht weitergegebenen persönlichen Daten sich weiter verselbstständigen. Außerdem könnte man auf diese Weise die illegalen Verwender von persönlichen Daten anderer jederzeit auch nachträglich in ihrem Wirken beschneiden.
Bei der Zielsetzung einer ebenso wirkungsvollen, transparenten und unabhängigen Überwachung von Datenverarbeitungsprozessen durch den Sächsischen Datenschutzbeauftragten möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, was die NPD früher schon einmal im Rahmen einer Datenschutzdebatte ausgeführt hat: Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hat keine konkreten Durchsetzungsrechte. Er kann bemerken, feststellen, erwidern, seine gegenteilige Auffassung kundtun und hoffen, dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechend seiner rechtlichen Auslegung umgesetzt werden. Der Stellenwert des Datenschutzes ist leider nur so hoch, wie er geltend gemacht werden kann.
Auch wenn sich in zivilen Bereichen unseres öffentlichen Lebens, in der Wirtschaft sicher noch einige Ansatzpunkte zur Eindämmung des Missbrauchs von personenbezogenen Daten ergeben, so darf dabei nicht vergessen werden, dass sich die Datensammelei der bundesrepublikanischen und anderen westlichen Geheimdienste im Verborgenen und mit immer höherer Effizienz vollzieht. Von dort droht uns Deutschen die eigentliche elementare Gefahr. Das ist viel gefährlicher, als wirtschaftlich abgezockt, ausgenutzt und über den Tisch gezogen zu werden.
Die NPD-Fraktion teilt das Anliegen, welches hinter dem Antrag der Linksfraktion steht. Wir stimmen diesem Antrag deshalb zu.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gesagt worden: Die Datenskandale der letzten Wochen, der Datenschutzgipfel und die Diskussionen hier zum Datenschutz zeigen, dass
diese Thematik an Aktualität gewinnt. Zum wiederholten Mal befasst sich der Sächsische Landtag mit Problemen des Datenschutzes. Zählbare Erfolge – das müssen wir feststellen – hat es allerdings in der letzten Zeit hier nicht gegeben.
Herr Schowtka und Herr Bräunig, ich kann Ihnen auch nicht zustimmen, wenn Sie sagen, dass sich dieser Antrag erledigt habe, da schon längst alles getan worden sei. Erstens, „längst“ würde heißen: letzten Mittwoch beim Datenschutzgipfel. „Längst“ ist für mich eine andere Zeitspanne. Gehandelt worden ist auch noch nicht. Man hat etwas vereinbart, und das auch noch in Berlin. In Dresden ist noch gar nichts vereinbart worden, um das einmal klarzustellen.
Seitdem das Bundesverfassungsgericht 1983 im Volkszählungsurteil das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung konkretisierte, ist der Datenschutz stets hinter dem Fortschritt der modernen Informationsgesellschaft einen oder mehrere Schritte zurückgeblieben. In manchen Fällen wurde das so bezeichnet, dass wir einen Datenschutz haben, der aus dem Neolithikum stammt.
Auch der Datenschutzgipfel des Bundesinnenministers hat gezeigt, dass das Instrumentarium des Datenschutzes zum Schutz der Bürger und ihrer Daten auch im Hinblick auf die private Datenverarbeitung eigentlich unzureichend ist.
Zunächst galt der Staat als Urheber, der sich daranmachte, möglichst viele Daten seiner Bürger möglichst umfassend aufzuhäufen: Vorratsdatenspeicherung, um einen Begriff aus der jüngeren Zeit zu verwenden, die KfzKennzeichenerfassung, Online-Durchsuchung, die Weitergabe von Fluggastdaten, der biometrische Pass – all das sind Schlagworte, die ahnen lassen, dass es um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bei uns nicht besonders gut bestellt ist und dass die Aussichten auch nicht rosiger werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach gezwungen gesehen, ganz hart einzugreifen, zuletzt bei der Formulierung eines Grundrechtes auf Gewährleistung der Vertraulichkeit, der Integrität informationstechnischer Systeme.
Der Bürger hat also nicht nur einen Abwehranspruch gegen die hoheitliche Ausspähung von Daten, er hat auch einen Schutzanspruch gegen den Staat, dort einzugreifen, wo der Bürger sich nicht selbst schützen kann, wo es darum geht, die Gewährleistung des Datenschutzes in großem Umfang zu überprüfen.
Allerdings – lassen Sie mich das auch sagen –, die Wahrnehmung dieser Aufgabe im Datenschutz durch den Staat, sei es durch den Bund wie auch durch den Freistaat
Sachsen, ist nicht besonders nachhaltig. Herr Schäuble feiert als Ergebnis des Datenschutzgipfels die Zustimmungslösung für die Weitergabe von Melderegisterdaten an gewerbliche Abnehmer bei Gruppenauskünften. Es ist zunächst eine Frage, ob das wirklich damit verbunden ist. Es gibt nämlich Stimmen, die sagen, dies sei nicht so formuliert.
Aber lassen Sie mich auf die Lage in Sachsen abstellen, auf die es nämlich ankommt. Wir haben in der Landesverfassung das Grundrecht auf Datenschutz, anders als alle anderen Landesverfassungen. Wie wird dieses Grundrecht umgesetzt? Wir haben im Sächsischen Meldegesetz die Möglichkeit der Datenweitergabe an gewerbliche Abnehmer von Gruppenauskünften – und das entgegen dem Grundrecht auf Datenschutz. Ich behaupte, hier liegt eine verfassungswidrige Gesetzesnorm vor; denn – das ist offenbar nicht richtig verstanden worden – das sächsische Melderegister ist ein Zwangsregister. Sie können sich nicht aussuchen, ob Sie im Melderegister drin sind oder nicht, sondern Sie sind gesetzlich verpflichtet, dem Staat alle diese Daten, die dort gespeichert sind, zu offenbaren. Ob Sie sich damit einverstanden erklären oder nicht, der Staat ist bisher in der Lage, auch ohne Ihre ausdrückliche Einwilligung diese Daten aus dem Zwangsregister zu gewerblichen Zwecken ganz einfach weiterzuverkaufen. Als Liberaler sage ich: Das ist nicht in Ordnung!
Die FDP hat im Sächsischen Landtag bereits am 24. Januar 2006 einen Änderungsantrag zum Meldegesetz eingebracht. Danach sollte § 32a Abs. 3 wie folgt gefasst werden: „Melderegisterauskunft über eine Vielzahl nicht namentlich bezeichneter Einwohner (Gruppenauskunft) darf nur erteilt werden, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt und die Betroffenen in eine Auskunftserteilung vorher schriftlich eingewilligt haben.“
Jetzt raten Sie einmal, was mit diesem Änderungsantrag der FDP passiert ist, Herr Schowtka. Selbstverständlich ist er von der Koalition abgelehnt worden. Deswegen wundert es mich sehr, wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen, dass der Datenschutz ein Herzensanliegen dieser Koalition sei und dass Sie den Antrag der Linksfraktion somit völlig überholt finden. Das kann ich auch nicht feststellen, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, wir wissen, der Staat ist nicht der einzige Datensammler, sondern es gibt die Privaten, die Millionen und Milliarden von Daten haben. Wichtig ist auch Folgendes: Daten, die man von sich preisgegeben hat, wird man los und holt sie nicht mehr zurück. Richtig ist auch, dass sich viele Bürger der Gefahren nicht bewusst sind, in die sie sich begeben, wenn es darum geht, Gewinnspiele zu machen oder Rabattkarten oder Bonussysteme abzuschließen, bei denen sie ihre unter Umständen intimsten Daten über Kaufverhalten, über Konsum
Wir können es Ihnen also nicht durchgehen lassen, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Schäuble hat alles geklärt, wir sind auf dem richtigen Wege und haben keinen Handlungsbedarf mehr in Sachsen. Das Gegenteil ist der Fall.
gewohnheiten, über Kredite, über Geldgeschäfte, über Kreditkartenzahlungen und anderes einfach aus der Hand geben, weil sie hinterher einen bunten Quietscheball und ein aufblasbares Rückenkissen bekommen. Das ist in der Tat bedenklich, und hier sollten wir uns darum bemühen, die Bürger darüber aufzuklären, was mit ihren Daten alles passieren kann, wovon sie oftmals keine Ahnung haben. Ich fordere Sie alle auf, unserem Änderungsentwurf zum Sächsischen Meldegesetz zuzustimmen und ihn schnell zu behandeln, damit wir noch in diesem Jahr ein entsprechendes Gesetz bekommen. Nur dann werden wir unserer Verantwortung gerecht. Nur das bringt uns weiter und nicht – Entschuldigung – plakative Anträge, die die Linksfraktion jetzt vorgelegt hat.
Dem Antrag der Linksfraktion wird die FDP in diesem Haus in den Punkten 1 und 2 zustimmen. Bei Punkt 3 werden wir uns enthalten, denn so wünschenswert eine Aufklärungskampagne für die Bürger ist; die pauschale Forderung nach einer solchen Kampagne hilft uns nicht weiter, Herr Kollege Bartl, sondern hier müssten wir durch dieses Haus schon einige Vorgaben machen, wie eine solche Kampagne aussehen sollte, um über den rein politischen Wunsch hinaus zu konkreten Ergebnissen zu kommen.
Danke schön. – Das war die erste Runde der Redner. Gibt es einen weiteren Wunsch zur allgemeinen Aussprache? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Prof. Unland für die Staatsregierung.
Danke schön. – Herr Lichdi für die Fraktion der GRÜNEN. Prof. Dr. Georg Unland, Staatsminister der Finanzen: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der jüngsten Vergangenheit häuften sich die Fälle des Missbrauchs personenbezogener Daten durch verschiedene Unternehmen. Unstreitig ist, dass die Politik hier gegensteuern muss. Der Gesetzgeber hat bereits erkannt, dass eine Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes notwendig ist. Aber auch im privatrechtlichen Bereich ist der Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu garantieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich stimmen wir dem Antrag der Linksfraktion zu. Er ist gut gemeint. Er schreibt die richtigen Sachen auf; ich frage mich: Zum wievielten Male eigentlich? Wir werden dem zustimmen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass das ein nicht vollständig ausreichendes Vorgehen der Linksfraktion ist. Wir haben im Tagesordnungspunkt 12 den entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Ich glaube, den Reden der Linksfraktion als auch der FDP entnehmen zu können, dass Sie unseren Gesetzentwurf zur Änderung des Meldegesetzes in Sachsen Ihre Zustimmung erteilen werden. Darüber freue ich mich. Ich denke, wir haben dort den weiterführenden, den schnelleren Vorschlag gemacht. Deswegen sollten wir diese Fragen weiterhin in den Ausschüssen bearbeiten.
Viele der im Antrag in Nr. 1 angesprochenen Punkte sind dabei schon Gegenstand der aktuellen Berliner Diskussion und werden in ein Gesetz münden, das die Erweiterung der Informations- und Auskunftsrechte der Betroffenen vorsieht. Der Gesetzentwurf liegt schon seit dem 08.08.2008 vor.
Andere im Antrag genannte Forderungen – wie zum Beispiel die Reduzierung der Verarbeitung personenbezogener Daten auf das Unvermeidbare, die Schaffung eines Höchstmaßes an Transparenz oder die effiziente und unabhängige Kontrolle – sind seit Langem geltende datenschutzrechtliche Grundrechte.
Ich möchte noch einmal auf die Redner der Koalition eingehen, insbesondere auf Herrn Schowtka und Herrn Bräunig, die nicht die innere Größe besessen haben, meine Zwischenfrage zuzulassen, obwohl sie in dem Fall vielleicht zur Erhellung beigetragen hätte. (Klaus Bartl, Linksfraktion: Deshalb funktioniert es auch!) Sie haben sich auf den Datenschutzgipfel berufen. Nach meiner Kenntnislage – ich weiß nicht, ob Sie von der Koalition eine andere haben – hat sich der sogenannte Datenschutzgipfel bei Herrn Schäuble darauf geeinigt, die Einwilligungslösung im Bundesdatenschutzgesetz vorzusehen, aber eben gerade nicht im Melderecht. Das heißt, nach dem Willen des Datenschutzgipfels bleibt dort eine Lücke. So ist mein Kenntnisstand. Ich würde mich freuen, wenn dort etwas anderes vereinbart worden wäre.
Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Missbrauchsfälle bringen die Länder derzeit weitere Vorschläge in das laufende Verfahren ein, die den Schutz der Bürger vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten verbessern sollen. Auch das Sächsische Staatsministerium des Innern setzt sich im Rahmen seiner Beteiligung aktiv dafür ein.
Ich bin vorhin in meinem Redebeitrag auf den Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums eingegangen, der nicht autorisiert im Internet kursiert. Dort ist diese Einwilligungslösung eben auch nicht vorgesehen.
Der Termin für die endgültige Ausgestaltung der Novelle zum Bundesdatenschutzgesetz ist aufgrund der Vielschichtigkeit der Themen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorhersehbar. Aber mir wurde gerade gesagt, dass in