Protocol of the Session on June 19, 2008

Wir als Linksfraktion nutzen hier die letzte Chance vor der Sommerpause, ein Thema auf die Tagesordnung zu setzen oder im Sächsischen Landtag zu debattieren, das unseres Erachtens dringend debattierungswürdig ist, und zwar das nächste anstehende kommunale Finanzausgleichsgesetz für 2009 und 2010.

Wir haben am 23. Mai mit großem Interesse eine Pressemitteilung – noch vor Ihrer Zeit – des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen gemeinsam mit den kommuna

len Spitzenverbänden, dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag, dem Sächsischen Landkreistag zur Kenntnis genommen, die die Überschrift trägt: „Verhandlungen zum kommunalen Finanzausgleich erfolgreich“.

Was ist daran jetzt so problematisch? Ich sage es ganz deutlich: Es hätte uns als Linksfraktion – und ich denke, auch als Sächsischer Landtag – gut zu Gesicht gestanden, wenn wir sehr viel frühzeitiger und sehr viel intensiver in die Verhandlungen zum zukünftigen kommunalen Finanzausgleich 2009/2010 eingebunden worden wären.

(Beifall der Abg. Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion, und Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Warum? – Weil wir an einer Zeitenwende stehen. Wir haben schon beim letzten kommunalen Finanzausgleich im Jahre 2006, als es um die Jahre 2007 und 2008 ging, festgestellt – und zwar einvernehmlich in diesem Hohen

Hause –, dass wir einen dringenden Überarbeitungsbedarf des kommunalen Finanzausgleiches sehen und dass es dann notwendig sein könnte, früher in intensive Debatten einzutreten.

Insofern muss ich Folgendes sagen: Wir haben jetzt als Pressemitteilung vorliegen – weitere Informationen kenne ich momentan nicht und Sie, meine Damen und Herren, auch nicht –, dass hier ein Vorsorgemodell geschaffen werden soll und nach diesem Vorsorgemodell 300 Millionen Euro beim Freistaat bleiben sollen und 317 Millionen Euro an die Kommunen gehen, dass also erstens gesagt wird: „Anscheinend ist die Fähigkeit der Kommunen, ihr eigenes Geld zu verwalten, nicht sehr ausgeprägt“, und zweitens, dass die Auszahlungsmodalitäten dieser eventuell in Zukunft irgendwann fälligen Beträge bisher in keiner Weise geregelt sind. Das ist das, was wir jetzt entnehmen können. Angeblich sollen das die wesentlichen Reformschritte sein, die für das Finanzausgleichssystem notwendig sind.

Unseres Erachtens ist das viel zu wenig. Unseres Erachtens geht es auch an den Zielsetzungen vorbei, die im Jahr 2005 – am 09.03. – durch Entschließungsantrag in diesem Haus beschlossen worden sind. Am 9. März 2005 ist nämlich in einem Punkt II.2 beschlossen worden:

Bei der Fortentwicklung des FAG ab dem Jahr 2007 – darum ging es damals noch – ist eine Berücksichtigung von Konsolidierungserfolgen bei der Bemessung des Zuschussbedarfes mit einzuarbeiten, ist eine zielgenauere Berücksichtigung der Aufgaben und der damit verbundenen Ausgaben der Kommunen unterschiedlicher Größenklassen, insbesondere für zentralörtliche Funktionen, mit einzuarbeiten und ist eine Berücksichtigung der Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Zuschussbedarfe einzuarbeiten.

Keiner dieser drei Punkte findet in der Pressemitteilung Berücksichtigung und ich nehme an, auch in dem Finanzausgleichsgesetz nicht. Meines Erachtens gehört in dieses Haus eine Debatte darüber, ob solche Änderungen notwendig sind. Unseres Erachtens sind sie es schon.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Was wir jetzt feststellen, ist, dass wir eine Menge Probleme aus der Verwaltungsreform in das Finanzausgleichsgesetz hineinschieben. Gestern sind die Fragen der Finanzierung der Kulturräume – Wegfall der Kreisfreiheit usw. – angesprochen worden. Die Frage der Finanzierung des Straßenbaus, der Mittel, die zur Verfügung gestellt werden, ist ungeklärt und die Frage von Sickerverlusten soll durch einen ominösen Ausgleichsfonds innerhalb des FAG aufgefangen werden.

Dieses FAG ist ein Verwaltungsreformreparaturgesetz, meine Damen und Herren, und das bedauern wir sehr, denn es enthebt uns leider der Möglichkeiten,

(Beifall bei der Linksfraktion)

eben auf die Fragestellungen, die vor uns liegen, einzugehen, zum Beispiel auf den demografischen Wandel, der

immer sehr hochgehoben wird. Wir haben eine Enquetekommission eingerichtet, die sich mit dem Thema beschäftigt. Überall wird immer wieder die Fahne hochgehoben und gesagt: Wir werden in den nächsten Jahren durch Soli II 2,7 Milliarden Euro verlieren. Das sind in jedem Jahr 200 Millionen Euro, die uns an Investitionsmitteln in diesem Land fehlen werden. Keine Antwort dazu aus diesem FAG. Wir werden mit den Einwohnerverlusten – im Moment sind es durchschnittlich 30 000 jährlich – pro Einwohner 2 350 Euro aus dem Länderfinanzausgleich verlieren. Auch dazu keine Antwort aus diesem FAG.

Schon im Jahr 2005 hat Prof. Lenk im Auftrag des Sächsischen Städte- und Gemeindetages einen Gemeindefinanzbericht vorgelegt, in dem er deutlich gemacht hat, dass wir mit der demografischen Entwicklung, dem höheren Alter und der rapide sinkenden Einwohnerzahl in manchen Gebieten Sachsens einen Kostenremanenzeffekt haben werden, auf den es zu reagieren gilt. Es kann nicht sein, dass die Einwohner weg sind, aber die Kosten bleiben und die Kommunen werden mit diesen Kosten allein gelassen. Auch hierauf keine Antwort, weder in der Pressemitteilung – ich gebe Ihnen Brief und Siegel – noch im FAG zu finden.

Warum nehmen Sie denn den Gedanken eines demografischen Faktors, wie ihn auch Bayern in seinem Finanzausgleichssystem hat, nicht auf? Warum treten Sie nicht mit uns in die Debatte, solch eine Lösung zu finden? Ich werde es nicht verstehen, ich kann es nicht verstehen. Ich gebe gern zu, dass wir im letzten Jahr einiges an Aufgaben hatten, was unvorhersehbar war. Wir befanden uns quasi in Sachsen in einer Dauerkrise. Da kann das eine oder andere Mal etwas hinten herunterrutschen. Aber wir haben doch jetzt die Möglichkeit. Wir haben einen neuen Minister an der Spitze, auch einen neuen Ministerpräsidenten, der dann vielleicht bereit ist, bestimmte Offenheit in Diskussionen in diesem Haus zuzulassen. Ein neuer Stil ist ja angekündigt worden. Dann lassen Sie uns diesen Stil auch Wirklichkeit werden und gehen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, auf uns zu und diskutieren Sie mit uns die besten Lösungen für dieses Finanzausgleichssystem für die Zukunft! Schreiben wir nicht den Status quo fort!

Wir werden weiterhin über die zentralörtlichen Funktionen reden müssen, darüber, ob mit dem Wegfall der vier kreisfreien Städte nicht eine neue Modifizierung notwendig ist, dass wir die Säulen – meines Erachtens – zugunsten eines Zentrale-Orte-Prinzips wegfallen lassen. Auch dazu haben wir leider keine Debatte. Insofern kann ich nur noch einmal darauf zurückkommen und hinweisen, dass mit der Entschließung von CDU und SPD im Jahr 2005 die richtigen Fragen gestellt wurden. Aber sie sind scheinbar in Vergessenheit geraten.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Nein, anscheinend!)

… anscheinend in Vergessenheit geraten. Ich danke Ihnen, Herr Hähle. Auch von der hinteren Bank immer noch ein wertvoller Beitrag.

Wir brauchen also keine Vortäuschung von Normalität mit der Fortschreibung des alten Zustandes des FAG, sondern wir brauchen eine Neujustierung des Finanzausgleichssystems zugunsten unserer Kommunen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wir bitten Sie daher, unserem Antrag zu folgen und eine umfassende Einbeziehung des Sächsischen Landtages in diese Debatte – vom Gesetzgeber aus natürlich – zu verlangen und uns selbst ernst zu nehmen, damit uns auch die Bürger am Wahltag ernst nehmen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Es reagiert als Erstes darauf die CDU-Fraktion. Herr Dr. Rößler. Er spricht gleichzeitig für die Koalition.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Offen gestanden verstehe ich das Anliegen des Antrages und Ihre Aufregung, Kollege Scheel, nicht ganz.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)

Es gibt in unserer hoch geschätzten Verfassung ganz klar vorgegebene Verfahrensabläufe und Beteiligungsvorschriften.

(Beifall der Abg. Heinz Lehmann und Marko Schiemann, CDU)

So regelt unsere Sächsische Verfassung – und Marko Schiemann klatscht zu Recht – in ihrem Artikel 70 klipp und klar das Gesetzgebungsverfahren. Danach können Gesetze von den Fraktionen oder der Staatsregierung eingebracht werden. Erst gestern haben wir das Kulturraumgesetz nach diesem Verfahren in 1. und 2. Lesung verabschiedet und heute in 1. Lesung Ihren Gesetzentwurf zur Sicherung eines kostenfreien Mittagessens behandelt. Das Verfahren ist also hinlänglich bekannt und die Gewaltenteilung, verehrte Kolleginnen und Kollege, ist einer der wichtigsten Grundsätze unseres Rechtsstaates.

Die Vermischung dieser klaren Trennung durch Ihren Antrag, den Antrag der Linken, ist, wie gesagt, völlig unklar. Die Koalitionsfraktionen haben sich auch nicht aufgeregt, dass Sie sie nicht frühzeitig in die Erarbeitung Ihres Gesetzentwurfs zum kostenlosen Mittagessen eingebunden haben. Ähnlich wäre es aber gelaufen, wenn man rein nach Ihrem Antrag ein vergleichbares Verfahren gewählt hätte.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich für meinen Teil bin dankbar für die klaren Regelungen in der Sächsischen Verfassung. Sie schaffen klare Zuständigkeiten und klare Verantwortung. Die Staatsregierung erarbeitet zurzeit einen Gesetzentwurf bezüglich der Neugestaltung des kommunalen Finanzausgleiches. Folglich sind damit Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden, Gespräche und Diskussionen verbunden. Am Ende dieses Willensbildungsprozesses werden dann ein Gesetzentwurf

der Staatsregierung und dessen Behandlung hier in diesem Hohen Hause stehen. Dieser Gesetzentwurf wird sachlich durchdacht, konzipiert und vor allem in gewisser Weise mit der kommunalen Seite abgestimmt sein. Das weitere Gesetzgebungsverfahren zu erklären – wir sind alles alte Hasen in diesem Haus – erspare ich mir an dieser Stelle.

Bei diesem neuen FAG wird eines ganz besonders sein – da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege –: Es wird sich ganz besonders auf die Verwaltungs- und Funktionalreform einstellen müssen. Schon bei der Verabschiedung dieser Reformen waren sich die Koalitionsfraktionen im Klaren darüber, dass diese Reformen erhebliche Auswirkungen auf das FAG haben werden. Deshalb haben wir damals einen Entschließungsantrag verabschiedet, der für uns das Rahmengerüst für die Erarbeitung des Gesetzentwurfes der Staatsregierung bildet.

Ich erinnere noch einmal an dessen Eckpunkte: Der erste und wichtigste Eckpunkt ist, dass die Schlüsselzuweisungen der ehemaligen kreisfreien Städte auch nach der Umschichtung in den kreisangehörigen Raum bei den kreisangehörigen Städten ankommen müssen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Volker Bandmann, CDU: Genau!)

Es geht darum, dass wir mit diesem Anpassungsfonds, den Sie zu Unrecht abqualifizieren, die sogenannten Sickerverluste auffangen wollen. Das wird uns bei der Konstruktion dieses Fonds sich auch gelingen.

Der dritte Punkt war, dass die durch die Verwaltungs- und Funktionalreform geänderten Finanzströme nicht zum Nachteil der neu gebildeten Landkreise führen dürfen. Da wir mit unserer kommunalen Ebene im engen Kontakt stehen, werden wir das auch sicherstellen.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion, die beiden Koalitionsfraktionen, gehen davon aus, dass sich die Staatsregierung bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes von diesem Gedanken leiten lässt. Wenn das hier und da nicht der Fall sein sollte, liegt es an uns als Gesetzgeber, an den richtigen Stellen Änderungen vorzunehmen.

Meine Damen und Herren! Wir konnten der Presse entnehmen, dass die Verhandlungen mit den Spitzenverbänden konstruktiv verlaufen sind und dass man sehr zügig zu Ergebnissen gekommen ist, wie beispielsweise beim sogenannten Vorsorgevermögen. Darauf möchte ich kurz eingehen.

(Antje Hermenau, GRÜNE, unterhält sich mit Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE.)

Ich sehe vor allen Dingen bei Antje Hermenau großes Interesse für diesen Gedanken.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wir haben über die Koalitionsfraktionen hinaus Verbündete in diesem Hohen Haus, wenn es um die nachhaltige Finanzpolitik geht, die wir anstreben.

Wir haben dieses Vorsorgevermögen – so haben Sie das schon ausgeführt – auf circa 617 Millionen Euro orientiert. Der Hintergrund für diese Vorsorge, die wir gern treffen wollen, ist das wunderbare Sprudeln der Steuerquellen. Dadurch bedingt, kam es zu einem starken Anstieg der Finanzausgleichsmasse für die Jahre 2009 und 2010. Diese wollen wir gern zur Verstetigung entsprechender Finanzströme nutzen. Das Vorsorgevermögen soll anteilig beim Freistaat und bei den einzelnen Kommunen verwaltet werden. Sie müssen sich das so vorstellen, dass ein großer Tresor beim Land steht. In diesem großen Tresor, Herr Scheel, liegen dann 317 Millionen Euro, die vom Freistaat Sachsen in einem Fonds verzinslich angelegt sind. Wenn es zu konjunkturbedingten Einnahmeausfällen kommen sollte, sollen damit die Schlüsselzuweisungen der Kommunen verstärkt werden. Die restlichen 300 Millionen Euro sind in lauter kleinen Tresoren bei den einzelnen Kommunen geparkt.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Einwohnerbezogen oder nicht?)

Diese Kommunen erhalten in den Jahren 2009 und 2010 eine sogenannte Vorsorgerücklage, die sie entsprechend verbuchen können. Diese wird in den Folgejahren kontinuierlich aufzulösen sein, um den Rückgang der Solidarpaktmittel und anderes abzumildern. Darüber wird man sich verständigen müssen. Das wird wieder in harten Verhandlungen und Diskussionen erfolgen.