Herr Dr. Hahn, Sie haben auch von Sozialtarifen gesprochen; das klingt natürlich chic. Haben Sie denn einmal ausgerechnet, was das deutschlandweit bedeuten würde? Welchen finanziellen Umfang hat das und wer soll das bezahlen?
Sie haben es gehört; Frau Kollegin Runge – wir haben ja eine Arbeitsteilung – wird sich dazu äußern. Dennoch, Sie wissen ganz genau, was der Staat in den letzten Jahren zusätzlich eingenommen hat, beispielsweise durch die höhere Mehrwertsteuer und die explodierenden Preise. Der Staat hat Milliarden Mehreinnahmen. Es gibt also Möglichkeiten, hier stützend einzugreifen. Genau das fordern wir. Zu den anderen Punkten wird Frau Dr. Runge sprechen.
Die Politik muss ihre Entscheidungsspielräume endlich nutzen und darf den Spekulationen auf den Rohstoffmärkten und dem Treiben der Energiekonzerne nicht länger tatenlos zusehen.
Zu den Sozialtarifen ist schon gesprochen worden. Darüber hinaus fordern wir die unverzügliche Wiedereinführung der staatlichen Preisgenehmigungspflicht, damit die Politik wirkungsvoll eingreifen kann, wenn sich Unternehmen ungeniert bei den Bürgern bedienen.
Die vier großen Energiekonzerne in Deutschland haben in den letzten Jahren exorbitante Gewinne erzielt. Es ist allerhöchste Zeit, diese Gewinne durch eine Obergrenze zu kontrollieren und die Unternehmen zu verpflichten, den darüber hinausgehenden Betrag an die Kunden zurückzugeben.
Des Weiteren ist es notwendig, dass die vorhandenen Monopole bei der Energieversorgung durch kleine, regionale Anbieter ersetzt werden. Auch hier ist die Politik gefordert. Geltende Gesetze müssen konsequent
angewendet und – wenn nötig – verschärft werden. Das gilt insbesondere für das Kartellrecht, nicht zuletzt um Preisabsprachen zwischen den Unternehmen zu unterbinden.
Ich komme zum Schluss. Für DIE LINKE steht fest: Die Preisgestaltung für Strom, Gas und Benzin braucht mehr Transparenz und Demokratie. Wenn die Politikverdrossenheit nicht noch mehr ansteigen soll, muss im Interesse der Bürger endlich entschieden gehandelt werden.
Die fast flächendeckende Umstellung auf Heizöl und Heizgas hatte den DDR-Mief für Jahre vertrieben. Man konnte ihn allenfalls im Winter in Tschechien oder noch hinter Trabbis herfahrend genießen. Das ist jedoch schon wieder Geschichte.
Die steigenden Preise für Gas, Öl und Strom haben die Menschen erneut zum Umdenken gezwungen. Es wird wieder alles verfeuert oder in den Tank gekippt, was einen Energieinhalt besitzt und billiger ist als das eigentlich dafür Vorgesehene. Natürlich versucht man nachhaltig zu sparen. In den Baumärkten sind Dämmstoffe und Energiesparlampen so gefragt wie selten.
Die politisch gewollte, künstliche Verteuerung des Stromes durch das Energieeinspeisegesetz, die Kraft-WärmeKopplung, den Ausstieg aus der Kernenergie und den Streit um neue Kohlenkraftwerke zeigt aber nicht nur im eigenen Lande Wirkung. Preistreiberei im Namen des Klimaschutzes – diese Lektion haben auch die Erdöl und Erdgas produzierenden Länder schnell gelernt. Sie sagen: Was ihr beherrscht, das können wir schon lange!
Indem wir die Preise für unsere fossilen Rohstoffe ständig verteuern, verdienen wir uns dabei nicht nur dumm und dämlich, sondern wir haben dazu noch ein richtig gutes Gefühl; denn wir helfen euch mit unseren Preissteigerungen bei euren Energiesparanstrengungen und retten somit gemeinsam das Weltklima.
Merken Sie etwas? Das ist der gute, alte Zauberlehrling: Die ich rief, die Geister, werde ich nun nicht los. Da hilft auch kein Jammern und Lamentieren, meine lieben Linksgenossen. Sie können nicht auf der einen Seite dem allgemeinen Energiesparen, Frau Dr. Runge, zum Klimaschutz das Wort reden und auf der anderen Seite ganze Bevölkerungsgruppen davon ausnehmen wollen. Der Spardruck muss schon flächendeckend sein. Für das Weltklima ist eine in einem sozial schwachen Haushalt
gesparte Kilowattstunde ebenso wichtig wie eine von einem reichen Mann wie etwa Oscar Lafontaine – Sie sprachen davon – weniger verschwendete. Unzumutbare Härten müssen von dem Hartz-System ausgeglichen werden. Wie Sie wissen, tut es dies auch.
Deutschland und damit auch Sachsen kann dem Preisdiktat der Förderländer nur durch Sparen und durch marktfähige technologische Alternativen begegnen. Dort müssen wir unsere Anstrengungen verstärken. Wir brauchen Batterien, mit denen ein Auto mindestens einen Tag sicher fahren kann; wir brauchen den Umstieg auf die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle und intelligente EnergieManagement-Systeme. Wo der damit verbundene extreme Mehraufwand an Elektroenergie herkommen kann, sage ich Ihnen mit Rücksicht auf den Blutdruck von Herrn Lichdi lieber ein anderes Mal.
Uns, der Politik, rate ich aber, die Reaktion der Menschen auf diese ambitionierten und damit nur mittelfristig umsetzbaren Prozesse lebensnah und reaktionsbereit zu verfolgen, damit uns unsere schöne Energiesparwelt nicht eines kalten Wintertages um die Ohren fliegt. Dann wird es wirklich stinken im Lande.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Hahn, Sie haben ja wieder einmal einen tollen Strauß losgelassen. Sie haben eine Menge erzählt, aber etwas Substanzielles habe ich von Ihnen nicht gehört.
Sie haben so schön gesagt, es helfen uns wohlfeile Worte nicht weiter. Ihr Beitrag hilft uns überhaupt nicht weiter.
Das Lustigste an der ganzen Geschichte war ja, was Sie alles an der SPD entdeckt haben, wo die SPD wieder wackelt und kippt – ich weiß nicht mehr genau, wie Sie das gesagt haben –, weil wir gegen die Verlängerung des Weiterlaufs der KKWs sind, weil wir den Antrag der Linken abgelehnt haben, und Sie hatten noch eine dritte Anmerkung, die ich auch nicht kapiert habe. Vielleicht liegt es an mir, ich lasse mich gern von Ihnen belehren. Dass sich Tiefensee jetzt für Offshhores einsetzt, hat Ihnen auch nicht so richtig gepasst.
Sie verlangen, dass die Politik die Spekulationen beenden soll. Sie haben aber vergessen zu sagen, wie Sie es machen wollen. Sie wollen das Kartellrecht verschärfen. Wo
wollen Sie es denn hin verschärfen? Dann müssen Sie ein ganz neues System einführen und uns sagen, wie dieses System aussehen soll. Sie haben hier nicht allzu viel geboten. Ich warte mit meinem zweiten Beitrag noch auf Frau Dr. Runge, dann soll ja das Inhaltliche kommen.
(Caren Lay, Linksfraktion: Was haben Sie gesagt? – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)
Wir machen hier eine Debatte. Wenn Sie etwas haben, Herr Prof. Porsch, dort ist so ein kleines schwarzes Ding, an das Sie Ihren Mund halten und Ihren Beitrag von sich geben können. Dafür wäre ich Ihnen dankbar.
Ihr Thema lautet: „Weiteren Anstieg der Strom- und Gaspreise stoppen – Sozialtarife einführen“. Haben Sie eigentlich gemerkt, dass Sie schon allein mit dem Titel hier ein süßes Gift versprühen, ein Versprechen, das Sie gar nicht halten können? Sie werden – da können Sie daran herumdrehen, wie Sie wollen – jedenfalls unter den heutigen fossilen Grundlagen der Energieversorgung die Preise nicht stoppen. Sie reden hier den Leuten etwas ein, was vielleicht der eine oder andere noch glauben wird, weil er es gern hätte. Aber es wird nicht kommen. Das implizieren Sie zumindest mit Ihrem Titel. Ob Sie es gewollt haben oder nicht, weiß ich nicht.
Natürlich gibt es sehr unterschiedliche Stimmen bei den Sozialtarifen. Minister Gabriel hat sich dazu geäußert. Es gibt das belgische Modell, das besagt: Die ersten 500 Kilowattstunden Strom pro bedürftige Person sind frei, dann kommt ein normaler Tarif, und, was ich besonders gut finde, wenn besonders viel verbraucht wird, wird auch besonders viel bezahlt. Dann gibt es das Modell von E.on, die im Herbst 2007 in Zusammenarbeit mit der Caritas und der Diakonie in Bayern einen sogenannten Sozialrabatt für einkommensschwache Kunden gewährt hatten. Nach Konzernangaben machten ihre Regionalversorger seit Jahresbeginn mehr als 30 000 bedürftigen Kunden ein entsprechendes Angebot.
Es gibt auch Leute, die dagegen sprechen, zum Beispiel der Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Herr Holger Krawinkel. Er sagt, Sozialtarife bei Strom und Gas seien kein Rezept gegen die weltweit steigenden Energiepreise. Damit könnten zwar die Belastungen für ärmere Bürger gemildert werden; entscheidend für die Zukunft sei aber das Energiesparen, vor allem durch die Sanierung von Gebäuden. Deshalb müsste die Bundesregierung mehr Geld in die Hand nehmen. Die Kanzlerin hat sich am 20. Juni geäußert, das Regierungsbündnis von SPD und Union lehnt staatlich verordnete Sozialtarife beim Strom ab, und die Koalition hat Ihren Antrag – das haben Sie schon genannt – im Bundestag vor wenigen Tagen abgelehnt.
Was wird alles diskutiert, Herr Dr. Hahn? FDP und CSU überbieten sich in Steuersenkungsmodellen, Abschaffungsplänen für die Pendlerpauschale, Ankurbelung der Weltwirtschaftslage durch Erhöhung der Fördermengen – CSU-Minister Glos in Saudi-Arabien – und Ähnliches. Was sind die Ursachen? Erstens eine Verknappung der fossilen Rohstoffe – das Beispiel England können Sie sich gern ansehen. England wird dieses Jahr zum ersten Mal wieder Energie importieren – und zweitens nach wie vor unser ungezügeltes Verlangen, alle unsere Probleme durch mehr Wachstum lösen zu wollen. Dadurch werden die Energiepreise weiter steigen. Wie schnell, ist ungewiss, Sprünge sind eingeschlossen, und es besteht dabei die Gefahr von sozialen Verwerfungen. Unsere Einschätzung zu den Sozialtarifen bringe ich im zweiten Redebeitrag.