Protocol of the Session on July 10, 2008

(Beifall bei der SPD)

Danke. – Es folgt jetzt die NPD-Fraktion, vertreten durch Herrn Petzold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Keine Reform der Bereitschaftspolizei Sachsen ‚von oben’“ ist nicht neu. Schon am 25. Juni 2007 gab es einen Antrag zur Neustrukturierung der BP Sachsen, der noch von Prof. Porsch unterzeichnet wurde. Dieser Antrag mag etwas gegenständlicher gewesen sein, und er scheint nicht so unverbindlich wie der aktuelle Antrag der Linkspartei.

Die Linksfraktion weiß natürlich, dass auch dieser Antrag von der schwarzen Mehrheitsfraktion zusammen mit der SPD weggestimmt wird. Aber dieser Antrag hat offenbar nur eine populistische Funktion. Wenn man Ihren Antragstext seiner Füllstoffe beraubt, bleiben folgende fünf Punkte übrig:

Die Reform soll zurückgenommen werden, die Reform soll einer Überarbeitung unterzogen werden, um eine effiziente Führung der Bereitschaftspolizei zu gewährleisten, um einer Fernverwaltung der Bereitschaftspolizei entgegenzuwirken, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.

Dabei handelt es sich wieder einmal um eine Aufzählung von Unverbindlichkeiten. Warum legt die Linksfraktion kein eigenes Konzept vor, aus dem klar zu ersehen ist, wie sie sich die Überarbeitung der Bereitschaftspolizeireform vorstellt, durch welche konkreten Schritte eine effiziente Führung gewährleistet werden kann, mit welchen Maßnahmen einer Fernverwaltung der Bereitschaftspolizei entgegengewirkt werden kann, mit welchen

Mitteln man den steigenden Anforderungen in geschlossenen Einsätzen gerecht werden kann?

Es fällt auf, dass die Linkspartei in ihrer Antragsbegründung fordernd auf etwas Bezug nimmt, was im Antragstext offenbar vergessen wurde. Im letzten Satz der Begründung fordert sie ein, dass der Landtag als Stelle der politischen Meinungs- und Willensbildung in die Entscheidungsfindung einzubeziehen ist.

In früheren Plenardebatten zur sächsischen Polizeistrukturreform hat mein Kollege Dr. Müller immer wieder die Auffassung der NPD-Fraktion zu dieser Neustrukturierung auch der Bereitschaftspolizei dargestellt. Die NPDFraktion hat Änderungsanträge gestellt und während der letzten Haushaltsdebatte mehr Mittel zur Schaffung einer bedeutenden Zahl neuer zusätzlicher Planstellen für Polizeibeamte gefordert und dazu auch Finanzierungsvorschläge gemacht.

Damals wie heute vertritt die NPD-Fraktion die Ansicht, dass die besondere geografische Lage Sachsens vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung eine bedeutende Herausforderung für die Herstellung der inneren Sicherheit im Freistaat Sachsen in den nächsten Jahren darstellt. Die von der Staatsregierung geplanten und zum Teil schon durchgeführten Stellenstreichungen bei der Polizei bedeuten in Verbindung mit der Schleifung von Polizeirevieren und -posten eine schwere Gefährdung der inneren Sicherheit in Sachsen. Dass diese negative Gemengelage dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger in keiner Weise gerecht wird, zeigen die Kriminalitätsexplosion an den Außengrenzen und die Gewaltexplosion in Großstädten wie Leipzig.

(Zuruf der Abg. Heike Werner, Linksfraktion)

Es ist nur von akademischem Interesse, ob die Gefährdung der inneren Sicherheit durch ein Minus bei der Bundespolizei, durch eine Minderung bei der Bereitschaftspolizei oder durch ein Weniger bei der normalen Landespolizei erfolgt. Den Bürger interessiert das für ihn am eigenen Leib und an seinem Eigentum spürbare Gesamtergebnis, nicht die Einzelursachen.

Die NPD-Fraktion wird sich der Stimme enthalten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Jetzt ist die FDPFraktion an der Reihe; Herr Dr. Martens.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Polizeistrukturreform, auch die Reform der Bereitschaftspolizei, beschäftigt uns seit über zwei Jahren. Wiederholt ist sie Thema im Landtag gewesen. Allerdings: Wenn das Thema angesprochen wurde – da muss ich dem Kollegen Bräunig widersprechen –, ist das in der Regel nicht von der Staatsregierung ausgegangen;

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

sondern Diskussionen zu diesem Thema finden in der Regel ausschließlich statt, wenn die Opposition dies verlangt. Die Erkenntnisse und die Auskünfte der Staatsregierung, die wir dann erhalten, sind allerdings in der Regel relativ unergiebig.

Eine Reform, meine Damen und Herren, verlangt, dass mit ihr eine Verbesserung erreicht wird, dass die innere Sicherheit besser gewährleistet werden kann, dass die Bereitschaftspolizei den zu erwartenden und tatsächlichen Einsatzlagen besser gerecht wird, als das vorher der Fall gewesen ist. Dass dies allerdings mit den anstehenden Reformen und den bisherigen Beschlüssen erreicht werden kann, können wir nicht erkennen. Was wir erkennen können, ist, dass es hierbei im Wesentlichen um die Einsparung von Mitteln und Personalstellen im Bereich der Bereitschaftspolizei geht. Mehr bisher auch nicht.

Die Verlegung von Hundertschaften aus Sebnitz und Görlitz nach Dresden kann man kritisieren. Sie ist vielleicht angesichts des Einsatzgeschehens nachvollziehbar. Das haben wir auch gesagt. Es gibt andere Maßnahmen, wie zum Beispiel den Abzug einer Hundertschaft aus Chemnitz bei gleichzeitiger Aufstellung der dortigen Einsatzzüge. Diese Maßnahme ist schon weniger verständlich, insbesondere dann, wenn man sich das Einsatzgeschehen der Bereitschaftspolizei in Chemnitz anschaut. Ich denke hier zum einen an die Verteilung der Einsatzorte im grenznahen Bereich, aber auch an die besonderen Anlässe für den Einsatz der Bereitschaftspolizei, etwa bei Fußballspielen der 2. Bundesliga, aber auch der 3. Liga.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Ja. Und der anderen. Aber da gibt es immer noch genügend Konfliktstoff, wenn Aue oder der FSV Zwickau spielt oder die üblichen Spiele beim CFC stattfinden. Es gibt genügend Anlässe, meine Damen und Herren.

Was wir für falsch halten, ist die Verlegung der technischen Einsatzeinheiten von Dresden nach Leipzig. Diese wird auch von denen, die selbst betroffen sind, mit am heftigsten kritisiert und lässt sich auch anhand des tatsächlichen Einsatzgeschehens kaum rechtfertigen. Im Gegenteil, das Einsatzgeschehen spricht für eine Belassung der technischen Einsatzeinheiten auch in Dresden, gerade vor dem Hintergrund der Verteilung der Einsatzorte, auch im Blick auf die Taucherbasis. Die Taucher sollten in Dresden bleiben. Es macht überhaupt keinen Sinn, sie nach Leipzig zu verlegen, nur weil man dort zentral alle zusammenfasst, wenn man hinterher erhebliche Aufwendungen hat, um diese Einheiten wieder von Leipzig nach Dresden zum Einsatzort zurückzubringen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Die technischen Einsatzeinheiten – ich habe das eben angesprochen – sind auch ein Musterbeispiel dafür, dass das Parlament in diesen Vorgang nicht nur nicht eingebunden, sondern, wie ich finde, von der Staatsregierung auch absichtlich falsch unterrichtet wird. Den Vorwurf

müssen Sie sich gefallen lassen. Wenn Kollege Bräunig hier sagt, dass vor dem Beschluss des Landtages mit dem Vollzug einer Umsetzung noch nicht begonnen wird, dann ist das einfach nicht richtig, denn es finden Baumaßnahmen am Standort Leipzig statt. Wenn dort ein Taucherbecken gebaut wird, dann frage ich mich: Wofür soll es denn genutzt werden, wenn nicht für die Taucher?

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Für die Marsmännel! – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ich weiß nicht, vielleicht ist es ein neues Schwimmbecken für die übrige Bereitschaftspolizei. Aber jedenfalls wird dort gebaut, es wird für die Taucher gebaut und ich lasse mir nicht erzählen, dass das nichts mit der geplanten Umstrukturierung zu tun hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Die Personalsituation bei der Bereitschaftspolizei – insbesondere die Fehlstände – ist angesprochen worden. Ob diese mit der angesprochenen Reform beseitigt werden können, erscheint ebenfalls mehr als fraglich. Gegenwärtig ist es so, dass in Chemnitz 46 von 306 Mitarbeitern nicht verfügbar sind, in Dresden 41 von 438 und in Leipzig 39 von 314. Das sind erhebliche Anteile, die im Moment überhaupt nicht für die Einsätze zur Verfügung stehen. Ob diese Situation allein durch die Auflösung der Abteilungsstäbe verbessert werden kann, bleibt mehr als fraglich. Ich glaube, ein Nachweis wird dazu auch nicht zu führen sein.

Meine Damen und Herren! Die Bereitschaftspolizei – und ihre Aufstellung im Land – ist ebenfalls ein sehr wichtiger Teil der Sicherheitsarchitektur in Sachsen. Das ist zu wichtig, um allein im stillen Kämmerlein im Innenministerium darüber zu befinden. Die Personalräte bei der Polizei haben – zu Recht, wie ich finde – beanstandet, dass sie, wenn überhaupt, allenfalls zu spät in diese Planungen einbezogen worden sind. Aber ich gehe davon aus: Auch über dieses Thema werden wir hier nicht zum letzten Mal gesprochen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Danke schön. – Herr Lichdi verzichtet. Die Zeit! – Die Linksfraktion hatte noch einmal Herrn Bartl mit 5 Minuten avisiert.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Martens hat es zum Schluss gesagt, Kollege Bandmann: Wir haben es einfach satt, dass Sie meinen, Sie und die CDU seien das Land, Sie seien der Staat. – Sie haben gestern gesagt: „Wir werden...“, „Wir werden die Polizei …“, „Wir werden mit allem Drum und Dran …“. – Ist nicht! Sie haben nicht einmal 50 % der Stimmen von denjenigen, die zur Wahl gehen. Es steht dem Parlament schon zu, über entscheidende Fragen der Sicherheitsarchitektur, zu der die Polizei nun einmal gehört, informiert zu werden,

und zwar als Bringschuld des Innenministers und nicht als permanente Holpflicht des Parlaments.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Es ist doch nicht nur die Zahl derer, die ich verfügbar habe. Herr Dr. Buttolo, Sie wissen ganz genau, dass das, was jetzt läuft, die Konsequenz hat, dass Ihnen Spezialisten aus dem Bereich der Bereitschaftspolizei in Größenordnungen abwandern. Das weiß auch Herr Bandmann. Herr Bandmann sagt selbst: Das ist eine Verbandspolizei, das ist teilweise eine gänzlich andere Ausbildung, eine gänzlich andere Polizeistrategie, eine gänzlich andere Qualifizierung als im allgemeinen Polizeivollzugsdienst.

Das weiß jeder. Sie wissen aber, dass Ihnen mit dem, was Sie jetzt in Chemnitz angeschoben haben, der Hundertschaftsführer, die Führungsgruppe, Sachbearbeiter OWi/Strafverfolgung, Mitarbeiter IUK, die Zugführer, deren Stellvertreter sowie einige Gruppenführer abgegangen sind. Sie sind alle in die allgemeine Landespolizei abgegangen und machen jetzt irgendwo irgendetwas anderes, meinethalben Streifendienst oder gehobenen Dienst, wie auch immer. Sie sind aber für die Bereitschaftspolizei weg, auch, weil Sie meinen, dass man mit 40 Jahren für die Bereitschaftspolizei zu alt sei. Sie sagen, ab 40 Jahren gehöre man nicht mehr in die Reihen der Bereitschaftspolizei, obwohl sie dann ohne Not Dreischichtdienst im Polizeivollzugsdienst machen dürfen. Dafür sind sie nicht zu alt.

Herr Bandmann, gerade bei der Bereitschaftspolizei, wo ich permanent auf operative Entscheidungen angewiesen bin, zu sagen, ich bin gut ausgerüstet, wenn ich nur die Mannschaften dort habe, und die Kommandanten sind in Leipzig – das begreift doch kein normaler Mensch. Warum erzählen uns denn all diejenigen, die auf diesem Gebiet seit vielen Jahren Ahnung haben, dass dies hirnrissig ist? Warum erklären uns das die Praktiker, die dort auf irgendeiner Ebene als Zugführer, als Hundertschaftsführer, als Stellvertreter und als Personalratsvertreter tätig sind? Warum kommt es so unisono von all diesen, dass sie sagen: Es kann doch nicht sein, dass ich von meiner Mannschaft getrennt werde, denn ich muss doch vor Ort in Mittweida oder in Stollberg entscheiden, was zu tun ist! Sie können doch auch um Gottes willen nicht die Personalstärke aus den letzten Jahren ansetzen, die man allein in Leipzig gebraucht hat. Sie wissen doch genau, die Einsatzzahlen von Leipzig, die Sie jetzt ansetzen, sind aus den letzten Jahren – da war doch regelmäßig Worch zugange. Daraus ergeben sich doch die hohen Einsatzzahlen für Leipzig. Aber in Chemnitz musste der CFC im April sein Fußballspiel absagen, weil keine polizeiliche Absicherung gewährleistet war.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Dort wurde die Polizei gebraucht, aber das Spiel musste abgesagt werden. Das ist doch der Fakt. Dass Bedarf da ist, wissen Sie genau – auch anhand der Tatsache, dass die PDs sukzessive ihre Aufrufbereitschaften bilden. Wenn die PDs aber Aufrufbereitschaften bilden, weil sie keine

Polizeibereitschaften an der Seite haben, dann hat das zur Konsequenz, dass sie heute aus einem anderen Polizeidienst abziehen. Diese fallen doch auch nicht vom Himmel. Woher kommen denn die Leute für die Aufrufbereitschaften? Sie werden doch auch irgendwo abgezogen. Aus den Revieren? Aus dem Streifendienst? Leute, die nicht ausgebildet sind, oder wie?

Sie haben mit der Verlegung der TEE, praktisch der ersten BPA von Dresden nach Leipzig, das komplette Personal ausgewechselt. Das geschulte Fachpersonal ist zur Landespolizei gegangen, am Standort Leipzig mussten neue Fachkräfte eingesetzt werden. Wir fragen: Was kostet das? Hat es den Preis, dass die Einsatzerfahrung fehlt – siehe Silvester 2007 Connewitz?

Das sind Dinge, mit denen wir mehr oder weniger ein echtes Problem haben. Kollege Bräunig, Sie haben zu Recht gesagt, es soll ohne Verlust an polizeilichem Einsatzwert erfolgen. Ich glaube, wenn ich die gesamte mittlere Leitungsebene wegnehme, das Präsidium in Leipzig aufblähe und diejenigen, die operativ in der Fläche arbeiten und entscheiden, wegnehme, dann kann das unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für eine Qualifizierung gut sein.

Ein letzter Satz: Herr Bandmann, Sie haben zu Recht gesagt, dass wir auch Verträge mit dem Bund haben. Diese Frage, Herr Minister, hätte ich gern beantwortet. Das Bund-Länder-Abkommen, also BRASS 140, geht davon aus, dass Sachsen acht Hundertschaften, drei Abteilungen, drei ärztliche Dienste etc. pp. hat. Dafür haben wir die Mittel, die Ausrüstung und die Technik. Was macht denn der Bund, wenn Sie von dieser Vertragsbasis abweichen? Sie verändern doch die Vertragsbasis, die Geschäftsgrundlage. Was macht der Bund? Ist das entschieden, kostet das den Freistaat Sachsen mehr? Haben diejenigen in der Bereitschaftspolizei recht, die sagen, wir waren früher eine Bereitschaftspolizei, die durchaus ihr Geld für den Freistaat verdient hat? Jetzt sind wir ein Nehmerland. Wir müssen uns permanent woanders Bereitschaftspolizei holen und teuer bezahlen. Stimmt das oder stimmt das nicht? In wie vielen Fällen gab es Anfragen an das Präsidium der Bereitschaftspolizei, in denen die Anfrage bzw. die Anforderung nicht erfüllt werden konnte?

Nennen Sie uns diese Zahlen, bevor wir sie uns von den Praktikern holen und sie der Regierung auf den Tisch legen, weil das Parlament nicht auf eine andere Art und Weise zu dieser Information kommt! Das ist kein gesundes Verhältnis.

Diese Bereitschaftspolizeireform gehört mit offenen Karten in das Parlament, und zwar zu einem Zeitpunkt, Kollege Bräunig, da das Parlament noch die Entscheidung in der Hand hat, und nicht erst, wenn die Messen längst gelesen sind, weil Einplanungsverfahren bedeutet: Es bewirbt sich jeder für eine bestimmte Stelle, er kann auf jeder Stelle eingesetzt werden, er wird sich die Qualifizierung holen und ab 1. Januar wachen alle auf und sind auf den neuen Stellen. Wer das dann ist, werden wir letztlich

sehen. Das halten wir für keine gesunde Politik, und das Parlament hat das Recht, dann irgendwo zu helfen, dass es zur Genesung kommt.

(Beifall bei der Linksfraktion)